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Neue Entwicklungen zur LQG

Jenseits des etablierten Standardmodells der Elementarteilchenphysik und der Allgemeinen Relativitätstheorie, d.h. Quantengravitation, Supersymmetrie und Supergravitation, Stringtheorien...
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Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 23. Nov 2009, 08:29

In der LQG existieren immer noch einige mathematische Probleme, die es verbieten, diese als abgeschlossene Theorie zu betrachten. Dazu gehört insbs. die Definition bwz. Quantisierung des Hamiltonperators sowie eng damit verbunden die Frage nach der Konsistenz (Anomalienfreiheit) der Constraints d.h. der Symmetrien der Theorie. Letzteres bedeutet, dass sich die klassischen Symmetrien evtl. nicht in vollem Umfang auf die quantisierte Version übertragen lassen.

Grund dafür ist, dass eine Quantentheorie immer einen "größeren Raum zu betrachtender Zustände" zulässt, als die klassische Theorie. Man betrachte dazu zwei Beispiele:
1) am bekannten Doppelspaltversuch mit Interferenzen erkennt man, dass das quantenmechanische "Teilchen" nicht nur den klassischen Pfad zurücklegt, sondern alle denkbaren - auch die klassisch verbotenen Pfade - durchläuft, wobei die Beiträge aller Pfade miteinander interferieren; dies führt unmittelbar zum Begriff des (Feynmanschen) Pfadintegrals
2) in den Feynmandiagrammen der Quantenfeldtheorie tragen zur Propagation und Wechselwirkung eines Teilchens auch Terme bei, bei denen die relativistische Beziehung E² - p² = m² verletzt wird, d.h. dass die QED bsp. Beiträge virtueller massiver Photonen beinhaltet. Die Beziehung E² - p² = m² bezeichnet dabei die sogenannte Massenschale, wird sie respektiert, so nennt man dies on-shell, wird sie verletzt, so spricht man von off-shell

In der LQG zeigt sich als Folge der Quantisierung, dass die Theorie die Diffeomorphismen-Invarianz in gewisser Weise nur on-shell garantiert; dies ist ein zentraler Streitpinkt zwischen Nicolai und Thiemann, wobei Nicolai die Ansicht vertritt, dass die Theorie zwar nicht unbeingt inkonsistent (nicht anomalienfrei) ist, aber doch schlimmstenfalls ohne jede Vorhersagekraft,da die off-shell Struktur quasi beliebig wird. Thiemann dagegen vertritt die Ansicht, dass dies eine Folge der Mischung aus Eich-und Diffeomorphismen-Invarianz der Theorie und damit geradezu eine Kerneigenschaft sein muss.

Die Orginalarbeiten sind eider alle extrem mathematisch, daher verzichte ich hier auf eine genauere Darstellung.

Interessant an den neuen Arbeiten Thiemanns ist, dass er einen weiteren zentralen Punkt ins Auge fasst. Die Quantisierung der ART (ECT) im Rahmen der LQG kann einige spektakuläre Ergebnisse vorweisen, insbs. die Quantisierung von Flächen und Volumina. Daraus lässt sich u.a. die Entropie schwarzer Löcher als "quantisierte Ereignishorizontfläche" ableiten. Diese Ergebnisse sind jedoch erzielbar, ohne den Hamiltonoperator der Theorie zu betrachten, d.h. sie sind reine kinematische Eigenschaften des Hilbertraumes und mit beliebigen Dynamiken verträglich! Umgekehrt ist wie oben erwähnt die Dynamik nicht eindeutig festgelegt, solange es bei der Quantisierung des Hamiltonoperators Mehrdeutigkeiten gibt.

Nun werden seit einigen Jahren die sogenannten Spin-Foam-Modelle betrachtet. Dabei handelt es sich um eine Klasse an Theorien, die man als Pfadintegral-Äquivalente zur kanonischen LQG bezeichnen kann. Man erhofft sich in diesen Modellen eine Umschiffung dieser o.g. Probleme (Umschiffung, nicht unbedingt Lösung). Allerdings zeigt sich, dass diese Modelle ebenfalls nicht eindeutig sind, da eine große Klasse quantenmechansicher Spin-Foams auf die dieselbe klassische Theorie führen können. Ziel ist es nun, herauszufinden, wie man die LQG (Spinnetzwerke) und die Spin-Foams eindeutig zueinander in Beziehung setzen kann, um so entweder deren Konsistenz und Eindeutigkeit zu zeigen, oder um herauszufinden, wo genau die Quantisierung nun fehlschlägt.

Interesasanterweise werden Pfadintegrale häufig als alternative Quantisierungsmethode neben dem kanonischen Zugang über Hamiltonoperator und Hilbertraum angesehen, allerdings zeigte Feynman die Äquivalenz dre beiden Methoden, in dem er aus dem kanonischen Zugang das Pfadintegral konstruierte. Streng genommen gibt es einige Eigenschaften der Pfadintegrale, die sich ohne diesen Zugang nicht eindeutig konstruieren sondern lediglich (ohne Beweis) postulieren lassen. Insbs, ist es unklar, wie die verschiedenen Beiträge zu einem Pfadintegral zu gewichten sind; zwar ergeben sich bestimmte Vorgaben aus der klassischen Theorie, allerdings sind es gerade die zu erwartenden Quantenkorrekturen, die eben nicht exakt konstruierbar sind.

Thiemann konstruiert nun genau diese Gewichtungen (das sogenannte Maß des Pfadinterals, also das Analogon zu dem dx in einem gewöhnlichen Integral) aus dem kanonischen Zugang.

Ich halte euch auf dem laufenden ...
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 23. Nov 2009, 13:21

Es wird ja momentan an zwei Fronten "gekämpft":
1) die theoretisch-mathematisch noch offenen Probleme in den Griff zu bekommen;
2) physikalische und überprüfbare Vorhersagen abzuleiten.
Beides ist schwierig und offensichtlich langwierig, aber sicher nicht hoffnungslos.

Man kann m.E. sogar mit einem Teilerfolg leben, d.h.
1) 100% mathematische Konsistenz ohne experimentellen Support wären zumindest eine erste und einzige konsistente Theorie der QG
2) überprüfbare und verifierte Vorhersagen ohne 100% mathematische Konsistenz wären ein echter Erfolg

Man muss die Entwicklung mal mit der QCD vergleichen. Die Idee mit der Farbladung stammt aus den 60iger Jahren. Der Renormierbarkeitsbeweis war Anfang der 70iger. Tiefinelastische Streuung konnte ebenfalls relativ zügig erledigt werden. Der Beweis für Confinement steht heute noch aus. Ich fürchte also, dass es auch in der LQG noch etwas dauern wird ... aber ich sehe auch, dass einige momentan etwas nervös werden, weil man eben gerade aus der LQG Community heraus die String-Community kritisiert hat und jetzt Gefahr läuft, in eine (oberflächlich betrachtet) ähnliche Situation zu geraten.
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von kostja » 23. Nov 2009, 15:48

Vielen Dank für diesen interessanten Bericht. Ich finde es interessant, dass sich nicht wenige Fragen über die mathematische Konsistenz drehen. Überraschend finde ich nur, dass z.B. gerade Pfadintegrale scheinbar schon zum Standardwerkzeug gehören, über die nicht mehr viel nachgedacht wird. Soweit mir bekannt, ist die Existenz von Pfadintegralen nur sehr speziellen Fällen bisher bewiesen worden.

Grüße
Konstantin

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 23. Nov 2009, 17:08

Tja, die Pfadintegrale in der Quantenmechanik sind Standard (soweit ich weiß ist deren Existenz mathematisch beweisbar). Die Pfadintegrale in der Quantenfeldtheorie sind i.A. nicht definiert, insbs. ist die komplexe e-Funktion exp iS mit komplexer Amplitude ein Problem. In der QFT kann man das durch den Trick der Wick-Rotation umgehen, man setzt "einfach" das Pfadintegral zu von reellen t imaginären Zeiten it fort, fordert die analystische Fortsetzbarkeit der Amplituden und erhält formal ein Pfadintegral mit exp -S, das dem eines Diffusionsprozesses entspricht. Ohne feste Hintergrundmetrik ist die Wick-Rotation natürlich nicht sinnvoll definiert.

Für die Spin-Foams betrachtet man formal ein endliches Spinnetzwerk der Raumzeit; die tatsächliche Raumzeit entstünde dann aus einem geeigneten Grenzübergang (wobei der Kontinuumslimes anders als im Falle der Gittereichtheorie definiert ist). Endliche Spinnetzwerk sollten aber mathematisch sauber definiert sein, da sie einem quantenmechanischen System entsprechen. Die Idee von Thiemann ist nun wohl (ich habe das letzte Paper noch nicht gelesen), dass er aus dem kanonischen Formalismus ein Pfadintegral konstruiert und die Übereinstimmung mit dem Spin-Foam Formalimus prüft. Das ist sicher nicht ganz wasserdicht, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von kostja » 23. Nov 2009, 17:26

Huch,

sorry Tom. Diese Antwort ist viel zu hoch für mich. Hast Du Literatur zu quantenmechanischen Pfadintegralen?

Grüße
Konstantin

EDIT: Ich habe grade zwei Paper von DeWitt gefunden, und werde mir die mal ansehen.

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 23. Nov 2009, 17:35

Roepstorff, G.: Pfadintegrale in der Quantenphysik, Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH 1991

Ansonsten kenne ich selbst kein frei verfügbares Skript; evtl. hier: http://physik-skripte.de/
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von kostja » 23. Nov 2009, 18:33

Das sieht interessant aus. Vielen Dank.
Die Arbeit von Cartier und DeWitt-Morette ist sehr schwer zu lesen. :-) Man kann oft nicht unterscheiden, was sie definieren, und was sie gerne von einer Definition haben möchten.

Grüße
Konstantin

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 8. Dez 2009, 22:04

Ich habe inzwischen ein weiteres Paper aus der Arbeitsgruppe von Thiemann gelesen. Es geht voran - aber sehr langsam.

Eine Idee ist, zu zeigen, wie eine Quantenfeldtheorie für Materie auf einer klassischen, glatten Raumzeit entsteht. Dazu wird eine Born-Oppenheimer-Näherung durchgeführt. Diese kann man sich im wesentlichen so vorstellen, dass es "langsame" und "schnelle" Freiheitsgrade gibt, so dass deren Energieskalen und Geschwindigkeiten entkoppeln.

Man vergleiche das mit der Berechnung eines Moleküls: die Atomkerne sind schwer und daher träge und langsam, während die Elektronen leicht und daher schnell sind. Man betrachtet zunächst die Kerne als ortsfest und löst die Gleichungen für die Elektronen. Im Falle der Quantengravitation nimmt man die Raumzeit als träge an (ihre Anregungen lägen auf der Massenskala der Planckenergie) während normale Quantenfelder für uns bekannte Materie den schnellen Freiheitsgraden entsprächen. Die Rückwirkung der schnellen Freiheitsgared auf die langsamen führt nur zu geringen Korrekturen dahingehend, dass die langsamen Freiheitsgrade einen bestimmten "optimalen" Zustand einnehmen - so wie die Atomkerne im Molekül einen bestimmten Abstand einnehmen, in dem die Gesamtenergie minimal wird. Im Falle der Raumzeit wäre der "optimale Zustand" die klassische, glatte Raumzeit. Auf diese Weise kann die Entstehung einer Quantenfeldtheorie auf einer klassischen Raumzeit verstanden werden, während die grundlegende Theorie sowohl quantisierte Felder als auch eine quantisierte Raumzeit enthält. D.h. man versteht, warum in einer gewissen Näherung die bekannte Physik aus der Quantengravitation hervorgehen kann.

Leider wird in dem Artikel jedoch auch eine Näherung bzgl. der Symmetriestruktur der Eichgruppe der Raumzeit durchgeführt, so dass das Ergebnis m.E. nach nur exemplarischen Charakter hat, ohne jedoch Details korrekt wiederzugeben. Außerdem sieht man nicht, wie die Struktur der glatten Raumzeit selbst aussieht, sondern man lernt lediglich die Entkopplung der Freiheitsgrade kennen. D.h. zuletzt hat man nicht etwa den Minkowski-Raum, sondern man steckt diesen doch in etwa als Ansatz bereits hinein und erhält eine QFT auf diesem Minkownski-Raum (explizit gezeigt wird dies für den Fall eines glatten FRW-Universums mit der Kopplung inhomogener Materie, d.h. für ein ähnliches Modell wie in der LGC)

...
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 25. Apr 2010, 11:06

Es wird Zeit, wieder einmal zu berichten, was sich bei der LQG getan hat. Anlass dazu ist ein kurzer Übersichtsartikel von Rovelli

http://arxiv.org/abs/1004.1780
A new look at loop quantum gravity
Carlo Rovelli
(Submitted on 11 Apr 2010)
Abstract: I describe a possible perspective on the current state of loop quantum gravity, at the light of the developments of the last years. I point out that a theory is now available, having a well-defined background-independent kinematics and a dynamics allowing transition amplitudes to be computed explicitly in different regimes. I underline the fact that the dynamics can be given in terms of a simple vertex function, largely determined by locality, diffeomorphism invariance and local Lorentz invariance. I emphasize the importance of approximations. I list open problems.

Historischer Ausgangspunkt der LQG war die Umformulierung der ART mittels der sogenannten Ashtekar-Variablen, die eine enge Verwandtschaft zu Eichtheorien zeigten; die ART konnte als Eichtheorie mit lokaler Lorentzsymmetrie aufgefasst werden. Dies ermöglichte die Konstruktion bestimmter Operatoren (Holonomien und Flüsse), die aufgrund der Diffeomorphismeninvarianz eine KOnstruktion von Spinnetzwerken zuließen. Diese Spinnetzwerke erschienen dabei als "in die Mannigfaltigkeit eingebettet". Davon konnte man sich befreien, indem man einfach die Spinnetzwerke als grundlegende Struktur postulierte und ihre Herleitung quasi "vergaß".

Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist. (Wittgenstein)

Diese Herleitung beruhte dabei im wesentlichen auf den Methoden der kanonischen Quantisierung und den drei sogenannten Constraints G, D un d H, die die Symmetrie unter Eichtransformationen, Diffeomorphismeninvarianz und Zeittranslationen repräsentieren. Insbs. letztere spielt eine zentrale Rolle und ist - trotz langjähriger Bemühungen nicht befriedigend verstanden.

Rovelli, Bianchi, Freidel, Lewandowski, Thiemann et al. haben nun die Leiter endgültig weggeworfen:

"In my opinion, after many years of attempts to quantize general relativity, it is time to leave the ladder behind, and start taking seriously what the various quantization procedures have produced. It is especially so since large overlaps have appeared between the results of the dierent quantizations techniques (canonical, path integral and others; see Section II F, below). I expect that it is now going to be more productive to study the theory and its consequences, in order to asses its viability, rather than keep trying to derive the theory."

Rovelli stellt das mathematische Rüstzeug dar, das man benötigt, um innerhalb bzw. auf Basis des Formalismus voranzuschreiten und neue Untersuchungen zu starten. Dabei ist insbs. zu erwähnen, dass
- verschiedene Ansätze zur Quantisierung offensichtlich auf zu einem ziemlich einheitlichen Theoriegebäude konvergieren
- diese Theorie mathematisch absolut sauber definiert ist
- der klassische Grenzfall einer glatten Raumzeit gemäß der ART recht gut verstanden ist und insb. sogenannte kohärente Zustände diesen beschreiben
- in dem genannten Limes der Graviton-Propagator abgeleitet werden kann, d.h. man erlangt ein Verständnis für die Quantisierung schwacher Gravitationswellen
und somit die Zeit reif ist, die Theorie anzuwenden, praktisch zu erproben und weiter auszubauen

Die verschiedenen Ansätze sollen hier nochmals kurz vorgestellt werden: neben der o.g. kanonischen Quantisierung auf Basis der Ashtekar-Variablen wurde ziemlich parallel auch der Spin-Foam Formalismus entwickelt. Dabei ist ein Spin-Foam die zeitliche Entwicklung eines Spin-Netzwerkes, bzw. umgekehrt ein Spin-Netzwerk der Schnappschuss eines Spin-Foams. Diese Sichtweise ist jedoch problematisch, da sie voraussetzt, eine Zeit definieren zu können, zu der ein Schnappsschuss gemacht wird. Ein anderer Ansatz war, die Raumzeit in sogenannte 4-Simplizes (z.B. 4-dim. Verallgemeinerungen von Tetraedern, vgl. CDT) zu zerlegen, und jeden Tetraeder durch einen SU(2)-Vertex eines Spinnetzwerk zu repräsentieren; die Begrenzungsflächen eines Simplex zu seinem Nachbarn entsprachen den SU(2)-Links im Spinnetzwerk. Der Nachteil dieser Betrachtungsweise war, dass das Spinnetzwerk quasi als im Raum eingebettet erschien, während es doch den Raum eigentlich erst definieren sollte. Insbs. gibt es Spinnetzwerke, die allgemeiner sind als die Zerlegung in Simplizes, zu denen es also keine Simplizes gibt.

Man betrachte dazu ein sehr einfaches (eindimensionales!) Beispiel. Der eindimensionale Raum sei eine Gerade. Die Vertizes sind einfach eine Menge von Punkte auf der Gerade. Die Links sind die Verbindungsstrecken zwischen benachbarten Punkten. So ensteht die Gerade aus einen Aneinanderreihung von Strecken. Doch was passiert, wen man nicht benachbarte Links ebenfalls durch Links verbindet? Man sieht, dass der Graph, den man i.A. zwischen den Vertizes konstruieren kann, allgemeiner ist als die zugrundeliegend Gerade. Insbs. besteht der Graph zwar immer noch aus eindimensionalen Elementen, ist in seiner Gesamtheit aber eben nicht mehr eindimensional

Nicht verwschiegen werden sollen die konzeptionellen offenen Fragen (neben den technischen Fragen wie man bestimmte Rechnungen durchführt)
- der Hamiltonsche Constraint H ist nach wie vor nicht vollständig verstanden (nimmt aber in der Theorie inzwischen einer weniger prominente Rolle ein)
- was ist die Bedeutung der kosmoliscgen KOnstanten? wo erscheint sie in der Theorie? gibt es einen Bezug zur sogenannten q-Deformation der SU(2) zur SU[down]q[/down](2)?
- was ist die genaue Bedeutung des Immirzi-Parameters und wie wird sein Wert festgelegt?
- wie kann man physikalische Observablen definieren und berechnen; z.B. die Energie innerhalb eines bestimmten Volumens?

Es bleibt spannend ...
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 14. Mai 2010, 08:50

Im letzten Beitrag habe ich ja auf einige immer noch offene Fragen im Rahmen der LQG hingewiesen (wie sie insbs. auch in Rovellis Papier angesprochen werden)
- der Hamiltonsche Constraint H ist nach wie vor nicht vollständig verstanden (nimmt aber in der Theorie inzwischen einer weniger prominente Rolle ein)
- was ist die Bedeutung der kosmologischen Konstanten? wo erscheint sie in der Theorie? gibt es einen Bezug zur sogenannten q-Deformation der SU(2) zur SUq(2)?
- was ist die genaue Bedeutung des Immirzi-Parameters und wie wird sein Wert festgelegt?
- wie kann man physikalische Observablen definieren und berechnen; z.B. die Energie innerhalb eines bestimmten Volumens?

Insbs. die erste Frage ist insofern problematisch, als sie eine vollständige Harmonisierung von kanonischem Formalismus (Hamiltonsche Quantisierung, Hamiltonian Constraint) und Pfadintegral-Formalismus (Spin Foams) verhindert. Zum einen lässt sich im Rahmen der gewöhnlichen Quantenmechanik das Pfadintegral aus dem kanonischen Formalismus ableiten (das war der wesentliche Beitrag Feynmans), zum anderen zeigen sich auch im Pfadintegralformalimus die wesentlichen Strukturen der Theorie (gebundene Zustände, Massen bzw. Energien, Resonanzen, ...). D.h. hier sind diese beiden Zugänge strikt äquivalent.

Im Rahmen der LQ ist dies leider nicht so. Hier lässt der Pfadintegralformaismus eine größere Klasse von Theorien zu, die quantenmechanisch nicht äquivalent sind, jedoch alle den klassischen Grenzfall der ART enthalten sollten. Ursache ist die fehlende Eindeutigkeit der Quantisierung des Hamiltonoperators. Dabei handelt es sich im übertragenen Sinne um die Konstruktion eines Hauses (der LQG) aus einer Bauzeichnung (der ART) mittels der Quantisierung (Lesen der Bauzeichung und bauen). Ihr stimmt mir wohl alle zu, dass man zum Bauen eines Hauses noch weiteres Kontextwissen und weitere Fertigkeiten benötigt. Insbs. behaupte ich, dass jemand, der keine Maurerlehre absolviert hat und der noch nie ein Haus gesehen hat, nicht in der Lage ist, nur auf Basis einer Bauzeichnung ein Haus zu bauen. Genau hier stehen wir aber bei der Quantisierung einer Theorie. Wir versuchen die quantisierte Version zu konstruieren, haben sie aber noch nicht vor Augen. Der Weg ist alles andere als eindeutig ...

Rovelli hat nun ein neues Papier veröffentlicht, in dem er eine neue Regularisierung des Hamiltonoperators vorstellt, was letztlich dazu führt, dass diese anders auf die bekannten Spinnetzwerkzustände wirkt als bisher angenommen. Daraus folgt außerdem, dass dieser so konstruierte Hamiltonoperator kompatibel mit der Spin-Foam Methodik ist (was für den alten Constraint nicht galt).

http://arxiv4.library.cornell.edu/abs/1005.0817
A regularization of the hamiltonian constraint compatible with the spinfoam dynamics
Emanuele Alesci, Carlo Rovelli
(Submitted on 5 May 2010)
We introduce a new regularization for Thiemann's Hamiltonian constraint. The resulting constraint can generate the 1-4 Pachner moves and is therefore more compatible with the dynamics defined by the spinfoam formalism. We calculate its matrix elements and observe the appearence of the 15j Wigner symbol in these.

Alesci ist dabei ein Mitarbeiter von Thomas Thiemann (Universität Erlangen, Institut für Theoretische Physik III - beim Vorgänger von Thiemann habe ich mein Diplom gemacht :-), der vor einigen Jahren den "alten" Hamiltonoperator konstruierte. Dabei führte er den heute sogenannten Thiemann-Trick ein, der einen bestimmten Term im Hamiltonoperator auf eine neue Weise und damit mathematisch handhabbar umformt. Die Regularisierung dieses so gewonnen Operators wird nun von Rovelli und Alesci dergestalt modifiziert, dass die Wirkung des Operators auf die Spinnetzwerke zu einer neuen Wechselwirkungsstruktur führt.

Abschließend einige Zitate aus dem Artikel (dessen Hauptteil extrem mathematisch und hier nicht zu diskutieren ist)

The recent years have seen a steady convergence between the canonical (spin networks) and the covariant (spinfoams) versions of loop quantum gravity (LQG). ... the effort to compute the two-point function of the theory has lead to a modification of the covariant theory whose background independent kinematics matches the canonical one. Relating the dynamics appears to be less obvious, ... Here we introduce a small modification of the canonical hamiltonian constraint operator, which brings it closer to the spinfoam dynamics, thus realizing a possible step towards the full convergence of the two formalisms.

The consequences of this alternative regularization are multifold. First, the regularized operator appears to be more natural and more symmetric, ... In particular, the curvature is evaluated on a plane which appears to be natural from a geometric point of view. ... Therefore the constraint implements the 1-4 Pachner move, which is characteristic of the spinfoam dynamics. Third ...
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 14. Mai 2010, 11:35

tensor hat geschrieben:Ich habe den Eindruck, dass die Entwicklung der LQG mathematische Flickschusterei auf hohem Niveau darstellt. Hier ein bisschen modifizieren, da was anpassen.
Tja, so ist das, während eine Theorie entwickelt wird. Das war z.B. im Bereich der QED nicht anders.

tensor hat geschrieben:Wo bleibt der große Wurf?
Was erwartest du?

Der Grenzfall der klassischen Raumzeit sowie des Gravitonpropagators sind inzwischen gut verstanden. Eine Charakterisierung von schwarzen Löchern in der vollen LQG (nicht die LQC als Näherung) ist ebenfalls gut verstanden. Erste Vorhersagen bzgl. Auswirkungen der LQC auf Gravitationswellen und damit auf die Fluktuationen der kosmischen Hintergrundstrahlung liegen vor.

tensor hat geschrieben:Wesentlich weiter als die Stringtheorie scheint sie nicht gekommen zu sein.
Was ihre experimentellen Vorhersagen betrifft - "ja"; was jedoch ihre innere Konsistenz betrifft - definitiv "nein"! Gerade dieses neue Papier von Rovelli zeigt in beeindruckender Weise, dass im Rahmen der LQG verschiedene Methoden konsistent zumselben Ziel führen. Gerade dieses Zusammenwachsen der kanonischen Quantisierung (Spinnetzwerke) und des Pfadintegralformalismu (Spin-Foams) ist schon fast ein "großer Wurf". Im Gegensatz zur Stringtheorie werden nicht ständig neue grundlegende Konzepte sondern allenfalls Lösungsmethoden eingeführt.

tensor hat geschrieben:Insgesamt bin ich skeptisch gegenüber LQG und Stringtheorie.
Ich bin dahingehend skeptisch, dass experimentell überprüfbare Vorhersagen grundsätzlich eher die Ausnahme bleiben; das ist weniger den selbst Theorien anzulasten als der Tatsache, dass sie eben gerade einen nicht experimentell zugänglichen Anwendungsbereich haben.
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 16. Mai 2010, 18:02

tensor hat geschrieben:Was nützen mir Gleichungen, die nicht lösbar sind oder wo der Aufwand extrem hoch ist und man sich fragen muss, ob die Lösungen zuverlässig sind?
Das war bei der QCD lange Zeit ähnlich.
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von Timm » 16. Okt 2010, 18:56

tomS hat geschrieben: Gerade dieses neue Papier von Rovelli zeigt in beeindruckender Weise, dass im Rahmen der LQG verschiedene Methoden konsistent zumselben Ziel führen. Gerade dieses Zusammenwachsen der kanonischen Quantisierung (Spinnetzwerke) und des Pfadintegralformalismu (Spin-Foams) ist schon fast ein "großer Wurf". Im Gegensatz zur Stringtheorie werden nicht ständig neue grundlegende Konzepte sondern allenfalls Lösungsmethoden eingeführt.
Hierzu eine Frage, nachdem ich gerade mit großem Interesse den Thread "Elementarteilchen entstehen aus verdrillter Raumzeit?" gelesen habe. Zunächst mal, gibt es dazu einen neuen Stand? Und ist diese Idee, Teilchen als verdrillte Raumzeit zu betrachten, auf die unterschiedlichen Ansätze der LQG anwendbar? Oder könnte man erwarten, daß ein derartiges Teilchenszenario mit einer bestimmten Spielart der LQG eine konsistente Theorie ergibt und somit eine Art Auswahlkriterium liefert?

Gruß, Timm

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von tomS » 17. Okt 2010, 23:17

Nein, ich kenne dazu leider keine neuen Arbeiten. Es handelt sich um erste Ansätze, keinesfalls um eine ausgearbeitete Theorie; kann durchaus auch sein, dass sich das in Nichts auflöst.
Gruß
Tom

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Re: Neue Entwicklungen zur LQG

Beitrag von Timm » 19. Okt 2010, 19:15

tomS hat geschrieben:Nein, ich kenne dazu leider keine neuen Arbeiten. Es handelt sich um erste Ansätze, keinesfalls um eine ausgearbeitete Theorie; kann durchaus auch sein, dass sich das in Nichts auflöst.
Das wäre schade. Ok, danke für die Antwort,

Gruß, Timm

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