ralfkannenberg hat geschrieben: ↑14. Jul 2018, 23:07
auch wenn die Threadüberschrift irreführend ist, weil sie sich auf den ersten Entwurf der Planetendefinition der IAU bezieht.
Hallo zusammen,
tatsächlich wäre fast die Situation eingetreten, dass im Rahmen der Himmelsdurchmusterung, bei der der ehemalige 9.Planet Pluto entdeckt wurde, noch ein weiterer Kuipergürtel-Planetoid entdeckt worden wäre, nämlich der Zwergplanet Makemake. Sie stand damals näher an ihrem Perihel und hätte helligkeitsmässig den Astronomen mit ihren Blinkkomparatoren auffallen können, vermutlich befand sie sich aber vor einer sternreichen Region und wurde deswegen übersehen.
Wir rufen uns in Erinnerung: die Suche nach dem damals als "Planet X" - das X stand für "unbekannt" - bezeichneten Planeten wurde deswegen durchgeführt, weil der Planet Neptun nicht alle Bahnabweichungen des Planeten Uranus erklären konnte. Seit dem Vorüberflug der Voyager 2 Sonde indes kennt man die Uranusmasse so genau, dass sich die noch geglaubten Abweichungen im statistischen Rauschen aufgelöst haben. Doch das war erst 1986, d.h. zu Beginn des 20.Jahrhunderts wusste man das noch nicht.
Wir nehmen nun an, die Makemake wäre bereits damals entdeckt worden. Glaubte man anfangs, der Pluto sei etwa 40000 km im Durchmesser, so hätte man mit derselben Abschätzung die Makemake auf ~30000 km im Durchmesser geschätzt.
Schon 1 Jahr später wurde der Durchmesser des Pluto auf Erdgrösse korrigiert, so dass dann die Makemake auf rund 8000 km im Durchmesser geschätzt worden wäre, also noch deutlich grösser als unser äusserer Nachbarplanet Mars, und die beiden wären wohl auch problemlos als 9. und 10.Planet klassiert worden.
Die weiteren Entwicklungen wären wohl gleich geblieben, weder der Pluto noch die Makemake wären für die verbliebenen Abweichungen der Uranusbahn in Frage gekommen, d.h. sämtliche Untersuchungen betreffend eines Transpluto wären gleich geblieben. Einen "Schock" hätte es dann erst wieder 1978 mit der Entdeckung des Plutomondes Charon gegeben, dank der man die wirklichen Proportionen des Pluto recht genau abschätzen konnte, vermutlich hätte man auch bei der Makemake nach einem Mond gesucht. Anders als im Jahre 2005 und 2006, als Makemake eine von vielen war, hätte man bereits 1993 Beobachtungszeit am Hubble Space Teleskop erhalten und seien wir optimistisch den Mond auch entdeckt. Somit hätte man 1993 den Durchmesser der Makemake vermutlich zu ~1800 km bestimmt, zwar kleiner als derjenige des Pluto, aber wenigstens immer noch doppelt so gross wie der Durchmesser des grössten damals bekannten Planetoiden Ceres.
Da die ACS erst mit der Servicemission SM 3B im Jahre 2002 m HST installiert wrde, hätte man im Jahre 1993 den Durchmesser der Makemake vermutlich noch nicht direkt bestimmen können.
Hätte man Makemake den Planetenstatus entzogen, so hätte man ihn auch dem Pluto entziehen müssen und das wird man damals nicht gewollt haben. Zwar waren im Jahre 1993 auch schon die ersten drei Kuipergürtel-Planetoiden entdeckt worden, doch hatten diese Durchmesser im 200 km-Bereich, waren also Durchmesser im Bereich der grösseren Hauptgürtel-Planetoiden sowie der bekannten grösseren Zentauren wie Chiron und Pholus; der dritte zu diesem Zeitpunkt bekannte Zentauer Nessus war ja deutlich kleiner.
Die Geschichte danach wäre ebenfalls analog verlaufen; die beiden ersten "grösseren" Kuipergürtel-Planetoiden Varuna und Ixion waren zwar grösser als Vesta und Pallas im Hauptgürtel, aber nach wie kleiner als Ceres und hätten kaum Diskussionen ausgelöst.
Somit wäre wohl auch bei einer frühen Entdeckung der Makemake in den 1930-iger Jahren die Planetendiskussion erst mit der Entdeckung des Quaoar und der Vermessung seiner Durchmessers mit Hilfe des Hubble Space Teleskopes in Gang gekommen. Auch die Entdeckungen der Sedna und von Orcus wären noch unter dem Durchmesser der Makemake geblieben, erst mit der Entdeckung der Haumea und der Eris - ihre Entdeckungen wurden ja zusammen mit der Entdeckung der Makemake im Jahre 2005 kommuniziert - hätten dann zur Folge gehabt, dass man nun einen Planetoiden in vergleichbarer Grösse wie die Makemake - die Haumea ist 0.4mag schwächer in der absoluten Helligkeit als Makemake - und einen vergleichbaren Planetoiden in der Grösse des Pluto - die Eris ist absolut 0.4mag heller als der Pluto und somit einen 11. und einen 12.Planeten gefunden hätte, beide nur geringfügig grösser als die drei zu diesem Zeitpunkt grössten bekannten Planetoiden Orcus (der sich dann aber als kleiner als ursprünglich erwartet herausstellte), Sedna (vermutlich auch kleiner als ursprünglich erwartet) und Quaoar. Die Entdeckung der "Snow White" hätte an diesen ganzen Szenarien vermutlich nichts mehr geändert, zumal man erst seit wenigen Jahren annimmt, dass sie sogar noch etwas grösser als die Makemake ist.
Freundliche Grüsse, Ralf