Seite 1 von 1

Physiker kehren die Zeit um

Verfasst: 14. Mär 2019, 16:41
von Frank
Quantencomputer als Zeitmaschine: Physiker haben das scheinbar Unmögliche möglich gemacht – und die Zeit umgekehrt. Sie brachten Qubits auf einem Quantencomputer für Sekundenbruchteile dazu, sich gegen den Zeitpfeil der Thermodynamik zu entwickeln. Statt zufällige, unordentliche Zustände einzunehmen, sprangen die Qubits auf ihren geordneten Ausgangszustand zurück. Dies entspricht einer Umkehrung der normalen Entropie und damit auch der Zeit, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
https://www.scinexx.de/news/technik/phy ... e-zeit-um/

https://www.nature.com/articles/s41598-019-40765-6

In wieweit ist das zu werten, oder besser gesagt, was bedeutet das für die Makrowelt?

Ich bin der Meinung das es Grundlagenforschung ist, mehr nicht. Zeitreisen werden wohl doch nie möglich sein. (ich weiss, man soll niemals nie sagen...)

Dazu sollte man an meiner Stelle auch erstmal wissen was Qubits überhaupt sind.(Einfach erklärt).... :mrgreen:

Re: Physiker kehren die Zeit um

Verfasst: 14. Mär 2019, 17:37
von Herr5Senf
Nunja, Überschriften müssen ja was hermachen, damit draufgeklickt wird :o
Das Stichwort ist Quantencomputer, Qubits sind da Zahlenkombinationen, man läßt Programme laufen, eins degradiert die Zustände, Nr. zwei regeneriert.
Das ist sowas wie der Maxwell-Dämon, mit zwei Qubits hatte man 80% Erfolg, mit drei nur noch 50%, dann geht's wohl "abwärts" Richtung Zufall versus Ordnung.
Schon die gute Schrödinger-Gleichung erlaubt es einzelnen Elektronen, über die gesamte "Laufzeit" des Universum für 0,06 nanosec in die Vergangenheit zu springen.

Um die Unordnung (2.HS Thermodynamik - Entropie - Zeitpfeil) im Weltall müssen wir uns keine Sorgen machen - beruhigt Dip

PS: es gibt schon einen böslustigen Witz "Kommt man so auch zurück ins Standesamt?" :well: :well:

Re: Physiker kehren die Zeit um

Verfasst: 18. Mär 2019, 15:51
von deltaxp
Ich hab mir beide Artikel durchgelesen. Der scinexx ist natürlich sehr pop-science lastig und auch etwas reisserisch. der originale artikle hat zwar auch einen etwas reisserischen titel, aber der Inhalt hat Hand und fuss.

Um dich zu beruhigen erstmal für die Makrowelt hat das ganz klar keine Bedeutung. Ich versuch mal etwas licht ins dunkel zu bringen.

Fakt ist eins: die fundamentalen Gleichungen der Physik kennen keine Zeitrichtung. Die Zeitrichtung die wir so kennen kommt durch den Entropiezuwachs. Aber das ist eben auch nur eine statistische Größe. Auch der zweite Hauptsatz verbietet die Zeitumkehr im Sinne von Entropieverringerung eines abgeschlossen Systems nicht wirklich, sie ist nur extrem unwahrscheinlich.

In der Quantenmechanik hier die Schrödingergleichung ist Zeitumkehr mittels mathematischer Operatoren formell kein Problem. Die Wissenschaftler wollten rausfinden ob und falls ja, wie man die mathematische zeitumkehr in der Praxis realisieren kann und haben das für mehrere Fälle untersucht.

In einigen geht das. Bei einem einzelnen Elektron läuft das wellenpaket gemäss der Schrödingergleichung auseinander und durch ein geschickt gewähltes elekrrisches potential nach einer gewissen Zeit t, dreht man die Phasen des Zustandes um und die weitere freie Entwicklung führt dann wieder zum Zusammenlaufen so dass der Anfangszustand wieder fast entsteht (vollständig kriegt man das in der Praxis aufgrund der immer vorhanden fehlerund Ungenauigkeit des aufbaus nie hin). Man brauch also eine physikalischen Prozess, der die Phasen umkehrt, aber sonst nix am quantensystem tut. Ob man das jetzt Zeitumkehr nennt naja. Letzlich entwickelt sich das System gemäß der Schrödingergleichung vorwärts, durch Manipulation des Quantenzustandes kann man die weitere Entwicklung so beeinflussen das das es nach 2t wieder am anfangszustand (näherungsweise) angekommen. Wenn man die Zeit weiter laufen lasse würde würde es wieder auseinanderlaufen.

klassisch kann man durch vollständig reversible Prozesse es im Prinzip auch hinkriegen. wenn ich ein idealen Tischtennisball senkrecht fallen lasse und er von der der Tischtennisplatte ideal abprallt zum Zeitpunkt t (das entpräche dannd er Manipualtion des quantenzustands) wird er wieder auf die ursprüngliche höhe aufsteigen (auch die klassische mechanik kennt keinen Zeitpfeil)

Das interessantere ist deren Versuch das mit mit Mehrteilchensystemen hinzukriegen. Dann wird's schwierig aber eben auch nicht unmöglich. denn nachwievor gilt die Zeitsymmetrie. Den Quantencomputer haben sie genommen, weil man damit natürlich hervorragend quantenprozesse simulieren kann (hier hatten sie sowie ich das verstanden habe die spinentwicklung von nem zweiteilchensystem mit einem bestimmten hamiltonian von simuliert, soweit ich das verstanden hatte), ohne das man die Kohärenz zerstört. begonnen hatten sie mit einem produktzustand |0>|0> (beide spin down von mir aus. und dann haben sie es sich entwickeln lassen. Wie das jetzt ganz genau funktioniert weiss ich auch nicht irgendwie durch quantengatter. wenn man misst gibt es halt 4 Möglichkeit 00, 01, 10, 11 nach einem Zeitpunkt t haben sie den "zeitinversionsopperator" also die phasenmanipualtion eben fall durch ein quantengatter simuliert, so dass nach der zeit 2t jetzt wieder der zustand |0>|0> durch freie evolution gemäss schrödingergleivchung erreicht werden soll (oder halt 000 bei 3 qubit versuch)

und das funktionierte ganz gut, aber da die quantencomputer eben derzeit auch nicht perfekt sind, und es zu dekohärenz kommt, eben nicht vollständig. bei 2 qubits haben sie es zu 85% (Zufall wäre 25%) bei 3 zu 50% (Zufall 12.5%). Bei perfekten theoretischen quantencomputern dann 100% natürlich.

Aber was war der Aufwand den timereversal Operator zu implementieren: das haben sie auch gesagt: für 2 Teilchen brauchten 48 gates unf bei 3 Teilchen schon 144.

Im allgemeinen haben sie angegeben steigt aufwand typischerweise proportional wie t^d, t: die zeitlänge die man invertieren will, d: die anzahl der Teilchen im quantensystem. wenn man die oberen Zahlen da nimmt und die Formel benötigen würden sie um einen 100 teilchensystem jedes mit nur 2 zustäemdem (also was einfaches) schätzungsweise 10^80 Quantengitter brauchen um die Inversion hinzukriegen, sowiel Teilchen gibs im uns überschaubaren Universum. Die Entropie des gesamtsystems: qubit usn quantencomputer ist damit ganz klar gestiegen.

Kurz gesagt, das man daraus was für makroskopische Systeme (die vollständig isoliert sein müssten, damit man es durch einen vielteilchen wellenfunktion beschreiben kann, schon ein photonaustausch mit der Umgebung wär zuviel) ist prakitsch unmöglich. Ausserdem darf man nicht vergessen: nur das betrachte isolierte quantensystem "reist zurück in der zeit" die umgebung läuft ganz normal vorwärts.

Also Entwarnung. Worin lag der praktische Nutzen von ihrem Experiment ? Das steht am ende von dem paper. Es ist in der Tat recht schwer nachzuweisen ob ein quantencomputer wirklich als quantencomputer agiert hat und nicht durch Wechselwirkung mit der Umgebung dekohäriert und klassisch gernechnet hat nachzuweisen. Durch diese time-Inversion muss er wieder auf den Ausgangspunkt ankommen immer immer wieder wenn er vollständig quantenmechanisch rechnet. Der von IBM tat das nicht immer (daher die 85% und 50%) bei nur 2,3 qubits. Um die quantenfähigkeit nachzuweise eigent sich die Methode für wenig qubits also ganz gut. Allerdings wie erwähnt schon bei ein paar qubits mehr wäre der aufwand mit deren Methode zu groß.

Mein persönlicher eindruck. Ich glaube es ging denen mehr ums letztere, das man sowas machen kann mit quantencomputern ist schon länger bekannt eben wegen der zeitsymmetrie der qm. da hab ich auch mal nen vortrag gehört im rahmen der spacetime from entanglement Theorie. aber eher die aufwandsabschätzung umd die "zeit zurückzdrehen" hier haben sie einen konkreten quantencomputer Algorithmus implementiert, der das auch tut.

Re: Physiker kehren die Zeit um

Verfasst: 18. Mär 2019, 20:17
von Frank
@deltaxp
Danke :sup:

Re: Physiker kehren die Zeit um

Verfasst: 30. Mär 2019, 00:46
von Herr5Senf
Die simulierte Zeitumkehr war ihre Schlagzeile nicht wert https://www.heise.de/tr/artikel/Doch-ke ... 39932.html
"Wenn man auf dem Computer einen zeitlich reversiblen Prozess simuliert, kann man 'die Richtung der Zeit umkehren', indem man schlicht die Richtung der Simulation wechselt. Nach einem kurzen Blick auf den Aufsatz muss ich gestehen, dass ich nicht verstanden habe, warum das grundlegender sein sollte, wenn man für die Simulation einen IBM-Quantencomputer verwendet“, sagt Scott Aaronson, Leiter des Quantum Information Center an der University of Texas.

Grüße Dip