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Messung

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Re: Messung

Beitrag von seeker » 31. Mai 2017, 07:08

tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 00:28
Prinzipiell nie
Dieser Umstand ist für mich des Pudels Kern und das habe ich versucht zu umschreiben, als ich von der damit verbundenen völligen Aufgabe der klassischen Realität redete.
tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 00:28
jedoch praktisch nach der typischen Dekohärenzzeit
Völlig klar. Nur scheint mir das dann aus der Sicht eben nicht in dem Sinne real zu sein, nicht grundlegend real, nur scheinbar, nur als Wahrnehmung, nur als Emergenz.
(Ich meine damit nicht die Dekohärenzzeiten selber. Und es ist hier auch völlig egal, wie kurz sie sind, so lange sie nicht Null sind.)

Supervenienzen...

Es sein denn, du denkst an diesem Punkt auch darüber nach, ob der Reduktionismus auf den Prüfstand gehört, ob das Bottom-up Prinzip ontologisch gesehen tatsächlich vollumfänglich Geltung hat (was mich ehrlich gesagt auch freuen würde :wink: )...
Oder du hast noch weitere Ideen zur Lösung in petto.
Grüße
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Re: Messung

Beitrag von tomS » 31. Mai 2017, 09:11

seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 07:08
Oder du hast noch weitere Ideen zur Lösung in petto.
Nein, weil ich kein prinzipielles Problem sehe.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 07:08
tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 00:28
Prinzipiell nie
Dieser Umstand ist für mich des Pudels Kern und das habe ich versucht zu umschreiben, als ich von der damit verbundenen völligen Aufgabe der klassischen Realität redete.
Für mich nicht.

Betrachte das Abbremsen eines Balles, der ins Wasser fällt, nach den Gesetzen der newtonschen Mechanik und der Hydrodynamik. Wann kommt er zur Ruhe? Nie. Betrachte das Schwingen eines Pendels. Wann kommt es zur Ruhe? Nie. Betrachte einen Ball in einer labilen Gleichgewichtslage. Handelt es sich tatsächlich um ein Gleichgewicht? Wie lange muss ich warten, um das beurteilen zu können? Ewig.

Das "Erscheinen der klassischen Welt" bedeutet für mich, dass sich aus dem Gewusel der Quantenobjekte und deren nicht-lokalen Verschränkungen extrem schnell eine "Welt" herausbildet, die aus (jeweils in extrem guter Näherung) lokalisierten, isolierten, stabilen / robusten, nicht mehr interferierenden "klassichen Objekten" besteht. Ontologisch habe ich dann im reduktionsitischen Sinne weiterhin verschränkte Quantenfreiheitsgrade, epistemisch habe ich genau das, was ich täglich sehe, wobei ich letzeres aus ersterem sogar ableiten kann.

Übersehe ich etwas?
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 07:08
Nur scheint mir das dann aus der Sicht eben nicht in dem Sinne real zu sein, nicht grundlegend real, nur scheinbar, nur als Wahrnehmung, nur als Emergenz.
Jein.

Das kennen wir bereits bei anderen Phänomenen: die Wasserwelle besteht aus H2O-Molekülen.

Auch wenn etwas nicht fundamental ist, kann es dennoch real sein. Ich würde dies nicht als Gegensatz begreifen wollen, und ich denke "grundlegend real" hilft da nicht weiter.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 07:08
Supervenienzen...
Ist dieser Begriff in diesem Zusammenhang hilfreich und notwenig?
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 07:08
Es sein denn, du denkst an diesem Punkt auch darüber nach, ob der Reduktionismus auf den Prüfstand gehört, ob das Bottom-up Prinzip ontologisch gesehen tatsächlich vollumfänglich Geltung hat
Ich wüsste nicht, wie ich - als Physiker und im engeren Sinne für physikalische Fragestellungen - anders als reduktionistisch argumentieren könnte. Ich sehe - wie oben gesagt - auch nicht, dass bei dieser Argumentation ein grundsätzlicher philosophischer Haken existiert. M.E. past das alles.

Der wesentliche Haken ist ein anderer, dass wir nämlich, um diese Argumentation schlüssig führen zu können, annehmen müssen, dass die prinzipiell epistemisch unbeobachtbaren Zweige tatsächlich ontologisch existieren. Dies ist m.E. die Hypothese, die das ganze Konstrukt so angreifbar macht - neben der eher technischen Fragestellung, ob wir formal tatsächlich die Bornsche Regek ableiten können.
Gruß
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Re: Messung

Beitrag von positronium » 31. Mai 2017, 12:00

tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 09:11
Betrachte das Abbremsen eines Balles, der ins Wasser fällt, nach den Gesetzen der newtonschen Mechanik und der Hydrodynamik. Wann kommt er zur Ruhe? Nie. Betrachte das Schwingen eines Pendels. Wann kommt es zur Ruhe? Nie. Betrachte einen Ball in einer labilen Gleichgewichtslage. Handelt es sich tatsächlich um ein Gleichgewicht? Wie lange muss ich warten, um das beurteilen zu können? Ewig.

Das "Erscheinen der klassischen Welt" bedeutet für mich, dass sich aus dem Gewusel der Quantenobjekte und deren nicht-lokalen Verschränkungen extrem schnell eine "Welt" herausbildet, die aus (jeweils in extrem guter Näherung) lokalisierten, isolierten, stabilen / robusten, nicht mehr interferierenden "klassichen Objekten" besteht. Ontologisch habe ich dann im reduktionsitischen Sinne weiterhin verschränkte Quantenfreiheitsgrade, epistemisch habe ich genau das, was ich täglich sehe, wobei ich letzeres aus ersterem sogar ableiten kann.

Übersehe ich etwas?
Deine Beispiele zielen leider nur auf Einzelereignisse. Wenn man dagegen die QM betrachtet, könnte man diese Sichtweise nur annehmen, wenn die Dämpfung nicht-klassischer Welten eine näher zu bestimmende "Geschwindigkeit" überschreitet, und auch nicht-klassische Zwischenschritte, deren Zweige wieder zu klassischen werden, stark gedämpft werden.
Man muss ja bei der Messung kontinuierliche Superpositionen betrachten. Die klassischen Zustände sind in diesen Verteilungen verschwindend gering vertreten; die nicht-klassischen überwiegen. Und dieses Überwiegen tritt in jedem Moment auf, was die Menge der nicht-klassischen und auch die zwischenzeitlich nicht-klassischen Zustände extrem anwachsen lässt. Besonders die Zustände, welche nicht-klassisch, aber solchen ähnlich sind, müssten wegen der kontinuierlichen Dämpfung sehr hohes Gewicht behalten - nur eine Dämpfung mit einer Dirac-Delta-Funktion für jeden klassischen Zustand könnte hier abhelfen.

Eine andere Sicht auf die Dinge könnte im Rahmen der VWI sein, dass nur klassische Welten "überleben", weil nur diese näher zu beschreibenden Ansprüchen an Logik genügen. Vielleicht nehmen wir nur klassische Welten wahr, weil wir wegen unserer Funktionsweise in nicht-klassischen nicht existieren können. Das liefe wiederum auf eine Dirac-Delta-Funktion bzgl. klassischer Welten hinaus, und würde oben angesprochenes Problem lösen.

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Re: Messung

Beitrag von tomS » 31. Mai 2017, 17:39

positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 09:11
Betrachte das Abbremsen eines Balles, der ins Wasser fällt, nach den Gesetzen der newtonschen Mechanik und der Hydrodynamik. Wann kommt er zur Ruhe? Nie …

Das "Erscheinen der klassischen Welt" bedeutet für mich, dass sich aus dem Gewusel der Quantenobjekte und deren nicht-lokalen Verschränkungen extrem schnell eine "Welt" herausbildet, die aus (jeweils in extrem guter Näherung) lokalisierten, isolierten, stabilen / robusten, nicht mehr interferierenden "klassichen Objekten" besteht. Ontologisch habe ich dann im reduktionsitischen Sinne weiterhin verschränkte Quantenfreiheitsgrade, epistemisch habe ich genau das, was ich täglich sehe, wobei ich letzeres aus ersterem sogar ableiten kann.

Übersehe ich etwas?
Deine Beispiele zielen leider nur auf Einzelereignisse.
Ja, natürlich. Es geht doch auch bei der Messung eines einzelnen Quantenobjektes um ein Ereignis.
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Wenn man dagegen die QM betrachtet, könnte man diese Sichtweise nur annehmen, wenn die Dämpfung nicht-klassischer Welten eine näher zu bestimmende "Geschwindigkeit" überschreitet, und auch nicht-klassische Zwischenschritte, deren Zweige wieder zu klassischen werden, stark gedämpft werden.
Das verstehe ich nicht.
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Man muss ja bei der Messung kontinuierliche Superpositionen betrachten. Die klassischen Zustände sind in diesen Verteilungen verschwindend gering vertreten; die nicht-klassischen überwiegen. Und dieses Überwiegen tritt in jedem Moment auf, was die Menge der nicht-klassischen und auch die zwischenzeitlich nicht-klassischen Zustände extrem anwachsen lässt.
Man muss immer Superpositionen betrachten. Aber ich verstehe nicht, inwiefern nicht-klassische Zustände überwiegen.

Vor der Messung hat man sowas wie

|Quantensystem in Superposition> ⊗ |Messgerät>

Nach der Messung hat man sowas wie

[|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert A> + |Quantensystem in Eigenzustand b> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert B> + … ] + [|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt anderen Messwert B> + …]

Aber ich denke, es ist falsch, hier davon zu sprechen, dass die nicht-klassischen „überwiegen“; das könntest du mittels Abzählen so ermitteln, aber Abzählen ist irrelevant bzw. nicht eindeutig, da immer abzählbar unendlich viele eindimenisonale Unterräume beitragen. Was zählt ist die Norm des jeweiligen Zweiges, und die Norm eines einzelnen nicht-klassischen Zweiges ist unterdrückt ggü. der Norm eines einzelnen klassischen Zweiges; die Norm über alle nicht-klassischen Zweige ist unterdrückt ggü. der Norm über alle klassischen Zweige. Das besagt ja gerade die Dekohärenz.
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Eine andere Sicht auf die Dinge könnte im Rahmen der VWI sein, dass nur klassische Welten "überleben", weil nur diese näher zu beschreibenden Ansprüchen an Logik genügen. Vielleicht nehmen wir nur klassische Welten wahr, weil wir wegen unserer Funktionsweise in nicht-klassischen nicht existieren können.
Das hat nichts mit Logik zu tun. Rein mathematisch werden die nicht-klassischen Zweige produziert, allerdings hochgradig unterdrückt. Ein extrem unterdrückter Fall wäre

|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert B> ⊗ …

Dieser „Zweig“ ist theoretisch möglich, wird aber praktisch nie erreicht.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich dich da richtig verstanden habe
Gruß
Tom

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Re: Messung

Beitrag von seeker » 31. Mai 2017, 18:29

Du sagst also, ich habe zwar im Prinzip Recht, aber das ist eher etwas Gewöhnliches, was jetzt keine zusätzlichen Probleme bereitet.
tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 09:11
Betrachte das Abbremsen eines Balles, der ins Wasser fällt, nach den Gesetzen der newtonschen Mechanik und der Hydrodynamik. Wann kommt er zur Ruhe? Nie. Betrachte das Schwingen eines Pendels. Wann kommt es zur Ruhe? Nie.
Nur deshalb weil meine theoretische Beschreibung dort nur Näherung an die Natur ist, was dort jedem klar ist.
Wie ist es bei der QM, wenn wir sie sehr ernst nehmen, ontologisch und vollständig ansehen, können wir sie dann noch gleichzeitig in diesem Sinn als Näherung sehen?

Es geht ontologisch gesehen nicht darum, wie genau die QM ist, es geht darum, dass sie uns in der Lesart sagt, dass die epistemische Welt nicht existiert bzw. umgekehrt, dass die objektiv wahre Welt nirgends und nie beobachtbar ist, genau so wie sie ist, in der Froschperspektive eh nicht, aber auch selbst in der Vogelperspektive nicht (angenommen, man könnte sie einnehmen).
Als theoerischer Physiker mag einem das kein großes Ding sein, das anzunehmen, das verstehe ich, aber andere Menschen können das etwas erschreckender finden.
Wobei ich -ich wiederhole- nicht sage, dass das nicht akzeptabel sei, dies anzunehmen, ich sage nur, dass man es tun muss, da man prinzipiell keine Wahl mehr hat, wenn man der VWI anhängen will. Bei Nicht-VWI-Interpretationen muss man es nicht unbedingt, dort könnte es wenigstens prinzipiell noch Schlupflöcher geben.

Bei der QM, ontologisch betrachtet, geht es nunmal um das Sein der Dinge an sich und das ist einfach viel tiefgreifender, wie wenn ich andere Dinge betrachte.
Ob das nur ein gradueller oder eine qualitativer Unterschied ist? Wenn graduell, dann ist er groß, ich neige eher dazu ihn als qualitativ einzustufen.
Wenn ich z.B. das Phänomen "Wasser ist flüssig" betrachte und eine Theorie über Atome und zwischenmolekulare Kräfte habe, dann kann ich das Phänomen bezugnehmend dazu vielleicht als emergent ansehen (wobei wir da aufpassen müssen, "emergent" kann je nach Lesart auch bedeuten, dass keine reduktionistische Erklärung existiert), aber da habe ich eben auf der grundlegenden Ebene meiner Beschreibung etwas eindeutiges, etwas klassisches, etwas konkret-existierendes vorliegen. Ich sehe dort diesen Bruch nicht in dem Maße.
Und wenn, dann haben wir beim Übergang von der QM-Welt zu unserer vertrauten Welt, eher keine Emergenz vorliegen, sondern eher das Umgekehrte, etwas, das man eher Subvergenz nennen müsste, denn das klassische Erscheinen der Dinge ist ist eher ein Verlust an Eigenschaft als ein Gewinn an Eigenschaft, ein weiterer Unterschied.

tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 09:11
Das "Erscheinen der klassischen Welt" bedeutet für mich, dass sich aus dem Gewusel der Quantenobjekte und deren nicht-lokalen Verschränkungen extrem schnell eine "Welt" herausbildet, die aus (jeweils in extrem guter Näherung) lokalisierten, isolierten, stabilen / robusten, nicht mehr interferierenden "klassichen Objekten" besteht. Ontologisch habe ich dann im reduktionsitischen Sinne weiterhin verschränkte Quantenfreiheitsgrade, epistemisch habe ich genau das, was ich täglich sehe, wobei ich letzeres aus ersterem sogar ableiten kann.
...was viel wert ist. Ich verstehe das.

tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 09:11
Übersehe ich etwas?
Ich habe immer noch den Verdacht.
Ich muss dazu noch ein paar Dinge durchdenken, manche auch noch erfragen.

Für den Moment (vielleicht noch zu ungenau gefragt):
Wenn denn ein Messvorgang prinzipiell nie ganz beendet ist, wie können denn dann alle klassisch erscheinenden Welten, die die VWI-QM prinzipiell zulassen würde, auch tatsächlich im QM-Multiversum den vielen Beobachtern erscheinen? Falls sie es nicht können: Gibt es dann ein Supervenienzverhältnis zwischen der Gesamtheit der erscheinenden Welten und der QM-Welt? Denn falls nicht, wäre es wohl schwer zu begründen, warum die klassische Welt subvergent oder (meinetwegen auch) emergent gennant werden könnte, sekundär sein sollte.
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Vielleicht nehmen wir nur klassische Welten wahr, weil wir wegen unserer Funktionsweise in nicht-klassischen nicht existieren können.
Es werden ja objektiv gesehen gerade überhaupt keine klassischen Welten wahr und wir existieren dann auch in keiner klassischen Welt, es scheint nur so.
Grüße
seeker


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Re: Messung

Beitrag von positronium » 31. Mai 2017, 22:29

tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 17:39
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Deine Beispiele zielen leider nur auf Einzelereignisse.
Ja, natürlich. Es geht doch auch bei der Messung eines einzelnen Quantenobjektes um ein Ereignis.
Ich denke, dass man stets eine ganze sich immer weiter verzweigende Baumstruktur betrachten muss, weil ja die Messung nie endgültig abgeschlossen ist. Gerade bei der Dekohärenz kommt es meinem bisherigen Verständnis nach darauf an, viele aufeinanderfolgende Wechselwirkungen zu betrachten, bis man sich einem klassischen Wert annähert. Dennoch wirken aber wohl noch alle Zweige mit.
tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 17:39
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Wenn man dagegen die QM betrachtet, könnte man diese Sichtweise nur annehmen, wenn die Dämpfung nicht-klassischer Welten eine näher zu bestimmende "Geschwindigkeit" überschreitet, und auch nicht-klassische Zwischenschritte, deren Zweige wieder zu klassischen werden, stark gedämpft werden.
Das verstehe ich nicht.
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Man muss ja bei der Messung kontinuierliche Superpositionen betrachten. Die klassischen Zustände sind in diesen Verteilungen verschwindend gering vertreten; die nicht-klassischen überwiegen. Und dieses Überwiegen tritt in jedem Moment auf, was die Menge der nicht-klassischen und auch die zwischenzeitlich nicht-klassischen Zustände extrem anwachsen lässt.
Man muss immer Superpositionen betrachten. Aber ich verstehe nicht, inwiefern nicht-klassische Zustände überwiegen.

Vor der Messung hat man sowas wie

|Quantensystem in Superposition> ⊗ |Messgerät>

Nach der Messung hat man sowas wie

[|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert A> + |Quantensystem in Eigenzustand b> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert B> + … ] + [|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt anderen Messwert B> + …]

Aber ich denke, es ist falsch, hier davon zu sprechen, dass die nicht-klassischen „überwiegen“; das könntest du mittels Abzählen so ermitteln, aber Abzählen ist irrelevant bzw. nicht eindeutig, da immer abzählbar unendlich viele eindimenisonale Unterräume beitragen. Was zählt ist die Norm des jeweiligen Zweiges, und die Norm eines einzelnen nicht-klassischen Zweiges ist unterdrückt ggü. der Norm eines einzelnen klassischen Zweiges; die Norm über alle nicht-klassischen Zweige ist unterdrückt ggü. der Norm über alle klassischen Zweige. Das besagt ja gerade die Dekohärenz.
Würde der Messprozess ohne Verstreichen von Zeit vollendet, wäre mir das eher ersichtlich. Nachdem das aber nicht der Fall ist, hat man eine zeitliche Überlagerung verschiedener Aufspaltungen. D.h. während nach einer ersten Wechselwirkung nach einer gewissen Zeit (also, immer vor Ende des Messprozesses, der ja nie endet) z.B. auf nicht-klassische Zweige nur noch 10% und auf klassische bereits 90% entfallen würden, hätten sich die klassischen ja auch schon wieder viele male aufgespalten.
Vielleicht habe ich eine falsche Vorstellung davon, halte es aber für möglich, dass das insbesondere bei kontinuierlichen Messwerten zu einem tendenziell in Richtung nicht-klassischer Zweige führenden Übergewicht führt.
Kann sein, dass ich bei genauerer Betrachtung und dem Verständnis der Mathematik das sofort anders sehen würde.
tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 17:39
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Eine andere Sicht auf die Dinge könnte im Rahmen der VWI sein, dass nur klassische Welten "überleben", weil nur diese näher zu beschreibenden Ansprüchen an Logik genügen. Vielleicht nehmen wir nur klassische Welten wahr, weil wir wegen unserer Funktionsweise in nicht-klassischen nicht existieren können.
Das hat nichts mit Logik zu tun. Rein mathematisch werden die nicht-klassischen Zweige produziert, allerdings hochgradig unterdrückt. Ein extrem unterdrückter Fall wäre

|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert B> ⊗ …

Dieser „Zweig“ ist theoretisch möglich, wird aber praktisch nie erreicht.
Dass das für einen einzelnen gilt, ist schon klar, aber die Menge solcher Möglichkeiten ist extrem gross. Bei solchen diskreten Werten hätte man allein bei 1:1 Zuordnungen n klassische und n²-n nicht-klassische. Und das bei jeder Wechselwirkung. D.h. die Unterdrückung müsste in diesem Beispiel schon von WW zu WW schneller als (n²-n)/n ablaufen. - Sonst "verliert" die klassische Welt.

Sagt die Mathematik etwas anderes?

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Re: Messung

Beitrag von positronium » 31. Mai 2017, 22:32

seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Vielleicht nehmen wir nur klassische Welten wahr, weil wir wegen unserer Funktionsweise in nicht-klassischen nicht existieren können.
Es werden ja objektiv gesehen gerade überhaupt keine klassischen Welten wahr und wir existieren dann auch in keiner klassischen Welt, es scheint nur so.
Das bezog sich auf das mögliche Übergewicht nicht-klassischer Welten, wie ich gerade noch genauer ausgeführt habe. Es besteht aber grundsätzlich die Möglichkeit, dass eine solche entsteht. Aber es ist schwierig, ja.

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Re: Messung

Beitrag von seeker » 1. Jun 2017, 01:39

Ich denke das Problem ist, dass sich hier
"Nach der Messung hat man sowas wie [|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert A> + |Quantensystem in Eigenzustand b> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert B> + … ] + [|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt anderen Messwert B> + …]"
nicht auf objektiv tatsächliche Existenz bezieht bzw. nicht eine solche beschreibt, sondern unsere subjektive Wahrnehmung/unsere Messwerte davon.
Ein Messwert "A>", "B>" usw. existiert hier objektiv schlichtweg nicht, weil die Messung objektiv nie beendet ist und damit auch kein objektiv "nach der Messung" existiert.
Es existiert nur der verschränkte Quanten'zustand', der sich zwar in der zeitlichen Entwicklung in Zweige separiert, was aber seine wahre Natur nicht verändert.
Insofern ist es völlig egal, was nun unterdrückt ist oder auch nicht.
Grüße
seeker


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Re: Messung

Beitrag von tomS » 1. Jun 2017, 11:42

seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
Es geht ontologisch gesehen nicht darum, wie genau die QM ist, es geht darum, dass sie uns in der Lesart sagt, dass die epistemische Welt nicht existiert bzw. umgekehrt, dass die objektiv wahre Welt nirgends und nie beobachtbar ist … Als theoretischer Physiker mag einem das kein großes Ding sein, das anzunehmen, das verstehe ich, aber andere Menschen können das etwas erschreckender finden.
Diesen Einwand kann ich – wie bereits mehrfach erwähnt – absolut nicht nachvollziehen.

Wieso sollte sich die „tatsächlich existierende Realität“ in irgendeiner Form nach unserer durch Evolution u.v.a. Faktoren bedingte Wahrnehmung operieren? Und warum sollten wir in der Lage sein, diese „tatsächlich existierende Realität“ vollumfänglich wahrzunehmen?

Ich sehe dafür beim besten Willen keine vernünftige Begründung.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
…ich sage nur, dass man es tun muss, da man prinzipiell keine Wahl mehr hat, wenn man der VWI anhängen will.
Ja.

Das ist aber nicht meine Entscheidung, die ich sozusagen im luftleeren Raum treffe. Es ist vielmehr so, dass wenn ich eine ontologische Interpretation suche, aktuell die VWI die einzige vernünftige Option darstellt. Und dann ergibt sich dies als Konsequenz aus der VWI.

Ich halte es für wichtig, Ursache und Wirkung zu verstehen.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
… bei Nicht-VWI-Interpretationen muss man es nicht unbedingt, dort könnte es wenigstens prinzipiell noch Schlupflöcher geben.
Auch das habe ich schon mehrfach kommentiert.

Es gib t m.E. überhaupt keine Alternative zur VWI für eine ontologische Interpretation suche. D.h. andere Interpretationen können prinzipbedingt keine Schlupflöcher haben, die eine derartige Identifizierung erlauben, weil sie keine ontologischen Aspekt haben können.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
Wenn ich z.B. das Phänomen "Wasser ist flüssig" betrachte und eine Theorie über Atome und zwischenmolekulare Kräfte habe, dann kann ich das Phänomen bezugnehmend dazu vielleicht als emergent ansehen, aber da habe ich eben auf der grundlegenden Ebene meiner Beschreibung etwas eindeutiges, etwas klassisches, etwas konkret-existierendes vorliegen. Ich sehe dort diesen Bruch nicht in dem Maße.
Ich behaupte, dass das ein reiner Gewöhnungseffekt ist.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
Und wenn, dann haben wir beim Übergang von der QM-Welt zu unserer vertrauten Welt, eher keine Emergenz vorliegen, sondern eher das Umgekehrte, etwas, das man eher Subvergenz nennen müsste, denn das klassische Erscheinen der Dinge ist eher ein Verlust an Eigenschaft als ein Gewinn an Eigenschaft, ein weiterer Unterschied.
Es ist eine vollständig andere Bedeutung des Begriffs „Eigenschaften“. Ja, das ist ein Unterschied.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
tomS hat geschrieben:
31. Mai 2017, 09:11
Übersehe ich etwas?
Für den Moment (vielleicht noch zu ungenau gefragt):
Wenn denn ein Messvorgang prinzipiell nie ganz beendet ist, wie können denn dann alle klassisch erscheinenden Welten, die die VWI-QM prinzipiell zulassen würde, auch tatsächlich im QM-Multiversum den vielen Beobachtern erscheinen?
Ich fürchte, du hast ein falsches Verständnis dessen, was eine „klassische Welt“ oder ein „Zweig“ tatsächlich ist. Jeder Zweig ist selbst ein unendlich-dimensionaler Unterraum des gesamten Hilbertraumes. Diese Zweige sind in gewisser Weise robust, d.h. sie zeichnen sich dadurch aus, dass ein Zweig durch eine Korrelation zwischen Quantensystem und Zeiger entsteht und dass die makroskopische Eigenschaft des Zeigers, einen bestimmten Wert anzuzeigen, robust bleibt.

Zunächst mal erscheinen diese Zweige nicht, sie entstehen. Wenn ein entstandener Zweig einen Beobachter „enthält“, dann beobachtet dieser den ihn enthaltenen Zweig. Und Zweige werden von den sie enthaltenen Beobachtern beobachtet, sobald sie (gemeinsam) entstanden sind. Entstehen des Zweiges und Beobachtung seitens des Beobachters sind untrennbar verbunden.

Es ist völlig unkritisch, wie lange das jetzt dauert.

Wenn eine Messung tatsächlich Stunden dauern würde, dann würde sich ein Beobachter sozusagen im Zuge dieser Messung mit dem sehr langsamen Auffächern in die Zweige ebenfalls mit auffächern. Evtl. würde dieser Beobachter dann dieses Auffächern sogar beobachten können. Dieser Fall ist jedoch hypothetisch, da bei makroskopischen Messgeräten und Beobachtern eben kein langsames Auffächern möglich ist; man würde einen mikroskopischen Beobachter brauchen, aber das wäre dann selbst ein mikroskopisches Quantenobjekt selbst, und was dieses wiederum wahrnimmt kann es uns leider nicht mitteilen.
seeker hat geschrieben:
31. Mai 2017, 18:29
positronium hat geschrieben:
31. Mai 2017, 12:00
Vielleicht nehmen wir nur klassische Welten wahr, weil wir wegen unserer Funktionsweise in nicht-klassischen nicht existieren können.
Es werden ja objektiv gesehen gerade überhaupt keine klassischen Welten wahr und wir existieren dann auch in keiner klassischen Welt, es scheint nur so.
Das verstehe ich nicht.
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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Re: Messung

Beitrag von tomS » 1. Jun 2017, 11:56

seeker hat geschrieben:
1. Jun 2017, 01:39
Ich denke das Problem ist, dass sich hier
"Nach der Messung hat man sowas wie [|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert A> + |Quantensystem in Eigenzustand b> ⊗ |Messgerät zeigt Messwert B> + … ] + [|Quantensystem in Eigenzustand a> ⊗ |Messgerät zeigt anderen Messwert B> + …]"
nicht auf objektiv tatsächliche Existenz bezieht bzw. nicht eine solche beschreibt, sondern unsere subjektive Wahrnehmung/unsere Messwerte davon.

Ein Messwert "A", "B" usw. existiert hier objektiv schlichtweg nicht, weil die Messung objektiv nie beendet ist und damit auch kein objektiv "nach der Messung" existiert.
Es existiert nur der verschränkte Quantenzustand', der sich zwar in der zeitlichen Entwicklung in Zweige separiert, was aber seine wahre Natur nicht verändert.
Insofern ist es völlig egal, was nun unterdrückt ist oder auch nicht.
Was bedeutet „Messwert A, B usw. existiert hier objektiv schlichtweg nicht“?

Ich kann den Messwert sowohl mathematisch aus dem jeweiligen Zweig herauspräparieren, als auch wahrnehmen. Insofern existiert der Messwert als Eigenschaft des makroskopischen Systems schon, jedoch nicht auf fundamentaler Ebene.

Schauen wir uns die Biochemie an: 2014 wurden 11 Männer Fußballweltmeister. Die Eigenschaft, „Weltmeister zu sein“ kann man an einem Zeigerzustand festmachen: |Philip Lahm hält den Pokal hoch>. Dies ist jedoch ein extrem komplexer, vielschichtiger Zustand; er ist nicht direkt aus dem biochemischen Zustand der insgs. beteiligten 22 Männer ablesbar. Und es gibt auch keinen eindeutigen Zeitpunkt, zu dem diese Messung tatsächlich abgeschlossen ist und sich von dem Zweig, in dem Deutschland nicht Weltmeister wurde, vollständig separiert hat; trotzdem weiß jeder, der dabei war, dass Deutschland Weltmeister geworden ist.
Gruß
Tom

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Re: Messung

Beitrag von tomS » 2. Jun 2017, 07:02

Noch eine Anmerkung: leider sind viele anschauliche Erklärungen im Detail irreführend bis falsch. Insbs. falsch ist die Vorstellung der Verzeigung mit eindeutig definierten Astgabeln und der Abzählung von Zweigen.
Gruß
Tom

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Re: Messung

Beitrag von tomS » 2. Jun 2017, 15:45

Es wird genau eine Stochastik verwendet, nämlich die, die sich aus der Bornschen Regel ergibt.

Die Bornsche Regel ist zum Einen millionenfach experimentell bestätigt. Zum Anderen hat man in der QM schlicht keine Wahlfreiheit bzgl. der Stochastik bzw. präziser bzgl. des zu verwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßes der Bornschen Regel, da dieses durch Gleasons Theorem eindeutig festgelegt ist.

D.h. man hat mir der QM die einmalige Situation vor sich, dass - wenn man den Hilbertraum als Axiom zugrundelegt - sowohl der theoretische Rahmen eindeutig festgelegt ist, als auch alle Experimente diesen Rahmen bestätigen.

Damit haben wir in der QM kein praktisches Problem, lediglich ein (eher metaphysisches) Interpretationsproblem.
Gruß
Tom

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Re: Messung

Beitrag von seeker » 2. Jun 2017, 15:57

Um es nochmals zu versuchen auf den Punkt zu bringen:

Bild
https://de.wikipedia.org/wiki/Interpret ... essproblem

Ich sage am Ende nur, dass die VWI eine Erweiterung des Realitätsbegriffes erfordert, das ist einfach so.

Ob man das tun sollte oder nicht ist eine andere Diskussion. Und dort sehe ich ja auch weitestgehend immer noch Einigkeit dabei, welche Argumente es da gibt, außer z.T. bei der genauen Wortwahl/Formulierung.
tomS hat geschrieben:
1. Jun 2017, 11:42
Ich fürchte, du hast ein falsches Verständnis dessen, was eine „klassische Welt“ oder ein „Zweig“ tatsächlich ist.
Ich fürchte auch, dass mein Verständnis davon noch nicht ausreichend ist und würde das gerne besser verstehen.

Im Moment verstehe ich jedenfalls noch nicht ganz wie sich ein klassischer Zustand, das was wir messen, ein Messwert zu diesem erweiterten Realitätsbegriff genau verhält, ist er Teil davon oder ist er nur effektiver/scheinbarer quasi-Teil davon?
Ich meine immerhin erfolgt ja im Rahmen der VWI keine vollständige Zustandsreduktion, dazu bedürfte es ja eben einer Unstetigkeit, einem Kollaps. Insofern ist die nur unvollständige Reduktion/Separierung durch Dekohärenz (so scharf sie auch sein mag) immer noch 'mehr' als ein klassischer Zustand nach einem Kollaps. Sehe ich das falsch?

Und ich meine auch folgendes:
Wenn man die QM einmal nur für sich selst betrachtet, so wie sie erst einmal im Kern formuliert ist, ist sie "erhaben, rein".
In dieser Form, sagt sie uns nicht, dass aus ihr noch irgendwelche klassischen Messwerte abzuleiten wären, eine klassiche, existierende Welt abzuleiten wäre. Die Motivation das dennoch zu versuchen besteht aus meiner Sich alleine darin, dass wir solche als Menschen in unserer Welt sehen, messen, wahrnehmen. Nur deshalb sind wir motiviert beides irgendwie zusammenzubringen.
Wir müssen dazu aber auch auf unserer Ebene keine ontologische Realität konstruieren/postulieren (man kann, man muss nicht), sondern nur eine gemessene, wahrgenommene, scheinbare Realität.
Grüße
seeker


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Re: Messung

Beitrag von tomS » 3. Jun 2017, 10:15

seeker hat geschrieben:
2. Jun 2017, 15:57
Ich sage am Ende nur, dass die VWI eine Erweiterung des Realitätsbegriffes erfordert, das ist einfach so.
Du meinst im Vergleich zum klassischen Realitätsbegriff? Ich würde es nicht Erweiterung nennen; es ist ein anders gearteter Realitätsbegriff.
seeker hat geschrieben:
2. Jun 2017, 15:57
tomS hat geschrieben:
1. Jun 2017, 11:42
Ich fürchte, du hast ein falsches Verständnis dessen, was eine „klassische Welt“ oder ein „Zweig“ tatsächlich ist.
Ich fürchte auch, dass mein Verständnis davon noch nicht ausreichend ist und würde das gerne besser verstehen.
Das Problem ist zunächst, dass die Worte wie "Welt", "Zweig", "Verzweigung", ... die mathematische Struktur nicht adäquat abbilden.

Nach Everett besteht die wahrgenommene Realität einfach in dem, was durch diese zweigartige Struktur kodiert wird. Und gemäß der Dekohärenz wird verständlich, warum daraus die uns zugänglichen Phänomene folgen, einschließlich der wechselweisen Unsichtbarkeit der Zweige. Letztlich resultiert diese Zweigstruktur jedoch nur dadurch, dass wir den Zustandsvektor so hinschreiben, wie die Dekohärenz dies nahelegt. Wir müssen das jedoch nicht tun; nur wenn wir die epistemische Ebene betrachten, ist das naheliegend. Wenn wir die ontologische Ebene betrachten, ist es konsequent, dies nicht zu tun. Die tatsächlich vorhandene, fundamentale Realität ist dann weiterhin der eindimensionale Zustandsvektor. Dass dieser als eine bestimmte - aus unendlich vielen mathematisch möglichen - zweigarte Struktur dargestellt werden kann, ist erst verständlich, wenn wir die Dynamik = den Hamiltonoperator, der auch den Messprozess sowie die Dekohärenz beschreibt, hinzunimmt.

D.h. dass der fundamentale Realitätsbegriff der des eindimensionalen Zustandsvektors ist, der epistemische durch die gemäß der Dekohärenz bevorzuge Zweigstruktur folgt.

Stell' dir auf fundamentaler Ebene ein einziges Buch vor - das Buch. Dieses habe nun nicht eine sondern unendlich viele mögliche Blätterungen. Wenn du nun in die Buchhandlung gehst und ein bestimmtes Physikbuch suchst, dann wird durch diese spezielle Wahl eine spezifische Blätterungen festgelegt, und es erscheint das für dich in diesem Kontext zutreffende Blätterung, also das für dich zutreffende Buch. Wenn du eine andere Wahl triffst, dann erscheint eine andere Blätterung und ein anderes Buch.

Die Ontologie besteht jetzt nicht mehr nur in diesem einen, strukturlosen Buch (Zustandsvektor) sondern zusätzlich noch in deiner Wahl (Messung), was gemeinsam das erscheinende Buch (Dekohärenz - wahrgenommener Kollaps) mit einer spezifischen Struktur festlegt.

Mathematisch wäre die fundamentale Ontologie soetwas wie

{H, U(t), |ψ,t> = U(t)|ψ₀>}

die epistemische Ontologie entsprechend

{H, U(t), |ψ,t> = ψ₁|e₁> + ψ₂|e₂> + ψ₃|e₃> + ...}

Beide sind letztlich identisch. Erstere hebt auf den Zustandsvektor |ψ,t> im generischen Hilbertraum H ab, letztere auf dessen Zweigstruktur, induziert durch ein spezielles U(t) und die dadurch festgelegte ausgezeichnete Basis gemäß der Dekohärenz.

Wichtig: nur in U ist kodiert, welches spezifische System du betrachtest, ob es ein Wasserstoffatom, ein DNA-Molekül, ein Proton oder unser Universum ist. Die anderen Elemente sind generisch.
seeker hat geschrieben:
2. Jun 2017, 15:57
Im Moment verstehe ich jedenfalls noch nicht ganz wie sich ein klassischer Zustand, das was wir messen, ein Messwert zu diesem erweiterten Realitätsbegriff genau verhält, ist er Teil davon oder ist er nur effektiver/scheinbarer quasi-Teil davon?
Wir messen zweierlei, nämlich zum einen den konkreten Messwert a einer Observablen A. Dies ist letztlich ein Eigenwert

A|e₁> = a₁|e₁>

der in dem Zweig, hier exemplarisch |e₁>, kodiert ist. Unsere anderen Ich's in anderen Zweigen messen a₂, a₃, ...

Zum anderen Messen wir die Wahrscheinlichkeit für einen Zweig

p₁ = |ψ₁|²
seeker hat geschrieben:
2. Jun 2017, 15:57
... erfolgt ja im Rahmen der VWI keine vollständige Zustandsreduktion, dazu bedürfte es ja eben einer Unstetigkeit, einem Kollaps. Insofern ist die nur unvollständige Reduktion/Separierung durch Dekohärenz (so scharf sie auch sein mag) immer noch 'mehr' als ein klassischer Zustand nach einem Kollaps. Sehe ich das falsch?
Mathematisch ist der Zustandsvektor in einem Hilbertraum immer etwas anderes als ein klassischer Zustand, nämlich ein Punkt im Phasenraum (symplektische Mannigfaltigkeit). Wenn du versuchst, einen kollabierten Zustand |e₁> als klassischen Zustand zu begreifen, dann hast du zwei Probleme: zum einen ist das mathematisch immer noch etwas anderes, zum zweiten ist der Kollaps von |ψ> zu |e₁> nicht mit U(t) verträglich. Das wird also nichts mit deiner klassischen Ontologie. Gemäß der VWI hast du kein Problem, da sie fundamental keinen Kollaps kennt.

Ja, gemäß der VWI ist das in gewisser Weise mehr als der kollabierte Zustand, weil andere Zweige erhalten bleiben. Aber andererseits auch wieder nicht, da fundamental in beiden Fällen ein eindimensionaler Zustandsvektor gegeben ist und wieder resultiert. Der fundamentale Unterschied zwischen KI und VWI besteht nicht in diesem Zustandsvektor, sondern in

|ψ₀> → |e₁> = K₁|ψ₀>

|ψ₀> → |ψ,t> = U(t)|ψ₀>

Nach der KI müsstest du die "Kollapsoperatoren", sogenannte Projektoren, ebenfalls in die Ontologie aufnehmen (das wären unendlich viele; sie würden gemäß der Dekohärenz von U abhängen, wären jedoch in jedem Einzelfall mit diesem U(t) unverträglich; und du musst das stochastische Element, welche Kollapsoperator jetzt zur Anwendung kommen soll, ebenfalls mit aufnehmen - ein Alptraum).
seeker hat geschrieben:
2. Jun 2017, 15:57
Wenn man die QM einmal nur für sich selst betrachtet, so wie sie erst einmal im Kern formuliert ist, ist sie "erhaben, rein".
In dieser Form, sagt sie uns nicht, dass aus ihr noch irgendwelche klassischen Messwerte abzuleiten wären, eine klassiche, existierende Welt abzuleiten wäre. Die Motivation das dennoch zu versuchen besteht aus meiner Sich alleine darin, dass wir solche als Menschen in unserer Welt sehen, messen, wahrnehmen. Nur deshalb sind wir motiviert beides irgendwie zusammenzubringen.
Jein.

Nehmen wir an, die Dekohärenz wäre als rein mathematisches Phänomen lange vor der Entwicklung der QM bekanntgewesen, und nehmen wir weiterhin an, Everett hätte diese gekannt und hätte zeitgleich mit Heisenberg et al. - anstelle von Bohr und von Neumann - an der Entwicklung mitgearbeitet.

Dann würdest du heute evtl. anders darüber denken.
Gruß
Tom

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Re: Messung

Beitrag von Job » 5. Jun 2017, 10:20

Sehr interessante Diskussion. Habe schon wieder viel dabei lernen können und möchte im Folgenden auch ein paar Ideen beisteuern.

Meiner Meinung nach gibt es das Messproblem, das hier vornehmlich diskutiert wird, in der QM eigentlich gar nicht. Es entsteht lediglich aus dem mangelnden Wissen, was die QM eigentlich physikalisch beschreibt und ist damit ein Interpretationsproblem. Ich möchte das, was ich damit meine, an einem konkreten Beispiel erläutern.

Wir stellen uns dazu einen 1x1 Meter großen Kasten mit massiven Wänden vor. Innerhalb des Kastens soll das Vakuum herrschen. Es sollen sich also keine uns derzeit bekannten Teilchen (Atome, Photonen, Neutrinos, etc.) mehr darin befinden.

In der Mitte einer Wand mündet ein kleines Röhrchen, durch das winzige Metallkugeln von Außen in das Innere geschossen werden können. Die Abschussvorrichtung soll so präzise sein, dass wir den Impuls des Teilchens genau kennen, wenn es den Innenraum betritt. Auf der gegenüberliegenden Wand soll sich ein äußerst präzises Messinstrument befinden, mit dem wir den Einschlagsort der Kugeln sehr genau vermessen können.

Experimente belegen, dass die QM die Bellsche Ungleichung verletzt, dass also die QM zumindest nicht realistisch und lokal zugleich sein kann, im Sinne der folgenden Definitionen dieser beiden Begriffe laut Wikipedia:
Eine physikalische Theorie ist realistisch, wenn Messungen nur Eigenschaften ablesen, die unabhängig von der Messung vorliegen, wenn also das Ergebnis jeder denkbaren Messung feststeht, auch wenn es wegen ungenügender Kenntnis verborgener Parameter nicht vorher bekannt ist.
Eine physikalische Theorie ist lokal, wenn sich bei zwei Teilchen mit raumartigem Abstand im Sinn der speziellen Relativitätstheorie die Wahl dessen, was beim einen Teilchen gemessen wird, bei der Messung nicht unmittelbar auf das andere Teilchen auswirkt. Das liegt daran, dass sich die gegenseitigen Einflüsse nach der Relativitätstheorie maximal mit Lichtgeschwindigkeit auswirken können.
Wir werden uns vornehmlich mit dem ersten Punkt laut obiger Definition beschäftigen.

Wir schiessen nun viele Metallkügelchen nacheinander mit immer demselben Impuls in den Kasten und messen anschliessend die Position der Aufschlagsorte. Nach Newton steht das Ergebnis dieser Messungen eigentlich fest. Der Aufschlagwort sollte immer derselbe sein. Wir hätten es hier also mit einem realistischen Fall zu tun.

Nun werten wir die Ergebnisse aus und stellen zu unserer Verwunderung fest, dass die Aufschlagsorte minimal variieren und zufällig verteilt sind. Wenn wir weiter nichts über das Vakuum wissen, haben wir jetzt eine Situation vorliegen, die aus unserer Sicht nicht realistisch ist. Wir können die einzelnen Messergebnisse nicht vorhersagen und wir haben auch keine Anhaltspunkte auf verborgene Variablen, die sie trotzdem erklären könnten. Auch scheint der Zufall damit keine kausale Ursache zu haben, was die Sache noch mysteriöser macht. Wir stehen zunächst vor einem Rätsel.

Da kommt uns eine Fee zu Hilfe, die uns verrät, dass das Vakuum in dem Kasten nicht leer ist, sondern ein Gas enthält, das in einem Kubikmeter 1040 kugelförmige Teilchen mit einem Radius von 10-25 m und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von c enthält. Wir strahlen, da nun scheinbar unser Problem gelöst ist. Die Zusammenstösse der Gasteilchen mit den Metallkügelchen erklären den Zufall der variablen Aufschlagsorte ursächlich und auch wenn wir es nicht praktisch können, so könnten wir die Bahn eines Metallkügelchens nach Newton exakt berechnen, wenn wir den Anfangszustand der Gasteilchen zum Zeitpunkt des Eintritts der Metallkügelchen in den Kasten kennen würden. Aus Sicht der Bahn der Metallkügelchen haben wir damit wieder eine realistische Situation vorliegen und der Zufall auf dieser Ebene ist ursächlich geklärt und die Gesamtsituation wäre sogar deterministisch, wenn wir die Anfangszustände kennen würden.

Aber wir haben uns zu früh gefreut. Als nächstes verrät uns die Fee, dass es noch ein weiteres zweites Gas in dem Kasten gibt, dass in einem Kubikmeter ca. 1065 Gasteilchen mit einem Radius von 10-33 m und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von ca. 1012c beisteuert. Wieder hat sich die Situation geändert. Eine reine Betrachtung und Berechnung der Bahn der Metallkügelchen nur aufgrund des ersten Gases reicht nun nicht mehr aus, um die Bahn exakt vorherzusagen, da uns nun die Kenntnis des Anfangszustandes der Gas1 Teilchen bei Eintritt des Metallkügelchens in den Kasten nichts mehr nutzt. Die Bahnen dieser Gas1 Teilchen sind aufgrund der Zusammenstöße mit den Gas2 Teilchen nicht mehr deterministisch, sondern nun ebenfalls dem Zufall unterworfen. Auch unser Metallkügelchen wird nun nicht nur von Gas1 Teilchen, sondern auch von Gas2 Teilchen getroffen. Wir können die Situation nur retten, wenn wir nun zusätzlich zu den Gas1 Teilchen auch den Anfangszustand aller Gas2 Teilchen kennen würden. Damit müssen wir spätestens hier praktisch aufgeben, da dies kein Computer, den wir bauen könnten jemals bewältigen könnte, theoretisch hätten wir aber weiterhin eine realistische Situation.

Aber immer noch zu früh gefreut. Als nächstes verrät uns die Fee, dass das immer so weiter geht. Es gibt ein drittes Gas, ein viertes Gas, usw. und im Endeffekt gibt es unendlich viele dieser Gase, deren Teilchen nach dem obigen Muster immer zahlreicher, aber auch immer kleiner und schneller werden.
Jetzt haben wir ein Problem. Können wir nun überhaupt noch von einem Anfangszustand sprechen? Können wir ihn modellieren? Falls ja, könnten wir dann die Bahn des Metallkügelchens tatsächlich berechnen?

Aber es kommt noch schlimmer. Die Fee weist darauf hin, dass unser Kasten ja aus Atomen besteht, die die einzelnen Gasteilchen aufgrund deren geringen Größe nicht abschirmen können. Unser Kasten ist also kein abgeschlossenes System, sondern tauscht Gasteilchen mit seiner Umgebung aus. Selbst wenn wir also den Anfangszustand sämtlicher (unendlich vieler) Gasteilchen in dem Kasten kennen könnten, nutzt uns dies nichts, da ein reger Austausch mit dem Umfeld herrscht und wir somit die Situation bereits nach einer minimalen Zeitspanne dt nicht mehr kennen können, ohne das Umfeld zu kennen.

Nun setzt die Fee noch einen drauf. Sie behauptet, dass das Umfeld ebenfalls unendlich groß ist.

Wenn wir den Zustand des Kastens und seines Umfeldes zu einem Zeitpunkt t0 abbilden (sozusagen einfrieren) möchten, benötigen wir also zwingend abzählbar unendlich viele Einzelzustände (da wir abzählbar unendlich viele Teilchen haben) zumindest mit ihrem Ort (bzgl. eines beliebigen Koordinatensystems), ihrem aktuellen Impuls und der Teilchenart. Messgeräte und wir auch sind Konglomerate dieser Gasteilchen, und könnten damit zumindest von der materiellen Seite aus gesehen ebenfalls darüber abgebildet werden.

Das Beste hat sich die Fee aber zum Schluss aufbewahrt. Sie behauptet, dass uns selbst dieses Wissen nicht alles verraten würde, denn das Ganze ist mehr als die Summe der Teile. Die Kenntnis über die einzelnen Teilchen reicht nicht aus, um die Natur vollständig zu beschreiben. Es gibt Emergenzen, die sich durch die unendliche Anzahl der Teilchen ergeben. Diese Emergenzen haben etwas mit dem Verständnis von Raum und Zeit, den Wechselwirkungen zwischen den Teilchen, der Gravitation und vielleicht auch (dies ist nur eine Vermutung) mit unserem Bewusstsein zu tun. Bei den Emergenzen verlassen wir im Prinzip die materielle (diskrete) Welt, die wir über die Teilchen abbilden können und betreten eine neue (kontinuierliche) Welt, über die wir noch nicht all zuviel wissen. Als wir die Fee fragen wollen, wie genau diese Emergenzen entstehen, ist sie plötzlich verschwunden. Das eigentliche Geheimnis der Natur wollte sie uns nicht verraten.

Was hat das jetzt mit der QM und dem Messproblem zu tun?

Wenn wir in dem Beispiel das Metallkügelchen durch ein Elektron ersetzen, ändert sich im Grunde genommen kaum etwas, nur dass die Amplituden der Einschlagsorte wegen der geringeren Masse des Elektrons grösser werden.

Das Elektron wird auf der einen Seite durch die Treffer der Gasteilchen in eine Art Zitterbewegung (Oszillation) versetzt, die letztlich auch zu den Amplituden bzgl. des Aufschlagsorte im Messgerät führen. Auf der anderen Seite werden durch die Bewegung des Elektrons ständig Wellen in den untergelagerten Gasen erzeugt, die sich mit unterschiedlichen Überlichtgeschwindigkeiten (je nach Teilchenart) ausbreiten und sich damit auch gegenseitig überholen können. Das Vakuum besteht also nicht nur aus oszillierenden Teilchen (Gase) , sondern auch aus einem Gewusel von unendlich vielen unterschiedlichen Wellen (die natürlich wieder aus Teilchen bestehen), die sich dabei auch ständig überlagern. Messgeräte haben insofern einen Einfluss auf die Bewegung des Elektrons, als diese Wellen durch das Messgerät auch teilweise reflektiert werden und sich dann mit anderen Wellen überlagern können und so die Bewegung des Elektrons auch wieder beeinflusst werden kann. Die Wellen bestehen ja auch aus Teilchen mit einem Impuls. Es kann also ein großer Unterschied sein, ob ein Messgerät bei einem Experiment da ist oder nicht, bzw. welche Beschaffenheit es hat. Bei makroskopischen Objekten spielt dies in der Praxis keine Rolle, da die Einflüsse der Vakuumteilchen und Wellen wegen der hohen Massen der makrosopischen Objekte nicht messbar sind. Die Amplituden sind winzig. Bei Elementarteilchen wie dem Elektron haben sie aber einen entscheidenden Einfluss.
Wir können die Doppelspaltexperimente, die wir mit Fullerenen gemacht haben, im Grunde solange mit immer massiveren Teilchen weiterführen, bis wir zum Schluss die Grenzen unser Messgeräte erreichen. Gehorcht auch ein Mensch den Gleichungen der QM? Selbstverständlich. Ein Mensch von 100 kg hat allerdings eine „Amplitude" von ca. 10-44 m. Der Nachweis liegt ausserhalb unserer Möglichkeiten.

Der Hilbertraum der Quantenmechanik beschreibt nun genau dieses zutiefst komplexe Gesamtgewusel. Darin kommen sowohl Oszillationen als auch Wellen zum Tragen, die mathematisch beide über Sinus und Cosinusfunktionen approximiert werden können (Schrödingerbild). Dazu werden abzählbar unendlich viele Basiszustände benötigt, die die Teilchen mit ihren Oszillationen bzw. die Wellen im Vakuum abbilden. Die QM beschreibt damit den Gesamtzustand des Vakuums und die möglichen (stochastischen) Pfade des Elektrons und die indirekten Einflüsse des Kastens und des Messgerätes. sowie alle sich daraus ergebenen Interferenzen etc. Und das muss sie auch und das macht sie bewundernswert exakt.

Heute haben wir nur deshalb ein Verständnisproblem, weil wir annehmen, dass diese Beschreibung bereits das Elektron an sich „ist“ und wir daher aus dem Wellenbild im Grunde ein Teilchen „zaubern“ müssen. Diese Zauberei benötigen wir aber gar nicht, denn das Elektron ist bereits ein Teilchen. Die Einschläge der Elektronen im Doppelspaltexperiment sind Einschläge von Teilchen, auf keinen Fall werden sie von Wellen verursacht. Der Welle-Teilchen Dualismus bedeutet nicht, dass das Elektron sich mal als Welle, mal als Teilchen verhält. Das Elektron ist immer ein Teilchen, das aber Wellen im Vakuum auslöst. Dieses Teilchen wird zwar nicht explizit durch den Hilbertraum modelliert, aber seine Auswirkungen im Vakuum in Form der QM-Zustände enthalten implizit alle Informationen, aus denen man eindeutig schliessen kann, dass es sich um ein Elektron handelt. Nicht genau und sehr stark vereinfacht könnte man sagen, dass die QM die potenziellen (stochastischen) Bahnen eines Balles mit all seinen potenziellen Interaktionen mit den Luftmolekülen beschreibt. Den Ball selber modelliert sie aber nicht explizit. Keiner würde aber auf die Idee kommen, zu sagen, dass der Ball erst dann ein Ball wird, wenn er im Netz eingeschlagen ist. Genau dass macht aber zum Beispiel die KI. Dies ist aber völlig unnötig, denn es gibt immer beides parallel, den Ball und seine potenziellen zufälligen Bahnen und die Wellen. Wir können also auf diesen Teil der KI einfach verzichten. In dieser Hinsicht gibt es kein Messproblem.

Weitere „verborgene Variablen" über die Vakuumteilchen hinaus gibt es meiner Meinung nach nicht und somit wäre die QM vollständig, da sie diese verborgenen Variablen bereits beschreibt und sie ist damit auch fundamentaler als die ART. Verborgene Variable, die man heute über die Versuche im Rahmen der Bellschen Ungleichung glaubt ausgeschlossen zu haben, wären damit eigentlich die Stützpfeiler der QM. Allerdings müssen die jeweiligen Umstände (welche Messgeräte, welches Umfeld, welche Wechselwirkungen, etc. ) natürlich jeweils pro Situation explizit in den Zuständen berücksichtigt werden (Anfangsbedingungen) Dies gilt auch für unser Universum (ein ziemlich großer Kasten :-) ), das hier auch ein paar Rahmenbedingungen beisteuert, die wir aber zur Zeit noch nicht in den Gleichungen der QM berücksichtigen. Diese Rahmenbedingungen sind implizit in der ART enthalten.

Die exakten Bahnen der unendlich vielen Teilchen kennen wir nicht und können wir auch nicht kennen. Sie sind nicht deterministisch, aber vom Prinzip her kausal bedingt. Die QM ist damit nicht realistisch. Streng genommen sind die Bahnen stetig, aber an keiner Stelle differenzierbar.

Natürlich haben wir trotzdem ein Messproblem, da jede Messung die Bahnen der jeweils beteiligten Teilchen mehr oder weniger stört. Aber das ist ein praktisches Problem und kein philosophisches.

Viele Grüße
Job
Alles ist einfacher, als man denken kann, zugleich verschränkter, als zu begreifen ist.
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Re: Messung

Beitrag von positronium » 5. Jun 2017, 11:42

Job hat geschrieben:
5. Jun 2017, 10:20
Der Welle-Teilchen Dualismus bedeutet nicht, dass das Elektron sich mal als Welle, mal als Teilchen verhält. Das Elektron ist immer ein Teilchen, das aber Wellen im Vakuum auslöst.
Ich sehe leider keine Möglichkeit, quantenmechanische Teilchen irgendwie durch einzelne klassische Teilchen zu beschreiben. Das scheitert meiner Meinung nach bereits am Wellencharakter, wie er bei der Interferenz (z.B. Doppelspalt) und bei stationären Zuständen (z.B. Atome) auftritt.
Job hat geschrieben:
5. Jun 2017, 10:20
Die exakten Bahnen der unendlich vielen Teilchen kennen wir nicht und können wir auch nicht kennen. Sie sind nicht deterministisch, aber vom Prinzip her kausal bedingt. Die QM ist damit nicht realistisch. Streng genommen sind die Bahnen stetig, aber an keiner Stelle differenzierbar.
Durch unendlich viele Teilchenarten verlierst Du demnach die Realität. Der Gedanke hat was.

Und jetzt gehe ich mich ausruhen, habe ich doch heute schon am Vormittag ein ganzes Buch gelesen. :devil:

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Re: Messung

Beitrag von tomS » 5. Jun 2017, 13:37

Man kann im Rahmen der nicht-relativistischen Quantenmechanik die de-Broglie-Born-Interpretationen heranziehen, derzufolge die Schrödingergleichung zunächst die Wellenfunktion bestimmt, aus der sich ein sogenanntes Führungsfeld inklusive Quantenpotential ergibt, das wiederum klassische Trajektorien festlegt. Diese Interpretation hat mehrere Probleme: zum Ersten benötigt man die Wellenfunktion und Teilchen, zum Zweiten können nur Ortsraumvariablem mittels der Trajektorien formuliert werden, nicht jedoch Spin, Isopin usw. Und last but not least scheitert die Beschreibung für die Quantenfeldtheorie.

Ein zweites grundlegendes Problem, das im Zusammenhang mit dem Messproblem steht ist, dass man erwiesenermaßen den Zuständen keine Eigenschaften zuschreiben darf, bevor eine Messung durchgeführt wurde.
Gruß
Tom

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Re: Messung

Beitrag von seeker » 5. Jun 2017, 18:46

Kurze Abschweifung zu grundsätzlichen Dingen...

Grundsätzlich haben wir folgende Problematik bei all den Theorien und Interpretationen:

1. Zu der Gesamtheit aller empirischen Befunde (der Menschheit/Wissenschaft) eines beliebigen Zeitpunktes (z.B. heute), lassen sich stets mindestens beliebig viele dazu passende und konsistente Theorien und auch Interpretationen formulieren.
Manche davon sind dergestalt, dass sie sich noch durch zukünftig mögliche Messungen ausschließen (falsifizieren) lassen (a), manche sind vermutlich prinzipiell nicht falsifizierbar (b), manche sind sicher nicht falsifizierbar (c).
Problematik: Jede dieser Teilmengen alleine ist prinzipiell schon beliebig, wenn nicht unendlich groß.

2. Deshalb haben wir keine andere Möglichkeit, als 'weiche' Kriterien einzuführen, um bessere von schlechteren Theorien/Erklärungen zu unterscheiden, wie z.B. Sparsamkeit in den Annahmen, Handhabbarkeit, Erklärungskraft, Schönheit, Plausibilität, usw.

3.
a) Die Inhalte/Forderungen von 2. sind kein Produkt, dass notwendig genau so definiert werden müsste. Stattdessen handelt es sich hier um einen gesellschaftlichen Konsens, der sowohl geschichtlichen und kulturellen als auch biologischen Einflüssen (durch die spezielle Funktionsweise unseres Denkapparates) unterliegt und der vor allen Dingen nicht fix ist, sondern einem Wandel unterliegt.
b) Diese weichen Kriterien führen nicht notwendigerweise zur Wahrheit (insbesondere nicht so, dass wir das auch wissen könnten, wenn sie es täten), sondern nur in selbstbezüglicher Weise zu Theorien/Interpretationen, die 2. möglichst gut erfüllen.

4. Wir können nur die Mathematik betreiben, die auch mindestens noch ein Mensch von uns wenigstens einigermaßen versteht. D.h.: Wir unterliegen an der Stelle den Begrenzungen unseres evolutionär entstandenen Denkapparates; mathematische Dinge, die so abgefahren sind, dass wir sie nicht begreifen können, können wir auch nicht zur Theorieenbildung heranziehen. Warum sollte unser Denkapparat auch gerade so gestaltet sein, dass er die Natur mathematisch prinzipiell bis ins Letzte begreifen kann - und vielleicht sogar noch die "wahre Natur"?
a) Diese Grenze kann durch verschiedene Werkzeuge/Hilfsmittel, insbes. Computer, KIs ein Stück weit hinausgeschoben werden, jedoch bei den KIs zu dem Preis, dass wir irgendwann weder ihre Fragen, noch ihre Antworten, noch was die KI zum Teufel nochmal genau tut, begreifen werden können.
b) a) wird in absehbarer Zeit wahrscheinlich geschehen. Falls, dann wird ab diesem Zeitpunkt die menschengemachte Wissenschaft langsam an ihr natürliches Ende kommen und durch etwas ersetzt werden, das den Menschen wie Magie vorkommen wird.

5. Die Natur hat sich bisher stets als komlexer/komplizierter herausgestellt, als zunächst von uns gedacht/gehofft.

6. Der Mensch neigt zum Induktionsirrtum: "Wie in letzter Zeit, so immer!", "Weil die Wissenschaft in den letzten 200 Jahren so irrsinnige Fortschritte gemacht hat, sogar stetig beschleunigt, wird das immer so weitergehen!" Das ist ein Irrtum.

Summa summarum:
Es ist letztlich sinnlos auf wissenschaftlichem Wege nach "der Wahrheit" zu suchen. Die einzige intellektuell redliche Position ist die agnostische Position: strikt aufzuhören nach der "einen wahren, letzten Theorie" zu suchen und stattdessen nur noch nach immer möglichst besseren Theorien und Erklärungen zu suchen (im Sinne von 2.) - und dabei zu erkennen, dass (wegen der Selbstbezüglichkeit in 2.) diese Suche auch immer eine Suche nach uns selbst ist: Das Erkennen der Natur bedeutet auch immer Selbsterkenntnis.




Wenn wir die Sache wie du über Teilchen verständlich machen wollen, Job, müssen wir die Lokalität aufgeben (wegen den Verschränkungen), was mit der ART schwer in Einklang zu bringen ist.
Und es ist die Frage zu stellen, ob so ein Ansatz wenigstens sparsamer als die derzeitig schon bestehenden Annahmen ist oder ob er schöner ist, usw.
Ἓν οἶδα, ὅτι οὐδὲν οἶδα
So isses! Allerhöchstens! Eigentlich nicht einmal das.
Grüße
seeker


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Re: Messung

Beitrag von tomS » 5. Jun 2017, 21:24

Ja, du hast recht.

Sollte auch einer einst die vollendete Wahrheit finden, so wüsste er es doch nicht. Es ist alles durchsetzt von Vermutung.
(Sir Karl Popper)

Aber sobald man einen gewissen Weg in der Wissenschaft eingeschlagen hat, muss man ihm konsequent folgen, um zu sehen, wohin er führt. Denn ...

... so etwas geschieht oft in der Physik: unser Fehler ist nicht, dass wir unsere Theorien zu ernst nehmen, sondern dass wir sie nicht ernst genug nehmen.
(nach Steven Weinberg)
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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Re: Messung

Beitrag von seeker » 5. Jun 2017, 22:49

Das ist richtig.

Nur: Unser Problem ist nicht, dass wir nicht alle Wege weiter verfolgen wollten, sondern dass wir nicht alle Wege verfolgen können, die prinzipiell offen stünden, nicht gleichermaßen stark, nicht in den uns zur Verfügung stehenden Zeitspannen.
D.h.: Wir müssen eine Auswahl treffen, ständig, als Gesellschaft, als Gruppe, als Einzelner. Diese Wahl soll vernunftgeleitet sein; schon das ist eine Wahl.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Messung

Beitrag von tomS » 5. Jun 2017, 23:25

seeker hat geschrieben:
5. Jun 2017, 22:49
Unser Problem ist nicht, dass wir nicht alle Wege weiter verfolgen wollten, sondern dass wir nicht alle Wege verfolgen können, die prinzipiell offen stünden, nicht gleichermaßen stark, nicht in den uns zur Verfügung stehenden Zeitspannen.
D.h.: Wir müssen eine Auswahl treffen, ständig, als Gesellschaft, als Gruppe, als Einzelner. Diese Wahl soll vernunftgeleitet sein; schon das ist eine Wahl.
Zustimmung
Gruß
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Re: Messung

Beitrag von positronium » 6. Jun 2017, 17:39

tomS hat geschrieben:
29. Mai 2017, 22:12
Und im Falle des freien Teilchens oder des Wasserstoffatoms ist es völlig ausreichend, abzählbare Basen zu verwenden; ...
Ich habe dazu etwas zu finden versucht. Für freie Teilchen war das einzige, was ich gefunden habe, die Basis mittels Radial- und Kugelflächenfunktion bei verschwindendem Potential zu formulieren. Daraus ergibt sich eine Basis für die Parameter k,l,m. Aber auch hier muss das k kontinuierlich sein.
Verstehe ich das falsch?
Kannst Du mir so eine abzählbare Basis nennen, wie heisst so eine?

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Re: Messung

Beitrag von tomS » 7. Jun 2017, 00:45

Die quadratintegrablen Laguerre-Funktionen = Laguerre-Polynome Ln(r) mit Gewicht exp(-r) sind auf dem L²[0, ∞]vollständig, d.h. kombiniert mit den Kugelflächenfunktionen sind sie auf dem L²[R³] vollständig. Die ebenfalls quadratintegrablen Hermite-Funktionen hn(x) sind auf dem L²[-∞, +∞] vollständig, d.h. die Funktionen hk(x) * hm(y) * hn(z) sind auf dem auf dem L²[R³] vollständig.

Dass die Streuzustände noch dazukommen darf nicht irritieren, denn diese sind nicht quadratintegrabel und liegen lediglich im Abschluss des L², d.h. sie haben unendliche L²-Norm, es existiert jedoch eine Folge quadratintegrabler Funktionen, die gegen diese Streuzustände konvergiert. Damit sind sie als "Grenzwerte von L²-Funktionen" sowie mittels L²-Basen darstellbar.

Dass man Streuzustände verwendet, hat letztlich zwei Gründe:
i) es ist mathematisch praktisch, z.B. mit ebenen Wellen zu arbeiten; dies erfordert noch nicht zwingend eine physikalische Interpretation;
ii) man benutzt das Postulat, dass Messungen ein System in Eigenzuständen der zu messenden Observable präparieren; wenn die Observable = ein selbstadjungierter Operator nun jedoch keine Eigenfunktionen auf L² hat, dann muss umgekehrt der Hilbertraum um seinen Abschluss erweitert werden, so dass dieses Postulat gültig ist; dies trifft auf so simple Operatoren wie x, p und H zu.

(ii) ist problematisch, da dies explizit die Norm des Zustandes ändert; ein quadratintegrabler Zustand wird nicht-quadratintegrabel; die Wahrscheinlichkeit, in eben diesem Zustand zu finden, kann nicht mehr berechnet werden: für einen Zustand |ψ> mit <ψ|ψ> = 1, ist die Wahrscheinlichkeit, ihn in einem Unterraum (nicht notwendigerweise eindimensional) zu finden, durch den Projektor E mit E² = E gegeben zu p(E) = <ψ|E|ψ>. Für einen nicht-quadratintegrablen Zustand |k> kann man zunächst definieren, dass die Wahrscheinlichkeit das System nach einer Messung, die das System in |k>, |k'>, ... präpariert, im Zustand |k> zu finden, gerade p(k) = <k|ψ> ist. Man kann jedoch nicht mehr die Wahrscheinlichkeit definieren, dass das System, das nun im Zustand |k> ist, im Zustand |k> ist, denn <k|k> ist unendlich.

Im vorliegenden Kontext der Diskussion einer Messung würde ich also davon abraten, derartige verallgemeinerte Zustände zu betrachten.
Gruß
Tom

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Re: Messung

Beitrag von positronium » 7. Jun 2017, 10:58

Vielen Dank für die Antwort!

Ich erkenne immer mehr, dass ich nur ein Schönwetterquantenmechanikbuch habe. :roll:

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Re: Messung

Beitrag von tomS » 7. Jun 2017, 16:02

welches hast du denn?
Gruß
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