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Schrödingers Katze

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 27. Okt 2015, 19:27

@Job: dein Beitrag ist sehr wichtig; ich kommentiere ihn sobald als möglich
Gruß
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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von FKM » 27. Okt 2015, 20:52

Job hat geschrieben:2) die Zeitentwicklung des Zustandsvektors folgt (immer!) der Schrödingergleichung und ist damit linear und unitär (Axiom B)
--> Ja, aber nur, wenn man die ART ausklammert
Das hatte ich als Frage auch schon angesprochen. In der (von mir gelesenen) populärwissenschaftlichen Literatur wird immer wieder geschrieben, dass QM und ART beide sehr erfolgreiche Theorien sind, aber leider unvereinbar, wobei eine Vereinigung als Quantengravitation (QG) oder ToE eigentlich nur für die Beschreibung schwarzer Löcher und des Urknalls gebraucht werde.

Wenn die VWI richtig wäre, dann müsste nach meinem Verständnis die ART richtig falsch sein. Da die Zweige der VWI mit der Zeit auseinander laufen, müssten sie unterschiedliche gravitative Auswirkungen haben. Also kann in diesem Fall die ART nur eine klassische Näherung einer QG (mit VWI) für den Zweig sein, in dem wir als Beobachter uns befinden. Und "die ART ausklammern" macht überhaupt keinen Sinn, da man bei der Frage nach der Interpretation der QM nach einem tieferen Verständnis der Natur sucht; denn Rechnen mit der QM kann man ja offensichtlich höchst erfolgreich ("shut-up-and-calculate") .

Für den Bau eines Quantencomputers ist man ja interessiert, möglichst viele Teilchen (z.B. Ionen) miteinander zu verschränken und in einem Überlagerungszustand zu halten. Selbst wenn man elektromagnetische Felder perfekt abschirmen könnte, bliebe noch die Gravitiation (bzw. die hypothetischen Gravitonen) und das von Jobs angesprochene Vakuum als Umfeld, das zu einer vorschnellen Dekohärenz führen würde. Könnte man daraus vielleicht experimentelle Tests der VWI oder einer QG ableiten?

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Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 27. Okt 2015, 22:08

@FKM:

Die Problematik der Quantisierung der Gravitation und die VWI haben nichts miteinander zu tun; die Probleme betreffen lediglich bestimmte mathematische Methoden und sind heute weitgehend überwunden (was nicht bedeutet, dass wir eine bestätigte Theorie der QG hätten; natürlich fehlt uns jeder experimentelle Beleg)

Wenn die Quantisierung der ART bzw, Gravitation im Kontext einer QG gelöst ist, dann bereiten die Zweige keinerlei konzeptionelle Probleme, die über VWI im Kontext der QM hinausgingen
Gruß
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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 27. Okt 2015, 22:33

@Job

Zu 1.: genau - wobei die KI (bzw. Varianten) natürlich dann funktioniert, wenn der Zustandsvektor nicht ontisch sondern lediglich epistemisch interpretiert wird

Zu 2.: die Dekohärenz ist keine Interpretation sondern eine mathematische Folgerung aus der QM; sie treffen für alle Interpretationen zu; die Dekohärenz ist für Systeme mit unterschiedlicher Teilchenzahl gut untersucht; bzgl. der Interaktion mit dem Vakuum trifft die nicht-rel. QM nicht mehr zu, hier benötigt man die QFT; dazu kenne ich keine Berechnungen

Zu 3.: deine Kritik richtet sich nicht gegen den Realitätsbegriff sondern gegen die Wahrnehmung der Realität; die VWI ist nach allgemeiner Ansicht natürlich "vernünftig", d.h. Gegenargumente sind schon wesentlich subtiler; wenn der Zustandsvektor ontisch interpretiert wird, dann dass ist es sogar zwingend notwendig, alle "Zweige" als real existent zu akzeptieren; alles andere wäre entweder logisch inkonsistent oder würde eine Modifizierung des Formalismus erfordern

Zu 4.: die dBB-Interpretation ist aus meiner Sicht aus zwei Gründen problematisch: zum einen der ontische Status der Führungswelle, zum anderen die m.E. völlig ungelöste Frage der Verallgemeinerung im Sinne einer (relativistischen) Quantenfeldtheorie (QED, QCD, ...)

Zu 5.: kenne ich nicht!

Zu deinen Argumenten bzgl. des Maudlin-Trilemmas

Zu 1) trifft im Rahmen der nicht-rel. QM nicht zu; sollte jedoch im Rahmen der rel. QFT kein zusätzliches Problem darstellen (letztere ist im wesentlichen eine Verallgemeinerung der QM auf beliebig viele Freiheitsgrade)

Zu 2) die SGL ist im Rahmen der QG nicht mehr so leicht anwendbar; da muss erst die QG besser verstanden sein (man kann nicht eine QG interpretieren, die noch nicht vollständig konstruiert ist)

Zu 3) diese Aussage des Maudlin-Trilemmas bezieht sich auf das Kollaps-Postulat, demzufolge im Rahmen einer Messung ein Kollaps in einen Eigenzustand erfolgt sowie der entsprechende Eigenwert gemessen wird; das ist zunächst die orthodoxe QM; die VWI verwirft dieses Postulat, so dass im Kontext einer Messung gerade kein exakt definiertes Ergebnis mehr vorliegt, da zwar "je Zweig" ein "scharfer Wert" wahrgenommen wird, über alle Zweige jedoch unterschiedliche Werte vorliegen bzw. realisiert bleiben.
Gruß
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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von seeker » 28. Okt 2015, 10:22

Job hat geschrieben:1. Der Kollaps der Kopenhagener Interpretation (KI) ist so vage und wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet, dass er für mich wie wohl für viele andere hier im Forum auch, als "vernünftige" Erklärung ausscheidet.
Also ganz so ist das für mich nicht. Kollapsinterpretationen sind für mich weiterhin vernünftig mögliche Optionen.
Sie sind auch nicht wirklich unverträglich mit Dekohärenztheorien.
Und wenn man den Zufall in den Kollaps-Deutungen, in bester Übereinstimmung mit unseren Beobachtungen auch ontologisch ernst nimmt (ernster als irgendwelche Gleichungen), dann dann ergibt das alles genauso Sinn, denn dann muss man nicht nach einem tieferliegenden "Zufallsgesetz" suchen (hinter der Bornschen Regel), das uns die Quantenwelt mit unserer makroskopisch-faktischen Welt verbindet, weil es ein solches Gesetz prinzipiell ja dann gar nicht geben kann (sonst wärs ja kein echter Zufall), d.h. eben der Zufall verbindet in dem Fall beide Welten. Und insofern ist die bornsche Regel dann aus dieser Perspektive auch keine unnötige Zusatzannahme, sondern der Zufall darin ist ja gerade ein Weglassen einer Annahme, nämlich der, dass auch hier eine kausale Regel vorherrschen muss. Und wo der Heißenberg'sche Schnitt dann genau stattfindet "ohne uns" lässt sich auch beantworten: Irgendwo! Es kann in unseren Theorien, die ja schließlich epistemsich-deskriptiv sind kein wirkliches "ohne uns" geben, über das die Wissenschaft Aussagen treffen könnte, d.h. diese Frage muss und kann dann gar nicht objektiv beantwortet werden.
Und wenn man Experimente macht, dann wird der Ort des Heißenbergschen Schnittes eben durch den Experimentaufbau präpariert und ist also je nach Experiment immer irgendwo anders.
Es ist dann gar nicht notwendig, da noch mehr hineininterpretiern zu wollen.
Inkonsistent ist das mit dem Kollaps jedenfalls nicht. Man kann's daher m. E. nach wie vor so oder so sehen.

Zur Dekohärenz noch:
Wir sollten uns dort einmal zwei Dinge näher Anschauen: Das Basisproblem und die Superselektion.
Z.B. wird die Superselektion, soweit ich es im Moment verstehe, derzeit postuliert. Im Ockhamschen Sinne scheinen mir dadurch die Dinge dann auch nicht einfacher zu werden...

Noch etwas hierzu:
seeker hat geschrieben:Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man auch den Platonismus und den Holismus akzeptieren muss, wenn man die VWI akzeptieren möchte.
Holismus! D.h. das Ganze ist nicht aus seinen Teilen erklärbar, ontisch besteht es nicht einmal aus seinen Teilen!
https://de.wikipedia.org/wiki/Holismus

Wir sollten uns anschauen, was da für ein Rattenschwanz dranhängt.
Der Hauptunterschied der VWi zur KI ist in diesem Punkt, dass die VWI einen unbeschränkten Holismus (für beliebige Skalen) annehmen muss, die KI aber nur einen bis zur Grenze des Kollapses, dahinter bleibt alles wie gehabt.
Nun ist es aber so dass der Holismus irgendwo im Gegensatz zum Reduktionismus steht, auf den ja alle unsere nat.wiss. Theorien im Kern aufgebaut sind.
D.h. hier liegt im Falle der VWI dann ein epistemischer Zirkel vor, sozusagen wird hier die Dichotomie der physikalischen Welt (die in der KI vorliegt) in der VWI gelöst, zu dem Preis, dass man dann eine epistemische Dichotomie in Kauf nehmen muss. Das betrifft den Kern der wiss. Methode!

Weiterhin erfordert die VWI eine Umdeutung aller anderen Wissenschaften, eben wegen dem Reduktionismus (Physik bildet die vollständige Basis der Chemie bildet die vollständige Basis der Biologie usw.), bis hinauf zu den Kognitionswissenschaften und der Philosophie des Geistes. D.h. alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien dort wären nur noch effektive Theorien und würden nicht mehr die Welt so beschreiben, wie sie ist, ja hätten damit überhaupt nichts mehr zu tun.
Es ist schwer zu schlucken, dass sich hier alle anderen Wissenschaftszweige (aus reduktionistischen Gründen!) nach (einer unbewiesenen Interpretation!) der QM richten sollen, insbesondere dann, wenn diese einen unbeschränkten Holismus vertritt!

Grüße
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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 28. Okt 2015, 18:45

Eine Kollapsinterpretation mit gleichwertig ontischem Anspruch bzgl. unitärer Zeitentwicklung einerseits sowie Kollaps andereseits ist logisch inkonistent.

Eine rein epistemische Kollapsinterpretation ist wohl logisch konsistent.

Im Rahmen der Dekohärenz wird nichts postuliert; ggf. sind jedoch noch mathematische Probleme für reale Systeme zu lösen.
Gruß
Tom

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von Skeltek » 29. Okt 2015, 06:46

tomS hat geschrieben: Skeltek, du verstehst irgendwie die Zeitentwicklung falsch.
Nein, ich verstehe nur deine Erklärungsversuche nicht.
tomS hat geschrieben: Der Initialzustand wird als gegeben vorausgesetzt.
Das haben wir denke ich beide bereits mehrfach gesagt, das muss nicht extra immer widerholt werden.
tomS hat geschrieben: Das ist triviale QM und unabhängig von jeder Interpretation.
Der Satz ist n.m.M. sinnfrei in dem Kontext - die QM muss zumindest einmal wissen, was sie überhaupt rechnen möchte.
Es geht hier nicht um Interpretation, sondern um die reine Umformulierung der Realität bzw dem Ausgangzustand des Experimentes in entsprechende Formeln.
Dass die Formeln der Ausgangsgleichung in irgendeiner Weise etwas mit dem Ausgangszustand des Experimentes zu tun haben sollten kann sollte wohl fast jeder erkennen - das kann man nicht umgehen indem man es in den Zuständigkeitsbereich der Formelinterpretation schiebt. Es geht mir nicht um die Interpretation des formeltechnisch formulierten Endzustandes, sondern um die Aufstellung der Formel des Anfangszustandes durch Interpretation der Realität.
tomS hat geschrieben: Die folgenden Zustände werden NIE exakt eingenommen, deswegen habe ich auch immer ein "..." angefügt.
Ein ... ohne zugehörige Erklärung sagt irgendwie .... nichts aus. (Rate mal wofür .... steht)
tomS hat geschrieben:Die VWI folgt dabei immer exakt der stetigen und unitären Zeitentwicklung gem. der Schrödingergleichung. Dabei geht es NIE um diskrete Sprünge. Auch das ist zunächst unabhängig von jeder Interpretation.
Eine Interpretation selbst kann nicht einer Zeitentwicklung folgen; sie kann höchstens eine Aussage darüber treffen ob etwas anderes einer Zeitentwicklung folgt/unterliegt. Ich habe hier 15 Minuten herumüberlegt was ich hier antworten soll, aber das ist so schwammig formuliert, dass ich zu viele Interpretationsmöglichkeiten habe und nachher aus irgendeiner unerwarteten Richtung wieder kommt, ich hätte das falsch interpretiert. An der Stelle folgt mein Verstand grundsätzlich der Inversen einer Kegelfläche.
tomS hat geschrieben: Also irgendwie richtet sich deine Argumentation gegen beliebige Interpretationen bzw. gegen den Standardformalismus - oder du hast da noch etwas nicht verstanden
Ja, ich habe deine Erklärungen nicht verstanden. Ich habe schon extrem schwere Bücher gelesen und verinnerlicht. Aber ich habe das Gefühl, dass egal wie ich deine Erklärungen interpretiere (wieso habe ich hier überhaupt soviel Interpretationsspielraum?) und in welchen deiner Postulate ich Widersprüche zu erkennen glaube oder anspreche es danach heißt:
"Du hast mich falsch verstanden", "Du hast es nicht verstanden" oder "Ich benutze jetzt etwas als Argument, das deine vorherige Ansicht unterstützt, bevor du auf meine Erklärung eingegangen bist".

Verstehe das nicht falsch, das soll kein Angriff auf dich persönlich sein.
Einerseits sagst du, keiner der Endzustände wird exakt eingenommen, andererseits streitest du mir ab, den Anfangszustand als nicht exakt betrachten zu dürfen.
Ich habe einfach etwas gegen eine Theorie, welche Endzustände als unscharf betrachtet, aber darauf besteht, dass der Ausgangszustand völlig scharf sein soll (was er in meinen Augen aber nicht sein kann).
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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von Job » 29. Okt 2015, 09:53

FKM hat geschrieben:
Und "die ART ausklammern" macht überhaupt keinen Sinn, da man bei der Frage nach der Interpretation der QM nach einem tieferen Verständnis der Natur sucht;
Das sehe ich genauso. Ich hatte es etwas anders gemeint, nämlich, dass bei der Berücksichtigung der ART die Aussage 2 zur Schrödingergleichung wohl nicht mehr allgemeingültig ist.
Toms hat geschrieben:
Zu 2.: die Dekohärenz ist keine Interpretation sondern eine mathematische Folgerung aus der QM; sie treffen für alle Interpretationen zu; die Dekohärenz ist für Systeme mit unterschiedlicher Teilchenzahl gut untersucht; bzgl. der Interaktion mit dem Vakuum trifft die nicht-rel. QM nicht mehr zu, hier benötigt man die QFT; dazu kenne ich keine Berechnungen
Hast Du Infos, welche "Arten" von Interaktionen mit dem Vakuum in der QFT denn berücksichtigt werden. Oder vielleicht auch anders gefragt, welche Eigenschaften das Vakuum laut QFT haben müsste.
Toms hat geschrieben:
Zu 3.: deine Kritik richtet sich nicht gegen den Realitätsbegriff sondern gegen die Wahrnehmung der Realität; die VWI ist nach allgemeiner Ansicht natürlich "vernünftig", d.h. Gegenargumente sind schon wesentlich subtiler; wenn der Zustandsvektor ontisch interpretiert wird, dann dass ist es sogar zwingend notwendig, alle "Zweige" als real existent zu akzeptieren; alles andere wäre entweder logisch inkonsistent oder würde eine Modifizierung des Formalismus erfordern
Der Begriff vernünftig ist wohl nicht der beste in diesem Zusammenhang. Dass die VWI mathematisch "vernünftig" und konsistent ist, glaube ich Dir sofort. Wie Du in dem zweiten Teil auch wieder andeutest, geht es im Grunde doch immer wieder um die Frage, welchen Teil der Realität die QM eigentlich beschreibt. Dass sie einen Teil der Realität beschreibt, steht für mich ausser Frage. Wir hatten dies in einem anderen Thread schon mal kurz angeschnitten. Ich hatte damals glaube ich eine Analogie mit einem Ball (Flanke) erwähnt und meiner Meinung nach beschreibt die QM ganz grob und sehr vereinfacht gesehen die möglichen Bahnkurven (Pfade), die Auswirkungen seiner Rotation in der Luft, etc. Den Ball selber kennt die QM eigentlich nicht. Das reicht für viele wichtige Dinge aus, aber nicht für die Interpretation. Wenn man dann sagt, die Kurve "ist" die vollständige Abbildung der Realität und damit die Kurve ontisch interpretiert, führt dies halt zu Interpretationsproblemen,

Toms hat geschrieben:
Zu 5.: kenne ich nicht!
Den hatte ich mal gefunden, als ich nach stochastischen Ansätzen im Rahmen der QM gesucht habe. Leider scheint sich kaum einer dafür zu interessieren, obwohl der Bohmsche Ansatz hier meiner Meinung nach wesentlich verbessert wird. Das ist sehr schade, aber nicht zu ändern. Aber wie gesagt, er ist auch noch lange nicht fertig und stockt im Wesentlichen an derselben Stelle wie der andere (SED), den ich gefunden habe, an dem leider (aus meiner Sicht) auch nur ein paar Theoretiker arbeiten. Ohne eine zündende Idee werden sie wohl auch nicht weiterkommen. Dann wirst Du mit Deinen Einwänden faktisch recht behalten :-)

Toms hat geschrieben:
Zu deinen Argumenten bzgl. des Maudlin-Trilemmas

Zu 1) trifft im Rahmen der nicht-rel. QM nicht zu; sollte jedoch im Rahmen der rel. QFT kein zusätzliches Problem darstellen (letztere ist im wesentlichen eine Verallgemeinerung der QM auf beliebig viele Freiheitsgrade)
ok. Ich ziehe daraus den Schluss, dass mein Argument mit dem Vakuum das Problem evtl. nicht komplett adressiert.

Daher habe ich mir Dein erstes Beispiel noch mal angesehen und dieses hat mit dem Vakuum so wie es aussieht ja auch direkt zunächst nichts zu tun. Daher würde ich es gerne etwas eingehender diskutieren, da ich der Meinung bin, dass 2 + 3 richtig sind und damit die Aussage 1 nicht immer stimmen kann.
Toms hat geschrieben:
Am Beispiel des radioaktiven Präparates plus Katze: diese befinden sich zunächst entsprechend des Formalismus in einem Überlagerungszustand

|Z> = a|nicht zerfallen, lebend> + b|zerfallen, tot>

Gemäß (B) entwickelt sich der Zustandsvektor tatsächlich genau in diesen o.g. Zustandsvektor. Wenn dieser Zustandsvektor tatsächlich entsprechend (A) das System vollständig beschreibt, haben wir im Widerspruch zu (3) keinen exakt definiertes Messergebnis (z.B. immer entweder lebend oder tot).
Wenn es recht ist, würde ich es gerne etwas abändern, um die Katze "loszuwerden". Betrachten wir die erste Stufe der Kette in Schrödingers Beispiel. Wir haben ein Messgerät und das radioaktive Präparat.

Dann hätten wir:

|Z> = a|nicht zerfallen, Messgerät schweigt> + b|zerfallen, Messgerät schlägt aus>

Meine erste Frage dazu wäre: Ist dies der einzige Zustand, der in der QM für diesen Fall gültig ist, oder gibt es auch alternativ die Möglichkeit, zwei Zustände für dieses Beispiel mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten versehen zu definieren: In der Art

|Z1> = |nicht zerfallen, Messgerät schweigt> mit einer Wahrscheinlichkeit p[down]t[/down]
|Z2> = |zerfallen, Messgerät schlägt aus> mit einer Wahrscheinlichkeit 1-p[down]t[/down]

Bitte nicht am Formalismus stören, den ich nicht genau genug kenne. Es geht mir nur um die Frage, ob nur der "verschmierte" Zustand in diesem Fall zum Tragen kommt, oder ob er nur eine von mehreren Möglichkeiten ist.

Seeker, Deinen Beitrag zum Holismus würde ich gerne in diesem Zusammenhang später auch diskutieren.
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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von deltaxp » 29. Okt 2015, 11:11

FKM hat geschrieben: Im Moment erscheint auch mir anhand der Literatur (z.B. http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as ... Welten.pdf), die ich bisher gelesen habe, die Viele-Welten-Theorie insbesondere im Zusammenspiel mit der Dekohärenztheorie als die überzeugendste Interpretation, auch wenn sie mir so gar nicht "gefällt". Aber ich wünschte, ich wüsste mehr über Quantentheorie, dass ich mir eine Meinung über Alternativen bilden könnte.
ich fürchte das würde dir auch nicht helfen :) die Quantenmechanik in ihrer mathematischen ausformulierten form gibt es nun bald seit hundert jahren, und selbst Physiker, die das hoch und runter, vorwärts und rückwärts mit tee oder bier intus rechnen können, streiten sich seitdem um ihrer Interpretation :P
FKM hat geschrieben: Vielleicht noch eine theoretische Frage: wie ist die VWI mit der Unitarität vereinbar, auf die sonst so viel Wert gelegt wird (z.B. im Zusammenhang mit schwarzen Löchern)? Wenn ein Messprozess oder ein Dekohärenzvorgang zu einer Verzweigung der Realität führt, wie kann so ein Vorgang zeitumkehrbar sein?
da würde dir das wissen in der tat helfen: vollkommen vereinigbar. zu jeder zeit gilt <psi|psi>=1. Letzlich ist es "nur" eine Drehung im hilbertraum. ist schon laaange her bei mir, aber man kann mathematisch equivalent die schrodinger-gleichung, das sogenannte schrödinger-bild, wo die zwitabhängigkeit im Zustand vorliegt, so umformulieren, dass die zeitabhängigkeit im unitäteren Operator steckt (Heisenberg-bild war das glaub ich). da sieht man das dann explizit.

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von deltaxp » 29. Okt 2015, 11:42

seeker hat geschrieben:Nochmal, das Prinzip der VWI lautet:
"Schlichtweg alles was durch die gegebenen naturgesetzlich-mathematischen Strukturen der QT und die Anfangsbedingungen möglich ist, wird auch geschehen!"
Erstens handelt es sich um eine Interpretation, nicht um eine Theorie. Die theoretische Grundlage dieser Interpration ist dabei sehr einfach: Die schrödinger-Gleichung gilt immer. Und das ist weniger Ballast, als das Modell des Wellenfunktions-Kollaps mit sich bringt, denn es gibt keine physikalisches Modell, kein dynamischen Prozess, der den Kollaps verursacht. er wird ad hoc und unpräzise eingeführt (Heisenbergschnitt).

Es gibt nur Einen Hilbertraum-Zustandsvektor, der sich entwickelt. Aus dieser perspektive passiert also nur EINS und damit nur EINE Realität.
nur wenn du einem "orthogonalen" zweig |Welt_k> (orthogonal heisst hier nicht mehr, also dass die verschiedenen Bereiche keinen kausalen zusammenhang haben, also <Welt_k|psi-ek>=0) steckst als beobachtender teil der wellenfunktion |psi> sieht du das als deine Realität an, und damit als "alles ist möglich". Das ist aber dein Problem, nicht das des Gesamtwellenfunktion |psi>, die sich als linearkombination ALLER ""Welten" ergibt:
, aber dennoch bleibt es nur eine Gesamtwellenfuktion.

Die Formel ist natürlich nur symbolisch zu sehen.

Ich weiß nicht, ich versucs mal mit einer analogie. Nehmen wir an da ist ein rechtecksignal _--_--_--_. Jeder weiss, das es sich aus unendlich vielen frequenzen mit verschiedenen Amplituden zusammensetzt, also Sinussen und cosinussen. nehmen wir an, es du bist jetzt ein kluges sinoid und dein ton ist deine welt. und du kennst nur diese welt, also kennst deine Frequenz, deine Wellenlänge, deine Amplitude und bist der Meinung. das ist meine welt. wenn da jemand herkommen würde und was von einen rechtecksignal und unendlich vielen sinoiden und cosinoiden plappern würde, würde das sinoid auch vielleicht auch sagen: wie jetzt ALLES IST möglich. aber eigentlich ist es nur eines: ein rechtecksignal.

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von deltaxp » 29. Okt 2015, 11:57

tomS hat geschrieben: ... Was tun die Physiker? Der Anhänger der Viele-Welten-Interpretation lässt den Stift liegen, denn er war ja bereits fertig. Der Anhänger der orthodoxen Interpretation sucht sich einen Zeitpunkt T = t1 aus (warum gerade t1 bleibt sein Geheimnis), berechnet komplizierte Projektoren und wendet einen davon (welchen muss er würfeln) auf den Zustand an. D.h. er verfällt in hektische Aktivität, während der andere gemütlich sein Bier trinkt.
Sehr schöne Erläuterung, aber ein Fehler: DIE anderen trinken gemütlich ihr Bier :P

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von deltaxp » 29. Okt 2015, 12:19

tomS hat geschrieben:Fakt ist, dass praktisch jeder die VWI zunächst absurd findet. Das legt sich etwas, wenn man begreift, dass die "vielen Welten" nicht postuliert sondern lediglich akzeptiert werden. Eine gewisse Skepsis bleibt natürlich immer.
liegt wahrscheinlich daran, dass unser evolutionäres Selbstbewusstsein unsere Individualität in den Vordergrund stellt und wir daher mit vielen Kopien unseres ichs ein Problem haben. Hätten wir uns aus Ameisen entwickelt, hätten wir mit der VWI wahrscheinlich weniger Probleme.

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von seeker » 29. Okt 2015, 13:59

tomS hat geschrieben:Im Rahmen der Dekohärenz wird nichts postuliert; ggf. sind jedoch noch mathematische Probleme für reale Systeme zu lösen.
Superselection rules are postulated rules forbidding the preparation of quantum states that exhibit coherence between eigenstates of certain observables.
https://en.wikipedia.org/wiki/Superselection

Das sieht für mich im Moment so aus: Vielleicht sind das nur mathematische Ausformulierungsprobleme, vielleicht aber auch nicht.
Job hat geschrieben:Seeker, Deinen Beitrag zum Holismus würde ich gerne in diesem Zusammenhang später auch diskutieren.
Etwas später, gerne!

@deltaxp: Ja, schon klar. So war das auch gemeint, mit:
deltaxp hat geschrieben:Nochmal, das Prinzip der VWI lautet:
"Schlichtweg alles was durch die gegebenen naturgesetzlich-mathematischen Strukturen der QT und die Anfangsbedingungen möglich ist, wird auch geschehen!"
Wir müssen hier nun auch einmal den Begriff "real" etwas genauer zu fassen bekommen.
Wir haben zunächst unsere gewohnte Realität der beobachtbaren Phänomene, nennen wir sie "P-Realität".
Nun behauptet die VWI, dass es hinter der P-Realität noch eine andere, übergeordnete Meta-Realität gäbe, nennen wir sie "M-Realität".
Eben die Akzeptanz dieser M-Realität sorgt dafür, dass meine zitierte Aussage auf Ebene der P-Realität gültig wird.
Dahinter steckt ein Prinzip, das notwendig ist, um die M-Realität akzeptieren zu können:

Mathematische Strukturen sind, wenn sie Ockham genügen und nicht im Widerspruch zu den phänomenalen Beobachtungen stehen, gewichtiger als als rein phänomenale Beobachtungen + evtl. nur effektive Beschreibungen, die Ockham weniger gut genügen! Wenn sich aus diesen Strukturen Aussagen/Entitäten ergeben, die nicht phänomenologisch beobachtbar sind, dann sind diese Aussagen/Entitäten dennoch als real einzustufen - und zwar als realer als die Welt der Phänomene!

D.h.: Die Physik soll nicht nur die beobachtbare Welt der Phänomen erklären, sondern darüber hinausgehen, soweit es die Mathematik erlaubt und das dort Auffindbare sogar wichtiger nehmen als die Phänomene!


Gut soweit, gehen wir einen Schritt weiter:

Der Gesamtzustand des Universums ist wegen der Unitarität stets durch einen einzige QM-Wellenfunktion gegeben.
D.h. wir können das bis zum Urknall zurückverfolgen.
Aus diesem Anfangszustand muss sich das Universum streng kausal bis heute entwickelt haben, aber wo kommt dieser Zustand selbst her?
Wir wissen zudem, dass dieser Zustand ausgesprochen niederentropisch gewesen sein muss.
Aus dem obigen Prinzip folgt nun, dass es nicht nur diesen einen Anfangszustand gegeben haben kann, sondern dass alle anderen möglichen Anfangszustände in Überlagerung zu unserem ebenso real existiert haben müssen.
Was dort möglich ist und was nicht, wäre noch durch eine entsprechende Theorie zu formulieren, aber das ist auf diesem Weg eigentlich nur noch nicht getane Arbeit. Wichtig ist: Wir wissen (bei Beibehaltunge des Prinzips/dieser gedanklichen Perspektive) auch so schon dass eine solche Theorie existieren muss!
Aus einer solchen noch übergeordneteren Theorie würde sich dann folgerichtig eine ebenso noch übergeordnetere Meta-Meta-Realität ergeben: M-M-Realität.
Wobei man auch dort dann sicher wieder zu einem Ausgangspunkt käme, der zu einer M-M-M-Theorie führen würde, incl. zugehöriger und zu akzepierenden M-M-M-Realität.
Und so weiter!

Daher ergibt sich dann aus der Perspektive unserer P-Realität die schlussendliche Aussage:
Schlichtweg alles, was möglich ist, ist auch realisiert!

Grüße
seeker
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Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 31. Okt 2015, 09:17

@Skeltek:

Ich verstehe leider nicht, auf was genau sich deine Kritik nun bezieht; ich versuch's mal mit dem letzten Teil:
Skeltek hat geschrieben:Einerseits sagst du, keiner der Endzustände wird exakt eingenommen, andererseits streitest du mir ab, den Anfangszustand als nicht exakt betrachten zu dürfen.
Das sage ich nicht.

Es gibt einen exakt definierten Anfangszustand. Dieser ist jedoch eine Superposition von Eigenzuständen der zu messenden Observablen. Diese Observable hat im Anfangszustand also keinen scharf definierten Wert.

Die KI postuliert nun im Zuge der Messung einen Kollaps in einen Eigenzustand der Observablen, wodurch diese einen scharfen Wert hätte. Da die KI den Kollaps jedoch zusätzlich postulieren muss, die Dekohärenz jedoch beweist, dass dieses Postulat überflüssig ist, um Übereinstimmung mit den Beobachtungen zu erhalten, verzichtet die VWI auf dieses Kollapspostulat.

Aus der Dekohärenz folgt wiederum ein exakt definierter Endzustand. Dieser weist jedoch in extrem guter Näherung eine "Zweigstruktur" auf, wobei jeder "Zweig" einem Eigenzustand der gemessenen Observablen entspricht. Die "Zweigstruktur" bedeutet jedoch, dass der Gesamtzustand wiederum eine Superposition von Eigenzuständen der zu messenden Observablen entspricht. Diese hat also bezogen auf den Gesamtzustand wiederum keinen scharf definierten Wert (lediglich innerhalb eines Zweiges und damit in Übereinstimmung mit der Beobachtung).
Skeltek hat geschrieben:Ich habe einfach etwas gegen eine Theorie, welche Endzustände als unscharf betrachtet, aber darauf besteht, dass der Ausgangszustand völlig scharf sein soll.
Wie gesagt, das besagt die Theorie gerade nicht. Zustände sind immer exakt scharf, d.h. eindimensionale Unterräume in einem Hilbertraum. Aber dieser Zustand entspricht i.A. keinem Eigenzustand; damit weist die entsprechende Observable keinen scharfen Wert auf.

Und das meine ich mit Standard-QM. Außer dass das Kollapspostulat vermieden wird entspricht das exakt dem Formalismus der QM seit 90 Jahren.
Gruß
Tom

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Beitrag von tomS » 31. Okt 2015, 09:24

@seeker:

Ich würde nicht von P- und M-Realität sprechen. Das was du M-Realität bezeichnest würde ein Philosoph einfach "Realität" nennen. Und das was du P-Realität nennst, würde er als "Phänomen" bezeichnen.

Der von dir gepostete Abschnitt zu den "superselection rules" ist hier verwirrend; m.E. ist es i.A. auch falsch, dass dies postuliert werden müsste.

Evtl. ist der von mir gewählte Begriff "Superselektionsregel" nicht wirklich zutreffend; im vorliegenden Kontext handelt es sich nach Zurek um "einselection" = "environment-induced superselection"

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Einselection



Die von dir gezogene Schlussfolgerung alles, was quantenmechanisch möglich ist, ist auch realisiert trifft es m.E. sehr gut. Wenn wir dem Quantenzustand eine Realität zuschreiben, dann wissen wir, dass deine Schlussfolgerung vor einer Messung zwingend gelten muss (das ist der ganz normale Formalismus). Wenn wir nun eine Messung mit einer quantenmechanischen Wechselwirkung gleichsetzen (was anderes sollte eine Messung sein?), dann ist es vernünftig, diese Regel nicht per unbegründetem und unnötigem Postulat außer Kraft zu setzen. Damit bleibt weiterhin alles quantenmechanisch mögliche auch realisiert.

Wem das nicht gefällt (warum?) der hat m.E. nicht den Ausweg, einen Kollaps zu postulieren (dies halte ich für ad hoc und letztlich in sich widersprüchlich), der hat ausschließlich die Möglichkeit, dem Quantenzustand keine Realität zuzuschreiben, sondern ihn lediglich als Werkzeug zu begreifen, das aus nicht weiter bekannten Gründen 'funktioniert'.

Demzufolge ist die VWI für mich die einzig logisch mögliche realistische Interpretation der QM.
Gruß
Tom

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 31. Okt 2015, 09:29

@Job: deine beiden Zustände |Z1> und |Z2> mit Wsk. p und 1-p stecken gerade in meinem Zustand |Z>; deine Wsks. ergeben sich aus den Amplituden a und b; wir stimmen hier also absolut überein
Gruß
Tom

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von Skeltek » 31. Okt 2015, 11:24

Hi tomS,
denke so langsam wird das was bei uns, auch wenn es Anfangs etwas anstrengend war.
tomS hat geschrieben: Es gibt einen exakt festgelegten Anfangszustand. Dieser ist jedoch eine Superposition von Eigenzuständen der zu messenden Observablen. Diese Observable hat im Anfangszustand also keinen scharf definierten Wert.
Das habe ich in anderen Worten anfangs auch so gesagt und du hast gesagt das sei falsch (Muss unsere alten Posts später noch einmal prüfen). Habe übrigens dein "definiert" durch "festgelegt" ersetzt.
tomS hat geschrieben: Die KI postuliert nun im Zuge der Messung einen Kollaps in einen Eigenzustand der Observablen, wodurch diese einen scharfen Wert hätte.
Wobei hier gesagt werden sollte, dass zu der quantenmechanischen Unschärfe noch die Heisenbergsche Messunschärfe kommt, wie er sie ursprünglich wellentheoretisch postuliert hatte - aber das soll hier mal keine Rolle spielen.
tomS hat geschrieben: Da die KI den Kollaps jedoch zusätzlich postulieren muss, die Dekohärenz jedoch beweist, dass dieses Postulat überflüssig ist, um Übereinstimmung mit den Beobachtungen zu erhalten, verzichtet die VWI auf dieses Kollapspostulat.
Wo ich mich eben immer auch gefragt habe, ob ein Kollaps wirklich notwendig ist. Es reicht ja davon auszugehen, dass ein Eigenzustand oder Superposition gemessen wird - es ist ja nicht determinierbar(?) ob das Teilchen in dem kollabierten Zustand bleibt, oder die Messung einen schnell vorübergehenden Eigenzustand abgegriffen hat.
tomS hat geschrieben: Aus der Dekohärenz folgt wiederum ein exakt definierter Endzustand. Dieser weist jedoch in extrem guter Näherung eine "Zweigstruktur" auf, wobei jeder "Zweig" einem Eigenzustand der gemessenen Observablen entspricht. Die "Zweigstruktur" bedeutet jedoch, dass der Gesamtzustand wiederum eine Superposition von Eigenzuständen der zu messenden Observablen entspricht. Diese hat also bezogen auf den Gesamtzustand wiederum keinen scharf definierten Wert (lediglich innerhalb eines Zweiges und damit in Übereinstimmung mit der Beobachtung).
Da sah ich Parallelen zum n-Körper-Problem, aber ein ander mal dann dazu mehr.
tomS hat geschrieben:
Skeltek hat geschrieben:Ich habe einfach etwas gegen eine Theorie, welche Endzustände als unscharf betrachtet, aber darauf besteht, dass der Ausgangszustand völlig scharf sein soll.
Wie gesagt, das besagt die Theorie gerade nicht. Zustände sind immer exakt scharf, d.h. eindimensionale Unterräume in einem Hilbertraum. Aber dieser Zustand entspricht i.A. keinem Eigenzustand; damit weist die entsprechende Observable keinen scharfen Wert auf.
Das ist eben genau der Punkt den ich angesprochen hatte. Die Observable ist eben kein Representant der Komponentenmenge der Superposition.
Der Anfangszustand mit dem gerechnet wird ist nicht scharf bzw der erfassbare Anfangszustand des Experimentes kann nicht exakt (weder numerisch noch sonstwie) als Argument für die Rechnung ermittelt werden. Die linke Seite der Rechnung ist zwangsläufig ein unvollständiges Sammelsurium an Observablen und nicht der exakte Gesammtzustand des Systems.
Das meinte ich damit als ich sagte, dass nicht nur die rechte Seite unscharf ist, sondern sich auch ein rechnerischer Fehler hineinschleicht, der durch ein Delta im Anfangszustand durch die Rechnung schleicht.
Nochmal eine meiner Ausführungen in klaren Worten:
Ich bemängele nicht die Stabilität |f(x)-f~(x)| der rechnerischen Verfahren der Formalismen, sondern die durch die gestörten Eingabedaten verursachte Kondition |f(x)-f(x~)| des Problems.
Das Problem der Quantenmechanik besteht meiner Meinung also primär aus zwei Teilen, und ich finde es unzureichend, dass Physiker sich bei ihren Theorienentwicklungen zu sehr auf den ersten Teil versteifen und letzteren fast ausser Acht lassen.
Ich denke die Konditionierung des Problems sollte in jedem Fall in die Diskussion mit einfließen und nicht nur die Stabilität des mit der Theorie assoziierten rechnerischen Verfahrens.

Tut mir nochmals leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich musste erstmal herausfinden, ob du mich falsch verstehst oder du tatsächlich eine völlig unterschiedliche Ansicht vertrittst.
Gegebenenfalls könnten Ausflüge in den Bereich des n-Körper-Problems auch helfen gewisse Parallelen zwischen der quantenmechanischen Superposition und den Extrema von Schwarm-ähnlichen Teilchensystemen zu ziehen.

Eine letzte Frage noch:
Bei der Interaktion von zu messendem Teilchen und messendem Teilchen sind ja primär die durch den Kollaps der Wellenfunktion verursachten Observablen (beider Teilchen?) beteiligt.
Bleiben die nicht gemessenen Komponenten an das Teilchen gebunden oder findet hier ein Austausch statt?
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Beitrag von tomS » 31. Okt 2015, 12:34

Ich denke, du verwechselst da etwas.

Die Unschärfenrelation spielt keine Rolle, denn wir sprechen lediglich von einer, nicht von zwei nicht-vertauschenden Obervablen.

Die Messunschärfe = die Schärfe des Wertes einer Observablen spielt ebenfalls keine Rolle. Am Anfang haben wir eine Superposition z.B. von Spin = + 1/2 und - 1/2; am Anfang wiederum eine näherungsweise Zweigstruktur für diese beiden Werte; innerhalb eines idealisierten Zweiges wären sie exakt scharf, daneben gibt es jedoch noch kleine Komponenten, die der Unschärfe jedes einzelnen Zweiges Rechnung tragen - weswegen ich von näherungsweise spreche. Diese Unschärfe entspricht der Messunschärfe, also die Güte der Messung. Diese muss lediglich ausreichend sein, um überhaupt von einer Messung sprechen zu dürfen.

Es geht jedoch um die Tatsache, dass weiterhin beide Zweige, d.h. eine Superposition mit + 1/2 und - 1/2 existieren und damit global betrachtet kein scharfer Wert der Observablen vorliegt.



Betrachte die Überlagerung zweier Gaußscher Wellenpakete mit Zentren auf der Erde und auf dem Mond; der Gesamtzustand = die Überlagerung repräsentiere ein Elektron; unabhängig von der Breite eines einzelnen Gaußpaketes ist es nicht möglich, dem Elektron einen eindeutigen Ort zuzuweisen; die Messunschärfe ist also absolut irrelevant, genauso wie z.B. die Impulsunschärfe.

Alles was die VWI besagt ist, dass wenn an einen derartigen Überlagerungszustand eine Ortsmessung auf der Erde durchgeführt wird und dieses eine Wellenpaket tatsächlich gemessen wird, das andere Wellenpaket am Mond nicht kollabiert (warum sollte es das? dort findet gar keine Messung = keine Wechselwirkung statt) sondern dass für die Gesamtheit "Wellenpakete + Messgeräte + Beobachter + Erde + Mond + ..." eine Zweigstruktur resultiert (das kann man beweisen!) und bestehen bleibt (das darf man annehmen, da man wiederum beweisen kann, dass diese Zweige wechselweise unsichtbar sind).

Die Schärfe der Werte der Observablen = die Breite der Wellenpakete sowie die Güte der Messung sind für diese Betrachtung völlig irrelevant; man verwendet der Einfachheit halber zur Diskussion immer Superpositionen scharfer Eigenzustände, die Argumentation bleibt jedoch auch für Wellenpakete mit einer gewissen Breite gültig.



Nochetwas: die Diskussion, ob der Zustand bzgl. einer Observablen scharf ist oder nicht, d.h. ob eine Obervable einen scharf definierten Wert hat oder nicht, geht völlig am Kern der VWI vorbei!! Die Fokussierung auf Observable, deren erlaubte Eigenzustände, deren Schärfe bzw. Güte und deren Realisierung im Zuge einer Messung resultiert ausschließlich aus dem Kollapspostulat! Lässt man dieses weg, existiert im gesamten Formalismus überhaupt kein Grund, über Observable auch nur zu reden! Die VWI reduziert sich auf die Zeitentwicklung entsprechend der Schrödingergleichung.

Die einzig verbleibende Frage ist, warum in einer Theorie, die Observable nicht auszeichnet, diese dennoch effektiv eine wichtige Rolle spielen. Inwiefern haben eine Observable A und deren Eigenzustände |a> etwas mit einem ganz speziellen System zu tun, dessen Hamiltonoperator H eine "Messung" von A dahingehend bewirkt, dass eine durch |a> charakterisierte Zweigstruktur resultiert.
Gruß
Tom

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von seeker » 31. Okt 2015, 16:51

tomS hat geschrieben:Ich würde nicht von P- und M-Realität sprechen. Das was du M-Realität bezeichnest würde ein Philosoph einfach "Realität" nennen. Und das was du P-Realität nennst, würde er als "Phänomen" bezeichnen.
Nein. Es gibt durchaus ganz verschiedene Positionen zum Begriff "Realität". Dem wollte ich mit dieser Darstellung Rechnung tragen.
Du nimmst mit dieser Aussage unwillkürlich schon eine ganz bestimmte Postion ein.
Mit der "Realität" hat man es jedenfalls nicht einfach... :wink:
... und eben jener Begriff tangiert den Kern der ganzen Sache. Deshalb thematisiere ich das auch immer wieder.
Schau z.B. hier:
Für die Naturwissenschaften ist Realität das, was der wissenschaftlichen Betrachtung und Erforschung zugänglich ist. Dinge, die nicht messbar sind, sollen keine Basis für wissenschaftliche Theoriebildung sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Realit%C3%A4t
Da wird's doch schon schwierig... Erfüllt die QM das noch, wenn man auch den prinzipiell nicht-beobachtbaren Teil ernst nehmen will, als "real" betrachten will?
Ich glaube, dass das eine Definitionsänderung erfordern würde. Und sowas erfordert weitreichende Diskussionen. Und es stellt sich die Frage, wie weit man auf diesem Weg genau gehen will - und warum!
Wo genau macht man den Schnitt? Denn wenn man ihn beliebig weit geht, dann kommt man zwansläufig zu meiner M-M-M-...-Realität.
tomS hat geschrieben:Der von dir gepostete Abschnitt zu den "superselection rules" ist hier verwirrend; m.E. ist es i.A. auch falsch, dass dies postuliert werden müsste.
Ich würde an dieser Stelle einen eigenen Thread zum Thema "Dekohärenz" vorschlagen.
Ich würde das gerne genauer verstehen, insbesondere was man weiß, was man (noch) postuliert/vermutet (bzw. zukünftig noch nachweisen will) und was das alles tatsächlich genau bedeutet und was nicht.
tomS hat geschrieben:Demzufolge ist die VWI für mich die einzig logisch mögliche realistische Interpretation der QM.
So weit gehe ich nicht. Es ist für mich im Moment EINE logisch mögliche realistische Interpretation der QM, auch nur dann, wenn man den Begriff "realistisch" auf eine ganz bestimmte Weise versteht.
Z.B. die dBB-Anhänger würden das meine ich anders sehen.
Es ist für mich auch ein fundamentaler Unterschied zu sagen: "Die VWI ist für mich noch die vielversprechendste Option!" oder: "Die VWI ist wahr!".

Grüße
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Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 1. Nov 2015, 21:57

Hallo seeker,

Ja, es gibt verschiedene Realismus-Begriffe in der Philosophie, z.B. das "esse est percipi" = „Sein bedeutet, wahrgenommen zu werden". Ich halte allerdings wenig davon, einen neuen Begriff einzuführen, wenn es bereits zur Genüge existierende gibt.

Wenn ich mit "Realität" im weitesten Sinne etwas als von unserer Wahrnehmung, der Erscheinung, dem Phänomen, ... unabhängig existierendes annehme, dann ist dies genau der Gegensatz, um den sich die Diskussion im Umfeld der VWI dreht. Wenn ich einen anderen Begriff von "Realität" einführe, dass diese im wesentlichen immer bereits mit einer Wahrnehmung o.ä. verknüpft ist, dann verschwindet dieser Gegensatz.

Es gibt aber nichts anderes als diesen Gegensatz, der uns zur VWI führt. Wenn ich den Quantenzustand nicht als eine Beschreibung einer objektiven, unabhängig von Wahrnehmung existierenden Realität begreifen will, dann muss ich mich natürlich nicht mit der VWI befassen.

Wikipedia ist da wieder mal nicht die beste Quelle; im Artikel zur Realität findet man
Ein genaues Verständnis davon, was unter der Realität zu verstehen ist, beruht zum einen auf getroffen philosophischen Voraussetzungen; dies gilt auch für das Realitätsverständnis der einzelnen Wissenschaften. Für die Naturwissenschaften ist Realität das, was der wissenschaftlichen Betrachtung und Erforschung zugänglich ist. Dinge, die nicht messbar sind, sollen keine Basis für wissenschaftliche Theoriebildung sein.
Demzufolge wären also lokale Eichsymmetrien sowie Diffeomorphismen keine Basis für Theorienbildung, da prinzipiell unbeobachtbar. Der zitierte Absatz ist schlichtweg Quatsch!!

(bereits Einstein hat Heusenberg auf diesen sinnlosen Ansatz hingewiesen)

Wenn also die VWI bzw. der ihr zugrundeliegende Begriff von Realismus in diesem Sinne kritisiert wird, dann ist das ein Strohmann-Argument, und zwar ein schlechtes.

Besser ist m.E. der Abschnitt zum Realismus:
Der Begriff Realismus umfasst eine Vielzahl philosophischer Positionen, nach denen vom menschlichen Bewusstsein unabhängige Phänomene [unpassende Wortwahl in diesen Kontext - Anm. TomS] existieren ... Dabei werden realistische Thesen bezüglich ganz unterschiedlicher Phänomene diskutiert, so dass man genauer jeweils von einem Realismus bezüglich eines bestimmten Problembereichs spricht.

Wird die Existenz einer denkunabhängigen Realität angenommen, spricht man von metaphysischem oder ontologischem Realismus. Genauerhin spricht man auch hier jeweils wieder von Realismus bezüglich unterschiedlicher ontologischer Objekte (beispielsweise Universalienrealismus oder Realismus bezüglich natürlicher Arten).

Von erkenntnistheoretischem Realismus spricht man umgekehrt, wenn die Welt „wirklich erkennbar“ ist, was man etwa so präzisieren könnte, dass unsere Meinungen prinzipiell mit beobachtungsunabhängig existenten Objekten zu tun haben können, mit Objekten einer in dafür relevanten Hinsichten für alle Beobachter identischen Welt – und dass dies im Falle von Wissen auch wirklich so ist.

...

Von einem wissenschaftlichen Realismus spricht man bezüglich der These, dass die Einzelwissenschaften letztlich zu Wissen von Gegenständen führen, die unabhängig von bestimmten Theorien oder Konventionen existieren und so strukturiert sind, wie wir dies wissen können. Dies setzt im weitesten Sinne eine „beobachtungsunabhängige Außenwelt“ voraus
In diesem letzten Sinne wird Realität im Kontext der QM wohl am ehesten verstanden.

Wenn ich den Quantenzustand und seine Zeitentwicklung mit einer "strukturell isomorphen Beschreibung" einer "beobachterunabhängigen Außenwelt" gleichsetze, dann ist die VWI für mich tatsächlich der einzig vernünftige realistische Interpretation der QM. Welche Alternativen gäbe es? [nicht-realistische Positionen wie orthodoxe / Kopenhagen-Interpretation, Ensemble-Interpretation, Q-Bayesianimus, ... betrachte ich dabei nicht]
1) deBroglie-Bohm? hier sind Teilchenorte Elemente der Realität; i) bzgl. der Wellenfunktion wird's etwas schizophren; ii) eine Verallgemeinerung für Quantenfeldtheorien existiert nicht.
2) realistische Kollaps-Theorien? insbs. ii) wie oben
Auch wenn insbs. (1) immer wieder angeführt wird, halte ich das - mit Verlaub - für Humbug.

Es gibt also m.E. durchaus ernstzunehmenden nicht-realistische Alternativen, jedoch keine ernstzunehmenden realistischen Alternativen, zumindest nicht nach ggw. Kenntnisstand.
Gruß
Tom

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von seeker » 3. Nov 2015, 13:59

tomS hat geschrieben:Wenn ich mit "Realität" im weitesten Sinne etwas als von unserer Wahrnehmung, der Erscheinung, dem Phänomen, ... unabhängig existierendes annehme, dann ist dies genau der Gegensatz, um den sich die Diskussion im Umfeld der VWI dreht. Wenn ich einen anderen Begriff von "Realität" einführe, dass diese im wesentlichen immer bereits mit einer Wahrnehmung o.ä. verknüpft ist, dann verschwindet dieser Gegensatz.
Das ist der Punkt!
Man muss hier nur einsehen, dass hier verschidene Positionen erlaubt sind. Die Sache auf die Wahrnehmung zu schieben wäre dabei freilich eine Extremposition (schon in Richtung Solipsismus), die mit dem, wie wir heute Physik verstehen bzw. betreiben wenig in Einklang zu bringen wäre. Es gibt aber auch Zwischenpositionen, z.B. die, die sich auf das physikalisch Messbare beziehen: "Physikalisch real ist das, was messbar ist. Und ein Messwert ist eine Zeigerposition oder eine Zahl auf einem Digitalinstrument.".

Halten wir nochmal fest:
WENN du einen Platonismus vertrittst, dann kommst du m. E. zwangsläufig zur VWI.
Nur macht das die VWI deshalb nicht wahr, denn was in deinen Grundannahmen bzw. deinem Weltbild (Platonismus) schon implizit drinsteckt zeigt sich dann nur explizit in der VWI.
Es ist für mich auch wenig überraschend, dass du einem Platonismus nahe stehst, denn du stehst der theoretischen Physik und der Mathematik nahe.
Und das, womit wir uns vorwiegend beschäftigen, prägt uns, auch in unserem Weltbild. Das womit wir uns viel beschäftigen wird uns real...

Nun gibt es aber auch Menschen, die der experimentellen Physik nahestehen. Für diese sind die Phänomene in Form von Messwerten näher. Theorien und insbesondere Simulationen stehen sie eher etwas vorsichtiger gegenüber.
(Wer sich schon einmal eine Simulation eines etwas komplexeren realen Aufbaus/Prozesses gewünscht hat, um dort nicht mehr alles x-mal empirisch bestimmen zu müssen und erlebt hat welche Grenzen bei so etwas gesetzt sind, der weiß von was ich spreche...)

Und hierin kann auch der Konflikt liegen...
Man kann auch durchaus fordern, dass die Physik nur die beobachtbare (also messbare) Welt der Phänomene beschreiben soll - und nichts weiter!
tomS hat geschrieben:Demzufolge wären also lokale Eichsymmetrien sowie Diffeomorphismen keine Basis für Theorienbildung, da prinzipiell unbeobachtbar. Der zitierte Absatz ist schlichtweg Quatsch!!

(bereits Einstein hat Heusenberg auf diesen sinnlosen Ansatz hingewiesen)

Wenn also die VWI bzw. der ihr zugrundeliegende Begriff von Realismus in diesem Sinne kritisiert wird, dann ist das ein Strohmann-Argument, und zwar ein schlechtes.
Ich finde du urteilst hier zu hart.
Ich habe es schon einmal erwähnt: Sie hatten beide Recht!
Ja, die Theorie bestimmt oft, was wir überhaupt messen können, aber wie oft schon war die Beobachtung zuerst da? Wie oft haben wir überraschende und/oder zufällige Beobachtungen gemacht, die dann erst hinterher zu einer Theorie führten? Das ist ein Zirkel und keine Einbahnstraße "Theorie->Messung", jedenfalls nicht immer.
Und ja, man kann genau das fordern, dass Eichsymmetrien, Diffeomorphismen, usw. erst dann zu einer "echten", tragfähigen, aussagekräftigen Theorie führen können, wenn sich daraus auch etwas ergeben hat, das dann auch gemessen worden ist.
Aber ja, gerade hierin liegt der derzeitige Paradigmen-Konklikt...

Es gibt eine mit der Physik zu vereinbarende Alternative zur platonischen VWI-Sicht auf die QM:

Die VWI behauptet wie gesagt, dass die M-Realität (der Quantenwelt) über der P-Realität stünde, sodass die M-Realität wahr wäre und die P-Realität nur ein Schatten davon.
(Wobei das Problem der M-M-...Realitäten bleibt. DIE Realität käme damit dann ganz aus unserer Reichweite und wir hätten dann nur unsere "unwahre" P-Realität gegen eine hoffentlich etwas weniger unwahre M-Realität getauscht. Wirklich zufriedenstellend könnte das ja dann auch nicht sein.)

Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass die M-Realität vor der P-Realität steht und in dem Sinne etwas bildet, das noch nicht fertig ist, das sozusagen "halb-real" ist, wohingegen die P-Realität dann tatsächlich einzig wahr und faktisch-real wäre und somit die einzige Realität über das sich aus Sicht der Physik überhaupt sprechen ließe. (Worüber man nichts sinnvolles sagen kann, darüber soll man schweigen...)
Wenn man diese Position vertritt, dann muss es folgerichtig eine Verbindung geben, zwischen (halb-realer) Quantenwelt und realer Welt (P-Realität).
Uns so eine Verbindung kann es dann eigentlich nur per Zufall geben, denn wie wollte man sonst von einer Unendlichkeit von Möglichkeiten (mathematisch) zu der einzigen Realisierung kommen, wie kommt man sonst in endlicher Zeit von "unendlich" zu "1"?
Dieses Zufallselement (in der KI) ist eigentlich noch radikaler als die VWI, denn der echte Zufall "an sich" liegt sogar noch außerhalb der Mathematik - und genau das schmeckt gerade den Theoretikern wohl gar nicht.
(Stochastik gut und schön... aber man soll sich nicht täuschen lassen: Zufall ist nicht berechenbar, insofern ist er selbst nicht Teil der Mathematik.)

D.h.: Die KI ist ebenso logisch konsistent. Sie erfordert ein anderes Weltbild und sie muss die Zusatzannahme des Kollapses machen, der sich aber aus dem dort zugrunde gelegten Weltbild logisch ergibt und daher aus dieser Perspektive (die eben nicht vom Primat der Mathematik ausgeht!) also gar keine wirkliche Zusatzannahme darstellt. Dafür kann man die P-Realität weiterhin als real betrachten. Das ist dann hier der Vorteil.

Und die dBB (etc.) kann sogar noch die Teilchen in der Quantenwelt als "real" betrachten. Damit argumentiert sie auch - und durchaus bedenkenswert - und ich verstehe, dass z.B. Job in der Richtung etwas sucht.

Daher:
Die Wahl der Interpretation der QM bleibt zurzeit noch eine Geschmacksfrage und insbes. eine Frage nach dem dahinterliegenden persönlichen Weltbild. Das ist dann am Ende einfach eine Kosten-Nutzen-Rechnung, wobei da wohl jeder seine eigene persönliche Gewichtung hat.

Ich bleib, wie schon gesagt, derzeit lieber noch "dazwischen". Agnostiker halt... Was soll man machen?
Wirf mir vor ich hätte gar keine richtige Postion, damit kann ich leben... :wink:


Grüße
seeker
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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von Skeltek » 3. Nov 2015, 21:15

Ich fliege morgen für eine Woche ins Ausland und klinke mich möglicherweise erstmal aus.
Ganz kurz nur:
tomS hat geschrieben: ii) eine Verallgemeinerung für Quantenfeldtheorien existiert nicht.
Das muss heißen: "ist nicht formulierbar" und nicht "gibt es nicht".
Es ist z.B. mathematisch bewiesen, dass es für das n-Körper-Problem keine sinnvolle rechnerische oder numerische Möglichkeit gibt, Zustände sinnvoll vorauszuberechnen.
Trotzdem existieren mathematische Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich Mehrkomponenten-Systeme bewegen.
Dass es mathematisch nicht formulierbar ist bedeutet nicht, dass es das nicht gibt.

Feldbetrachtungen können letztlich als aufgefasst werden als eine Grenzbetrachtung für 'Teilchenzahl -> unendlich' und 'Teilchengröße -> Null'.
Das ist auch mit dem "Schwarmverhalten" gemeint, das man dir vor einigen Seiten versuchte näher zu bringen.

Es ist sogar anzunehmen, dass es zwangsläufig eine Größenordnungsgrenze gibt, ab der die Größenordnungen keinen sinnvollen voraussehbaren kausalen Austausch miteinander durchführen können.
(Das genauer auszuführen ist mir in der mir gerade zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich)


Schönen Gruß, Skel
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Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 4. Nov 2015, 01:12

Seeker, ich wollte die rein phänomenologische / empirische Sichtweise nicht angreifen; ich wollte auch nicht den Platonismus verteidigen (auch wenn ich ihm zuneige); ich wollte lediglich die Begriffe klarstellen: eine rein empirische Sichtweise sollte als eine solche bezeichnet werden, nicht als p-realistische, und zwar nur deswegen, weil das die gebräuchliche Formulierung ist.

Warum ich der platonischen Sichtweise zuneige, habe ich noch gar nicht erklärt.

Dass aus einer solchen die VWI folgt (nach ggw. Kenntnisstand) ist ziemlich unstrittig. Dass die VWI demzufolge keine grundsätzlich neue philosophische Haltung darstellt, ist klar, sollte aber dennoch nochmal erklärt werden, da die VWI (fälschlicherweise) immer wieder als solche (neue Haltung) beschrieben wird.

Die Frage der Interpretation der QM ist sicher teilweise eine Geschmacksfrage bzw. eine Frage der philosophischen Grundhaltung; d.h. wenn ich gegen die KI argumentiere, dann letztlich gegen eine solche Grundhaltung. Im Falle von dBB ist sie es jedoch nicht, da dBB bezogen auf die QFT nicht funktioniert

Bzgl. des Wikipedia-Artikels urteile ich nicht zu hart. Du hast mit deinen Ausführungen zwar recht, aber so steht es eben nicht in dem Artikel :-)
Gruß
Tom

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von tomS » 4. Nov 2015, 07:16

Zurück zum Kern: die Idee, wie du mittels eines realistischen philosophischen Ansatzes zur KI gelangen willst, funktioniert so einfach nicht (sie funktioniert, wenn du aufhörst, den Begriff P-Realität zu verwenden und stattdessen einfach Erscheinung oder Phänomen sagst, was jedoch eine eher empirische Grundhaltung bedeutet).

Das Problem ist, dass der Kollaps als solcher nie ontologisch auf der selben Stufe stehen kann wie die anderen Grundannahmen der QM (Hilbertraum, Zustandsvektor, unitäre Zeitentwicklung). Der Kollaps steht zu letzterem im offensichtlichen Widerspruch; er ist nicht unitär! D.h. du bist gezwungen, unterschiedliche "Ebenen" der Realität einzuführen.

Wenn du nun den Kollaps als faktisch erscheinend und primär ansiehst, dann ist der Rest der QM für dich sekundär; damit bist du jedoch bei einer empirischen Position angelangt, die die mathematischen Entitäten der QM als zumindest nicht in gleicher Weise als real wie den Kollaps ansieht (Instrumentalismus, vgl. auch die Bohrsche Sichtweise). Das ist deine oben aufgeführte Position. Diese ist völlig konsistent, ich weigere mich nur, sie als P-Realismus zu bezeichnen, weil es m.E. bereits eingeführte Begriffe dafür gibt.

Wenn du dagegen die mathematischen Entitäten der QM als primär und real ansiehst, dann musst du den Kollaps zumindest auf dieser Stufe der Realität ablehnen, da du sonst in logische Widersprüche gerätst. Du kannst das jedoch auch ohne Probleme tun, da die Dekohärenz dir exakt das liefert, was du empirisch / phänomenologisch erwartest.

Zusammenfassend: beide Positionen sind logisch konsistent; die erste sollte jedoch nicht mit dem Begriff P-Realität belegt werden.
Gruß
Tom

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Re: Schrödingers Katze

Beitrag von seeker » 5. Nov 2015, 00:42

Hallo Tom!
tomS hat geschrieben:Warum ich der platonischen Sichtweise zuneige, habe ich noch gar nicht erklärt.
Möchtest du?
tomS hat geschrieben:Dass aus einer solchen die VWI folgt (nach ggw. Kenntnisstand) ist ziemlich unstrittig. Dass die VWI demzufolge keine grundsätzlich neue philosophische Haltung darstellt, ist klar,...
Und das ist glaube ich eine wichtige Einsicht...
...sollte aber dennoch nochmal erklärt werden, da die VWI (fälschlicherweise) immer wieder als solche (neue Haltung) beschrieben wird.
... denn das wäre tatsächlich schade. Da bin ich bei dir.
tomS hat geschrieben:Im Falle von dBB ist sie es jedoch nicht, da dBB bezogen auf die QFT nicht funktioniert
Ich würde es etwas vorsichtiger formulieren:
Solange noch nicht bewiesen ist, dass diese Ansätze so etwas prinzipiell nicht leisten können, können deren Anhänger immer behaupten, dass das nur noch nicht getane Arbeit wäre.
Aber: dBB, etc. sind deshalb sozusagen einen Schritt hintendran und sind daher in der Bringschuld. Und bis dahin ist es wohl vernünftig dBB etwas weniger ernst zu nehmen, ja.

tomS hat geschrieben:Das Problem ist, dass der Kollaps als solcher nie ontologisch auf der selben Stufe stehen kann wie die anderen Grundannahmen der QM (Hilbertraum, Zustandsvektor, unitäre Zeitentwicklung). Der Kollaps steht zu letzterem im offensichtlichen Widerspruch; er ist nicht unitär! D.h. du bist gezwungen, unterschiedliche "Ebenen" der Realität einzuführen.

Wenn du nun den Kollaps als faktisch erscheinend und primär ansiehst, dann ist der Rest der QM für dich sekundär; damit bist du jedoch bei einer empirischen Position angelangt, die die mathematischen Entitäten der QM als zumindest nicht in gleicher Weise als real wie den Kollaps ansieht
Ganz genau! :)
Die Frage die sich dann stellt ist die: Worauf läuft das dann in dem Fall hinaus? (siehe dazu weiter unten)
tomS hat geschrieben:Zurück zum Kern: die Idee, wie du mittels eines realistischen philosophischen Ansatzes zur KI gelangen willst, funktioniert so einfach nicht (sie funktioniert, wenn du aufhörst, den Begriff P-Realität zu verwenden und stattdessen einfach Erscheinung oder Phänomen sagst, was jedoch eine eher empirische Grundhaltung bedeutet).
Ich habe absichtlich so formuliert, um etwas mehr Freiheit in den Möglichkeiten zu haben, um mich nicht gleich nur auf diese eine Position einzuschränken, die du meinst.
Und du hast mich in einigen wesentlichen Punkten ja dennoch verstanden.
Und nein, ich muss dir hier widersprechen. Du denkst hier m. E. immer noch unterschwellig in dem System "Platonismus". Aus dieser Sicht hast du Recht: Dann sind wir bei gerade DER empirisch-phänomenologischen Perspektive, der man dann vorwerfen kann, sie wäre dann eben "nur" effektiv-phänomenologisch und würde dann eben darauf verzichten die tieferen Schichten des Seins begreifen zu wollen. Das ist bekannt und klar, aber gerade darauf will ich mich nicht einschränken.

Ich meine die Vorteile von Platonismus bzw. Platonismus+VWI sind ja klar. Das ist eine sehr stimmige, vielleicht schöne und auch verlockende Sichtweise, aber ich will dennoch dazu einladen darüber nachzudenken, ob sich nicht doch echte Alternativen dazu finden lassen, die auch ontologisch gleich-tief sind. Dazu müssen wir den Platonismus einmal für einen Moment völlig beiseiteschieben und kurz annehmen, dass unsere makroskopische Welt die primäre Realität darstellte.

Ich versuche es nochmal anders anzugehen:
Du weißt ja vielleicht schon, dass ich die Dinge gerne herumdrehe, um zu sehen, was man dann stattdessen erhält... :)
Der Platonismus geht ja nun davon aus, dass es vor unserer Welt der Phänomene (=Schattenwelt) noch eine echte, reale Welt gibt.
Frage: Was erhält man, wenn man das herumdreht?
Man erhält eine Welt der Phänomene, die echt und real ist und vor der es noch eine Schattenwelt gibt. (Deshalb der Begriff "P-Realität", um diese Option offenzuhalten.)

Angewandt auf die QM:
Damit das stimmig wird, muss man tatsächlich bereit sein die schwarz/weiß-Perspektive "real/nicht-real" bzw. "existent/nicht-existent" aufzugeben und stattdessen in "mehr oder weniger real/existent" zu denken. (Man könnte stattdesen auch mehr oder weniger "bestimmt" oder "scharf" sagen! :wink:)
Man kommt auf diesem Weg dazu in Bezug auf "Realität" sozusagen eine Top-Down-Perspektive einzunehmen (statt der gewöhnlichen Bottom-Up-Perspektive): Je weiter "oben", desto realer!
Und man kommt auf diesem Weg dazu, dass der Zufall tatsächlich auf unterster Ebene primär und einzig wird (s.o.): Alle Struktur kommt aus dem Zufall, wobei der Zufall selbst ja minimal ist: Du brauchst für einen vollständigen Zufall keinerlei weitere Grundannahmen, er erscheint ja gerade dann, wenn keine (einschränkenden) Annahmen gemacht werden, bzw. (noch) keine (einschränkenden) Entitäten/Strukturen vorhanden sind.
(Ich empfehle meinen letzten Beitrag mit diesen Zusatzinformationen nochmals durchzugehen und zu bewerten.)

Das gibt dann jedenfalls aus meiner Sicht alles genauso Sinn und das Schöne ist auch dass diese dem Platonismus scheinbar diametral entgegengestzte Richtung denselbigen irgendwo sogar ergänzt, als zwei Seiten einer Medallie, bzw. zwei sich ergänzende Sichtweisen.

Ich hoffe das verwirrt jetzt nicht, worauf ich genau hinaus will...

Ich geh jetzt erst einmal schlafen.

Gute Nacht!
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

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