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Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 10:54
von seeker
Hier dieselbe Frage zur allgemeinen Diskussion:

Der Gegenstand der Mathematik sind selbstgeschaffene abstrakte Strukturen und Zahlen.
Der Gegenstand der Biologie ist das real existierende Leben, die belebte Materie.
Der Gegenstand der Chemie sind die real existierenden Stoffe, die Verbindungen der chemischen Elemente und deren Interaktionen.

Was ist der Gegenstand der Quantenmechanik? Womit beschäftigt sie sich?


Wenn man QM betreibt, müsste man doch auch sagen können womit sie sich befasst?
Ich habe dazu natürlich auch eine eigene Meinung, möchte aber erst noch mehr dazu von anderer Seite hören.

Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 11:04
von positronium
Wenn man die Reihenfolge Deiner Aufzählung etwas verändert, sieht man es besser:
- "Der Gegenstand der Biologie..."
- "Der Gegenstand der Mathematik..."
- "Der Gegenstand der Chemie..."
- "Was ist der Gegenstand der Quantenmechanik? Womit beschäftigt sie sich?"
Der Gegenstand dieser Disziplinen wird von Punkt zu Punkt abstrakter, d.h. er entfernt sich weiter von unserer Erfahrungswelt, was ihn schwerer zu fassen macht. Wenn man nicht "weiss", was Atome sind, erscheint die Chemie wie die Frage zur QM. Es sind in der QM eben Objekte, die uns noch fremder und deren Eigenschaften wohl noch weniger bekannt sind als die der anderen Disziplinen.

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 12:14
von wilfried
Guten Tag

hier habe ich zu diesen Fragen Stellung genommen:
http://abenteuer-universum.de/bb/viewto ... =89&t=2442

netter Gruß

Wilfried

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 13:41
von seeker
Ich versuche die Diskussion zunächst nur hier zu führen (falls das gelingt) um die Sache nicht zu verwirren.
Im eigentlichen AK könnten wir dann konkretere Herausarbeitungen/Zusammenfassungen einstellen - so meine Idee.
positronium hat geschrieben:Der Gegenstand dieser Disziplinen wird von Punkt zu Punkt abstrakter, d.h. er entfernt sich weiter von unserer Erfahrungswelt, was ihn schwerer zu fassen macht.
Das möchte ich zunächst einmal festhalten. Ein wichtiger Punkt.


Wilfried hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Ich stelle meine Frage nochmals:

Der Gegenstand der Mathematik sind selbstgeschaffene abstrakte Strukturen und Zahlen.
Der Gegenstand der Biologie ist das real existierende Leben, die belebte Materie.
Der Gegenstand der Chemie sind die real existierenden Stoffe, die Verbindungen der chemischen Elemente und deren Interaktionen.

Der Gegenstand der Mathematik ist die allgemeine Lehre und das allgemeine Umgehen von Geometrien und Zahlen. Die Mathematik eröffnet uns so eine vollständig allgemein gehaltene Darstellung von Fragen, die in irgendeiner Art quantitativen Charakter besitzen. Den Begriff quantitativ nutze ich hier, damit es klar wird, daß wir eine beschreibende Wissenscahft vor uns haben. Allgemein heisst hier daß sowohl konkrete (mit Zahlen belegte) Prozesse als auch Prozesse, in welchen die zugehörenden Werte und/oder Parameter durch (abstrakte) Platzhalter formuliert werden. Den Begriff abstrakt verwende ich hier als so zu verstehen, daß an Stelle einer Zahl ein Zeichen = Abstraktor eingefügt wird. Dieses Zeichen steht stellvertretend für eine definierte -eben durch den zu beschreibenden Prozess festgelegt- Menge.
Die Mathematik beschreibt mit ihrer eigenen Semantik, Grammatik und Logik alles was quantitativ -in konkreter (Zahlen) Darstellung, in Mengen bzw. Abstraktionsdarstellung- darstellbar bzw. fassbar ist. Man darf durchaus sagen, die Mathematik ist die allgemeinste (aus unserer irdischen Sicht heraus richtig formuliert) Sprache um die oben genannten Aufgaben zu formulieren, zu erfassen und zu analysieren.

Deine Formulierung oben ist nicht ausreichend, denn sie stellt nur einen Teil der mathematischen Aufgaben dar.

Der Gegenstand der Biologie ist die Suche und Darstellung nach jeder Art von Lebensexistenz und Lebensgeschichte. Das umfasst das Entstehen, das Durchleben als auch den Tot aller lebenden Wesen sowie alle Fragen, die sich um den Existenzbegriff ranken. Heisst hier: welche Bedingungen sind verantwortlich? welche Ursachen sind verantwortlich?

Der Gegenstand der Chemie ist die Suche und Darstellung nach jeder Art von stofflichen Eigenschaften, Zusammenhängen/ Interaktionen zwischen verschiedenen Stoffen, der Strukturdarstellung jedweglichen Stoffs bzw. stofflichen Verbindungen als auch der Analytik aller Stoffe, stofflichen Verbindungen und stofflichen Interaktionen. Unter dem Begriff des Stoffs verstehe ich hierbei ganz allgemein jedwegliche Art von Materie inklusive der zugehörigen Elemente, Atome als auch subatomarer Teilchen, es sind aber Teilchen.
seeker hat geschrieben:Was ist der Gegenstand der Quantenmechanik? Womit beschätigt sie sich?

Wenn man QM betreibt, müsste man doch auch sagen können womit sie sich befasst?
Ich habe dazu natürlich auch eine eigene Meinung, möchte aber erst noch mehr dazu von anderer Seite hören.

Grüße
seeker
Das "Betreiben" der QM möchte ich anders nennen: Die Beschäftigung mit der QM.

Die QM befasst sich mit der Art wie sich die Teilchen (Atome, als auch subatomare Teilchen und auch wechselwirkende Prozesse) verhalten und beschreiben lassen. Damit geht die QM deutlich in eine andere Richtung als die Chemie.
  • Anmerkung:
    die physikalische Chemie hat dieses Thema auch in ihrem Beschäftigungsbereich, nutzt jedoch "nur" die Ergebnisse bzw. die Eigenschaften, welche die Quantenmechaniker herausgefunden haben.
    Das ist keine Blasphemie, Ignoranz oder Hochmut, sondern mein Versuch die Disziplinen gegeneinader abzugrenzen. Natürlich gibt es zwischen allen wissenschaftlichen Disziplinen überlappende Aktivitäten
Während die Chemie versucht die stofflichen Eigenschaften zu ermitteln, fragt die QM nach den physikalischen Eigenschaften. Das sind Eigenschaften wie: Wellenbildung, Korpuskelbildung, Wechselwirkungen, Drehmomente oder Drehimpulse usw. Die QM erweitert ihr Blickfeld sogar hinsichtlich relativistischer Effekte. Damit nimmt die QM auch Fragen nach dem Welleneigenschaften unter extrem Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit also den elektromagnetischen, Röntgen Wellen in ihr Programm auf.
Die QM befasst sich auf allgemeine Art mit den Exisitenzfragen der Physik im allerkleinsten Umfeld der QM als auch im Umfeld von Wechselwirkungsprozessen, die sich sogar in kosmologischen Massstäben auswirken obgleich deren Ursprung im allertiefsten Quantenbereich verborgen liegt.
Man könnte fast sagen, die QM sorgt sich um das allgemeinste Verständnis des Aufbaus aller materiebedingten Strukturen und deren damit zusammenhängenden physikalischen Eigenschaften.

So sehe ich das.

Mit nettem Gruß

Wilfried
Ich habe die Beispiele aus anderen Wissenschaften nur dargestellt, um meine Frage zur QM zu verdeutlichen.

Wilfried, du schreibst: "Deine Formulierung oben ist nicht ausreichend, denn sie stellt nur einen Teil der mathematischen Aufgaben dar."
Das mit den Aufgaben ist sicherlich richtig.
Es geht mir nur nicht um die Aufgaben der Mathematik, sondern um eine möglichst genaue, allgemeine und doch kurze Erfassung der Objekte/Gegenstände, mit der sich die Mathematik befasst (und auch die anderen Wissenschften) um daraus eine Überleitung zur QM (im Vergleich) herstellen zu können.

Wikipiedia schreibt hier:
Die Mathematik (griechisch μαθηματική τέχνη mathēmatikē téchnē ‚die Kunst des Lernens‘, ‚zum Lernen gehörig‘) ist eine Wissenschaft, welche aus der Untersuchung von geometrischen Figuren und dem Rechnen mit Zahlen entstand. Für Mathematik gibt es keine allgemein anerkannte Definition; heute wird sie üblicherweise als eine Wissenschaft beschrieben, die durch logische Definitionen selbstgeschaffene abstrakte Strukturen mittels der Logik auf ihre Eigenschaften und Muster untersucht.
Daher denke ich, dass meine Formulierung im Prinzip durchaus ausreichend ist, wenngleich natürlich noch besser formuliert werden könnte.

Wichtig ist mir dabei hauptsächlich, dass klar wird, was ich mit "Gegenstand" meine.

Zur QM:

Die einfachste Antwort zur Frage nach dem Gegenstand der QM wäre vermutlich:

Der Gegenstand der QM sind quantenmechanische Zustände und deren Entwicklung.

Da wir hier philosophische Hinterfragungen betreiben kommen wir zu der Frage:

Was sind quantenmechanische Zustände (bes. in Abgrenzung zu klassischen Zuständen)?
Wie sieht es da mit der mathematischen Struktur aus, die zur Beschreibung dienen (auch bes. in Abgrenzung zu klassischen Zuständen)?
Was ist die Natur von QM-Zuständen, was sind ihre besonderen Merkmale?
Sind QM-Zustände wirklich?

... und wir kommen zu den Interpretationen der QM.

Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 14:14
von wilfried
hmmm Deine Antwort befriedigt mich nicht ganz. Grund dafür ist, daß die WIKI Definition zwar schon richtig ist, aber m.E. nach für unseren Fall nicht so ganz ausreicht. Eben wegen der Objekte/Gegenstände. In Der Mathematik sind die Gegenstände diejenigen Dinge, welche handzuhaben sind. Die mathematischen Operatoren geben Auskunft wie diese Handhabung durchgeführt wird.

Du willst erreichen, daß die Mathematik in diesem Verständnis Szenario zur QM hinübergleitet. Das passiert doch vollautomatisch, da die Mathematik eine Art Sprache mit Semantik, Grammatik, Logik ist. Nur eben über Symboliken ausgedrückt. Die Symbolik ist quasi die Sprache.

Deshalb habe ich meine Definition in dieser Form geschrieben. Das was in WIKI steht ist mir nicht genug, das ist zu sehr an der Oberfläche geblieben.

Die Überleitung Mathe -> andere Wissenschaften erreichst Du dadurch, daß Du eben diese Mathe-Sprache als Ausdrucksmittel nimmst, mit Hilfe dessen ein wissenschaftliches Problem durch Anwendung der wissenschaftlichen Sprache logisch richtig formuliert und danach seziert werden kann und das mit exakt eben dieser Sprache.

So verstehe ich meine Antwort.

Der Gegenstand der QM ist die Beschäftigung bzgl. Eigenschaften, Wirkungen, Darstellungen der kleinsten Stofflichkeiten ( Substanzen ) und deren zugehörige Transport- und Wechselwirkungsmechanismen (Beziehungen untereinander).

Die von Dir erwähnten QM Zustände und deren Entwicklung sind als Unterteil darin enthalten.

Was Du suchst ist eine "Oberdefinition" was unter diesem Begriff QM zu verstehen ist. Deshalb habe ich das eben so formuliert, wie oben oder in meiner vorherigen Antwort.

Da wir hier philosophische Hinterfragungen betreiben kommen wir zu der Frage:

Was sind quantenmechanische Zustände (bes. in Abgrenzung zu klassischen Zuständen)?
Wie sieht es da mit der mathematischen Struktur aus, die zur Beschreibung dienen (auch bes. in Abgrenzung zu klassischen Zuständen)?
Was ist die Natur von QM-Zuständen, was sind ihre besonderen Merkmale?
Sind QM-Zustände wirklich?

... und wir kommen zu den Interpretationen der QM.
Dieser Teil sind Antworten, die wir im Einzelnen noch erarbeiten müssen und wollen und danach formulieren müssen. Diese Antworten -so erwarte ich das jedenfalls- müssen sich aus den Sachverhalten der Unterdisziplinen ergeben und so wird sich das ganze Gebilde der QM dann langsam zu einer Darstellung mit -hoffentlich- transparaneter Struktur ergeben.

Ja ja, das ist gar nicht so einfach eine angemessene und passende Formulierung zu finden. Aber das ist erlebte Philosophie, oder philosophische Arbeit.
Super diese Diskussion!!

netter Gruß

Wilfried

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 15:00
von seeker
Es geht mir darum, dass wir den Begriff "Gegenstand" bzw. "Objekt" von Anfang an klar von "Operationen mit den Gegenständen" abgrenzen.
Gegenstände/Objekte sind Dinge bzw. Sachen, Operationen/Manipulationen hingegen sind Prozesse.
Ich halte es für wichtig diese Unterscheidung zu treffen.

Beides ist wichtig - da hast du allerdings Recht.
Ich wollte eben mit den Gegenständen anfangen und die Operationen später einpflegen.

Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 15:18
von wilfried
Guten Tag

ich hatte das Wort Gegenstand im Bereich der Eichtheorie gefasst als:
  • Der Übergang des kausalen Prinzips auf Gegenstände verlangt, daß Systeme, in welchen diese Gegenstände zueinander in Beziehung gebracht werden Träger der meßbaren (physikalischen) Eigenschaften sind. Präzisieren wir das Wort Gegenstände als erstes um mit diesem Begriff die Schärfe in die weiterführenden Überlegungen zu bringen:
    Ein Gegenstand wird als Begriff eines durch die Sinne erfassbaren (materiellen) Körpers aufgefasst. Das Wort Körper bezeichnet eine über die Dimensionen verteilte Masseansammlung, welche sich als geometrisch beliebig anschauen läßt.

Wiki sagt darüber folgendes:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gegenstand

Damit sollte doch unsererseits dieser Begriff mit meiner Definition ganz gut passen? B

Kannst Du mit dieser Definition mitgehen?

Gruß

wilfried

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 15:37
von positronium
seeker hat geschrieben:Es geht mir darum, dass wir den Begriff "Gegenstand" bzw. "Objekt" von Anfang an klar von "Operationen mit den Gegenständen" abgrenzen.
Das ist in der QM meiner Meinung nach ein diffiziles Unterfangen. Wechselwirkungen, Teilchen und Dynamik verschmelzen darin.
Beispiele:
- WW hängen ab von: Teilchensorte/-masse, Geschwindigkeit
- Teilchen(wellen) hängen ab von: anderen Wellen, WW, Geschwindigkeit
- Dynamik hängt ab von: Teilchenmasse und WW
Das ist alles eine untrennbare Einheit. Auch für jeden Zustand muss man die aktuellen WW kennen.

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 14. Nov 2013, 19:00
von seeker
Hallo Wilfried!
wilfried hat geschrieben: Der Übergang des kausalen Prinzips auf Gegenstände verlangt, daß Systeme, in welchen diese Gegenstände zueinander in Beziehung gebracht werden Träger der meßbaren (physikalischen) Eigenschaften sind. Präzisieren wir das Wort Gegenstände als erstes um mit diesem Begriff die Schärfe in die weiterführenden Überlegungen zu bringen:
Ein Gegenstand wird als Begriff eines durch die Sinne erfassbaren (materiellen) Körpers aufgefasst. Das Wort Körper bezeichnet eine über die Dimensionen verteilte Masseansammlung, welche sich als geometrisch beliebig anschauen läßt.
...
Kannst Du mit dieser Definition mitgehen?
Das mag zwar bei der Eichtheorie passen, aber es ist mir so zu eng, denn es passt nicht bei der Mathematik. Hier brauchen wir einen weiteren, abstrakteren Begriff, jenseits von Materie und sinnlich erfassbarem.
Was wir brauchen ist ein Begriff, der sich allgemein auf Wissenschaften anwenden lässt.

Wikipedia hilft nur ein wenig.
Schauen wir uns den ersten Satz dort an (nur ihn halte ich für uns für brauchbar):
Der Gegenstand als solcher ist ein sprachlich verwendeter Begriff von einer kognitiven Manifestation, die durch Sinnesreize und durch Denkprozesse ausgelöst wird. Das Erkennen eines Gegenstands ist Ausgangsbedingung für den weiteren Erkenntnisgewinn, für die Anwendung des Gegenstands oder für die Kommunikation über den Gegenstand. Der Begriff kann „alles meinen, wovon überhaupt die Rede ist".
Man muss ihn 3x sehr genau lesen um ihn zu begreifen.

Er muss noch verbessert werden:

Der Gegenstand als solcher ist ein sprachlich verwendeter Begriff von einer kognitiven Manifestation, die durch Sinnesreize und/oder durch Denkprozesse ausgelöst wird. Das Erkennen eines Gegenstands ist Ausgangsbedingung für den weiteren Erkenntnisgewinn, für die Anwendung des Gegenstands oder für die Kommunikation über den Gegenstand. Der Begriff kann „alles meinen, wovon überhaupt die Rede ist".

Und dennoch:
Damit haben wir nur eine allgemeine Definition für Gegenstände "in unserem Kopf", nicht für Gegenstände, die "da draußen" existieren mögen.
Außerdem ist eine Übertragung auf den Begriff "Gegenstand einer Wissenschaft" notwendig.


Ich begreife den Gegenstand einer Wissenschaft so:

Es ist das, womit sich die Wissenschaft beschäftigt, die eigentlichen Dinge oder Grundelemente, die sie beobachtet und/oder beschreibt und/oder erschafft, ihr Thema.
Es ist das, was mit einer WAS-Frage erfasst werden kann: Mit WAS beschäftigt sie sich? WAS sind die Objekte, die sie betrachtet?
(Und damit, wie ihr vielleicht bemerkt, handelt es sich beim Gegenstand einer Wissenschaft fraglos um etwas, das die Philosophie betrifft, genauer: die Philosophie einer Wissenschaft, z.B. die Philosophie der Mathematik. Denn die eigentlichen Naturwissenschaften können nur WIE-Fragen beantworten.)

Im Gegensatz dazu ist die Methode einer Wissenschaft zu sehen.
Damit ist alles gemeint, das mit einer WIE-Frage erfasst werden kann: WIE beschäftigt sie sich mit ihrem Gegenstand?
WIE beschreibt oder beobachtet oder produziert sie ihre Gegenstände, WIE operiert sie mit ihnen, WIE setzt sie diese zueinander in Beziehung?

Es sollte zumindest versucht werden beides sauber zu trennen.
positronium hat geschrieben:Das ist in der QM meiner Meinung nach ein diffiziles Unterfangen. Wechselwirkungen, Teilchen und Dynamik verschmelzen darin.
Wir werden sehen... Auch wenn es bei der QM nicht gelingen sollte beides sauber zu trennen, so wäre auch das ein wichtiges Ergebnis - gerade dann, wenn genau das bei anderen Wissenschaften gelingt.

So weit erst einmal.
Ich werde noch einen Text über die Interpretationen der QM nachliefern, den ich sehr kurz und knapp halten kann, auf das Wesentliche reduziert.
Vielleicht wird dann offensichtlicher, was ich da herausarbeiten will.

Viele Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 15. Nov 2013, 16:58
von wilfried
Tag Ralf

ich werde über Deine Definitionen nachdenken, kann aber voraussichtlich erst am Sonntag wieder hier einsteigen

bin doch daheim heute und demnach ich habe mal nachgedacht :D

Hilbert's Verständnis der Wissenschaft ist dass die Wissenschaft aus impliziten Definitionen besteht und keinen Bezug zur Wirklichkeit besitzt. Das heißt für ihn, die Wissenschaft ist rein axiomatisch festgelegt. Duhem und Poncaré sagen, Wissenschaft begründet sich auf Konventionen. Damit gibt es ein empirisches Sinnkriterium und Postulate können beliebig festgelegt werden. Ferner sagen sie, dass die Entwicklung einer Theorie vollständig frei ist, lediglich sind die Schlussfolgerungen aus den Postulaten durch empirische Tatsachen begrenzt, aber die Postulate selber bleiben davon unberührt.

bezüglich der QM lässt sich sagen:

die QM an sich ist mathematisch und physikalisch offensichtlich korrekt niedergeschrieben, denn sonst wären in den letzten Hundert Jahren massive Änderungen dieser Theorie von statten gegangen.

Erkenntnistheoretische Betrachtungen über die Qm sind dagegen -soweit ich das beurteilen kann- sehr rar ausgefallen. Karl Czasny schreibt dies in seinem Aufsatz "Quantenphysik als Herausforderung der Erkenntnistheorie", der empfehlenswert ist:
siehe: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36942/1.html

Offensichtlich ist die Existenz des Teilchens, also die Materieform der QM der entscheidende Punkt. Hier kondensiert sich etwas, welches sich erkenntnistheoretisch wohl eher fassen lässt als eine Welle, die ohne Hilfsmittel unsichtbar bleibt
Czasny schreibt weiter:
Die Reintegration des Subjekts in das Weltbild der Physik kann deshalb nur gelingen durch eine Neubelebung des transzendentalen Ansatzes, welche jenes seinerzeit von Kant bloß auf die klassische Mechanik bezogene Konzept an die im Bereich der Quantenphysik herrschenden Beobachtungsbedingungen anpasst.

Die erwähnten Schwierigkeiten der transzendentalen Perspektive mit der Konstitution des Quantenobjekts erweisen sich bei genauerer Betrachtung als beherrschbar. Sie treten nämlich nur dann auf, wenn man von vornherein annimmt, mit einem Teilchen konfrontiert zu sein. Das Teilchen als solches ist in dieser Sichtweise ein immer schon vorweg konstituiertes Objekt, das über die im Teilchenbegriff implizierte Eigenschaft, eine Bahn zu besitzen, verfügt.
Aha, also doch ... ohne Kant geht offensichtlich auch hier nichts!

Aber: Kant spricht von Raum und Zeit als reine Anschauungsformen und meint damit das Erkenntnisvermögen. Die Anschauungsformen bieten das Material für unseren Denkvorgang an, während unser Verstand die Verknüpfung Material -> Urteil über das Material durchführt.

Also doch nicht so Kant - gemäß durchführbar! So einfach ist das heute alles nicht mehr. Kant war zwar toll, aber eben zu seiner zeit. Wir brauchen neue Ideen, weiterführende Ansätze.

In der QM finden wir als Konfliktsituation den Dualismus Teilchen -> Welle. Der Konflikt wird dadurch aufgelöst, dass das sich Widersprechende -der Konflikt nämlich- im Schema der Zeit aufgelöst entkoppelt wird. Das passiert dadurch, dass gesagt wird: ein Ding kann Materie als auch Welle sein, aber niemals Materie UND Welle. Damit wird ein zeitlich entzerrter Gegenstandsbezug eingeführt: Zur Zeit t=1 ist das Ding Materie, zur Zeit t=2 ist das Ding Welle.

Dumm, dass die QM das nicht weiß! Denn es hängt einfach von der Art des Experiments ab was wir sehen und nicht von der Zeit!

Immer noch Dumm, denn diese Entkopplung kommt von der Heisenbergschen Einschränkung, im Grunde durch einen nachträglichen Angleich des geometrisch kinematischen Ausgangspunkt dieser Theorie.

Hilft Maxwell hier weiter:
Maxwell sagt: Die grundlegende dynamische Auffassung der Materie, nach der diese durch ihre Bewegung ein Receptor für Moment und Energie sein soll, ist so eng mit der Art und Weise unserer Erkenntnis verwoben, dass uns überall da, wo wir auch nur die geringste Aufforderung ihr zu folgen erhalten, sofort das Gefühl überkommt, als ob wir jetzt wirklich einen Pfad entdeckt haben, der uns früher oder später notwendig zum vollständigen Verständnis unseres Gegenstandes führen müsse.
Laut Leibniz wird eine deutliche Erkenntnis erreicht, indem die Formen und Eigenschaften einer Sache gekennzeichnet würden.
aus: Der Relationalismus von Leibniz und die Krise der Anschauung in der Quantenmechanik, Dissertation von Ralf Herbig zum Doktor der Philosophie, 2009.
Der Mensch entwickelt immer verfeinerte Methoden zur Ergreifung der Wirklichkeit. Wissenschaft hat die Tendenz, die Gegenstände ins Unendliche zu vervielfältigen, indem sie einen Gegenstand dadurch immer näher zu bestimmen sucht, dass immer weitere Beziehungen zu anderen Gegenständen herzustellen versucht werden. Ein Elektron wird nicht mehr dadurch erkannt, dass es zum Mittel für bestimmte Zwecke erklärt wird. Es hat prinzipiell unendlich viele Bestimmungen, denen der Physiker, der Chemiker, vielleicht auch der Biologe auf die Spur kommen kann. In der Mathematik ist es genauso: Jeder mathematische Begriff hat im Prinzip Verknüpfungsmöglichkeiten mit unbegrenzt vielen anderen mathematischen Begriffen. Die Vervielfältigung ist aber nur möglich geworden dadurch, dass der Gegenstand aus seinem ursprünglichen Wirkzusammenhang herausgenommen und mit Hilfe der mathematischen Symbolik in diejenige geistige Ebene hineingestellt wurde, die erst das Ausgreifen des Gedankens möglich macht. Nur für die vorkulturelle Stufe darf gesagt werden, dass die Gegenstände des Bewusstseins res ipsas sind, das heißt Dinge, die „es nicht ‚nötig‘ haben, in Zeichen repräsentiert zu werden“

Das Problem gestaltet sich für unsere Definition des Gegenstands gerade im Hinblick auch auf die Gültigkeit in oder innerhalb der QM als sehr problematisch.

Dazu kommt noch, dass die QM selber sich zu einer Universal Theorie weiterentwickeln möchte (Theorie of Everything - TOE als ad finites Merkmal einer sehr weit entwickelten QM). Aber das ist offensichtlich nicht möglich, denn die QM steht sich selber im Wege:
Schauen wir auf die Hamiltonfunktion, die ja einen Grundpfeiler innerhalb der QM darstellt. Die QM gibt uns kein Konstruktionsmerkmal, kein Regelwerk zur Erstellung der Hamilton Funktion, ist aber auf die Hamilton Funktion angewiesen. Das Problem dahinter ist die Unbestimmtheitsrelation von Heissenberg, die sich mit der Hamiltonfunktion nicht verträgt: Die Hamilton Funktion bezeichnet die Summe der kinetischen und der potentiellen Energie sowohl mt ihren Impuls- als auch mit ihren Ortskoordinaten, Die Unbestimmtheit jedoch besagt, dass beide niemals zeitgleich vorhanden sein können.

Aber keine Angst liebe Physiker, das stellt keine Kollision mit der mathematischen Praxis dar, denn die Vertauschungsrelation als auch die Folgerungen aus beiden Ausdrücken sind weiterhin mathematisch korrekt.
(Erläuterungen Vertauschung: Transformation der Hamiltonmatrix auf Hauptachsen = quantenmechanisches Bewegungsproblem)

Schwierig ist es den Begriff Gegenstand so richtig zu formulieren. Ich denke, die Schwierigkeiten welche wir haben sind dadurch gekennzeichnet, dass es nicht sosehr der Gegenstand oder die physikalische Gegenständlichkeit an sich ist, es ist m.E. nach vielmehr das System der Aussagen verbunden mit den Mehrdeutigkeiten dieser Aussagen. Ein klar umrissener Gegenstandbegriff verlangt eine Definition -das ist ja das, wonach wir gerade fahnden- die frei ist von Mehrdeutigkeiten.

Max Born beschäftigte sich auch mit der Unterscheidung zwischen den Eigenschaften eines Gegenstandes und den messbaren Größen (Born 1954, S. 54) und sagte:
Born Max: Messbare Größen sind nicht unmittelbar Eigenschaften der Dinge "an sich", sondern stellen eine Eigenschaft seiner Relation zu anderen Gegenständen dar.


Das Problem ist so zu sehen: eine Größe, die wir als Eigenschaft eines Gegenstand sehen möchten ist in der QM Welt sehr häufig lediglich eine Projektion von verborgenen Eigenschaften. Sind diese invariant in den klassischen Theorien, erweisen sie sich in den QM und neueren Theorien plötzlich als projizierte Eigenschaften mit eventuell auch Invarianzen -wie: Ruhemasse, Eigenzeit und ähnliche.

Wir müssen uns meines Erachtens nach auf die Suche einer quasi finalen Ebene begeben, von der aus diese Begriffswelten ihren Ausgangspunkt nehmen, deren Inhalte eben innerhalb dieser finalen Ebene so etwas wie Ur-Invarianzen sind.

Ich weiß nicht mehr aus noch ein ... diese Begriffsdefinition übersteigt so langsam mein Vorstellungs- und auch Denkvermögen.



Gruß

Wilfried

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 10:08
von tomS
Provokant gesprochen beschäftigt sich die QM im Kern mit einem abstrakten Formalismus, der es erlaubt, die Natur zu beschreiben, so wie jedes andere Teilgebiet der Physik auch. Alles darüber hinaus ist Metaphysik bzw. Wissenschaftstheorie.

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 10:42
von seeker
Selbst diese Aussage ist schon Metaphysik bzw. Wissenschaftstheorie.
Und zwar handelt es sich dabei um den Standpunkt des Instrumentalismus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Instrument ... theorie%29

Ich werde nicht müde zu sagen, dass man -ob man will oder nicht- um die Philosophie nicht herumkommt, wenn man Wissenschaft betreiben will...

@Wilfried: Stellungnahme zu deinem Text folgt...

Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 13:20
von wilfried
Guten Tag

@Tom
mit Deiner Positionierung entfernst Du Dich aus der Betrachtung aus philosophischer Sicht. Du gibst einen ultimativen Standpunkt an, der keinerlei Gespräch zulässt:
  • Motto: das ist meine Position und die steht felsenfest
Ich finde das ein bischen schade, denn für mich ist gerade dieser Teil unseres Themas höchst spannend. Denn bis dato habe noch nie so intensiv über diese Themen vom Willen des Verstehens, der Hintergründe, der Begründungen usw. nachgedacht. Und ich lerne hier jedes mal neue Dinge dazu, gewinne neuer Erkenntnisse und das macht viel Freude und das ist ja auch das tolle in diesem Forum!

Ich möchte Dich gerne für dieses Thema als Gesprächspartner sehen und finde es sehr schade, daß Du Dich so ultimativ positionierst.

Netter Gruß

Wilfried

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 17:26
von seeker
Hallo Wilfried,

es ist schön in dir einen Gesprächspartner zu haben, der bereit ist sich intensiver mit diesem Thema auseinderzusetzen. Danke dafür!
wilfried hat geschrieben:Erkenntnistheoretische Betrachtungen über die Qm sind dagegen -soweit ich das beurteilen kann- sehr rar ausgefallen. Karl Czasny schreibt dies in seinem Aufsatz "Quantenphysik als Herausforderung der Erkenntnistheorie", der empfehlenswert ist:
siehe: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36942/1.html
Dieser Artikel ist in der Tat empfehlenswert... und ich musste beim Lesen ein paar mal schmunzeln... :)
Das sind interessante Gedankengänge! Trotzdem: Nur EINE Sichtweise unter vielen.

Ich habe auf der Webseite des Autors einen weiteren interessanten Text gefunden, der zwar hier nicht ganz direkt berührt aber dennoch einige Vorstellungen stark anzugreifen vermag, die wir oftmals liebgewonnen haben und die gerne in unseren Köpfen herumspuken.
Er ist lesenswert:
http://www.erkenntnistheorie.at/downloa ... er_Hom.pdf

Zu dem Dschungel, den du gerade erkundest:
Ja! Alles bedenkenswert! Das wird schnell ein Dickicht, wie du auch selbst sagst, aus dem wir herausfinden müssen.
Ich hoffe ich (wir) kann da einigermaßen eine Grundordnung in die Möglichkeiten der Standpunkte hineinbringen.
Mein Text dazu (zu den Interpretationen der QM) ist zwar noch eine löchrige und unvollständige, kurze Rohfassung aber ich stelle ihne heute noch zur Diskussion in den AK - sonst dauert das zu lange. (Es war dann doch viel schwieriger als zuerst gedacht.)

Die Frage, der wir uns stellen müssen lautet in diesem Kontext hier:

Kann man überhaupt sinnvoll Quantenphysik betreiben, wenn man nicht genau sagen kann, womit man sich da überhaupt befasst?
Kann man einen Gegenstand überhaupt untersuchen und zu seinem Thema machen, wenn man ihn gar nicht identifizieren kann? Muss man nicht notwendig vor jeder Untersuchung auswählen WAS man überhaupt untersuchen will und WAS nicht?


Ich würde diese Frage mit Ja beantworten! Man kann! (... was vielleicht überraschend ist. :wink: )

Es ist nämlich so:
Bei jeder Wissenschaft, mit der man (der Mensch) gerade anfängt ist es am Anfang natürlicherweise so, dass man fast nichts weiß.
(Denkt an die E-Technik zum Zeitpunkt ihres Entstehens vor vielleicht 200 Jahren.)
D.h.: Am Anfang kann das Thema einer Wissenschaft, ihr Gegenstand nur nebulös erfasst werden und hat noch nicht einmal einen Namen.
Er ist auch nicht fix, sondern entwickelt sich ständig weiter.
Durch die tatsächliche Beschäftigung der Wissenschaft mit ihrem Gegenstand, also auch durch das Generieren von Methoden und durch die Beantwortung von WIE-Fragen (WIE verhält sich der Gegenstand?) wird auch die WAS-Frage (WAS ist der Gegenstand?) mit der Zeit immer klarer, woraus sich wiederum weitere WIE-Fragen (z.B. Experimente) ergeben.
Das ganze befruchtet sich also im Wechselspiel gegenseitig.
Es ist also nicht so, dass am Anfang mein Gegenstand in völliger Klarheit vor mir liegen muss, damit ich ihn untersuchen kann.
Es ist vielmehr so, dass der Gegenstand zu Anfang nur ein "Ding" ist, das mich interessiert oder über das ich gestolpert bin.
Erst wenn ich zunehmend Eigenschaften und Nicht-Eigenschaften des Dings herausgefunden habe entsteht eine mit der Zeit immer klarer werdende Vorstellung davon, womit ich mich da überhaupt beschäftige (und womit nicht) und was ich da überhaupt tue (und was nicht).

Dennoch kann die WAS-Frage nach 100 Jahren QM nicht egal sein. Ob bewusst oder unbewusst - eine Vorstellung auf die Antwort nach der WAS-Frage ist in jedem Kopf eines jeden Forschers vorhanden und beeinflusst sein Handeln und die Fragen die er stellt.

Nach hundert Jahren QM stehen genügend WIE-Antworten zur Verfügung um die Antwort auf die WAS-Frage zumindest auf wenige Möglichkeiten eingrenzen zu können.

QM-Text folgt...

Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 19:05
von Skeltek
tomS hat geschrieben:Provokant gesprochen beschäftigt sich die QM im Kern mit einem abstrakten Formalismus, der es erlaubt, die Natur zu beschreiben, so wie jedes andere Teilgebiet der Physik auch. Alles darüber hinaus ist Metaphysik bzw. Wissenschaftstheorie.
Das verstehen einer Formel(die ja nur eine sprachliche Niederschrift eines so verstandenen/wahrgenommenen Zusammenhanges ist) bedeutet letzlich auch daß man die ihr zugrundeliegenden Zusammenhänge erkennt und versteht. Auch wenn ein Teil der Systematik, Funktionsweise und Zusammenhänge noch nicht klar ist, sind alle bestrebt die elementaren Ursachen für diese Gesetzmäßigkeiten zu verstehen.
Welche Wortwahl man dafür verwendet ist entscheidend, wo und wie man selbst und der Leser alles einordnet bzw welche Parallele zur wahrgenommenen Realität man zieht.
Ob man den Formalismus als abstrakt wahrnimmt oder nicht ist meiner Meinung nach nur persönliche Präferenz.

Möglicherweise muss man völlig andere Gedankenstrukturen entwickelt haben, damit man Quantenmechanik völlig intuitiv als geordnetes und leichtes Gebilde wahrnehmen kann. Ein objektorientierter Ansatz wie ihn die meisten Menschen praktisch im Alltag anwenden erscheint mir hier nicht angebracht. Da Wissenschaftler selbst durch ihre Erfahrungen vorbelastet sind und die Methoden eigene Gedanken/Objekte im Kopf zu clustern einem Mainstream unterliegen, kann man nicht sicherstellen dass Interpretationen der Experimente und damit auch Resultate und Rückschlüsse nicht anders hätten gegliedert oder geordnet werden können(!).

So wie man Matrizen, Eigenwerte, mathematische Konstrukte auf viele verschiedene Arten interpretieren kann(z.B. geometrisch oder ähnlich), ist es denke ich mit dem unzureichenden Wissen der Quantenmechanik auf vielerlei Arten möglich die Formeln und Kontrukte zu interpretieren; hier fängt Spekulation und Metaphysik an. Aber ist das falsch? Jede Form der Wissenschaft ist Metaphysik wenn Verifizierbarkeit (noch) nicht vorliegt.
Man muss sich doch zwangsläufig irgendwelche Zusammenhänge zusammenspinnen und auf Konsistenz/Widerspruchsfreiheit überprüfen, bevor man schauen kann, ob sich daraus ein überprüfbares Experiment herleiten lässt. Meiner Meinung nach fängt jede Form der Wissenschaft als Stammtischphylosophie an. Selbst das Fallgesetz war bei seiner Geburt nur ein Hirngespinnst... bis sich jemand mal die Mühe gemacht hat mit einer Uhr auf einen Turm zu steigen.
Dadurch, dass vorher nicht absehbar ist ob das gerade konstruiert werdende Gebilde verifizierbar sein wird oder nicht, macht die Vorstufe zur Entwicklung einer Theorie nicht weniger wert.
Die Herangehensweise ist trotzdem dieselbe, nur dass eben Mittelteil, Schluss und Verifikation (zunächst) ausbleiben müssen.

Gruß, Skel


ps: Der Kollaps einer Wellenfunktion durch Messung lässt nicht ein vorher nicht existentes Objekt real werden, sondern zerstört das vorher unbeobachtete Objekt. Bzw die Selbstzerstörung der Wellenfunktion lässt unsere Rezeptoren dann (mit Glück) durch Photonen beschossen werden, ob unsere Rezeptoren das nun wollen oder nicht. Wie man Dinge interpretiert ist immer strittig; leider lassen wir uns nur zu sehr von alten Denkmustern leiten, die uns dann verwirren oder einfache Zusammenhänge als abstrakt erscheinen lassen.

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 21:56
von seeker
Anmerkung:
Der folgende Text ist eine Rohfassung und mit Vorsicht zu genießen.
Es kann gut sein, dass darin noch Fehler auftauchen.
Falls jemand welche findet, hoffe ich auf Hinweise zur Korrektur.
Er ist kurz gehalten und auch nicht umfassend.
Außerdem erfordert sein Verständnis wahrscheinlich einiges an Vorwissen.



Text:

Einige wichtige Interpretationen der QM, besonders im Hinblick auf den Realitätsbegriff ihres Gegenstandes

Vorbemerkung:
Es gibt zweierlei Grund-Ansprüche, die man an eine wissenschaftliche Theorie haben kann:

1. Die Theorie soll funktionieren, also möglichst dieselben Resultate wie die Natur produzieren
2. Die Theorie soll wahr sein, die Natur also so oder so ähnlich abbilden, wie sie wirklich ist

Punkt 2. impliziert dabei 1., da eine wahre Theorie automatisch auch funktioniert. Punkt 1. ist also die schwächere Forderung, da eine funktionierende Theorie auch völlig falsch sein kann. Allerdings ist die Forderung nach 1. auch die Variante, die uns nie 100%ig befriedigen kann, während das Erreichen von Punkt 2. prinzipiell nie 100%ig erkannt/entschieden werden kann. Das ist das/unser Dilemma.

Wie wir schon gesehen haben, funktionieren Naturwissenschaften nach dem Prinzip Induktion/Deduktion und leiten daraus Gesetzmäßigkeiten gemäß einer Theorie T ab, d.h.:
Zustand A ---(gemäß Theorie T)---> Zustand B

So funktioniert jede klassische Theorie.

Bei der QM existiert ein wichtiger Unterschied dazu.
Sie produziert lediglich Aussagen der Form:
Zustand <A> ---(gemäß Theorie T)---> Zustand <B>

Mit A und B sind einzelne, konkrete, reale, messbare Zustände gemeint, während das für Quantenzustände <A> und <B> so nicht gilt; sie sind in der Natur nicht beobachtbar. [Bitte Diskussion!]
Dieser Umstand kann z.B. so verstanden werden, dass sie nicht das beschreiben, was IST, sondern das, was SEIN KANN. Insofern kann man sie z.B. als Wahrscheinlichkeitsaussagen verstehen. Hier kommen die Unschärferelation und das Messproblem ins Spiel.

Welche Interpretationen lässt dieser Umstand zu?

Die erste und natürlichste Interpretation war die Annahme, dass die QM nicht vollständig sein kann.
Z.B. Albert Einstein war dieser Ansicht, die besagt, dass es verborgene Variablen (VV) geben muss (zunächst unabhängig davon, ob diese prinzipiell erkannt werden können oder nicht), die folgende Operationen zulassen:

Zustand A ---(VV)---> Zustand <A> –-(gemäß Theorie T)---> Zustand <B> ---(VV)---> Zustand B
zusammenfassend:
Zustand A –-(gemäß kombinierter Theorie T/VV)---> Zustand B

… womit eine echte, eindeutige Kausalität ohne Zufallselement hergestellt wäre.

Diese Interpretation ist in ihrer ursprünglichen Form spätestens seit den Experimenten von Alain Aspect / Verletzung der Bellschen Ungleichung nicht mehr haltbar, existiert aber in einer abgewandelten Form weiter, indem man das Prinzip der Lokalität teilweise aufgibt. Das Prinzip der Lokalität besagt, dass sich keine Wirkung schneller als mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c ausbreiten kann. Das ist der Preis dafür.

Damit kommen wir zur ersten Klasse der QM-Interpretationen:

1. Die QM ist unvollständig, insofern sie die Vorgänge bzw. Mechanismen der Natur prinzipiell unvollständig abbildet. Das Lokalitätsprinzip gilt nur eingeschränkt auf die Übertragung von Information, nicht für verborgene Variablen.

Reale Zustände A entwickeln sich streng kausal zu Zuständen B, gemäß eines natürlichen Mechanismus M. Der Mechanismus M kann dargestellt werden durch eine Quantentheorie T + nichtlokale verborgene Variablen, wobei diese Variablen von ihrer Natur her prinzipiell unerkennbar sind.
Die De-Broglie-Bohm-Theorie ist ein Vertreter dieser Klasse.

Die Natur von QM-Zuständen der Form <A> kann auch anders aufgefasst werden, nämlich so, dass sie real sind, ja sogar die einzige vollständige Realität der Natur darstellen, während Zustände der Form A nur Teilaspekte aus einer zufälligen Perspektive davon darstellen, ähnlich wie ein 2D-Foto nur einen Teilaspekt eines realen 3D-Gegenstands darstellt, ohne dass ihm in diesem Sinne eine eigene Realität zukommt. Bei dieser Interpretation wird unsere eine, gesamte Erfahrungswelt zu einer unwirklichen Schattenwelt degradiert. Das ist ihr Preis.

Damit kommen wir zur zweiten Klasse der QM-Interpretationen:

2. Die QM ist vollständig und in ihrer vollständigen Entwicklung auch streng kausal, insofern sie die Mechanismen der Natur vollständig abbildet.

Zufallserscheinungen sind nicht wirklich zufällig, sie erscheinen nur dem Beobachter so, weil dieser als Schatten und eine zufällige Perspektive einnehmend nur zufällige Teilaspekte der wirklichen Welt erkennen kann. Welche konkrete Teilwelt er erfährt ist und bleibt zufällig. Das akausale Element aus 3. (s.u.) wird vom Objekt (Welt) ins Subjekt (Beobachter) verschoben, aber nicht gelöst.
Die Viele-Welten-Interpretationen gehören dieser Klasse an.

Kommen wir zur immer noch vorherrschenden Interpretation der QM, auch wenn diese Vorherrschaft vielleicht inzwischen am Bröckeln ist:

Sie besagt folgendes:
Zustand A ------> Zustand <A> ---(gemäß Theorie T)---> Zustand <B> ------> Zustand B

Wie man bemerkt, ist hier im Pfeil „Zustand A ---> Zustand <A>“ nichts von einer Theorie oder von verborgenen Variablen eingetragen. Das hat seinen Sinn, denn es besagt, dass dort nichts ist, keine Gesetzmäßigkeit, also Zufall. Dieser Zufall muss hier als „echt“ verstanden werden, als Vorgänge, die nur in ihrer Wahrscheinlichkeit durch T bestimmt werden, damit aber im konkreten Einzelfall nicht vollständig determiniert sind. Das bedeutet eine Einschränkung der Kausalität (für A ---> B): Wirkungen ohne Ursache.

Dies ist die dritte Klasse der QM-Interpretationen:

3. Die QM ist vollständig, insofern sie die kausalen Mechanismen der Natur vollständig abbildet. Die Natur selbst ist nicht vollständig kausal aufgebaut und trägt ein zufälliges Element. Deshalb bildet die QM alles ab, was überhaupt von einer Theorie abgebildet werden kann: nur den kausalen Anteil der Natur.

Die Kopenhagener Interpretation ist ein Vertreter dieser Klasse.

Eine weitere Klasse von Ansätzen hat als Grundidee, dass die QM nicht das beschreibt was IST, sondern das, was WIR (davon) wissen können.
Das führt zu folgender Aussage:

4. Die QM ist weder vollständig noch unvollständig bezüglich ihrer Beschreibung der Vorgänge in der Natur, da sie nicht die Natur beschreibt, sondern nur die Erscheinungen die wir von der Natur haben können.

Die Frage nach der Wahrheit „da draußen“ bleibt hier unbeantwortet. Im Grunde wird hier die objektive Beschreibung einer objektiven Welt zu einer objektiven Beschreibung der subjektiv erlebbaren Phänomene.
Auch hier bleibt das Messproblem ungelöst.
Dieser Ansatz löst die ontologischen Probleme nicht, er lehnt sie ab und schweigt dazu.

Instrumentalistische Ansätze gehören in diese Klasse


Zusammenfassung

Bei der Realität von Quantenobjekten gibt es folgende Möglichkeiten:

- Quantenobjekte sind vollständig real, unsere erfahrbare Welt ist halb-real (Viele Welten)
- Quantenobjekte sind halb-real, unsere erfahrbare Welt ist vollständig-real (Kopenhagener Deutung)
- Quantenobjekte und erfahrbare Welt sind real, halb-real sind allerdings die verborgenen Vorgänge in der Natur (Bohm)
- Quantenobjekte sind nur in uns (als geistige Konstrukte real), also nicht-real, dasselbe gilt für die Welt, weitere Aussagen sind nicht möglich (Instrumentalismus)

Außerdem sind noch Zwischenpositionen möglich.


Beste Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 22:32
von positronium
Das ist eine schöne Zusammenfassung und gefällt mir sehr gut.

Nur ein paar Kleinigkeiten:

- Das
"Zustand A ---(VV)---> Zustand <A> –-(gemäß Theorie T)---> Zustand <B> ---(VV)---> Zustand B"
müsste meiner Meinung nach so aussehen:
"Zustand A ---> Zustand <A>+VV –-(gemäß Theorie T)---> Zustand <B>+VV ---> Zustand B"

- Ganz unten würde ich den Punkt zur Kopenhagener Interpretation anders und in zwei Punkten formulieren:
- Quantenobjekte und z.B. VV sind je halb-real, unsere erfahrbare Welt ist vollständig-real
- Quantenobjekte sind halb-real, unsere erfahrbare, vollständig-reale Welt entsteht zufällig aus der halb-realen (Kopenhagener Deutung)

- Damit ich drei Punkte habe: :wink:
"Das beutet eine Einschränkung..." muss heissen "Das bedeutet eine Einschränkung..."

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 22:42
von seeker
Vielen dank positronium!
Ich lasse es im Moment noch so stehen und nehme Veränderungen morgen vor.
Bitte beachte den nun blauen Satz in meinem Text (hab ich editiert).
Kannst du dazu Stellung nehmen?
Ich fühle gerade, dass das ein ganz wichtiger Kernpunkt ist.

Nette Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 17. Nov 2013, 22:59
von positronium
seeker hat geschrieben:Mit A und B sind einzelne, konkrete, reale, messbare Zustände gemeint, während das für Quantenzustände <A> und <B> so nicht gilt; sie sind in der Natur nicht beobachtbar. [Bitte Diskussion!]
Das ist problematisch, und hängt von der Definition der Begriffe ab.
Ein "Zustand" ist ja kein Ding, sondern ein Satz Variablen mit zugewiesenen Werten. Und "beobachten" bedeutet messen, aber was misst man? Misst man den Ort eines Teilchens, so misst man nicht den Zustand sondern einen Wert in einer Distribution; misst man aber die Energie, so misst man tatsächlich eine Eigenschaft des gesamten Zustandes.
Mit dem "so nicht gilt" hast Du Recht. Wenn es um Beobachtung geht, muss man aber wohl Observablen ins Spiel bringen. Eine Observable ist ein Guckloch, durch das man einen Teil des Zustands sieht. D.h. er ist beobachtbar und auch nicht.

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 18. Nov 2013, 01:11
von Skeltek
Verletzung der Bellschen Ungleichung... Ich beäuge das Experiment mit etwas Unbehagen. Würden Versuche mit einzelnen als Teilchen aufgefassten Photonen am Doppelspalt nicht zu Widersprüchen führen, hätte ich kein Problem mit dem Experimentaufbau. Allerdings ist ein Experiment, das a priori von einem Teilchen ausgeht, meiner Meinung nach fragwürdig. Es entzieht seiner eigenen Argumentation die Grundlage; was letzlich nur einen Widerspruch in den Annahmen impliziert, nicht jedoch wo der Hacken lag.

Außerdem wird ein Photon othogonal zu seiner Ausbreitungsrichtung absorbiert, was bei Interferrenzen in Punkten wo sich Massen aufhalten interessante Deutungen zulässt. Schließlich wird bei Interferenz an einer Absoptionsstelle (ein Teil) der Einhüllenden absorbiert oder reflektiert, nicht die einzelnen interferrierenden Wellen; man weiss hinterher nicht zu welchen Anteilen von welchem "Photon" absorbiert wurde. Diese "Einhüllende" kann sich zumindest vertikal zur Ausbreitungsrichtung mit v>c bewegen.

Die Photonen die einen Doppelspalt bzw Doppelkristall zur Verschränkung durchlaufen werden hier bereits vor dem betreten des Objektes Medien- und Winkel-spezifisch präselektiert/gefiltert, wobei der gefilterte Anteil reflektiert wird; eine Komponente der elektromagnetischen Welle muss ja beim Spalt fast exakt Null sein.
In dem Kristal werden zusätzlich noch die Photonen aufgespalten(aus 400nm Photonen werden doppelt so viele 800nm Photonen, die ja bereits beim Spalten mit dem zuletzt interagierenden Atom wechselwirken).
Während der beiden ersten Vorgänge treten Interferenzen auf, bei denen die Photonen neu durchmischt werden(aus AA und BB wird AB und BA); Impulsreste werden reflektiert und interferrieren dann auch.

Solange man Dinge wie Evanescence und ähnliches nicht erklären kann, ist das perfekte Verschränken von Photonen für mich keine wirklich saubere Sache, da die Wechselwirkung des verschränkenden Kristalls immer außen vor gelassen wird.

Man kann denke ich über die Interpretation von Ergebnissen gerne diskutieren, darf aber am Ende der Diskussion nie vergessen, daß die zugrunde liegenden Experimente auf wackeligen Beinen stehen.
Vielleicht gewinnt man ja eines Tages mehr Wissen durch die Untersuchung der beim Eintritt in den Kristall reflektierten Strahlung, statt die verschränkten Teilchen direkt zu untersuchen oder kann zumindest einen Zusammenhang herstellen.

Gruß, Skel

ps: Eine nette Seite der Uni Erlangen:
http://www.didaktik.physik.uni-erlangen ... index.html

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 18. Nov 2013, 10:11
von wilfried
Guten Tag zusammen

der letzte Beitrag von seeker ist interessant, da er einige weiterführende Aspekte aufweist. Es ist mir eine Freude hier die Entwicklung unserer Erkenntnis mitzuerleben und mitzugestalten!
seeker hat geschrieben:
Vorbemerkung:
Es gibt zweierlei Grund-Ansprüche, die man an eine wissenschaftliche Theorie haben kann:

1. Die Theorie soll funktionieren, also möglichst dieselben Resultate wie die Natur produzieren
2. Die Theorie soll wahr sein, die Natur also so oder so ähnlich abbilden, wie sie wirklich ist

Punkt 2. impliziert dabei 1., da eine wahre Theorie automatisch auch funktionieren muss. Punkt 1. ist also die schwächere Forderung, da eine funktionierende Theorie auch völlig falsch sein kann. Allerdings ist die Forderung nach 1. auch die Variante, die uns nie 100%ig befriedigen kann, während das Erreichen von Punkt 2. prinzipiell nie 100%ig erkannt/entschieden werden kann. Das ist das/unser Dilemma.

Wie wir schon gesehen haben, funktionieren Naturwissenschaften nach dem Prinzip Induktion/Deduktion und leiten daraus Gesetzmäßigkeiten gemäß einer Theorie T ab, d.h.:
Zustand A ---(gemäß Theorie T)---> Zustand B

So funktioniert jede klassische Theorie.
Nein, eine wahre Theorie muss nicht funktionieren, sie funktioniert. Das Attribut "muss" impliziert nämlich, dass es auch anders sein kann.

Der zweite Satz sollte ein wenig umformuliert werden:
Eine Theorie soll stets das Bestreben haben wahr sein, damit die Chance die Natur so wahr als sinnvoll machbar abzubilden hoch ist.

Ferner müssen wir unterscheiden zwischen der Hypothese und der Theorie. Eine Hypothese ist ein Arbeitspapier mit Annahmen, welche des Beweises harren. Eine Theorie ist eine bewiesene Hypothese. Fraglich bleibt dabei, inwieweit die Beweisführung korrekt war und wie realistisch die Modellannahmen waren. Daher ist eine zur Theorie erhobene Hypothese noch lange nicht Natur-nahe oder Natur.ähnlich!

Das Funktionieren einer Theorie in der QM ist prinzipiell nicht anders zu sehen, wie in anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Nur ist die Situation der Messung und Bobachtbarkeit hier deutlich diffiziler. Auch sind in der QM häufig Hypothesen zu sehen, welche zunächst -insbesondere für den unerfahrenen Zuhörer oder Interessenten- vollkommen unverständlich und weit ab jeder Realität zu sein scheinen. Das macht den Unterschied aus.

Ich bin mit Deiner Aussage
seeker hat geschrieben: Bei der QM existiert ein wichtiger Unterschied dazu.
Sie produziert lediglich Aussagen der Form:
Zustand <A> ---(gemäß Theorie T)---> Zustand <B>

Mit A und B sind einzelne, konkrete, reale, messbare Zustände gemeint, während das für Quantenzustände <A> und <B> so nicht gilt; sie sind in der Natur nicht beobachtbar. [Bitte Diskussion!]
daher nicht einverstanden. Diese Aussage ist mir -zumindest bezüglich meines jetzigen Verständnisses her- deutlich zu scharf gefasst. Sie lässt keinerlei Bewegungsspielraum zu.

seeker hat geschrieben: Dieser Umstand kann z.B. so verstanden werden, dass sie nicht das beschreiben, was IST, sondern das, was SEIN KANN. Insofern kann man sie z.B. als Wahrscheinlichkeitsaussagen verstehen. Hier kommen die Unschärferelation und das Messproblem ins Spiel.

Welche Interpretationen lässt dieser Umstand zu?

Die erste und natürlichste Interpretation war die Annahme, dass die QM nicht vollständig sein kann.
Z.B. Albert Einstein war dieser Ansicht, die besagt, dass es verborgene Variablen (VV) geben muss (zunächst unabhängig davon, ob diese prinzipiell erkannt werden können oder nicht), die folgende Operationen zulassen:

Zustand A ---(VV)---> Zustand <A> –-(gemäß Theorie T)---> Zustand <B> ---(VV)---> Zustand B
zusammenfassend:
Zustand A –-(gemäß kombinierter Theorie T/VV)---> Zustand B

… womit eine echte, eindeutige Kausalität ohne Zufallselement hergestellt wäre.

Diese Interpretation ist in ihrer ursprünglichen Form spätestens seit den Experimenten von Alain Aspect / Verletzung der Bellschen Ungleichung nicht mehr haltbar, existiert aber in einer abgewandelten Form weiter, indem man das Prinzip der Lokalität teilweise aufgibt. Das Prinzip der Lokalität besagt, dass sich keine Wirkung schneller als mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c ausbreiten kann. Das ist der Preis dafür.
Im Grunde folgst Du mir doch hier -bezgl. meiner Stellungnahme "ich bin nicht einverstanden". Für die (gesamt) QM ist die Bell Ungleichung deutlich zu unscharf. Wigner hat dieses Thema weiter formuliert und ist zu einer abstrakteren Formulierung dieser Ungleichung gekommen.

Lies dazu einmal diese Dissertation:
http://www.uibk.ac.at/exphys/photonik/people/gwdiss.pdf

Daraus erkennst Du -im Grunde reicht das lesen der Einleitung- dass die QM schnell mit uneindeutigen Messergebnissen aufwartet -trotzig gesprochen: trotz der Kopenhagener Konvention. Einstein bemerkte dieses mit seinem Satz "Gott würfelt nicht".
Zitat aus der Einleitung dieser Diss: hat geschrieben: Diese quantentheoretischen Konzepte verursachen kombiniert mit klassischen Ideen über Subjekt– Objekt Beziehung und Realismus Konflikte mit Konzepten der Relativitätstheorie. Diese Konflikte sind allerdings nur konzeptioneller Natur und nicht als Verletzung von Prinzipien der Relativität oder Kausaliät zu verstehen

seeker hat geschrieben: Damit kommen wir zur ersten Klasse der QM-Interpretationen:

1. Die QM ist unvollständig, insofern sie die Vorgänge bzw. Mechanismen der Natur prinzipiell unvollständig abbildet. Das Lokalitätsprinzip gilt nur eingeschränkt auf die Übertragung von Information, nicht für verborgene Variablen.

Reale Zustände A entwickeln sich streng kausal zu Zuständen B, gemäß eines natürlichen Mechanismus M. Der Mechanismus M kann dargestellt werden durch eine Quantentheorie T + nichtlokale verborgene Variablen, wobei diese Variablen von ihrer Natur her prinzipiell unerkennbar sind.
Die De-Broglie-Bohm-Theorie ist ein Vertreter dieser Klasse.

Die Natur von QM-Zuständen der Form <A> kann auch anders aufgefasst werden, nämlich so, dass sie real sind, ja sogar die einzige vollständige Realität der Natur darstellen, während Zustände der Form A nur Teilaspekte aus einer zufälligen Perspektive davon darstellen, ähnlich wie ein 2D-Foto nur einen Teilaspekt eines realen 3D-Gegenstands darstellt, ohne dass ihm in diesem Sinne eine eigene Realität zukommt. Bei dieser Interpretation wird unsere eine, gesamte Erfahrungswelt zu einer unwirklichen Schattenwelt degradiert. Das ist ihr Preis.
Bumms! Da ist der Konflikt zur Kopenhagener Konvention (KK). Diese will (zwangsneurotisch) dass die scheinbar zufällig gewonnenen Ergebnisse als "Natur gegeben" angesehen werden. Folgt man dann der Theorie der verborgenen Variablen, so findet man darin die Aussage, dass diese nicht zufällig sind, sonder auf Lücken in der QM Theorie basieren. Und diese Lücken werden mit den verborgenen Variablen erklärt.

Nun, ob das so die Lösung darstellt, glaube ich selber nicht, aber wie auch immer, der Konflikt ist einfach da und salopp gesagt, besagt dieses Beispiel nur: man weiß es halt nicht, die QM reagiert teilweise sehr indifferent. Das sage ich, denn ich bin der Überzeugung, wenn diese HVs (hidden variables) tatsächlich eingeführt werden (müssten), dann ist die Schrödinger Gleichung nicht hinreichend. In Konsequenz: dann muss etwas gefunden werden, was darüber hinaus geht.

seeker hat geschrieben:Damit kommen wir zur zweiten Klasse der QM-Interpretationen:

2. Die QM ist vollständig und in ihrer vollständigen Entwicklung auch streng kausal, insofern sie die Mechanismen der Natur vollständig abbildet.

Zufallserscheinungen sind nicht wirklich zufällig, sie erscheinen nur dem Beobachter so, weil dieser als Schatten und eine zufällige Perspektive einnehmend nur zufällige Teilaspekte der wirklichen Welt erkennen kann. Welche konkrete Teilwelt er erfährt ist und bleibt zufällig. Das akausale Element aus 3. (s.u.) wird vom Objekt (Welt) ins Subjekt (Beobachter) verschoben, aber nicht gelöst.
Die Viele-Welten-Interpretationen gehören dieser Klasse an.
Nun, dies ist sehr sehr schwer nachzuvollziehen. Deine Aussage unter der Voraussetzung einer zukünftigen QM, die alle Zustände kennt, so dass die KK dann doch wieder gültig wäre, ist dann richtig formuliert. Aber für unsere Zeit -noch sind wir Unwissende und die QM bedarf einer tiefen Reform (meine Ansicht)- gilt Deine Aussage noch lange nicht.

Damit sage ich nicht, dass Deine Aussage falsch ist, ich sage: Deine Aussage mag richtig sein, eben unter genannter Voraussetzung. Sie muss sich aber dann erst beweisen!
seeker hat geschrieben:Kommen wir zur immer noch vorherrschenden Interpretation der QM, auch wenn diese Vorherrschaft vielleicht inzwischen am Bröckeln ist:

Sie besagt folgendes:
Zustand A ------> Zustand <A> ---(gemäß Theorie T)---> Zustand <B> ------> Zustand B

Wie man bemerkt, ist hier im Pfeil „Zustand A ---> Zustand <A>“ nichts von einer Theorie oder von verborgenen Variablen eingetragen. Das hat seinen Sinn, denn es besagt, dass dort nichts ist, keine Gesetzmäßigkeit, also Zufall. Dieser Zufall muss hier als „echt“ verstanden werden, als Vorgänge, die nur in ihrer Wahrscheinlichkeit durch T bestimmt werden, damit aber im konkreten Einzelfall nicht vollständig determiniert sind. Das beutet eine Einschränkung der Kausalität für (A ---> B): Wirkungen ohne Ursache.
Ja! Zustimmung
seeker hat geschrieben:Dies ist die dritte Klasse der QM-Interpretationen:

3. Die QM ist vollständig, insofern sie die kausalen Mechanismen der Natur vollständig abbildet. Die Natur selbst ist nicht vollständig kausal aufgebaut und trägt ein zufälliges Element. Deshalb bildet die QM alles ab, was überhaupt von einer Theorie abgebildet werden kann: nur den kausalen Anteil der Natur.

Die Kopenhagener Interpretation ist ein Vertreter dieser Klasse.
Puuhhh, das ist wieder so eine spekulative Annahme. Deine Aussage, dass die Natur selbst ist nicht vollständig kausal ist, kann ich nicht nachvollziehen. Die Natur reagiert meines Erachtens nach schon kausal, nur wir haben sie noch lange nicht verstanden. Beispiel: Wetter. Können wir nicht vorhersagen, da die Menge an Parametern zu groß und die Anzahl der Messtationen demzufolge deutlich zu wenig und die Messungen auch in allen Raumrichtungen mit unvorstellbarer Präzision und Messdichte durchgeführt werden müssten. Das täte jede real durchgeführte Messung auch auf sehr sehr sehr lange Sicht unmöglich machen. Schau Dir nur die lokale Wolkenbildung bei einem Spaziergang an oder die Nebelbildung über einem kleinen Wäldchen. All diese hat Einfluss. So auch in der QM. Daher sage ich, auch die QM ist deterministisch und kausal, nur wir -wir als messende und modellbildende Menschen- vermögen das auf Grund der Datendichte nicht so zu sehen.

Dies kann auch nicht anders sein, denn was tun wir? Wir suchen nach Verständnis, können aber kein exaktes Abbild der Natur finden, sondern formulieren ein Modell mit dem Anspruch so naturnahe als sinnvoll machbar zu werden. Das bedarf gewisser Einschränkungen.
Beispiel: Versuch Galton Brett. Würden wir alle Parameter kennen, dann wird ein Modell des Galton Versuchs ein exaktes Ergebnis liefern.
Beispiel: Wahlen. Würden wir alle Bürger befragen und würden alle Bürger uns wahrheitsgemäß antworten, wird eine Wahlergebnis zu 100% Treffsicherheit eintreten. Tut es aber nicht, weil beide Forderungen nicht erfüllbar sind. Ist damit eine Wahl ein akausaler Zusammenhang?


seeker hat geschrieben:Eine weitere Klasse von Ansätzen hat als Grundidee, dass die QM nicht das beschreibt was IST, sondern das, was WIR (davon) wissen können.
Das führt zu folgender Aussage:

4. Die QM ist weder vollständig noch unvollständig bezüglich ihrer Beschreibung der Vorgänge in der Natur, da sie nicht die Natur beschreibt, sondern nur die Erscheinungen die wir von der Natur haben können.

Die Frage nach der Wahrheit „da draußen“ bleibt hier unbeantwortet. Im Grunde wird hier die objektive Beschreibung einer objektiven Welt zu einer objektiven Beschreibung der subjektiv erlebbaren Phänomene.
Auch hier bleibt das Messproblem ungelöst.
Dieser Ansatz löst die ontologischen Probleme nicht, er lehnt sie ab und schweigt dazu.
Eben! Das fluchtet mit meiner letzten Stellungnahme.
seeker hat geschrieben:Instrumentalistische Ansätze gehören in diese Klasse


Zusammenfassung

Bei der Realität von Quantenobjekten gibt es folgende Möglichkeiten:

- Quantenobjekte sind vollständig real, unsere erfahrbare Welt ist halb-real (Viele Welten)
- Quantenobjekte sind halb-real, unsere erfahrbare Welt ist vollständig-real (Kopenhagener Deutung)
- Quantenobjekte und erfahrbare Welt sind real, halb-real sind allerdings die verborgenen Vorgänge in der Natur (Bohm)
- Quantenobjekte sind nur in uns (als geistige Konstrukte real), also nicht-real, dasselbe gilt für die Welt, weitere Aussagen sind nicht möglich (Instrumentalismus)

Außerdem sind noch Zwischenpositionen möglich.


Beste Grüße
seeker
Gut, das kann ich so akzeptieren. Meine Zusatzbemerkung -die habe ich auch weiter oben (nicht ganz so präzis) formuliert- ist:

Der heutige Kenntnisstand über eine vollständige und kausal aufgebaute Quantenmechanik ist unvollständig und kann auf Grund der dazu notwendigen ungeheuer großen Anzahl an zu kennenden und zu messenden Variablen niemals exakt kausal modelliert werden.
Aber: wir benötigen eine Reform der QM, welche deutlich präziser das wirkliche Funktionieren der Natur aufzeigt und welche sich durch ihr Vermögen alle Kräfte gemeinschaftlich und durchgängig beschreibt und Wechselwirkungen aller Felder korrekt und ohne trickreiche Sonderkonstruktionen darstellt.

Mit nettem Gruß

Wilfried

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 18. Nov 2013, 10:26
von wilfried
Guten Tag Skeltek


Skeltek hat geschrieben:Verletzung der Bellschen Ungleichung... Ich beäuge das Experiment mit etwas Unbehagen. Würden Versuche mit einzelnen als Teilchen aufgefassten Photonen am Doppelspalt nicht zu Widersprüchen führen, hätte ich kein Problem mit dem Experimentaufbau. Allerdings ist ein Experiment, das a priori von einem Teilchen ausgeht, meiner Meinung nach fragwürdig. Es entzieht seiner eigenen Argumentation die Grundlage; was letzlich nur einen Widerspruch in den Annahmen impliziert, nicht jedoch wo der Hacken lag.
....
Ja, ich auch. Diese Ungleichung ist für die traditionelle Physik und Technik anwendbar und auch in Ordnung, aber für die QM ist nur sehr bedingt geeignet.
Skeltek hat geschrieben: Solange man Dinge wie Evanescence und ähnliches nicht erklären kann, ist das perfekte Verschränken von Photonen für mich keine wirklich saubere Sache, da die Wechselwirkung des verschränkenden Kristalls immer außen vor gelassen wird.

Man kann denke ich über die Interpretation von Ergebnissen gerne diskutieren, darf aber am Ende der Diskussion nie vergessen, daß die zugrunde liegenden Experimente auf wackeligen Beinen stehen.
Vielleicht gewinnt man ja eines Tages mehr Wissen durch die Untersuchung der beim Eintritt in den Kristall reflektierten Strahlung, statt die verschränkten Teilchen direkt zu untersuchen oder kann zumindest einen Zusammenhang herstellen.

Gruß, Skel

ps: Eine nette Seite der Uni Erlangen:
http://www.didaktik.physik.uni-erlangen ... index.html
Das Problem der Verschränkung zeigt ja deutlich, dass die QM "eigene Wege" geht. Siehe dazu meine Anmerkungen zu seekers Beitrag.
Das Problem der Evaneszenz ist, dass wir hier die Wirkung der komplexen Exponentialfunktion durch ihre Euler Komponetnen (cosinus und komplexe sinus Anteile) erkennen. Ein Sprung bzw. ein direkter Abfall auf Null kommt nur dann vor, wenn das Integral sich über den unendlich positiven und negativen Zeitbereich erstrecken würde, was ja a) der Kausalität widerspricht und b) seitens der natur nicht machbar ist, da die Zeit vor der Singularität einerseits nicht bekannt und andererseits sicherlich eine andere Physik darstellte.

Ergo: auch hier sehen wir bereits die Unzulänglichkeiten unserer Anschauungen bzw. unserer Interpretationen. Der Natur ist all das völlig wurscht, die kennt keine Quanten, keine Teilchen, keine Wellen. Das sind rein menschlich geprägte Begriffe, sie entstammen aus unserer Vorstellung, unserer Physik. Was nun, wenn die Physik der Natur anders aufgebaut ist, denn die Natur besitzt keinen Computer.....

Netter Gruß

Wilfried
  • Anmerkung (nichts zu tun mit QM, sondern mit Meteorologie):

    Fällt ein Windfeld von See kommend schräg auf Land oder umgekehrt, so findet man auch solche Evaneszenz ähnlicht Effekte. das wir verstanden unter Land- bzw. Seebrechung und ist für mich als Skipper auf meinen Hochseetörns ein wichtiger Faktor zur Vorausschau eventuell aufkommender Interferenzseen besser bekannt unter dem Namen Kreuzseen.

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 19. Nov 2013, 08:02
von tomS
tomS hat geschrieben:Provokant gesprochen beschäftigt sich die QM im Kern mit einem abstrakten Formalismus, der es erlaubt, die Natur zu beschreiben, so wie jedes andere Teilgebiet der Physik auch. Alles darüber hinaus ist Metaphysik bzw. Wissenschaftstheorie.
Ich denke nicht, dass ihr meine Aussage wirklich verstanden habt (evtl. war sie zu knapp und zu provokant formuliert ;-)

Zunächst ist es sicher richtig, dass sich die QM im Kern mit einem abstrakten Formalismus beschäftigt. Ich denke, das tut jede physikalische Theorie. Und da sind wir uns hoffentlich einig.

Zum zweiten ist der Bezug des Formalismus zur Realität (was immer das sein mag) tatsächlich Metaphysik. Ihr könnt euch nun entscheiden, neben der QM auch die Philosophie und insbs. die Interpretationen der QM zu betrachten, aber ihr solltet das nicht mit dem Kern der Theorie verwechseln, es handelt sich dabei um eine neue, darüberhinausgehende Ebene. Im Kern ist die QM als Formalismus zur Berechnung experimentell beobachtbarer Phänomene vollständig, denn sie erlaubt genau das - die Berechnung experimentell beobachtbarer Phänomene.

Zum dritten sage ich nicht, dass ihr diese neue Ebene nicht diskutieren sollt.

Die Unterscheidung ist wichtig, denn über den Kern der QM (engl. oft "bare formalism) ist man sich einig, während die Interpretation dieses Formalismus' (many worlds, collapse, statistische Interpretation) oder darüberhinausgehende Erweiterungen (deBroglie-Bohm, dynamical collapse, ...) zu deutlich divergierenden Ansichten führen. Insbs. kann heute jeder Physiker QM im erstgenannten Sinn lernen, verstehen und anwenden, ohne über letzteres nachdenken zu müssen.

Bzgl. realistischer und vollständiger, kausaler Interpretation der QM: die many-worlds-Interpretation liefert genau das!

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 19. Nov 2013, 09:16
von seeker
Hallo lieber Tom,

nein, ganz falsch verstanden habe ich dich nach den vielen Gesprächen die wir schon über die QM hatten m. E. nicht.
tomS hat geschrieben:Zunächst ist es sicher richtig, dass sich die QM im Kern mit einem abstrakten Formalismus beschäftigt. Ich denke, das tut jede physikalische Theorie. Und da sind wir uns hoffentlich einig.
Ja!
tomS hat geschrieben:Zum zweiten ist der Bezug des Formalismus zur Realität (was immer das sein mag) tatsächlich Metaphysik. Ihr könnt euch nun entscheiden, neben der QM auch die Philosophie und insbs. die Interpretationen der QM zu betrachten, aber ihr solltet das nicht mit dem Kern der Theorie verwechseln, es handelt sich dabei um eine neue, darüberhinausgehende Ebene. Im Kern ist die QM als Formalismus zur Berechnung experimentell beobachtbarer Phänomene vollständig, denn sie erlaubt genau das - die Berechnung experimentell beobachtbarer Phänomene.
Jein! Sie ist nicht in der Lage QM-Einzelereignisse konkret vorherzusagen (Messproblem, QM-Zufall). Deshalb muss geklärt sein, was "vollständig" bedeutet.
tomS hat geschrieben:Zum dritten sage ich nicht, dass ihr diese neue Ebene nicht diskutieren sollt.
Klar!
tomS hat geschrieben:Die Unterscheidung ist wichtig, denn über den Kern der QM (engl. oft "bare formalism) ist man sich einig, während die Interpretation dieses Formalismus' (many worlds, collapse, statistische Interpretation) oder darüberhinausgehende Erweiterungen (deBroglie-Bohm, dynamical collapse, ...) zu deutlich divergierenden Ansichten führen. Insbs. kann heute jeder Physiker QM im erstgenannten Sinn lernen, verstehen und anwenden, ohne über letzteres nachdenken zu müssen.
Jein!
Ich bin mir nicht sicher, ob es sich um EINEN Formalismus handelt (gerade z.B. deBroglie-Bohm, etc.). Die Aussagen aus verschiedenen Formalismen scheinen aber bis heute gleich zu sein.
Ich glaube man sagt, sie seien mathematisch "isomorph". Aber das müsst ihr mir sagen. Ob das immmer so bleiben wird? Weiß man das nicht erst dann 100%ig, wenn alle Formalismen vollständig ausgearbeitet sind?
tomS hat geschrieben:Insbs. kann heute jeder Physiker QM im erstgenannten Sinn lernen, verstehen und anwenden, ohne über letzteres nachdenken zu müssen.
Jein!
Er kann es, ohne bewusst darüber nachdenken zu müssen, ja.
Er kann es aber nicht ohne Metaphysik zumindest unbewusst zu verwenden, also ohne Metaphysik in seinen Gedankengängen zu verwenden!
Das ist ein ganz wichtiger Punkt!
Ich sehe einen wichtigen Punkt hier (bei dem, was wir hier machen) dieses Unbewusste bewusst zu machen, ans Licht zu holen.

@ all: Stellungnahme zu den anderen Beiträgen folgt, sobald ich Zeit habe.

Viele Grüße
seeker

Re: Der Gegenstand der Quantenmechanik

Verfasst: 19. Nov 2013, 12:06
von tomS
Hallo,

genau deswegen lege ich so viel Wert auf den formalen Kern, denn dieser ist für alle Varianten und Interpretationen identisch. Manche Interpretationen sind reine Interpretationen ohne Erweiterungen des Formalismus (many-worlds), manche sind geringfügige und uns heute gar nicht bewusste (!) Erweitungen (collapse / Kopenhagen: Bornsche Regel als zusätzliches Postulat), manche sind Erweiterungen, jedoch mit identischer Vorhersage (deBroglie-Bohm), manche sind explizite und nicht-äquivalente Erweiterungen (dynamical collapse).

Nur wenn man sich auf den minimalen, formalen Kern geeinigt hat, kann man anschließend über Erweiterungen diskutieren.