Was ich meinte war folgendes:
1.
Nehmen wir an, du hättest einen Sack mit unendlich vielen Kugeln drin.
Du nimmst nun Kugeln einzeln aus dem Sack heraus und zählst diese.
Ergebnis: Egal wie lange du das tust, im Sack verbeiben immer unendlich viele Kugeln.
Insofern kommst du dort von "unendlich nicht weg".
(Der Sack bleibt hier immer quasi voll.)
2.
Du tust dasselbe wie bei 1., tust aber die gezählten Kugeln in einen zweiten Sack.
Ergebnis: Egal wie lange du das tust, im 2. Sack werden immer nur endlich viele Kugeln sein.
Insofern kommst du dort von "endlich nicht weg".
(Im Verhältnis zu dem, was in Sack 1 ist, bleibt Sack 2 hier ja auch immer quasi leer.)
3. Der gesamte Vorgang aus 1. und 2. und was dabei mit der Anzahl der Kugeln in den beiden Säcken geschieht hat aber eine Art Symmetrie: Es ist in gewisser Weise dasselbe: "Hier raus, dort rein" ist ja ein-und-derselbe Vorgang.
Gleichzeitig kannst du aber nach gewöhnlicher Abstraktion des Vorgangs zu irgendeinem Zeitpunkt immer nur sagen, wie viele Kugeln in Sack 2 sind, nicht aber, wie viele in Sack 1 fehlen.
Ergo:
Dieser Unterschied kann also nicht am Vorgang selber liegen, sondern muss an der Art und Weise liegen, wie du abstrahierst und dies in deinem Formalismus ausdrückst.
ralfkannenberg hat geschrieben: ↑16. Mai 2021, 11:28
Das Kind wählt den naiven Ansatz, d.h. es zählt das ganze einfach an den fünf Fingern einer Hand ab...
Schauen wir uns das etwas genauer an, was da alles nötig ist:
Das Kind muss zuerst einmal erkennen/annehmen/glauben, dass es Verschiedenes gibt, nämlich es selbst und dann noch das Andere. Das Andere ist die Welt.
Dann muss es abstrahierend begreifen, erkennen bzw. glauben/annehmen, dass dieses Andere strukturiert ist, dass es dort Verschiedenes gibt und nicht alles eins ist (abgegrenzte bzw. abgrenzbare Strukturen = Gegenstände) und dass es auch Gleiches (gleiche/ähnliche Gegenstände) gibt. Dann muss erkannt werden, dass es viel und wenig (von den Gegenständen) gibt, ein Tier muss diesen Unterschied auch erkennen, zwischen z.B. "viel Nuss" und "wenig Nuss". (Deshalb, aus evolutionären Gründen, können wir das auch.)
Dann erst, durch weitere Abstraktion kann dann die darauf aufbauende Frage gestellt bzw. erkannt werden: WIE viel weniger oder mehr? Und wann gleich-viel? Und wie stellt man das fest? Direktes Erfassen? Das geht gewöhnlich beim Menschen bei bis zu ca. 7 Gegenständen. Und darüber hinaus? Wie dann dort?
Erst hier kommt dann das Zählen auf, als Strategie/Erfindung, um über unser begrenztes direktes Erfassen hinausgehen zu können. Damit ist man aber noch nicht bei der abstrakten Zahl. Dazu muss man dann auch noch Anhäufungen realer Gegenstände durch abstrakt-gedachte Gegenstände ersetzen bzw. verallgemeinern. Erst diese Verallgemeinerung ist das abstrakte Objekt "natürliche Zahl" und "Menge". Und dann muss man das auch noch formulieren, man muss sich also einen Formalismus überlegen, um es konsistent festzuhalten und kommunizieren zu können.
D.h.: Es ist eine ganze Menge an Abstraktion und spezieller Perspektive und Annahme und Vorgehen notwendig, um Zählen zu können.
Das ist also nicht selbstverständlich.
Was ist dann "zählen"?
Es ist die menschenmöglich zunächst weitgehendste abstrakte Verallgemeinerung und Vereinfachung aus einer funktionablen aber selbstgewählten, extrem speziellen Perspektive und Fragestellung auf die Welt heraus.
Abstraktion:
Das Wort Abstraktion (lateinisch abstractus ‚abgezogen‘, Partizip Perfekt Passiv von abs-trahere ‚abziehen‘, ‚entfernen‘, ‚trennen‘) bezeichnet meist den induktiven Denkprozess des erforderlichen Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abstraktion
Und wo es dann echt schwierig bzw. diskussionsbdürftig wird:
Wenn man nun auch noch vom Vorgang des Zählens abstrahiert, dann erst erhält man gedanklich das echte Ding "Zahl", als ein unabhängig (vom Zählen und dem Zählenden), also objektiv existierendes Ding.
Es ist aber unklar, ob man das darf.
Und an der Stelle gibt es dann zurecht platonische Positionen und konstruktivistische Positionen, etc.