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Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Mathematische Fragestellungen
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Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von ralfkannenberg » 11. Mai 2020, 19:47

Hallo zusammen,

auch wenn ich meine Ansicht über Diskussionen über aktuale oder potentielle Unendlichkeiten bereits hier kundgetan habe möchte ich dennoch einen Thread zu diesem Thema aufmachen.

Ich persönlich halte die Diskussion über die beiden Begriffe in der Mathematik für überflüssig, da möchte ich mich lieber dem Axiom unterwerfen und daraus hergeleitete Resultate betrachten, während ich der Meinung bin, dass die Philosophie ein guter Ort für solche Überlegungen ist.

Oder wie es auch schon geschrieben habe: der Mathematiker soll dem Philosophen nicht Grenzen auferlegen, umgekehrt soll aber auch der Philosoph dem Mathematiker keine Grenzen auferlegen, denn Wissenschaft, der Grenzen auferlegt werden, ist keine gute Wissenschaft, sondern eine begrenzte Wissenschaft.


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von seeker » 12. Mai 2020, 07:37

ralfkannenberg hat geschrieben:Oder wie es auch schon geschrieben habe: der Mathematiker soll dem Philosophen nicht Grenzen auferlegen, umgekehrt soll aber auch der Philosoph dem Mathematiker keine Grenzen auferlegen, denn Wissenschaft, der Grenzen auferlegt werden, ist keine gute Wissenschaft, sondern eine begrenzte Wissenschaft.
Das ist zwar in dem Rahmen vertretbar, aber du gehst hier davon aus, dass da zwei getrennte Disziplinen wären, das ist aber nicht immer der Fall.
Die Diskutanten sind hier meist vielmehr als Mathematiker denn als Philosophen zu bezeichnen, in diesen Fällen trifft deine Prämisse nicht zu.
Und im Übrigen sind Grenzen und die Kenntnis derselben außerordentlich wichtig, gerade in der Wissenschaft, man braucht nämlich ein Abgrenzungskriterium, um Wissenschaft von Blödsinn unterscheiden zu können.

Schau mal Ralf:

https://de.wikipedia.org/wiki/Grundlage ... Mathematik

http://scienceblogs.de/mathlog/2016/04/ ... genstreit/
Erste Ansätze zur konstruktiven Mathematik stammen aus dem Intuitionismus von L. E. J. Brouwer. Weitere Ansätze wurden von Hermann Weyl, Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow und Errett Bishop, Arend Heyting, Solomon Feferman, Paul Lorenzen, Michael J. Beeson und Anne Sjerp Troelstra entwickelt.
Die hier genannten Personen sind/waren allesamt Mathematiker.
Die konstruktive Mathematik vermeidet ausdrücklich nicht-konstruktive Beweise und kommt mit der intuitionistischen Logik aus, die keine nicht-konstruktiven Beweise zulässt. Wird etwa (wie in einem indirekten Beweis) aus der Falschheit einer negierten Behauptung diese Behauptung selbst gefolgert, so wird dabei eine logische Schlussform verwendet, die nicht zur Konstruktion zwingt.[2] Der wesentliche Kernpunkt des Konstruktivismus besteht also darin, nur jene Sätze zu formulieren, deren Objekte (und Problemlösungen) konstruierbar sind. Dieser Anspruch führt dazu, Anwendungen des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten sowie des Auswahlaxioms abzulehnen, da mit beiden Sätzen[3] auch Aussagen über mathematische Objekte (bzw. Lösungen) hergeleitet werden können, ohne anzugeben, wie diese konstruiert werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mathemati ... uktivismus


Und:
https://de.wikipedia.org/wiki/Potentiel ... Mathematik

https://de.wikipedia.org/wiki/Berechenbare_Zahl
Grüße
seeker


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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von ralfkannenberg » 12. Mai 2020, 11:56

seeker hat geschrieben:
12. Mai 2020, 07:37
Die hier genannten Personen sind/waren allesamt Mathematiker.
Hallo seeker,

das ist korrekt, man muss ihre Positionen aber auch in den historischen Kontext und den damals vorherrschen Zeitgeist stellen, beispielsweise die Hilbertschen Probleme und dann auf das 2.Problem daraus das Hilbertprogramm.

Aber heutzutage: was hälst Du von einem Mathematiker, der den Widerspruchsbeweis als Beweismethode ablehnt ? - Natürlich kann man das nüchtern betrachten und feststellen, dass sich damit die Menge der beweisbaren Theoreme verringert. Wenn man sich also Gedanken über diese Menge der beweisbaren Theoreme machen möchte, wird es sicherlich sinnvoll sein, auch diejenige Teilmenge davon zu unersuchen, die ohne indirekte Beweise auskommt.

Aber für eine "normale" Mathematik ist es m.E. nicht wünschenswert, sich selber zu "verstümmeln".


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von Skeltek » 12. Mai 2020, 13:09

Ich sehe kaum einen Unterschied zwischen Philosophen und Mathematikern. Sie gehen nur von unterschiedlichen Axiomen aus, um darauf ihre Konstrukte aufzubauen. Der Philosoph sucht die richtigen Axiome, um seine daraus resultierenden Erkentnisse seinen Vorstellungen oder Idealen anzupassen. Der Mathematiker sucht die verschiedenen Konstrukte die sich aus vorgegebenen Axiomen ergeben. Die Anwendung der Logik ist bei beiden eigentlich ähnlich.

Es gibt jedoch bei beiden das rein syntaktische Vorgehen und das zeitweise aussetzen der Semantik.
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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von seeker » 12. Mai 2020, 13:28

ralfkannenberg hat geschrieben:
12. Mai 2020, 11:56
Aber für eine "normale" Mathematik ist es m.E. nicht wünschenswert, sich selber zu "verstümmeln".
Was ist "normal", was ist "verstümmeln"? Wer legt das fest? Wer hat das Recht das festzulegen?
Ich denke, es kann und soll in der Mathematik im Prinzip erst einmal jeder tun und lassen was er will, so lange es irgendeiner vernünftigen Logik folgt.
Hilfreich ist aus meiner Sicht dabei nur, dass man dabei auch den Boden halbwegs erkennt, auf dem man sich bewegt und auch die Erkenntnis, dass nichts umsonst ist, auch nicht in der Mathematik, auch "Hilberts Paradies" hat seinen Preis, alles hat seine Vor- und Nachteile.

Und allgemein:
Wenn du mir für X einen konstruktiven Beweis liefern kannst, dann wird mir das immer lieber sein als ein nicht-konstruktiver Beweis, dir nicht auch?

Und bezüglich aktuale vs potentielle Unendlichkeiten:
Ich denke, in sehr vielen Fällen kann man diesen Punkt einfach offen lassen, man muss sich dann gar nicht entscheiden. Und abseits davon kann man auch heute für den Zweck A (wenn nötig) aktuale Unendlichkeiten voraussetzen und morgen für Zweck B dann wieder nur potentielle. Wir sind in der Mathematik ja nicht in der Religion, wo es nicht so einfach ist seine Konfession ständig zu wechseln.
Grüße
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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von ralfkannenberg » 12. Mai 2020, 13:43

seeker hat geschrieben:
12. Mai 2020, 13:28
ralfkannenberg hat geschrieben:
12. Mai 2020, 11:56
Aber für eine "normale" Mathematik ist es m.E. nicht wünschenswert, sich selber zu "verstümmeln".
Was ist "normal", was ist "verstümmeln"? Wer legt das fest? Wer hat das Recht das festzulegen?
Hallo seeker,

das steht letztlich in den Axiomen drin.

seeker hat geschrieben:
12. Mai 2020, 13:28
Ich denke, es kann und soll in der Mathematik im Prinzip erst einmal jeder tun und lassen was er will, so lange es irgendeiner vernünftigen Logik folgt.
Hilfreich ist aus meiner Sicht dabei nur, dass man dabei auch den Boden halbwegs erkennt, auf dem man sich bewegt und auch die Erkenntnis, dass nichts umsonst ist, auch nicht in der Mathematik, auch "Hilberts Paradies" hat seinen Preis, alles hat seine Vor- und Nachteile.
Einverstanden, nur: wer definiert, was "der Boden" ist ? :wink:

seeker hat geschrieben:
12. Mai 2020, 13:28
Und allgemein:
Wenn du mir für X einen konstruktiven Beweis liefern kannst, dann wird mir das immer lieber sein als ein nicht-konstruktiver Beweis, dir nicht auch?
Ist ein indirekter Beweis "konstruktiv" oder nicht ?

Sagen wir es einmal so: gefühlsmässig bin ich froh, dass der Nachweis der Transzendenz der Liouville'schen Zahl und auch der Nachweis der Transzendenz der Euler'schen Zahl vor dem Cantorschen Diagonalbeweis geleistet wurde. - Aber es geht hier nicht um meine Gefühle, weil der Gedanke, die Existenz einre überabzählbare Menge von transzendenten Zahlen nachgeweisen zu haben, ohne eine einzige davon konkret angeben zu können, für mich ein Stück weit unerträglich gewesen wäre. Im Übrigen wurden diese Beweise meines Wissens indirekt geführt.

Ebenfalls diejenigen der Transzendenz von pi und von 2Quadratwurzel(2) (letzteres als Spezialfall des 7.Hilbertschen Problems).

seeker hat geschrieben:
12. Mai 2020, 13:28
Und bezüglich aktuale vs potentielle Unendlichkeiten:
Ich denke, in sehr vielen Fällen kann man diesen Punkt einfach offen lassen, man muss sich dann gar nicht entscheiden. Und abseits davon kann man auch heute für den Zweck A (wenn nötig) aktuale Unendlichkeiten voraussetzen und morgen für Zweck B dann wieder nur potentielle. Wir sind in der Mathematik ja nicht in der Religion, wo es nicht so einfach ist seine Konfession ständig zu wechseln.
Ich hätte jetzt eher gedacht, dass das in der Religion einfacher geht. Tatsächlich entspricht es nicht meiner Vorstellung, die natürlichen Zahlen oder eine Gerade nicht zuzulassen.


Freundliche Grüsse, Ralf

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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von Job » 12. Mai 2020, 17:41

seeker hat geschrieben:
12. Mai 2020, 13:28
Und bezüglich aktuale vs potentielle Unendlichkeiten:
Ich denke, in sehr vielen Fällen kann man diesen Punkt einfach offen lassen, man muss sich dann gar nicht entscheiden. Und abseits davon kann man auch heute für den Zweck A (wenn nötig) aktuale Unendlichkeiten voraussetzen und morgen für Zweck B dann wieder nur potentielle. Wir sind in der Mathematik ja nicht in der Religion, wo es nicht so einfach ist seine Konfession ständig zu wechseln.
Nun, das ist mit dem Unendlichkeitsaxiom der ZFC eindeutig geregelt. Hier wird die Existenz von aktualen Unendlichkeiten fest zementiert. Wenn Du das weglässt, "verstümmelst" Du die Mathematik drastisch.

Hilbert hat mal folgendes gesagt:

- Fruchtbaren Begriffsbildungen und Schlußweisen wollen wir, wo immer nur die geringste Aussicht sich bietet, sorgfältig nachspüren und sie pflegen, stützen und gebrauchsfähig machen. Aus dem Paradies, das Cantor uns geschaffen, soll uns niemand vertreiben können.
- Es ist nötig, durchweg dieselbe Sicherheit des Schließens herzustellen, wie sie in der gewöhnlichen niederen Zahlentheorie vorhanden ist, an der niemand zweifelt und wo Widersprüche und Paradoxien nur durch unsere Unaufmerksamkeit entstehen.

Die Erreichung dieser Ziele ist offenbar nur möglich, wenn uns die volle Aufklärung über das Wesen des Unendlichen gelingt.“
Die volle Aufklärung des Wesens des Unendlichen ist uns meiner Meinung nach bis heute noch nicht wirklich gelungen und ich bin mir auch nicht sicher, ob uns das jemals gelingen wird. Im Gegensatz zum Auswahlaxiom in seiner heutigen allgemeinen Form halte ich das Unendlichkeitsaxiom allerdings für unverzichtbar und bin auch der Meinung, dass es einen Teil der Natur tatsächlich widerspiegelt, in diesem Sinne also wirklich "wahr" ist.

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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von seeker » 12. Mai 2020, 22:05

Ja Leute, aber um die Axiome geht es ja gerade! Und in deren Natur liegt es ja gerade, dass man sie nicht beweisen kann, sondern dass man sie annehmen muss - oder eben nicht.
Wobei ich sehe das meist eher pragmatisch, ich neige bei solchen Dingen nicht mehr dazu feste Standpunkte einzunehmen und darum streiten zu wollen: Je nach Bedarf kann man es so oder so machen, gerade bei sowas wie dem Auswahlaxiom oder dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Alles hat seine Vorzüge, alles hat seinen Preis... man ist ja da frei, nichts ist aufgezwungen oder zementiert, nur logisch-vernünftig soll es sein.
Es geht doch am Ende eher darum: Was will ich (haben, erreichen, ...)?

Ich kenne das Zitat von Hilbert, ich weiß, Hilberts Paradies... Sicherlich!
An dieser Stelle möchte ich auch ein Zitat anbrigen, zur Erbauung, zum Nachdenken:
Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde ein selbstzerstörerisches demokratisches Prinzip in die Mathematik eingeführt (vor allem durch Hilbert), nach dem alle Axiomensysteme das gleiche Recht auf Analyse haben und der Wert einer mathematischen Leistung nicht durch seine Bedeutung und seinen Nutzen für andere Disziplinen bestimmt wird, sondern allein durch seine Schwierigkeit, wie beim Bergsteigen. Dieses Prinzip führte schnell dazu, daß die Mathematiker mit der Physik brachen und sich von allen anderen Wissenschaften abschotteten. In den Augen aller normalen Leute verwandelten sie sich in eine obskure priesterliche Kaste... Merkwürdige Fragen wie Fermats Problem oder Summen von Primzahlen wurden zu angeblich zentralen Problemen der Mathematik erhoben.
Wladimir Igorewitsch Arnold

Ich weiß nicht ob und inwieweit er Recht hat oder nicht, aber nachdenkenswert sind solche Aussagen schon.
Wichtig ist mir einfach die Reflektion, man kann, aber muss auch ZFC nicht zwingend immer klaglos, gedankenlos, alternativlos hinnehmen, nur weil man es einmal so gelernt hat. Oder glaubt ihr, das letzte Kapitel in den Grundlagen der Mathematik sei schon geschrieben?

Und noch ein Zitat, gerade passend zum Konzept "Unendlichkeit":
So kann also die Mathematik definiert werden als diejenige Wissenschaft, in der wir niemals das kennen, worüber wir sprechen, und niemals wissen, ob das, was wir sagen, wahr ist.
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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von Skeltek » 12. Mai 2020, 22:14

Job hat geschrieben: Die volle Aufklärung des Wesens des Unendlichen ist uns meiner Meinung nach bis heute noch nicht wirklich gelungen und ich bin mir auch nicht sicher, ob uns das jemals gelingen wird. Im Gegensatz zum Auswahlaxiom in seiner heutigen allgemeinen Form halte ich das Unendlichkeitsaxiom allerdings für unverzichtbar und bin auch der Meinung, dass es einen Teil der Natur tatsächlich widerspiegelt, in diesem Sinne also wirklich "wahr" ist.
Damit haben sich die Leute schon zur zeit der alten Griechen beschäftigt ^^
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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von ralfkannenberg » 13. Mai 2020, 10:31

Job hat geschrieben:
12. Mai 2020, 17:41
Die volle Aufklärung des Wesens des Unendlichen ist uns meiner Meinung nach bis heute noch nicht wirklich gelungen und ich bin mir auch nicht sicher, ob uns das jemals gelingen wird. Im Gegensatz zum Auswahlaxiom in seiner heutigen allgemeinen Form halte ich das Unendlichkeitsaxiom allerdings für unverzichtbar und bin auch der Meinung, dass es einen Teil der Natur tatsächlich widerspiegelt, in diesem Sinne also wirklich "wahr" ist.
Hallo Job,

ich sehe das etwas anders: ich halte das Unendlichkeitsaxiom für zu stark und würde es gerne durch zwei schwächere ersetzen: eines, welches die Peano Axiome oder meinetwegen die Menge { {}, { {} }, { {}, { {} } }, ... } sowie eines, welches die Gerade als solches zulässt.

Oder alternativ auch ein (stärkeres) Axiom, das die Menge aller Teilmengen garantiert. Ich bin kein Axiomatiker und weiss nicht, was zweckmässiger wäre. Bei letzterem hätten wir auch die Menge aller Funktionen, die IR auf IR abbilden, dabei.

Und dann für die, die da mit Kardinalzahlen und Ordnungszahlen herumspielen wollen, ein Axiom, dass ihnen garantiert, dass sie das tun können.

Ich könnte mir vorstellen, dass das die Diskussionen entschärft, auch wenn es sicherlich Puristen gibt, die die natürlichen Zahlen ebenso wie indirekte Beweise ais Gründen der fehlenden Konstruierbarkeit nicht zulassen wollen.


Freundliche Grüsse, Ralf


P.S: Ich wollte erst "Hardliner" schreiben, finde aber diese Wortwahl völlig unangemessen, deswegen "Puristen", zumal ich persönlich Purismus gegenüber durchaus sehr wohlwollend bin, d.h. wenn ich jemanden als Puristen bezeichne, so ist das mit einer sehr grossen Wertschätzung verbunden.

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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von Job » 13. Mai 2020, 13:59

Skeltek hat geschrieben:
12. Mai 2020, 22:14
Job hat geschrieben: Die volle Aufklärung des Wesens des Unendlichen ist uns meiner Meinung nach bis heute noch nicht wirklich gelungen und ich bin mir auch nicht sicher, ob uns das jemals gelingen wird. Im Gegensatz zum Auswahlaxiom in seiner heutigen allgemeinen Form halte ich das Unendlichkeitsaxiom allerdings für unverzichtbar und bin auch der Meinung, dass es einen Teil der Natur tatsächlich widerspiegelt, in diesem Sinne also wirklich "wahr" ist.
Damit haben sich die Leute schon zur zeit der alten Griechen beschäftigt ^^
Stanford Encyclopedia of Philosophy - Zeno's Paradoxes
Ja, wenn man sieht, welche Gedanken sich die alten Griechen zu diesem und verbundenen Themen schon vor langer Zeit gemacht haben, kann man nur den Hut ziehen. Ich habe viel daraus gelernt.

Viele Grüße
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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von Job » 13. Mai 2020, 14:49

ralfkannenberg hat geschrieben:
13. Mai 2020, 10:31
Job hat geschrieben:
12. Mai 2020, 17:41
Die volle Aufklärung des Wesens des Unendlichen ist uns meiner Meinung nach bis heute noch nicht wirklich gelungen und ich bin mir auch nicht sicher, ob uns das jemals gelingen wird. Im Gegensatz zum Auswahlaxiom in seiner heutigen allgemeinen Form halte ich das Unendlichkeitsaxiom allerdings für unverzichtbar und bin auch der Meinung, dass es einen Teil der Natur tatsächlich widerspiegelt, in diesem Sinne also wirklich "wahr" ist.
Hallo Job,

ich sehe das etwas anders: ich halte das Unendlichkeitsaxiom für zu stark und würde es gerne durch zwei schwächere ersetzen: eines, welches die Peano Axiome oder meinetwegen die Menge { {}, { {} }, { {}, { {} } }, ... } sowie eines, welches die Gerade als solches zulässt.

Oder alternativ auch ein (stärkeres) Axiom, das die Menge aller Teilmengen garantiert. Ich bin kein Axiomatiker und weiss nicht, was zweckmässiger wäre. Bei letzterem hätten wir auch die Menge aller Funktionen, die IR auf IR abbilden, dabei.

Und dann für die, die da mit Kardinalzahlen und Ordnungszahlen herumspielen wollen, ein Axiom, dass ihnen garantiert, dass sie das tun können.

Ich könnte mir vorstellen, dass das die Diskussionen entschärft, auch wenn es sicherlich Puristen gibt, die die natürlichen Zahlen ebenso wie indirekte Beweise ais Gründen der fehlenden Konstruierbarkeit nicht zulassen wollen.


Freundliche Grüsse, Ralf


P.S: Ich wollte erst "Hardliner" schreiben, finde aber diese Wortwahl völlig unangemessen, deswegen "Puristen", zumal ich persönlich Purismus gegenüber durchaus sehr wohlwollend bin, d.h. wenn ich jemanden als Puristen bezeichne, so ist das mit einer sehr grossen Wertschätzung verbunden.
Hallo Ralf,

ich habe mich auch immer vor diesem Teil der Mathematik gedrückt, wo immer es ging, da es mir einfach zu "trocken" ist. Wie man das dann formal ausdrückt ist mir eigentlich egal.

Wichtig aus meiner Sicht ist nur, dass der Teil der Mathematik, den z.B. auch die Physik zwingend benötigt, um so erfolgreich zu sein, axiomatisch sauber unterfüttert ist. Und dazu brauchen wir aktuale Unendlichkeiten zumindest der Mächtigkeit A0 und A1 .

Wir haben auf der anderen Seite Ergebnisse, die zwar rein mathematisch sehr schön und fundamental klingen wie zum Beispiel „Jeder Vektorraum hat eine Basis", oder „Jede Menge kann wohl geordnet werden“, bei denen aber im Grunde völlig unklar ist, wie das gehen soll. Und wir haben Ergebnisse, die ich als „Unsinn“ (Banach-Tarski) oder als „Das kann doch eigentlich gar nicht sein“ einstufen würde, wie dieses wirklich schöne Beispiel mit den Verdammten von Tom.

Dieses Beispiel ist für mich ein weiteres Indiz dafür, dass das Auswahlaxiom in seiner heutigen Form (gültig auch für überabzählbar große Mengen) nicht wirklich sinnvoll sein kann, denn in allen Fällen, die „unangenehm“ auffallen, ist genau diese Gültigkeit auch für überabzählbar große Mengen der Übeltäter. Die Lösung von Tom ist mathematisch völlig in Ordnung, wenn man ZFC so akzeptiert wie heute, und damit „wahr“. Sie widerspricht aber allem, was man intuitiv vermuten würde.

An diesem Punkt kommen wir zu Fragen, die ich in diesem Zusammenhang interessant finde.

Wann ist eine Aussage wirklich wahr? Wie können wir den Wahrheitsgehalt von Axiomen und damit auch ihren Folgerungen in Form von Sätzen und Theoremen, etc. evtl. besser oder anders beurteilen als heute?

Der Hauptstrom der Mathematik kümmert sich bis auf wenige Ausnahmen im Grunde genommen nicht mehr intensiv um diese Fragen. In den Anfängen hatten die Grundannahmen noch einen gewissen Bezug zur Realität bzw. wurden tatsächlich als intuitiv „wahr“ empfunden.

Gibt es Möglichkeiten, diesen Bezug zur Realität bzw. Intuition wieder zu beleben, wenn auch sicher auf einem anderen Niveau als in den Anfängen?

Was würde das dann für die konkrete Ausprägung des Auswahlaxioms bedeuten?

Warum haben wir es überhaupt so streng formuliert? Was macht uns so sicher, dass es in seiner heutigen Form wirklich „wahr“ ist?


Viele Grüße
Job
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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von Skeltek » 13. Mai 2020, 17:53

Job hat geschrieben: ich habe mich auch immer vor diesem Teil der Mathematik gedrückt, wo immer es ging, da es mir einfach zu "trocken" ist. Wie man das dann formal ausdrückt ist mir eigentlich egal.
Mir geht es ähnlich. Ich habe bereits seit der Grundschule Assoziativgesetz, Kommutativgesetze usw eigentlich immer geometrisch im Kopf gehabt und das Denken in Symetrien, Ableitungen und Volumina betrieben. Für mich waren Ableitungen schon immer Hyperflächen mehrdimensionaler Strukturen, partielles Diffentieren schon immer mit Dichtefunktionen verknüpft usw. Am schwierigsten war da noch die Quotientenregel als Volumen/Hyperflächenbetrachtung in Prüfungen herzuleiten.
Mir war es dann meist immer zu mühseelig das Alles dann aufzuschreiben, weil man jedes mal mühseelig eine Translation machen muss, um das Model aus dem Kopf in die rein kryptisch-symbolisch orientierte Mathevorgehensweise zu übersetzen.
Das geht mir heute eigentlich immer noch so. Wobei es für mich wenig Unterschied macht, ob ich das dann in Prosa oder Formelsprache ausdrücke. Prosa ist halt deutlich besser geübt, weil man es halt doch oft Laien erzählen muss.

Ich glaube ich bin da den alten Griechen vielleicht ziemlich nahe, die sich eher an Relationen von Größen usw orientierten als an abstrakten Regeln zur Stapelverarbeitung ziffernbasierter Notationen. Ich denke es ist gerade das, was heutzutage vielen Grundschulabgängern und Abiturienten fehlt... die Verinnerlichung der semantisch-geometrischen Bedeutung der niedergeschriebenen Zeichen. Dafür können die meisten wohl jedoch auch besser mit diesen jonglieren als ich (bis Mitte meines Mathe-Studiums konnte ich mir nicht einmal die Mitternachtsformel merken).

Nun, viele Leute schimpfen auf die Konstruktivisten, weil diese uneinsichtig seien und schmalspurig. Oft werden auch alle möglichen Leute da mit in einen Topf geworfen, nur weil sie eine Auswahl der dortigen Ansichten vertreten (so wie man heutzutage alles liberale 'Links' nennt; Schubladendenken halt). Worauf jedoch hinweisenswert ist, ist, daß es gerade diese Leute sind, die auch für alternative Einsichten empfänglicher sind. Zum Beispiel hat irgendjemand mal bewiesen, daß die in einer abzählbaren Menge beschriebenen Elemente in ihrem ganz bestimmten axiomatischen Model einfach nur nicht in der Lage sind, den 'überabzählbaren' Anteil darzustellen, weshalb sie ihn nur mittels Approximation und unendliche Verkettung annähern können... während in anderen Modellen mit anderen Axiomen eine andere Teilmenge in endlichen Schritten angegeben kann und dafür andere Elemente nur aproximiert werden können. 'Überabzählbarkeit' hängt also mehr oder weniger mit dem gewählten Model ab, und wie die Struktur der Beziehungen der Elemente untereinander ist. Anhänger der Standardanalysis legen wenig Wert auf solche Erkentnisse. (ich hab vor kurzem mal irgendwo einen Link zum Paper gepostet)

Ein nicht völlig korrektes, aber anschauliches Analog-Beispiel ist die Verwendung von Ziffernsystemen:
Während eine Zahl in einer Basis nicht dargestellt werden kann und eine unendliche Verkettung braucht, reicht es oft aus einfach nur die Basis zu wechseln. Das erklärt aber so noch nicht alle Fälle, da wir es gewohnt sind nur mit statischen Basen zu rechnen; darüberhinaus sind diese auch noch ganzzahlig. Eine dynamische Erweiterung der Basis 'on the go', indem jedes durch Paar-Erzeugung konstruierte Element zur Menge der möglichen Basiselemente hinzugefügt wird existiert nicht.
Spekulation:
In so einer Basis könnte man möglicherweise durch ein Diagonalverfahren alle Elemente vollständig abdecken, während das einzig nicht darstellbare Element eine unendliche Mächtigkeit hätte. Die Menge aller Axiomensysteme mit einer endlichen Anzahl an Axiomen lassen sich abzählen.
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Re: Philosophie oder Mathematik: aktuale und potentielle Unendlichkeiten

Beitrag von tomS » 13. Mai 2020, 18:15

Job hat geschrieben:
13. Mai 2020, 14:49
Und wir haben Ergebnisse, die ich als ... „Das kann doch eigentlich gar nicht sein“ einstufen würde, wie dieses wirklich schöne Beispiel mit den Verdammten von Tom.
Das freut mich, aber es ist nicht von mir.
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
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