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Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Mathematische Fragestellungen
Cosma

Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 31. Jan 2020, 12:23

Tom schrieb:
Die Möglichkeit und das Gelingen dieser Abstraktion entspricht genau der Teilhabe im Sinne von Platon. Es gelingt gerade wegen dieser Teilhabe.
Ich dachte mir, dass du damit ‘rüberkommst. Liegt ja vorderhand auch nahe. Ich sehe aber einfach keine sachgerechte Notwendigkeit, eine zusätzliche Realität einzuführen.

Zur Tümpel-Analogie:
Szene A. Klassisch: Warum hat der Stein die Eigenschaft S zur Zeit t‘?
Vernünftiger sachgerechter Schluss: Weil er sie schon im Tümpel (t < t‘) hatte.
=> Tümpel, Stein, Eigenschaft und Beobachter sind überprüfbar Elemente dieser einen Realität R: insb. kann ich mich prinzipiell vorher davon überzeugen, dass S schon im Tümpel vorlag: Konsistent.

Szene B. Platonistisch: Warum hat die Natur die Eigenschaft der Mathematisierbarkeit Mb zur Zeit t‘? Analogieschluss: Weil die Mathematik schon bei t < t‘ vorhanden war, da sie unabhängig von t und r existiert.
=> Natur und Beobachter sind Elemente der raumzeitlichen Realität R, aber nicht M und Mb; deshalb die zusätzliche nicht-raumzeitliche zweite (platonische) Realität – nicht überprüfbar: Spekulativ!.

Szene A ist ein homogenes raumzeitliches System in R mit den eigenen Systemkomponenten.
Szene B ist ein heterogenes raumzeitliches / nicht-raumzeitliches System, da zu R noch die spekulative platonisch-mathematische Realität RP hinzugefügt wird.

Insofern sehe ich da einen Unterschied zwischen diesen Szenarien. Die Einführung von RP , dessen Existenz nicht belegbar ist, da er per Def. transzendent ist, scheint etwas gewaltsam und auf das Resultat zugeschnitten. Keine klare Unterscheidung von Ontologie und Epistemologie.
Erinnert mich an den 2. Formalismus der konv. Quantenmechanik.

C. Als Alternative würde ich meine Ansicht so formulieren:

1. Die Natur erscheint in der registrierenden Wahrnehmung als eine Mannigfaltigkeit mit Mustern, Objekten und Relationen = Phänomene.
2. Anhand der Phänomene wird ein mathematischer Formalismus entwickelt, der diese Phänomene inkl. Musterstruktur, Dynamik, etc. abbildet und damit Aussagen über die den Phänomenen zugrundliegende Realität wahrscheinlich macht.
=> 3. Der mathematische Formalismus ist somit ein epistemisches Erkenntnistool, da er sich im Erkenntnisprozess direkt nur auf die registrierten Phänomene (Bewusstseinsinhalte) bezieht.

Ausgangspunkt bilden die wahrgenommenen Phänomene einer ontologisch vorausgesetzten Realität R. Die weiteren Vorgänge spielen sich uneingeschränkt im „epistemischen Raum“ ab und beziehen sich nur auf die Bewusstseinsinhalte. Der epistemische Raum übernimmt hier u.a. die Funktion des platonischen und im Gegensatz zu diesem werden hier die mathematischen Terme entwickelt und kumulativ „aufbewahrt“, sodass Entwicklung, Funktion und Rolle der Mathematik prinzipiell nachvollziehbar bleiben.

Daraus ergibt sich mE, dass die Mathematik ein mentales Phänomenal-Konstrukt ist und die Frage „Warum passt die M.?“ kann in 1. Näherung wie folgt beantwortet werden: da eindeutig ist, dass die mathematischen Strukturen formalisierte Abbildungen der Phänomen-Struktur sind, bleiben sie immer auf diese bezogen und können somit als Repräsentanten der Phänomene gar nicht anders als „passen“ (richtige Formalisierung vorausgesetzt).
Da nun die Phänomene aus der ontischen Realität abgeleitet sind, beziehen sich die mathematischen Strukturen im Rückbezug indirekt, aber mit der gleichen „Passung“, auf die ontische Realität.
Diese Version erscheint mir einleuchtender.

Ich glaube, der bedeutendste Unterschied zu den Platonisten liegt darin, dass hier keine menschliche Projektion im Spiel ist und der gesamte Vorgang ergebnisoffen bleibt, während im Platonismus auf ein vorintendiertes Ergebnis zugeschnitten wird, um dem subjektiv-emotionalen „Erlebnis des Entdeckens neuer Räume“ mehr oder weniger bewusst Rechnung zu tragen. Und genau das ist eben eine Projektion!
Tom schrieb: 2) meine Sichtweise bzgl. der Rolle mathematischer Strukturen im Kontext physikalischer Gegebenheiten: die von uns verwendeten mathematischen Strukturen haben keine Entsprechung in unserer Anschauung oder Wahrnehmung, d.h. sie keinen unmittelbaren epistemischen Charakter; daher existiert keine vernünftige Motivation einer epistemischen Interpretation. Die verbleibenden Alternativen sind eine ontologische Interpretation oder purer Zufall.
Na, ich denke, das sind die Fallen einer ausschließlich logischen Betrachtungsweise: du machst eine Momentaufnahme (von einem hochkomplexen System, das sich der Anschauung erst im Laufe der Entwicklung entzogen hat), wobei dir sämtliche Informationen der Entwicklung verlorengehen, und ziehst daraus einen mE falschen Schluss.
Tom schrieb: Diese Überzeugung ist vernünftig
Ich würde aus meiner Sicht sagen: semi-vernünftig, weil
1.) das emotionale Erlebnisargument großes Gewicht zu haben scheint und
2.) weitere Spuren von persönlicher Projektion erkennbar sind, zB deine Faszination für die M., die diese in eine Bedeutung treibt, die ihr gar nicht zukommt: ein ewiges und endloses Sein. Imho grenzt das schon an mystische Verehrung – ganz der platonische Mystizismus! Aber sie ist nicht mehr als ein sich verselbständigendes epistemisches Hilfsmittel (und natürlich die Spielwiese für Mathe-Freaks :-)!
Tom schrieb: Deine Idee bzgl. der Gewinnung dieser Einsicht schließt nicht die metaphysische Begründung für die prinzipielle Möglichkeit dieser Einsicht aus.
Ich denke, doch. Ausgangspunkt ist die ontische Realität, Konstruktionsraum der menschliche Geist (Epistemum), Anwendungsraum wiederum die ontische Realität; ein spekulativer metaphysisch-mathematischer Ideenraum wird nicht benötigt, da alle Dynamik und dynamischen Erkenntnistools im Epistemum verbleiben.

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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 31. Jan 2020, 17:56

Ich denke, so einfach ist es leider nicht...
Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 12:23
=> 3. Der mathematische Formalismus ist somit ein epistemisches Erkenntnistool, da er sich im Erkenntnisprozess direkt nur auf die registrierten Phänomene (Bewusstseinsinhalte) bezieht.
Das wäre dann aber ein naiver Realismus. Das ist m.E. heute kaum noch vernünftig haltbar.
Der mathematische Formalismus muss sich zwingend auf die Realität beziehen, die die Phänomene hervorruft, oder zugeben, dass er nichts erklärt -> reiner Funktionalismus, epistemisch unbefriedigend.
Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 12:23
Ausgangspunkt bilden die wahrgenommenen Phänomene einer ontologisch vorausgesetzten Realität R. Die weiteren Vorgänge spielen sich uneingeschränkt im „epistemischen Raum“ ab und beziehen sich nur auf die Bewusstseinsinhalte. Der epistemische Raum übernimmt hier u.a. die Funktion des platonischen und im Gegensatz zu diesem werden hier die mathematischen Terme entwickelt und kumulativ „aufbewahrt“, sodass Entwicklung, Funktion und Rolle der Mathematik prinzipiell nachvollziehbar bleiben.

Daraus ergibt sich mE, dass die Mathematik ein mentales Phänomenal-Konstrukt ist
Das eben ergibt sich nicht daraus. Es ergibt sich nur, dass unsere Mathematik mindestens ein mentales Phänomenal-Konstrukt ist. Der Umkehrschluss, dass sie daher nur ein solches sei, ist daher unzulässig.
Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 12:23
„Warum passt die M.?“ kann in 1. Näherung wie folgt beantwortet werden: da eindeutig ist, dass die mathematischen Strukturen formalisierte Abbildungen der Phänomen-Struktur sind, bleiben sie immer auf diese bezogen und können somit als Repräsentanten der Phänomene gar nicht anders als „passen“ (richtige Formalisierung vorausgesetzt).
Das ist nicht a priori so, denn es sind chaotische, magische, nicht-gesetzmäßige Welten denkbar, wo keine mathematische Passung erreicht werden könnte, gleich mit welchem Aufwand, mindestens keine so gute wie bei uns hier.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 31. Jan 2020, 21:13

seeker hat geschrieben:
31. Jan 2020, 17:56
Ich denke, so einfach ist es leider nicht...
Natürlich nicht. Es ist die Andeutung eines Entwurfes. Denk dir ein "In der Regel" oder sowas dazu.
Cosma hat geschrieben: ↑31. Jan 2020, 12:23
=> 3. Der mathematische Formalismus ist somit ein epistemisches Erkenntnistool, da er sich im Erkenntnisprozess direkt nur auf die registrierten Phänomene (Bewusstseinsinhalte) bezieht.
seeker hat geschrieben: Das wäre dann aber ein naiver Realismus. Das ist m.E. heute kaum noch vernünftig haltbar.
Hast du's ein bisschen genauer? Was ist heute kaum noch vernünftig haltbar und was wäre vernünftig haltbar? Dass die M. selbständig geworden ist, wie alle Wissenschaften, und ihre eigenen Forschungsobjekte hat, tut dem keinen Abbruch.
Der mathematische Formalismus muss sich zwingend auf die Realität beziehen, die die Phänomene hervorruft, oder zugeben, dass er nichts erklärt -> reiner Funktionalismus, epistemisch unbefriedigend.
Das hättest du gerne, das kann ich mir vorstellen. Warum zwingend? Wenn der Formalismus sich "zwingend auf die Realität" bezöge, warum müssen wir dann zB in der QM soviel Interpretationsarbeit leisten?
Das entweder-oder finde ich zu kurzsichtig. Wir nehmen die Dinge nur so wahr, wie sie uns erscheinen (deswegen Phänomene) und nur die können wir kognitiv verarbeiten.
Cosma: Daraus ergibt sich mE, dass die Mathematik ein mentales Phänomenal-Konstrukt ist
seeker: Das eben ergibt sich nicht daraus. Es ergibt sich nur, dass unsere Mathematik mindestens ein mentales Phänomenal-Konstrukt ist. Der Umkehrschluss, dass sie daher nur ein solches sei, ist daher unzulässig.
Ich habe keinen Umkehrschluss gezogen. Die Schlussfolgerung ergibt sich aus den geschilderten Prämissen.
Was ist es, das dMn über das "mindestens" hinausgeht? Worin besteht der Überschuss und wer produziert ihn?
Das ist nicht a priori so, denn es sind chaotische, magische, nicht-gesetzmäßige Welten denkbar, wo keine mathematische Passung erreicht werden könnte, gleich mit welchem Aufwand, mindestens keine so gute wie bei uns hier.
seeker, żiemel selvaġġi tiegħi, sollten wir nicht erstmal versuchen, unsere Welt in den Griff zu kriegen, bevor wir uns in fremde Welten begeben??
Wir kennen nur den einen Kosmos und von dem, was wir kennen, sollten wir ausgehen - meinst du nicht auch? :)

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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 1. Feb 2020, 10:00

Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 21:13
seeker hat geschrieben: Das wäre dann aber ein naiver Realismus. Das ist m.E. heute kaum noch vernünftig haltbar.

Hast du's ein bisschen genauer? Was ist heute kaum noch vernünftig haltbar und was wäre vernünftig haltbar? Dass die M. selbständig geworden ist, wie alle Wissenschaften, und ihre eigenen Forschungsobjekte hat, tut dem keinen Abbruch.
Das hat Tom doch schon in diesem Thread behandelt. Es gibt weitere Gründe, aber das reicht m.E. schon, um zu begründen, dass das mindestens in den scharfen Versionen wenig vernünftig scheint.
Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 21:13
seeker: Das eben ergibt sich nicht daraus. Es ergibt sich nur, dass unsere Mathematik mindestens ein mentales Phänomenal-Konstrukt ist. Der Umkehrschluss, dass sie daher nur ein solches sei, ist daher unzulässig.

Ich habe keinen Umkehrschluss gezogen. Die Schlussfolgerung ergibt sich aus den geschilderten Prämissen.
Was ist es, das dMn über das "mindestens" hinausgeht? Worin besteht der Überschuss und wer produziert ihn?
Sie ergibt sich nunmal nicht, weil deine Prämissen so schon nicht passen. Es ergibt sich nur, dass unsere Mathematik mindestens/auf jeden Fall/sicher eine von uns geschaffene Konstruktion ist.
Das, was darüber hinausgehen würde, wäre eben z.B. das, auf was Tom schon verweisen hat, dass sie nicht nur die Phänomene abbildet, sondern auch das, was hinter den Phänomenen steht bzw. zu diesen führt.

Schauen wir und doch deine Prämissen noch einmal an:
Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 12:23
1. Die Natur erscheint in der registrierenden Wahrnehmung als eine Mannigfaltigkeit mit Mustern, Objekten und Relationen = Phänomene.
2. Anhand der Phänomene wird ein mathematischer Formalismus entwickelt, der diese Phänomene inkl. Musterstruktur, Dynamik, etc. abbildet und damit Aussagen über die den Phänomenen zugrundliegende Realität wahrscheinlich macht.
=> 3. Der mathematische Formalismus ist somit ein epistemisches Erkenntnistool, da er sich im Erkenntnisprozess direkt nur auf die registrierten Phänomene (Bewusstseinsinhalte) bezieht.
Es ergibt sich daraus ein anderes 3.:
=> 3. Der mathematische Formalismus ist somit mindestens/auf jeden Fall/sicher ein epistemisches Erkenntnistool.

Das darf man nicht unterschlagen, sonst werden die eigenen Gedanken zirkulär. Es ist so: Dass er darüber hinaus auch noch etwas über die dahinterliegende Natur aussagt, ist auch recht sicher. Unsicherer und unverständlicher ist nur, was das genau ist. WEIL dieser Teil der Mathematik keinen direkten Bezug zur Beobachtung hat; daher können wir dort Bedeutungsbezüge nicht mehr sicher festnageln. Aber warum sollte alles was es gibt auch beobachtbar sein, noch dazu von uns?
Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 21:13
Das ist nicht a priori so, denn es sind chaotische, magische, nicht-gesetzmäßige Welten denkbar, wo keine mathematische Passung erreicht werden könnte, gleich mit welchem Aufwand, mindestens keine so gute wie bei uns hier.

seeker, żiemel selvaġġi tiegħi, sollten wir nicht erstmal versuchen, unsere Welt in den Griff zu kriegen, bevor wir uns in fremde Welten begeben??
Wir kennen nur den einen Kosmos und von dem, was wir kennen, sollten wir ausgehen - meinst du nicht auch?
Maltesisch? Du scheinst mit solchen Argumentationen deine Schwierigkeiten zu haben, das sind aber Standarargumentationen. Es geht hier nicht darum irgendwelche andere Welten zu postulieren, sondern zu zeigen, dass die Beschaffenheit unserer Welt offenbar so zu sein, das sich sozusagen eine "mathematische Haut" auf sie so gut wie bei uns drüberlegen lässt, nicht selbstverständlich ist.
Damit ist das hier -soweit ich sehe- widerlegt, mindestens stark relativiert, weil es in unserer Welt eben nicht nur ein bißchen passt, sondern sehr gut:
cosma hat geschrieben:die Frage „Warum passt die M.?“ kann in 1. Näherung wie folgt beantwortet werden: da eindeutig ist, dass die mathematischen Strukturen formalisierte Abbildungen der Phänomen-Struktur sind, bleiben sie immer auf diese bezogen und können somit als Repräsentanten der Phänomene gar nicht anders als „passen“ (richtige Formalisierung vorausgesetzt).
Dies setzt nämlich schon voraus, dass unsere Welt eine naturgesetzliche Welt ist (sonst wäre das gar nicht möglich).
Warum ist unsere Welt eine naturgesetzliche?
Und warum lässt sie sich (wenigstens in den einfachen Systemen) so genau mathematisch fassen?
Rein aus dem Bezug zu den Phänomenen lässt sich das nicht ableiten.
Und es zu bestreiten hätte auch seinen Preis: Wenn wir nämlich nicht annehmen würden, dass unsere Welt wenigstens ungefähr* naturgesetzlich funktioniert, könnten wir überhaupt keine Physik betreiben.

*: "Ungefähr" im Rahmen der 13 Nachkommastellen, die wir inzwischen in manchen Bereichen schon bestimmt haben.
Grüße
seeker


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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von tomS » 1. Feb 2020, 12:46

Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 12:23
Szene B. Platonistisch: Warum hat die Natur die Eigenschaft der Mathematisierbarkeit Mb zur Zeit t‘? Analogieschluss: Weil die Mathematik schon bei t < t‘ vorhanden war, da sie unabhängig von t und r existiert.
=> Natur und Beobachter sind Elemente der raumzeitlichen Realität R, aber nicht M und Mb; deshalb die zusätzliche nicht-raumzeitliche zweite (platonische) Realität – nicht überprüfbar
Das ist ein Strohmann-Argument. So argumentiert der Platonismus nicht.
Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 12:23
1. Die Natur erscheint in der registrierenden Wahrnehmung als eine Mannigfaltigkeit mit Mustern, Objekten und Relationen = Phänomene.
2. Anhand der Phänomene wird ein mathematischer Formalismus entwickelt, der diese Phänomene inkl. Musterstruktur, Dynamik, etc. abbildet und damit Aussagen über die den Phänomenen zugrundliegende Realität wahrscheinlich macht.
=> 3. Der mathematische Formalismus ist somit ein epistemisches Erkenntnistool, da er sich im Erkenntnisprozess direkt nur auf die registrierten Phänomene (Bewusstseinsinhalte) bezieht.
Das ist in der modernen Physik schlichtweg falsch.

Die Phänomene spielen für die Identifizierung der mathematischen Strukturen und der Entwicklung des Formalismus keine Rolle.

Das beweist natürlich nicht den Platonismus - das geht prinzipiell nicht - es belegt jedoch, dass es sich beim mathematischen Formalismus eben gerade nicht um ein „epistemisches Erkenntnistool“ handelt.
Gruß
Tom

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Cosma

Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 1. Feb 2020, 17:02

seeker hat geschrieben:
1. Feb 2020, 10:00
Maltesisch? Du scheinst mit solchen Argumentationen deine Schwierigkeiten zu haben, ...
Seeker, das war die spontane Bemerkung einer Halbmaltekin. Die Tastatur hatte sich selbständig gemacht. Das Malti heißt übersetzt „mein wilder Hengst“ und bezog sich auf deine manchmal ungestüme Art, zB eine Frage mit 5 weiteren Fragen zu beantworten, oder alle möglichen Eventualitäten berücksichtigen zu wollen. Das war scherzhaft gemeint. Achte auf die Smilies. Es muss ja nicht immer alles so staubtrocken ablaufen, oder? :)
Das hat Tom doch schon in diesem Thread behandelt
Woher soll ich wissen, dass es auch deines ist?
Sie ergibt sich nunmal nicht, weil deine Prämissen so schon nicht passen.
Ok. Was ist dMn an diesen Aussagen falsch oder müsste korrigiert werden?

Aber dein „mindestens“ hat mich auf den folgenden Gedanken gebracht:
ein Syllogismus bringt ja nichts Neues über die Prämissen hinaus, sondern gibt ja nur die Regeln an, ob oder wie mind. 2 Begriffe/Prämissen konsistent miteinander in Beziehung gebracht werden – sagt also über eine reale Situation überhaupt nichts aus.

Indes ist der wissenschaftliche Erkenntnisprozess insgesamt von Grundsatz her ein dynamischer Prozess, ein ständiger Wechsel von vorläufig (= mindestens bis hierher) geltender Theorie und neuen, noch nicht erfassten empirischen oder deduzierten Phänomenen, ein quasi selbst-organisierender Wechselwirkungsprozess zw. Empirie und Rationalität (kein Konstruktivismus!), der sein eigenes epistemisches, mathematisches Begriffssystem erzeugt.
Es ist so: Dass er darüber hinaus auch noch etwas über die dahinterliegende Natur aussagt, ist auch recht sicher. Unsicherer und unverständlicher ist nur, was das genau ist. WEIL dieser Teil der Mathematik keinen direkten Bezug zur Beobachtung hat; daher können wir dort Bedeutungsbezüge nicht mehr sicher festnageln. Aber warum sollte alles was es gibt auch beobachtbar sein, noch dazu von uns?

Nö, muss es auch nicht! Valider Einwand! Der Phänomenalteil, der bearbeitet wird, ist nur eine Teilmenge des „Ganzen“. Vllt. lohnt es sich, das an einem Beispiel mal näher anzuschauen. Hättest du eins?
Dies setzt nämlich schon voraus, dass unsere Welt eine naturgesetzliche Welt ist (sonst wäre das gar nicht möglich).
Nein. Es setzt das voraus, was wahrgenommen wurde: Muster.
Warum ist unsere Welt eine naturgesetzliche?
Sie erscheint uns nur so, weil wir sie unter das Gesetz zwingen.
Und warum lässt sie sich (wenigstens in den einfachen Systemen) so genau mathematisch fassen?
Weil wir präparieren?
Rein aus dem Bezug zu den Phänomenen lässt sich das nicht ableiten.
… aber hypothetisieren. Aussagen über die objektive Realität sind i.d.R. Hypothesen.
Und es zu bestreiten hätte auch seinen Preis: Wenn wir nämlich nicht annehmen würden, dass unsere Welt wenigstens ungefähr* naturgesetzlich funktioniert, könnten wir überhaupt keine Physik betreiben.
Das sehe ich auch so. Gesetze sind ja keine reine Erfindung, sondern eine formalisierte Abbildung vorhandener materiell-dispositionaler Muster.

Cosma

Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 1. Feb 2020, 17:19

tomS hat geschrieben:
1. Feb 2020, 12:46
Das ist ein Strohmann-Argument.
Das ist überhaupt kein Argument! Das nennt man aktives Zuhören, um sich zu vergewissern, ob man etwas richtig verstanden hat!
So argumentiert der Platonismus nicht.
Wie dann?
Das ist in der modernen Physik schlichtweg falsch.
Die Phänomene spielen für die Identifizierung der mathematischen Strukturen und der Entwicklung des Formalismus keine Rolle.
Es wäre extrem hilfreich, wenn du diese Gerippe mit etwas mehr Fleisch füllen würdest.

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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von tomS » 1. Feb 2020, 18:59

Der Platonismus in der Physik argumentiert weder mittels eines Platonismus im Sinne der reinen Mathematik, noch zeitlich.

Zu letzterem: die fundamentalen mathematischen Strukturen, die zur Formalisierung der Physik verwendet werden, haben nichts mit einer „Strukturierung von Phänomenen“ zu tun. Phänomene sind Sinneseindrücke bzw. Erscheinungen. Hilberträume, Mannigfaltigkeiten, Faserbündel und Liegruppen haben aber gerade nichts mit Erscheinungen zu tun, und sie strukturieren nicht diese Erscheinungen wie Anzeigen von Messgeräten, Bilder auf der Netzhaut, ...
Gruß
Tom

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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 2. Feb 2020, 13:00

Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Seeker, das war die spontane Bemerkung einer Halbmaltekin. Die Tastatur hatte sich selbständig gemacht. Das Malti heißt übersetzt „mein wilder Hengst“ und bezog sich auf deine manchmal ungestüme Art, zB eine Frage mit 5 weiteren Fragen zu beantworten, oder alle möglichen Eventualitäten berücksichtigen zu wollen. Das war scherzhaft gemeint. Achte auf die Smilies. Es muss ja nicht immer alles so staubtrocken ablaufen, oder? :)
Nee, muss es nicht. :) Es ist und war bei mir auch immer alles i.O., gerade emotional, ich habe mich bisher mit dir auch nie geärgert, alles locker, aber wie soll man das im Schriftverkehr immer sauber rüberbringen, noch dazu mit begrenztem Zeitaufwand? Wir sehen uns ja nicht lächeln, grinsen, nachdenken, ... :)
Und ich weiß, dass ich öfters versuche alle möglichen Eventualitäten gleichzeitig zu berücksichtigen... vornehmend dann, wenn ich glaube, dass sie alle wichtig sind. Was soll man tun? Außerdem denke ich, dass es ein zu viel an Fragen nicht gibt; erst sie führen uns zum Denken. Ich bemühe mich aber auch, wieder auf den Punkt zu kommen. :)

Und hier ist das Argument, dass die Beschaffenheit unserer Welt -so wie sie ist- nicht selbstverständlich ist, aber m.E. wirklich wichtig, das ist kein unwichtiges Detail.
(Ich komme weiter unten noch einmal darauf zurück: *)

Ich würde hier eigentlich auch gerne versuchen vom Geplänkel des direkten Frage-Zitat-Antwort-Spiels demnächst wieder etwas wegzukommen.
Lasst uns demnächst versuchen noch einmal ein paar herausgearbeitete Eckpunkte kurz zusammenzufassen.
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Ok. Was ist dMn an diesen Aussagen falsch oder müsste korrigiert werden?
Das was -so wie ich es verstand- implizit drinsteckeckt, nämlich ein "ausschließlich, nur" statt einem "mindestens, auf jeden Fall".
Und dann muss man fragen: Was ist bei dem "darüber hinaus" als vernünftig anzunehmen (wenn wir es schon nicht sicher wissen können)?
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
ein Syllogismus bringt ja nichts Neues über die Prämissen hinaus, sondern gibt ja nur die Regeln an, ob oder wie mind. 2 Begriffe/Prämissen konsistent miteinander in Beziehung gebracht werden – sagt also über eine reale Situation überhaupt nichts aus.
Jep! :)
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Indes ist der wissenschaftliche Erkenntnisprozess insgesamt von Grundsatz her ein dynamischer Prozess, ein ständiger Wechsel von vorläufig (= mindestens bis hierher) geltender Theorie und neuen, noch nicht erfassten empirischen oder deduzierten Phänomenen, ein quasi selbst-organisierender Wechselwirkungsprozess zw. Empirie und Rationalität (kein Konstruktivismus!), der sein eigenes epistemisches, mathematisches Begriffssystem erzeugt.
JJJaaa... vielleicht. Ganz verstehe ich dich hier auch nocht nicht. Ich denke, das muss man auf jeden Fall noch genauer fassen, u.a. auch wieder mit Fokus auf das "ausschließlich vs. mindestens" und das "vernünftigerweise darüber hinaus anzunehmen".
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Nö, muss es auch nicht! Valider Einwand! Der Phänomenalteil, der bearbeitet wird, ist nur eine Teilmenge des „Ganzen“. Vllt. lohnt es sich, das an einem Beispiel mal näher anzuschauen. Hättest du eins?
Da muss ich noch drüber nachdenken. Aber hatten wir beide nicht schon Beispiele in der Richtung thematisiert? Ich glaube du hattest die Observablen in der QM thematisiert und ich hatte behauptet dasselbe gäbe es im Prinzip auch schon in der klassischen Physik, nur graduell weniger ausgeprägt.
Ich denke, wir sollten nachschauen, nachdenken und dann noch einmal darauf zurückkommen. Hilfreich wäre es, ja.

*: Ich komme zum mir momentan wichtigsten Punkt:
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Dies setzt nämlich schon voraus, dass unsere Welt eine naturgesetzliche Welt ist (sonst wäre das gar nicht möglich).

Nein. Es setzt das voraus, was wahrgenommen wurde: Muster.
Ja, es setzt das Erkennen von Mustern voraus. Nur reicht das nicht, das alleine würde etwas ausblenden, nämlich, dass es (uns) auch möglich sein muss diese (oder überhaupt irgendwelche) Muster zu erkennen.
Und hier muss man dann genau und in aller Tiefe untersuchen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit das überhaupt möglich ist, bezüglich uns, bezüglich der Welt (was in gewisser Weise dasselbe ist).
Ich meine, es ist ja ein Unterschied NW zu betreiben oder eine weiße Wand anzuschauen und dann irgendwann an der Wand Muster zu sehen, die gar nicht da sind? Oder glaubst du, da bestünde überhaupt kein Unterschied?
Was ist hier vernünftigerweise anzunehmen?
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Warum ist unsere Welt eine naturgesetzliche?

Sie erscheint uns nur so, weil wir sie unter das Gesetz zwingen.
Teilweise wohl wahr, aber scheint sie uns NUR deshalb so? Und warum tun/denken wir so und warum können wir überhaupt so denken?
Ist es möglich, dass da sozusagen nichts ist und wir dabei aber dennoch sind?
Wenn die Welt nicht naturgesetzlich wäre, was wäre sie dann?
Dass die Naturwissenschaften dabei allerdings eine bestimmte Perspektive auf die Welt darstellen/bilden gebe ich zu.
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Und warum lässt sie sich (wenigstens in den einfachen Systemen) so genau mathematisch fassen?

Weil wir präparieren?
Ja. Aber NUR deshalb? Kann das sein?

Ich denke, der ganze Fragekomplex lässt sich so zusammenfassen:
Warum funktioniert das so gut (das Betreiben von Physik)? Wie kann das sein? Warum ist das möglich?

Darauf muss man eine vernünftige Antwort finden. Und ein Verweis hier, alleine auf den Menschen, sein So-Sein und sein Tun scheitert hier meines Erachtens.
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Gesetze sind ja keine reine Erfindung, sondern eine formalisierte Abbildung vorhandener materiell-dispositionaler Muster.
Hmm... vielleicht kommen wir hier näher zum Punkt. Was meinst du damit genau? Und was folgt daraus und was folgt daraus nicht?
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Cosma

Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 3. Feb 2020, 16:38

Hi seeker, du schriebst: "Lasst uns demnächst versuchen noch einmal ein paar herausgearbeitete Eckpunkte kurz zusammenzufassen."
Gute Idee! Dann würde ich vorschlagen: erstmal eine gemeinsame Ausgangsbasis schaffen und schauen, über welche Gemeinsamkeiten wir andocken können – den Standpunkt, aus welcher Ecke, ...

Mein Standpunkt ist (derzeit), dass man zunächst nicht von der momentanen, sondern von der grundsätzlichen Situation ausgehen muss und die ist mE:

1. Quelle und Ort der Phänomene: Die Wirklichkeit wird vom mentalen Erkenntnisapparat als Mannigfaltigkeit in Form von Objekten, Mustern, Zusammenhänge und Veränderung über die Sinne wahrgenommen.
Postulat: Es gibt eine unabhängige Realität (Natur, Welt) in die die wahrgenommene als Teilmenge eingebettet ist.

2. Ort der Erkenntnisarbeit: Die Elemente der wahrgenommenen Realität werden (nun als Elemente des mentalen Erkenntnisapparates) durch Zuordnung zu mathematischen Elementen und weiterer Formalisierung zu physikalischen Größen (Objekten), Strukturen (Mustern), Relationen (Zusammenhängen) und dynamischen Prozessen (Veränderungen).

3. Ziel der Erkenntnisarbeit: Die Anwendung der Erkenntnisse lässt Aussagen über 1.) zu.

Das ist der mE interpretationsfreie und daher unstrittige (?) Ausgangszustand, von dem man ausgehen müsste; wir haben es also mit einem realen Raum der Wirklichkeit und dem epistemischen Raum der Erkenntnis (Epistemum) zu tun; um zu sehen, wie und warum sich die Mathematik entwickelt hat, welche Rolle sie einnahm und heute einnimmt und ob ihr ein Sonderstatus bzw. ein eigener Existenzraum eingeräumt werden darf, halte ich eine zunächst historische Betrachtung für hilfreich.

Kannst du damit leben? Sonst passen wir es an.
Zuletzt geändert von Cosma am 3. Feb 2020, 18:59, insgesamt 1-mal geändert.

Cosma

Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 3. Feb 2020, 18:40

seeker hat geschrieben:
2. Feb 2020, 13:00
Cosma hat geschrieben:
1. Feb 2020, 17:02
Ok. Was ist dMn an diesen Aussagen falsch oder müsste korrigiert werden?
Das was -so wie ich es verstand- implizit drinsteckeckt, nämlich ein "ausschließlich, nur" statt einem "mindestens, auf jeden Fall".
Und dann muss man fragen: Was ist bei dem "darüber hinaus" als vernünftig anzunehmen (wenn wir es schon nicht sicher wissen können)?
Ok. Dann behalten wir den Überschuss im Hinterkopf.
Cosma hat geschrieben: Indes ist der wissenschaftliche Erkenntnisprozess insgesamt von Grundsatz her ein dynamischer Prozess, ein ständiger Wechsel von vorläufig (= mindestens bis hierher) geltender Theorie und neuen, noch nicht erfassten empirischen oder deduzierten Phänomenen, ein quasi selbst-organisierender Wechselwirkungsprozess zw. Empirie und Rationalität
JJJaaa... vielleicht. Ganz verstehe ich dich hier auch nocht nicht
Mir kommt es darauf an, dass Erkenntnis kein statischer sondern ein dynamischer Prozess ist (den Hinweis auf die Mathematik hab ich rausgenommen, ist ja noch offen).
Ich denke, diese Phase werden wir wohl ausführlich diskutieren müssen.
Ja, es setzt das Erkennen von Mustern voraus. Nur reicht das nicht, das alleine würde etwas ausblenden, nämlich, dass es (uns) auch möglich sein muss diese (oder überhaupt irgendwelche) Muster zu erkennen.
Und hier muss man dann genau und in aller Tiefe untersuchen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit das überhaupt möglich ist, bezüglich uns, bezüglich der Welt (was in gewisser Weise dasselbe ist).
Ich meine, es ist ja ein Unterschied NW zu betreiben oder eine weiße Wand anzuschauen und dann irgendwann an der Wand Muster zu sehen, die gar nicht da sind? Oder glaubst du, da bestünde überhaupt kein Unterschied? Was ist hier vernünftigerweise anzunehmen?
Mustererkennung halte ich auch für einen wesentlichen Punkt; man kann aus dem Prozess selbst heraus (irgendwie empirisch) argumentieren oder mit den Ergebnissen der Gehirnforschung (irgendwie lern-theoretisch) oder mit Hilfe von Axiomen (irgendwie formalistisch), ..., warum Mustererkennung funktioniert und welche Bedeutung sie hat.
Die böse Falle dabei ist nur, wenn wir NW begründen wollen, können wir dafür nicht ihre eigenen Ergebnisse nehmen, das wäre zirkulär.
Aber lass uns den Punkt diskutieren, wenn es an der Zeit ist.
seeker: Warum ist unsere Welt eine naturgesetzliche?
Cosma: Sie erscheint uns nur so, weil wir sie unter das Gesetz zwingen.
seeker: Teilweise wohl wahr, aber scheint sie uns NUR deshalb so?
Das klären wir jetzt - ein für allemal! :wink:

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Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 4. Feb 2020, 15:12

Hi Cosma! Guter Anfang, Antwort kommt noch. Ich brauche dazu aber erst noch etwas Ruhe, um meine Gedanken zu sortieren, ich bitte noch um etwas Geduld.
Grüße
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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von deltaxp » 6. Feb 2020, 12:58

Cosma hat geschrieben:
31. Jan 2020, 12:23
1. Die Natur erscheint in der registrierenden Wahrnehmung als eine Mannigfaltigkeit mit Mustern, Objekten und Relationen = Phänomene.
2. Anhand der Phänomene wird ein mathematischer Formalismus entwickelt, der diese Phänomene inkl. Musterstruktur, Dynamik, etc. abbildet und damit Aussagen über die den Phänomenen zugrundliegende Realität wahrscheinlich macht.
=> 3. Der mathematische Formalismus ist somit ein epistemisches Erkenntnistool, da er sich im Erkenntnisprozess direkt nur auf die registrierten Phänomene (Bewusstseinsinhalte) bezieht.
tomS hat geschrieben:
1. Feb 2020, 18:59
Das ist in der modernen Physik schlichtweg falsch.
...
Die Phänomene spielen für die Identifizierung der mathematischen Strukturen und der Entwicklung des Formalismus keine Rolle.
Zu letzterem: die fundamentalen mathematischen Strukturen, die zur Formalisierung der Physik verwendet werden, haben nichts mit einer „Strukturierung von Phänomenen“ zu tun. Phänomene sind Sinneseindrücke bzw. Erscheinungen. Hilberträume, Mannigfaltigkeiten, Faserbündel und Liegruppen haben aber gerade nichts mit Erscheinungen zu tun, und sie strukturieren nicht diese Erscheinungen wie Anzeigen von Messgeräten, Bilder auf der Netzhaut, ...
Ihr beide habt meines-Erachtens recht. Es ist schwer die grenzen zu ziehen, ab wann eine mathematische Struktur auf beobachteten Erscheinungen beruht und wann nicht.

Galilelos Fallgesetze wurden sicherlich direkt aus Beobachtungen abgeleitet
Die - drei Keplers Gesetze der Planetenbewegungen auch recht nahe dran.
Bei Newton wirds da schon schwieriger, Denn der vereinlichungsgedanke: Himmelsmechanik und Mechanik bewegter Körper auf der Erde war zur damaligen Zeit nicht unbeding naheliegend.
Einsteins ART-entwicklung basierte sicherlich Paradoxien als auf Beobachtung (das einzige was damals der klassischen newtonschen Mechanik widersprach war die Periheldrehung des Merkur, was astronomen glaub ich auf einen noch nicht gefunden Himmelskörper zurückführten
Murray-Gell-Manns Quark-Hypothese: Die quarks wurden nie beobachtet, aber die Multipletts der Hadronen (indirect schon). Ist die Ableitung der SU(3)-Flavor und der später der Farbladung wegen des ansonsten nicht erlaubten Delta++ - hyperons nun eine Folge von beobachtungen oder unabhängig von diesen. schwierig. Führten Experimente zur Ausgestaltung der Quanten-mechanik / QFT oder nur Gedankliche Abstrakte Logik zum Einsatz von Hilberträumen und Liegruppen und Faserbündel, die vor ihrem einsatz in der Physik von mathematikern aufgetan wurden OHNE auf natürliche Phänomäne zu achten (und später teilweise von physikern unabhängig neu entdeckt wurden, weshalb sich auch die Wortwahl unterscheidert (Eichfeldtheorie), um Messergebnisse zu beschreiben ? Grenzwertig

Aber Fakt ist auch. Heute schweigt die Natur. Das letzte was die Natur uns gab war das Higgsteilchen von 2012. Der Higgs-mechanismus selber wurde aber bereits in den 60ger Jahren ersonnen um innere widersprüche der schwachen-wechselwirkung zu lösen die bei massiven feldteilchen auftreten. ein experiment gabs damals nicht

und alle modernen theorien zur quanten-gravitation, ja die haben gleich gar keine experimentelle basis mehr. die basieren nur noch auf äussere widerspruchsfreiheit mit "gesicherten" erkenntnissen und innere mathematische Widerspruchsfreiheit. (soweit wie ich das halbwegs verstanden habe)
und wenn irgendwas davon, oder was noch nicht entdecktes passt, hat das scherlich kaum etwas mit durchgeführten beobachtungen zu tun.

Bei galilei liegt cosma vorne, heutzutage tom. Ich würde nicht sagen, ja oder nein, das ist ein übergang. und das letzte wort ist sicher noch nicht geschrieben

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Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 6. Feb 2020, 15:34

Cosma hat geschrieben:
3. Feb 2020, 16:38
Mein Standpunkt ist (derzeit), dass man zunächst nicht von der momentanen, sondern von der grundsätzlichen Situation ausgehen muss und die ist mE:

1. Quelle und Ort der Phänomene: Die Wirklichkeit wird vom mentalen Erkenntnisapparat als Mannigfaltigkeit in Form von Objekten, Mustern, Zusammenhänge und Veränderung über die Sinne wahrgenommen.
Postulat: Es gibt eine unabhängige Realität (Natur, Welt) in die die wahrgenommene als Teilmenge eingebettet ist.

2. Ort der Erkenntnisarbeit: Die Elemente der wahrgenommenen Realität werden (nun als Elemente des mentalen Erkenntnisapparates) durch Zuordnung zu mathematischen Elementen und weiterer Formalisierung zu physikalischen Größen (Objekten), Strukturen (Mustern), Relationen (Zusammenhängen) und dynamischen Prozessen (Veränderungen).

3. Ziel der Erkenntnisarbeit: Die Anwendung der Erkenntnisse lässt Aussagen über 1.) zu.

Das ist der mE interpretationsfreie und daher unstrittige (?) Ausgangszustand, von dem man ausgehen müsste; wir haben es also mit einem realen Raum der Wirklichkeit und dem epistemischen Raum der Erkenntnis (Epistemum) zu tun; um zu sehen, wie und warum sich die Mathematik entwickelt hat, welche Rolle sie einnahm und heute einnimmt und ob ihr ein Sonderstatus bzw. ein eigener Existenzraum eingeräumt werden darf, halte ich eine zunächst historische Betrachtung für hilfreich.

Kannst du damit leben? Sonst passen wir es an.
Man braucht m.E. Ergänzungen.

Zu 1.: Ja, soweit OK.

Zu 2.:
Hinzuzufügen ist hier (und das ist wichtig), dass diese Zuordnung nicht direkt erfolgen kann. Sie kann erst durch das erfolgen, das man "Empirie" nennt, also die methodische, also theorie-geladene, quantitative Beobachtung unter genau diesem Blickwinkel. WAS qualitativ dabei beobachtet wird ergibt und erklärt sich erst aus der Theorie und fließt hinterher in die Theorie zurück. Wir haben hier also zunächst einen zirkulären Selbstbezug!
Man kann daher nur deshalb und dann etwas (im Sinne von sinnvollen Aussagen über eine objektive Welt) damit anfangen, wenn sich das Ergebnis daraus hinterher als "passend" herausstellt, an der Natur bewährt, was eine Erfahrungstatsache darstellt.

Zu 3.:
Im Speziellen ja, auch das. Nur ist es so, dass Theorien immer Verallgemeinerungen sind, Abstrakta. D.h. die Menge an tatsächlich beobachteten oder beobachtbaren Phänomenen/Messungen ist immer nur ein winziger Sonderfall dessen, was eine Theorie umfasst/zulässt.
Das ist wichtig, weil sich daraus ergibt, dass unbeobachtete Teile einer Theorie ganz grundsätzlich etwas ganz Normales sind. Auf dieser Ebene sind wir noch gar nicht bei den Observablen, das kommt noch davor.
Und Ziel der Erkenntnisarbeit ist das, was wir beschließen, was es sein soll. Und das muss sich nicht unbedingt nur direkt auf die Phänomene beschränken.
(Minimal-)Ziel ist m.E. eine möglichst gute, einheitliche Beschreibung und ein möglichst gutes Verständnis über die beobachtete Welt (incl. Prognosefähigkeit) zu erreichen. Es geht dabei also nicht primär um die Wahrheit der Welt, sondern um unser Verständnis von der Welt.
wir haben es also mit einem realen Raum der Wirklichkeit und dem epistemischen Raum der Erkenntnis (Epistemum) zu tun
Ich denke, das muss man genauer betrachten:
Wir haben es mit einem postulierten Raum der Wirklichkeit zu tun (auf den unsere BewusstseinsINHALTE zeigen), zu dem wir außerhalb unseres Bewusstseins keinerlei direkten Zugang haben. Der einzige Zugang dazu besteht im ebenso postulierten epistemischen Raum der Erkenntnis (der aus dem Glauben herrührt, dass unsere Bewusstseinsinhalte eine über sich selbst hinausgehende Bedeutung haben).

Insgesamt haben wir es also bezüglich der Welt mit einem notorischen nicht-sicher-Wissen zu tun.

Weitere wichtige Eckpunkte aus meiner Sicht:

- Die Sätze der Logik sind Tautologien! (Wittgenstein) -> Die Sätze der Mathematik sind Tautologien!
D.h.: Ohne Bewährung an der Erfahrung (Empirie) sagt uns die Mathematik alleine schlicht nichts über die Natur!

- Der theoretisch-mathematische Bereich, der empirisch abgesichert/bewährt ist, ist sicherer als der Bereich, wo das nicht so ist.
Beispiele: Es ist sicherer, dass Entsprechungen von von Atomen in der Natur existieren also dass die Entsprechungen von Strings in der Natur existieren. Es ist sicherer, dass die von uns gefundenen Naturgesetze in unserem Sonnensystem passend sind als in entfernten Galaxien. Es ist sicherer, dass unsere Sonne existiert als dass das Innere von schwarzen Löchern existiert.
Es ist sicherer dass die von uns gefundenen Naturgesetze gestern gültig waren als dass sie morgen noch gültig sind. Usw.

Daraus folgt:
ALLE Aussagen aus der Mathematik heraus, über die Grundstrukturen der Welt, vom empirischen Boden weit hinaus als Brücke gebaut, sind weniger sicher als der empirisch abgesicherte (und mathematisch erfasste) Boden.

-> Alle Aussagen über das Verhältnis der Mathematik zur Welt sind Vermutungen!
Cosma hat geschrieben:
3. Feb 2020, 18:40
Mustererkennung halte ich auch für einen wesentlichen Punkt; man kann aus dem Prozess selbst heraus (irgendwie empirisch) argumentieren oder mit den Ergebnissen der Gehirnforschung (irgendwie lern-theoretisch) oder mit Hilfe von Axiomen (irgendwie formalistisch), ..., warum Mustererkennung funktioniert und welche Bedeutung sie hat.
Die böse Falle dabei ist nur, wenn wir NW begründen wollen, können wir dafür nicht ihre eigenen Ergebnisse nehmen, das wäre zirkulär.
Aber lass uns den Punkt diskutieren, wenn es an der Zeit ist.
Ich halte das gar nicht einmal für so wichtig. Weil wir ja nicht nur irgendwie subjektiv beobachten, sondern mit viel Anstrengung verallgemeinernd-objektiv-empirisch (jeder muss im Prinzip jederzeit und überall zu denselben Messwerten gelangen). Was da im Gehirn genau bei der Erkennung eines Zahlenmesswertes "46,8767" geschieht halte ich da für nicht wesentlich. Die Daten selbst sind also eigentlich klare Tatsachen, erst bei der Auswertung wird es interessant. Aber da sind heutzutage ja erst einmal die Computer vorgeschaltet und dann kommen erst wir. Erst dann wird es wirklich interessant, besonders bei der Deutung, wodurch die die gewonnenen Werte erst eine Bedeutung, also einen Bezug zu etwas anderem erhalten.
Und das geschieht durch uns über die dazu hergenommene Theorie, die in ein Paradigma eingebettet ist.

Und wie schon oben gesagt: Aus dem Zirkel kommst du letztlich eh nicht heraus, du kannst nur über den Hinweis begründen, dass sich etwas bewährt hat.
Unterschiedliche Positionen ergeben sich primär daraus, wie weit man sich über das empirisch Abgesicherte noch hinaus traut, ab wann genau einem das zu unsicher wird. Das sind subjektive Befindlichkeiten.
Grüße
seeker


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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von tomS » 6. Feb 2020, 17:32

Cosma hat geschrieben:
3. Feb 2020, 16:38
1. Quelle und Ort der Phänomene: Die Wirklichkeit wird vom mentalen Erkenntnisapparat als Mannigfaltigkeit in Form von Objekten, Mustern, Zusammenhänge und Veränderung über die Sinne wahrgenommen.
Postulat: Es gibt eine unabhängige Realität, in die die wahrgenommene als Teilmenge eingebettet ist.
Ja, und zwar sowohl zu den Phänomenen als auch zu dem Postulat.
Cosma hat geschrieben:
3. Feb 2020, 16:38
2. Ort der Erkenntnisarbeit: Die Elemente der wahrgenommenen Realität werden (nun als Elemente des mentalen Erkenntnisapparates) durch Zuordnung zu mathematischen Elementen und weiterer Formalisierung zu physikalischen Größen (Objekten), Strukturen (Mustern), Relationen (Zusammenhängen) und dynamischen Prozessen (Veränderungen).
Jein.

Das ist ein Wechselspiel. Die Phänomene als Elemente der wahrgenommenen Realität spielen für die Strukturierung und Zuordnung zu mathematischen Elementen und weiterer Formalisierung ... praktisch keine Rolle.

Wenn du ein Buch zur theoretischen Physik liest, insbs. zur Quantenmechanik und aller darauf aufbauender Theorien, dann ist in der Theorie von den Phänomene als solchen nichts mehr erkennbar. Die Phänomene spielen natürlich insofern eine Rolle, als dass sie aus der Theorie ableitbar sein müssen; sie sind jedoch nicht Gegenstand der Konstruktion der Theorie.

Bsp. Kochbuch: der Geschmack des Schweinebratens ist nicht Bestandteil des Rezeptes; letzteres handelt von Zutaten, Prozeduren und Prozessen.

Es ist wichtig, dass du das verstehst, denn sonst hast du ein völlig falsches Verständnis von dem, was Physik tatsächlich ist.
Gruß
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Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 6. Feb 2020, 18:37

tomS hat geschrieben:
6. Feb 2020, 17:32
Wenn du ein Buch zur theoretischen Physik liest, insbs. zur Quantenmechanik und aller darauf aufbauender Theorien, dann ist in der Theorie von den Phänomene als solchen nichts mehr erkennbar. Die Phänomene spielen natürlich insofern eine Rolle, als dass sie aus der Theorie ableitbar sein müssen; sie sind jedoch nicht Gegenstand der Konstruktion der Theorie.

Bsp. Kochbuch: der Geschmack des Schweinebratens ist nicht Bestandteil des Rezeptes; letzteres handelt von Zutaten, Prozeduren und Prozessen.
Ja. Nur, war das bisher eine Bumerangbewegung: Von der Beobachtung weg und dann wieder zur Beobachtung zurück, heißt: Ziel neuer theoretischer Konstrukte ist neue Beobachtungen vorherzusagen (im Bsp.: Neue Geschmacksergebnisse durch das neue Rezept) und diese dann tatsächlich auch so zu machen, sodass sich das im Erfolgsfall bewähren kann (alles andere kann man dann per Falsifikation aussortieren, das ist wichtig, weil es immer viele Theorien von demselben gibt aber wohl nur eine Realität).

Ein wichtiger Punkt dabei scheint mir zu sein, dass sich bei dieser Wegbewegung der Theorie immer mehr ergibt, als nur unsere beobachtete Welt.
Das kann man dann unterschiedlich interpretieren: Entweder ist die Theorie dann eben unterbestimmt oder es gibt tatsächlich "irgendwo" alles, was die Theorie beinhaltet. Empirisch ist das aber leider immer nur bis zu dem Punkt entscheidbar, zu dem diese zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgedrungen ist. So kommen dann z.B. auch in der QM verschiedene Interpretationen heraus.
Grüße
seeker


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Cosma

Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 6. Feb 2020, 19:40

deltaxp hat geschrieben:
6. Feb 2020, 12:58
Ihr beide habt meines-Erachtens recht. Es ist schwer die grenzen zu ziehen, ab wann eine mathematische Struktur auf beobachteten Erscheinungen beruht und wann nicht.
Cosma: 2. Ort der Erkenntnisarbeit: Die Elemente der wahrgenommenen Realität werden (nun als Elemente des mentalen Erkenntnisapparates) durch Zuordnung zu mathematischen Elementen und weiterer Formalisierung zu physikalischen Größen (Objekten), Strukturen (Mustern), Relationen (Zusammenhängen) und dynamischen Prozessen (Veränderungen).
Tom: Jein.
Das ist ein Wechselspiel. Die Phänomene als Elemente der wahrgenommenen Realität spielen für die Strukturierung und Zuordnung zu mathematischen Elementen und weiterer Formalisierung ... praktisch keine Rolle.
Aus der historischen Betrachtung geht eindeutig der anfängliche unmittelbare Zusammenhang von gegenständlichen Mengen und Zahlenmengen hervor. Mit der Erfindung der Schrift wurde warschl. auch die Mathematik erfunden - entstanden aus dem buchhalterischen Bedürfnis der sumerischen Händler nach Dokumentation der Warenein- & ausgänge und der Lagerbestände; bald wurden auch abstrakte Darstellungen möglich, der Weg lässt sich gut nachvollziehen. Ich finde am interessantesten, wann sich die Anschaulichkeit der Mathematik verabschiedet hat.

Cosma

Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 6. Feb 2020, 20:12

seeker hat geschrieben:
6. Feb 2020, 15:34
Zu 2.:
Hinzuzufügen ist hier (und das ist wichtig), dass diese Zuordnung nicht direkt erfolgen kann. Sie kann erst durch das erfolgen, das man "Empirie" nennt, also die methodische, also theorie-geladene, quantitative Beobachtung unter genau diesem Blickwinkel. WAS qualitativ dabei beobachtet wird ergibt und erklärt sich erst aus der Theorie und fließt hinterher in die Theorie zurück. Wir haben hier also zunächst einen zirkulären Selbstbezug!
Ja, richtig. Deshalb im ersten Satz der Hinweis auf die Sinne; kann man hier aber nochmal deutlicher sagen;
zirkulär nur, wenn man es 2-dim betrachtet; bei 3-dim ergibt sich eine Spirale, die sich durch Wechselwirkung in die Höhe schraubt.
Cosma: wir haben es also mit einem realen Raum der Wirklichkeit und dem epistemischen Raum der Erkenntnis (Epistemum) zu tun
seeker: Ich denke, das muss man genauer betrachten:
Ja, nur dass wir klar unterscheiden.
Ich halte [Mustererkennung] gar nicht einmal für so wichtig.
Ich glaube, es lohnt sich schon, da mal ein paar Gedanken zu investieren. Eigentlich ist es in gewisser Hinsicht der springende Punkt.

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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von tomS » 6. Feb 2020, 21:54

Cosma hat geschrieben:
6. Feb 2020, 19:40
Ich finde am interessantesten, wann sich die Anschaulichkeit der Mathematik verabschiedet hat.
Ich finde am interessantesten, dass sich die Physik vor ca. 100 Jahren offenbar von der Anschaulichkeit (auch) der Mathematik verabschieden musste. Niemand hat das damals herbeigesehnt.
Gruß
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Skeltek
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Re: Repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Skeltek » 7. Feb 2020, 07:49

tomS hat geschrieben:
6. Feb 2020, 17:32
Cosma hat geschrieben:
3. Feb 2020, 16:38
1. Quelle und Ort der Phänomene: Die Wirklichkeit wird vom mentalen Erkenntnisapparat als Mannigfaltigkeit in Form von Objekten, Mustern, Zusammenhänge und Veränderung über die Sinne wahrgenommen.
Postulat: Es gibt eine unabhängige Realität, in die die wahrgenommene als Teilmenge eingebettet ist.
Ja, und zwar sowohl zu den Phänomenen als auch zu dem Postulat.
Habe keine Zeit den Thread wirklich zu lesen, aber das sprang mir gerade ins Auge. Das Postulat kann man stellen, allerdings ist der Rückschluss genau genommen falsch. Davon, strukturgleich mit einer Teilmenge der Realität zu sein, kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Konstrukt im Kopf als in sich widerspruchsfrei beweist. Von der Widerspruchsfreiheit bzw Übereinstimmung mit der Realität ist da noch gar nicht die Rede.

Man kann aber davon sprechen, daß eine Teilmenge des Konstruktes im Kopf mit einer Teilmenge der Realität übereinstimmen kann. Die Frage ist lediglich, wie hoch der Grad der widerspruchsfreien Übereinstimmung ist. Ein Teil dieses übereinstimmenden Anteils ist wohl das, auf was sich formalistische Betrachtungen in ihrer Betrachtung beschränken sollten.

Das Konstrukt im Kopf kann durchaus auch widersprüchliche Teile enthalten. Erst, wenn es in sich widerpsruchsfrei zu sein scheint, kann man anfangen die strukturgebenden Relationen mit denen der Realität zu vergleichen; wobei man dann eine Übereinstimmung (zu einem gewissen Grad) feststellen kann.
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Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 7. Feb 2020, 09:40

Cosma hat geschrieben:
6. Feb 2020, 20:12
Deshalb im ersten Satz der Hinweis auf die Sinne; kann man hier aber nochmal deutlicher sagen;
zirkulär nur, wenn man es 2-dim betrachtet; bei 3-dim ergibt sich eine Spirale, die sich durch Wechselwirkung in die Höhe schraubt.
Ja, richtig. Wobei: Wo da dann "oben" ist, wohin es in der Richtung geht, muss auch von uns, also sozusagen 'von außen' als Bedeutungszusammenhang hineingegeben werden, das ergibt sich nicht aus dem Spiel selbst.
Cosma hat geschrieben:
6. Feb 2020, 20:12
Ich halte [Mustererkennung] gar nicht einmal für so wichtig.

Ich glaube, es lohnt sich schon, da mal ein paar Gedanken zu investieren. Eigentlich ist es in gewisser Hinsicht der springende Punkt.
OK. Ich höre zu.
Cosma hat geschrieben:
6. Feb 2020, 19:40
Aus der historischen Betrachtung geht eindeutig der anfängliche unmittelbare Zusammenhang von gegenständlichen Mengen und Zahlenmengen hervor.
Auch die historische Perspektive kann manchmal interessant sein.
tomS hat geschrieben:
6. Feb 2020, 21:54
Ich finde am interessantesten, dass sich die Physik vor ca. 100 Jahren offenbar von der Anschaulichkeit (auch) der Mathematik verabschieden musste. Niemand hat das damals herbeigesehnt.
Ja, schon. Wobei: Was bedeutet eigentlich "Anschaulichkeit" genau? War die Mathematik (oder Physik) jemals anschaulich? Inwiefern?

Jedenfalls habe ich noch nie eine Universalie beobachten können. Auch die Mathematik habe ich noch nie gesehen, immer nur symbolhafte Darstellungen von der Mathematik, wo es dann hieß: "Schau, das da repräsentiert eine mathematische Struktur, aber man kann es auch anders darstellen, schau mal, so:...".
Noch eine Universalie.
Skeltek hat geschrieben:
7. Feb 2020, 07:49
Man kann aber davon sprechen, daß eine Teilmenge des Konstruktes im Kopf mit einer Teilmenge der Realität übereinstimmen kann.
Insofern die Konstrukte bzw. die Wahrnehmungen an sich selbst auch Teil der Realität sind, sind sie natürlich auch eine Teilmenge davon, gleich ob ihre Inhalte mit etwas anderem (der sonstigen Welt) übereinstimmen oder nicht. Eine Übereinstimmung in irgendeiner Form müssen wir postulieren, wenn wir überhaupt etwas über die Welt (außerhalb von uns) aussagen können wollen.
Skeltek hat geschrieben:
7. Feb 2020, 07:49
Das Konstrukt im Kopf kann durchaus auch widersprüchliche Teile enthalten. Erst, wenn es in sich widerpsruchsfrei zu sein scheint, kann man anfangen die strukturgebenden Relationen mit denen der Realität zu vergleichen; wobei man dann eine Übereinstimmung (zu einem gewissen Grad) feststellen kann.
Deshalb achten wir in der Logik und Mathematik auf Konsistenz. Und wir müssen auch postulieren, dass die Welt in demselben Sinne widerspruchsfrei wie unsere Logik ist, dass also auch dort eine Übereinstimmung gegeben ist. Ob das so ist kann man auch nur durch beobachtenden Vergleich, also über Erfahrung, Bewährung herausbekommen.
Grüße
seeker


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Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von tomS » 7. Feb 2020, 11:36

Ich halte das Thema der Anschaulichkeit für recht einfach diskutierbar, noch ohne Universalienbegriff zu bemühen, oder festzulegen, auf welcher Ebene dieser überhaut greifen soll Beobachtungen (Objekte, Relationen, Gesetze, Theorien und Metatheorien).

Anschaulich
ein geworfener Stein folgt einer Wurfparabel;
ich spüre die Gewichtskraft des Steines sowie die Kraft, die ich beim Wurf aufwende;
ich sehe die Bahnkurve;
ich beschreibe dies mittels der Newtonschen Mechanik und damit etwas Vektorrechnung;
für jeden dieser anschaulichen Begriffe finde ich eine Entsprechung im Rahmen des Formalismus;
ich kann einen naiven Realismus anwenden, d.h. i) ich sehe die Bahnkurve, ii) die Mathematik beschreibt die Bahnkurve, iii) ich glaube, dass der Stein tatsächlich einer Bahnkurve folgt (auch ohne i);
wenn ich möchte, kann ich die Universalie "Wurfparabel" direkt ableiten

Unanschaulich
ein Gerät präpariert mit bloßem Auge unsichtbare Entitäten;
die Entitäten werden mittels nicht-separabler Zustände in einem Produkt-Hilbertraum beschrieben;
die Dynamik der Entitäten wird mittels eines unitären Operators beschrieben;
zwei Detektoren zeigen je Ereignispaar immer zwei einander entgegengesetzte Ergebnisse an;
jedes einzelne Ereignis an jeweils einem Detektor erscheint dabei zufällig;
die Messergebnisse und ihre Wahrscheinlichkeiten folgen mathematisch mittels Projektionsposulat und Bornscher Regel; dies widerspricht (zunächst) der o.g. Regel zur unitären Dynamik;
die Phänome und Messergebnisse (Messwerte, Zeigerstellungen, Muster auf Detektorschirmen, ...) haben anschaulich nichts mit dem mathematischen Formalismus (Hilbertraum, Zustände, Operatoren, ...) zu tun;
ich kann keinen naiven Realismus anwenden
(unter Verwendung der VWI kann ich die Universalien "Hilbertraum", "unitärer Zeitentwicklungsoperator" und "Observablenalgebra" motivieren)

Ich denke, es wird klar, dass die gesamte Physik auch dann unanschaulich ist, wenn man sich lediglich auf die Ebene der Phänomene und deren Berechnungen konzentriert, ohne die Frage nach dem Realismus und den Universalien zu stellen.

Es wird aber hoffentlich auch klar, dass die Idee, der Formalismus selbst wäre hier phänomenologische begründbar, hoffnungslos naiv ist.
Gruß
Tom

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Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 7. Feb 2020, 16:18

seeker hat geschrieben:
7. Feb 2020, 09:40
Auch die historische Perspektive kann manchmal interessant sein.
Dann hätten wir in erkenntnistheoretischer Hinsicht die Ausgangsposition umrissen:

ad 1.) Erkenntnissubjekt: Auf der einen Seite die wahrgenommenen Erscheinungen in Form von Objekten, Mustern, Zusammenhängen und Veränderungen, die sich im mentalen Erkenntnisapparat des Erkenntnissubjektes als Bewusstseinsinhalte oder Denkinhalte widerspiegeln.
Daraus das Postulat:

Erkenntnisobjekt: Auf der anderen Seite die Vergegenständlichung der wahrgenommenen Erscheinungen, die Erscheinungen selbst; dabei wird angenommen, dass die wahrgenommenen Erscheinungen Teilmenge des größeren Systems „Natur“ sind. Dieses existiert außerhalb des Erkenntnissubjektes, schließt dieses aber mit ein und kann von diesem im Prinzip abgebildet werden.
Anm.: Das Erkenntnisobjekt muss nicht gegenständlich, sondern kann auch ideeller Natur sein, zB geometrische Formen; das geschieht aber erst, wenn die Abstraktionsleistung so weit fortgeschritten ist, dass die Formen aus den natürlichen Gegenständen abgeleitet, extrahiert werden können.

Erkenntnismedium: Die Verbindung zwischen realer Außenwelt (reale Objekte) und mentaler Innenwelt (mentale Abbilder) ist der Sinnesapparat, der quasi wie ein Dipol arbeitet: der empirische Außen-Pol nimmt von außen die Daten auf und reicht sie über den mentalen Innen-Pol in den Erkenntnisapparat zur Verarbeitung weiter.
Erkenntnisziel ist die Übereinstimmung des Re-Konstruktes mit empirischem Material bzw. deduzierten Hypothesen (Vorhersagen) bis zur Falsifikation.


Eine historische Betrachtung zeigt, dass die Geburt der Schrift und damit der Mathematik (vor 5.000 Jahren) ihren Grund in dem kaufmännischen Bedürfnis, u.a. Wareneingangs- & ausgangslisten anzulegen; weitere Anwendungsgebiete: Bewässerungsanlagen, Häuser- & Tempelbau, mystisch-astrologische Berechnungen, etc. Es gab eine klare & eindeutige Zuordnung von natürlichen und "mathematischen" Objekten.

=> Grund für die Entstehung & Zweck der Mathematik war zunächst kein anderer als der einer ganz pragmatischen Hilfe zur Lebensbewältigung.

Das änderte sich erst, als die sog. vorsokratischen griechischen Philosophen vor ca. 2.500 Jahren die „Naturwissenschaften“ gründeten, die „Wissen“ nicht mehr rein pragmatisch verstanden, sondern als selbständige Erkenntnisarbeit, welche das rechte Wissen um seiner selbst willen methodisch sucht. Das ist mE das erklärte Ziel der Wissenschaft!

Dabei wurden anthropozentrische Begriffe eingeführt, die dem sozialen Leben (Gesetz), der menschlichen Psyche (Harmonie), der Ethik (Gleichgewicht) und der transzendenten Metaphysik (Vollkommenheit, Symmetrie, Unendlichkeit) entspringen.

Der Grund, warum wir heute von Natur-„Gesetzen“ sprechen, hat hier seinen Ursprung: weil man die Erfahrung machte, dass soziale Gesetze eine Ordnung in das soziale Chaos bringen, zog man den Analogieschluss, das müsse in der Natur auch so sein, also wird sie von Gesetzen beherrscht - was ein Trugschluss ist, da der Gesetzgeber fehlt - es sein, es ist der Mensch! Auf diesem Weg mischen sich bis heute immer wieder „menschliche Elemente“ in die Theorien.

Ein Gesetz ist eine vom Menschen gesetzte Ordnung und es sieht so aus, als hätten Naturgesetze keinen anderen Status.

Es gibt bis hierher also keinen Grund, mehr vorauszusetzen als die Tatsachen, die unter 1.) aufgeführt sind, insb. nicht hins. „Mathematik“ & „Gesetz“.

Die Frage, die sich imho stellt ist, wie es zu den Gesetzen kommt und da spielt mE die Mustererkennung und das Prinzip der Ähnlichkeit eine große Rolle.

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Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von seeker » 10. Feb 2020, 11:28

Erkenntnissubjekt, Erkenntnisobjekt und Erkenntnismedium müsste man m.E. eigentlich noch präziser definieren, aber geschenkt, ich denke hier ist es so erst einmal ausreichend.

Zur historischen Betrachtung:
Man kann auch das noch weiter treiben (was du selbstverständlich wissen wirst), aber ja, OK.
Nur: Ich denke, dies gibt uns Aufschluss darüber "wie alles bei uns gekommen ist".
Aber was sagt uns das nun darüber, was wirklich Sache ist?
Ich glaube nichts, überhaupt nichts!
Wenn ich Gemälde von der Welt male und dann untersuche, wie sich die Maltechnik die letzten Jahrtausende entwickelt hat, dann sagt mir das auch nichts darüber, wie wie Welt wirklich ist.

Dem stimme ich dennoch im Prinzip zu:
Cosma hat geschrieben:
7. Feb 2020, 16:18
Es gibt bis hierher also keinen Grund, mehr vorauszusetzen als die Tatsachen, die unter 1.) aufgeführt sind, insb. nicht hins. „Mathematik“ & „Gesetz“.
...ich würde nur statt "Grund" "Notwendigkeit" sagen: Es gibt bis hierher also keine Notwendigkeit, mehr vorauszusetzen...

Wobei man m.E. eines verstehen sollte:
Die Annahme einer platonischen, mathematischen Welt ist nicht eine Verdoppelung der Welt, sondern die Rückverfolgung unserer einen Welt zu ihren Wurzeln, so weit es uns aus einer (dieser) bestimmten Perspektive heraus überhaupt möglich ist. Aber nur eine bestimmte Perspektive (unter anderen möglichen Perspektiven) bleibt es.

Zur Anschaulichkeit:
tomS hat geschrieben:
7. Feb 2020, 11:36
ein geworfener Stein folgt einer Wurfparabel;
ich spüre die Gewichtskraft des Steines sowie die Kraft, die ich beim Wurf aufwende;
ich sehe die Bahnkurve;
Das sehe ich nicht. Ich sehe immer nur Steine, die zu einem Zeitpunkt an einem Ort sind und sich an einen anderen Ort bewegen. Erst wenn ich diese Einzelpunkte geistig zusammenfüge, erkenne ich eine Parabel.
Ich spüre beim Abwurf zwar das die Schwere des Steins und den Widerstand, den er meinem Arm entgegenbringt, aber ich spüre NICHT m(Stein) = 1kg oder F(Beschleunigung)= 50 N
D.h.: Es gibt hier schon einen Bruch, ich muss das abstrakt-geistig konstruieren, um eine Verbindung zu meiner Wahrnehmung herstellen zu können.

Worauf ich hinaus will:
Ich sehe keinen prinzipiellen Unterschied zwischen "anschaulich" und "unanschaulich". Es ist nur so, dass das, was wir "anschaulich" nennen, unserem evolutionär gegebenen Wahrnehmungsapparat zufällig genehmer ist, näher ist, womit uns eine Verbindung leichter fällt. Zu glauben, dass da dann (und nur dann) aber wirklich eine Verbindung besteht ist allein daraus begründet erst einmal eine Illusion.
Warum sollte sich die Natur darum scheren, was uns zufällig genehm ist (denn das ist ein subjektives Kriterium)?
Ich behaupte: Im Grunde ist und war die komplette Physik immer in dem Sinne unanschaulich, dass sie nicht ohne abstrakte (also unbeobachtbare) Konstruktionen auskommt!
Und selbst bei modernster, unanschaulichster theoretischer Physik ist ja immer noch eine Verbindung zur Anschauungswelt da, nur ist der Weg dort weiter.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Cosma

Re: Inwiefern repräsentiert die Mathematik in der Physik die Realität?

Beitrag von Cosma » 10. Feb 2020, 15:29

seeker hat geschrieben:
10. Feb 2020, 11:28
Zur historischen Betrachtung:
Man kann auch das noch weiter treiben (was du selbstverständlich wissen wirst), aber ja, OK.
Nur: Ich denke, dies gibt uns Aufschluss darüber "wie alles bei uns gekommen ist".
Sehe ich auch so: es lassen sich viele Tendenzen ablesen.
Wenn ich Gemälde von der Welt male und dann untersuche, wie sich die Maltechnik die letzten Jahrtausende entwickelt hat, dann sagt mir das auch nichts darüber, wie wie Welt wirklich ist.
... aber über das Verhältnis der Maltechnik / Wirklichkeit: die Maltechnik wird sich so entwickelt haben, dass der Maler einer größtmögliche Kongruenz mit der Wirklichkeit erreicht.
Cosma schrieb: Es gibt bis hierher also keinen Grund, mehr vorauszusetzen als die Tatsachen, die unter 1.) aufgeführt sind, insb. nicht hins. „Mathematik“ & „Gesetz“.
seeker schrieb: ...ich würde nur statt "Grund" "Notwendigkeit" sagen: Es gibt bis hierher also keine Notwendigkeit, mehr vorauszusetzen...
Ja, ist besser.
Wobei man m.E. eines verstehen sollte:
Die Annahme einer platonischen, mathematischen Welt ist nicht eine Verdoppelung der Welt, sondern die Rückverfolgung unserer einen Welt zu ihren Wurzeln, so weit es uns aus einer (dieser) bestimmten Perspektive heraus überhaupt möglich ist.
Die Annahme einer platonischen, mathematischen Welt ist mE. - wenn überhaupt erforderlich - hier noch verfrüht.

Aber: Die historische Betrachtung nötigt eher zu der Hypothese (über das "Gesetzmäßige" in der Natur), dass man durch einen Analogieschluss den Begriff & die Anwendung von "Gesetz & Ordnung" aus dem sozialen Bereich in den naturwissenschaftlichen Bereich projiziert hat und deswegen glaubt, die Natur sei an sich mathematisch.

Die Entwicklung der Schrift und damit auch der Mathematik zeigt die Entwicklungs-Prinzipien auf;
Die ersten Schriftzeichen waren 1:1-Abbilder der Objekte (Pictogramme), aber nach und nach wurden auch Formen für abstrakte Ausdrücke und Gattungsbegriffe erfunden und soweit verfeinert, dass damit das Gilgameŝ-Epos möglich wurde; und weil hier niemand einen präexistenten Poesi- oder Grammatik- oder Linguistik-Himmel fordert, sehe ich auch keine Notwendigkeit, dies für die Mathematik zu fordern; Grammatik bringt Ordnung in die Wörter & Sätze, Mathematik bringt Ordnung in Zahlen/Größen & Relationen - alles von Menschenhand gemacht.

Hauptwerkzeuge sind die Mustererkennung, Klassifizierung & die Abstraktion.
"Muster & Symmetrien" erfüllen unser Bedürfnis nach Ordnung und Ästhetik und lassen sich leichter formalisieren; deshalb wird die natürliche Mannigfaltigkeit zunächst nach dem Prinzip der Ähnlichkeit "gemustert" und es werden Klassen (Mechanik, Optik, Thermodynamik, ...) gebildet, für die die Mathematik soweit fortgeschritten ist, dass eine (evtl. vorläufige) Formalisierung möglich wird.

Die Objekte können dabei auch neue, aus der Mathematik und nicht aus der Empirie geborene, Terme sein, die sich aus mathematischen Gründen ergeben und die zunächst keinen erkennbaren Bezug zur Realität haben müssen; letztendlich entscheidet aber die Empirie.

Da die Abstraktionsleistung eine genuin menschliche Leistung ist (wie man u.a. auch an der Schriftentwicklung ablesen kann), sehe ich auch keinen Grund darin, diese Abstraktionsleistung als "Teilhabe" oder Königsweg zu Platons Formelsammlung im Ideenhimmel anzusehen. Zu dieser Leistung einer kreativ-innovativen und nicht nur restaurativen Entwicklung der Mathematik ist der Mensch selbst fähig.
Zuletzt geändert von Cosma am 10. Feb 2020, 17:33, insgesamt 1-mal geändert.

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