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"unendlich" -> "unbekannt"?

Mathematische Fragestellungen
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tomS
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 24. Jan 2014, 07:41

seeker hat geschrieben: Es ist m.E. überhaupt nicht klar, ob solches für die Physik in irgendeiner Form relevant sein darf ...
Ich erwarte, dass die Physik über die reine Mathematik hinaus eine eigene Auswahl ihrer Werkzeuge trifft, dass sie eigene und unabhängige Kriterien formuliert. Im Falle des Banach-Tarski-Paradoxons würden wir z.B. annehmen, dass diskrete Strukturen (Atome usw.) die Anwendbarkeit des Theorems ausschließen.
seeker hat geschrieben:Wird er nicht oft genug einfach das übernehmen, was in der Mathematik gebräuchlich ist, was ihm der Mathematiker als Werkzeuge anbietet?
Ja. Aber er muss ja darüber hinaus einen Bezug zur Natur formulieren und diesen mittels Experimenten prüfen. Letzteres ist die eigtl. Richtschnur.
seeker hat geschrieben:Woher soll denn der Mathematiker wissen, was für den Physiker "physikalisch" ist?
Muss er nicht und kann er nicht. Das macht der Physiker.
seeker hat geschrieben: Evtl. hat sich an dieser Schnittstelle ein Fehler eingeschlichen, der uns heute in die falsche Richtung führt.
Den Physikern sind die mathematischen Probleme durchaus bewusst (Stichwort: Unendlichkeiten und Renormierung in der QFT, Singularitäteten)
seeker hat geschrieben:Es muss uns dazu auch möglich sein reine Mathematik zu betreiben!

Ist es das? Wie wir schon gesehen haben, müssen wir mit der Einschränkung leben, dass wir nicht 100%ig wissen können, ob unsere Logik an sich überhaupt logisch IST

da ja letztlich alles menschliche Denken auf abstrahierten Erfahrungswerten beruht. Das trifft aber den Platoniker wie auch den Konstruktivisten wie auch alle anderen gleichermaßen.
Seit Gödel wissen wir, dass Axiomensysteme unbeweisbare Wahrheiten enthalten können. Und wir wissen, dass ihre Widespruchsfreiheit oft nicht bewiesen werden kann. Das trifft aber bereits auf die gewöhnliche Arithmetik der natürlichen Zahken zu, d.h. bereits elementare Logik + Mengenlehre + natürliche Zahlen (mit + - * :) könnten in sich widersprüchlich sein, ohne dass wir das jemals wissen. Der Konstruktivismus bietet da keine Abhilfe.

Was aber interessant ist, dass wir um diese Einschränkung der Möglichkeiten der reinen Mathematik aufgrund mathematischer Sätze wissen!
seeker hat geschrieben:Mich interessieren tatsächlich mehr die Auswirkungen auf die Physik:
Ist eine konstruktive Mathematik für den Physiker nicht besser abgesichert, in dem Sinne, dass er sich bei ihrer Anwendung auf die Natur weniger Sorgen machen muss evtl. ein ungeeignetes Werzeug zu verwenden, ...
Machen wir ein Beispiel: die QM verwendet den Begriff des separabler Hilbertraumes, eines Teilbereiches der Funktionalanalysis. In letzterer gibt es einige Sätze, zu deren Beweis das Auswahlaxiom herangezogen werden muss. Selbst wenn dieses nun Einfluss auf die speziellen, seitens der Physiker verwendeten Sätze hätte (was ich nicht glaube), dann stehen immer noch zwei Fakten im Raum:
- die QM funktioniert physikalisch sehr gut
- die Physiker kennen keine gleich gute Alternative
Tatsache ist aber, dass die Physiker sich insbs. in der mathematischen Grundlagenphysik um Alternativen bemühen, z.B. in der axiomatischen Quantenfeldtheorie sowie der Stringtheorie. Die Leitlinien sind aber wiederum physikaler Natur.
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 24. Jan 2014, 09:41

tomS hat geschrieben:
Wird er nicht oft genug einfach das übernehmen, was in der Mathematik gebräuchlich ist, was ihm der Mathematiker als Werkzeuge anbietet?
Ja. Aber er muss ja darüber hinaus einen Bezug zur Natur formulieren und diesen mittels Experimenten prüfen. Letzteres ist die eigtl. Richtschnur.
Ja. Die Frage ist nur: Was tut der Physiker, wenn es nicht oder nicht ganz passt? Wird er sofort die gesamte verwendete Mathematik verwerfen und ganz neu anfangen oder wird er versuchen die schon verwendete Mathematik zu modifizieren, um es 'passender zu machen'? Ohne Not wird er natürlich zuerst das Letztere versuchen, weil das Erstere einen viel größeren Aufwand bedeuten würde - noch dazu mit ungewissem Ausgang.
tomS hat geschrieben:Den Physikern sind die mathematischen Probleme durchaus bewusst (Stichwort: Unendlichkeiten und Renormierung in der QFT, Singularitäteten)
Das ist gut so.
tomS hat geschrieben:Was aber interessant ist, dass wir um diese Einschränkung der Möglichkeiten der reinen Mathematik aufgrund mathematischer Sätze wissen!
Das ist tasächlich interessant. Als erstes schießt mir da immer der Gedanke in den Kopf, wie das sein kann, ob das nicht dem "Münchhausen-Trick" gleichkommt, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. Interessanterweise scheint es das aber nicht zu sein...
tomS hat geschrieben:Machen wir ein Beispiel: die QM verwendet den Begriff des separabler Hilbertraumes, eines Teilbereiches der Funktionalanalysis. In letzterer gibt es einige Sätze, zu deren Beweis das Auswahlaxiom herangezogen werden muss. Selbst wenn dieses nun Einfluss auf die speziellen, seitens der Physiker verwendeten Sätze hätte (was ich nicht glaube), dann stehen immer noch zwei Fakten im Raum:
- die QM funktioniert physikalisch sehr gut
- die Physiker kennen keine gleich gute Alternative
Tatsache ist aber, dass die Physiker sich insbs. in der mathematischen Grundlagenphysik um Alternativen bemühen, z.B. in der axiomatischen Quantenfeldtheorie sowie der Stringtheorie. Die Leitlinien sind aber wiederum physikaler Natur.
Dass wir derzeit keine andere gleichgute Alternative kennen ist kein wirkliches Argument.
Ich schiele hier natürlich in Richtung QG/ToE... und da stockt es irgendwie, trotz aller Anstrengungen - das ist zumindest mein Eindruck und ich frage mich, warum das so ist?
Ich sehe mehrere mögliche Gründe:

1. Eine funktionierende QG zu finden (und auch nachzuweisen, DASS sie gefunden wurde) ist tatsächlich ungeheuer schwer
2. Es liegt ein Fehler im Vorgehen vor. Ein solcher Fehler kann sich auf allen Ebenen einschleichen. Die grundlegendste Ebene wäre dabei die Ebene der Mathematik bzw. der verwendeten mathematischen Werkzeuge incl. den dort enthaltenen Grundannahmen bzw. akzeptierten Axiomen. Ein Fehler auf dieser Ebene wäre sehr unangenehm, weil man ihn a) nicht so leicht nachweisen/finden könnte und man b) ganz neu anfangen müsste und man c) erst nach extrem viel neuer Arbeit erfahren würde, ob das dann neue Vorgehen mit anderer Mathematik zum Erfolg führt: Es gibt auf dieser Ebene Dinge, die man nicht a priori als "wahr" oder "unwahr" (im Sinne von: "auf die Natur passend") erkennen kann. Man muss sich also dann doch auf seine Intuition verlassen und hoffen, dass das passt.

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 24. Jan 2014, 10:56

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Wird er nicht oft genug einfach das übernehmen, was in der Mathematik gebräuchlich ist, was ihm der Mathematiker als Werkzeuge anbietet?
Ja. Aber er muss ja darüber hinaus einen Bezug zur Natur formulieren und diesen mittels Experimenten prüfen. Letzteres ist die eigtl. Richtschnur.
Ja. Die Frage ist nur: Was tut der Physiker, wenn es nicht oder nicht ganz passt? Wird er sofort die gesamte verwendete Mathematik verwerfen und ganz neu anfangen oder wird er versuchen die schon verwendete Mathematik zu modifizieren, um es 'passender zu machen'? Ohne Not wird er natürlich zuerst das Letztere versuchen, weil das Erstere einen viel größeren Aufwand bedeuten würde - noch dazu mit ungewissem Ausgang.
Nun, das ist recht unterschiedlich, und es gibt verschiedene Beispiele dazu.

Der Übergang von der klassischen Mechanik zur Quantenmechanik war gleichzusetzen mit dem vollständigen Überbordwerfen der gesamten bisher verwendeten Mathematik. Es wurden völlig neue Bereiche der Mathematik (insbs. Funktionalanalysis, teilweise Funktionentheorie) verwendet. Es wurde jedoch keine „Mathematik modifiziert“. Bei der ART war es nicht ganz so revolutionär, jedoch ähnlich. Einstein verwendete Tensoranalysis auf Riemannschen Mannigfaltigkeiten, wobei jedoch wiederum keine Mathematik „verändert wurde“.

Sehr häufig vollzieht sich der Fortschritt jedoch unter Beibehaltung der existierenden Strukturen, allenfalls Änderungen im Detail (aus Sicht der Mathematik). So hat beispielsweise keine noch so umwerfende Entdeckung im Rahmen der QM (immerhin fast ein Jahrhundert) eine Anpassung des unterlagerten Formalismus oder gar einen neuen Formalismus erfordert. Im Detail wurden neue bzw. angepasste Objekte verwendet (temperierte Distributionen, Schwarzräume; rigged Hilbert spaces).

Auch ganz wesentliche fundamentale Sätze (Kochen-Specker-Theorem, insbs. Gleason’s Theorem) zeigen, dass man im Rahmen der Physik (QM) eher mathematische Strukturen entdeckt und ihre physikalische Bedeutung bzw. Interpretation verstehen lernt, als dass man sie neu konstruiert. Gleasons Theorem gilt unabhängig von der Physik und macht eine ganz konkrete Aussage über eine bestimmte Eigenschaft von Hilberträumen, die in der QM so realisiert ist. Das ist einer der Punkte, warum sowohl Mathematiker als auch Physiker von einer Entdeckung bekannter Strukturen (im Sinne des Platonismus) und nicht von einer Konstruktion sprechen.

Ich denke, einzig und alleine im Bereich der Stringtheorie führt die Physik selbst zur Entwicklung neuer mathematischer Formalismen. Wobei gerade hier das Problem existiert, dass ohne echte physikalische (experimentelle) Leitplanken man nicht wirklich von physikalischem Erkenntnisgewinn sprechen kann.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Was aber interessant ist, dass wir um diese Einschränkung der Möglichkeiten der reinen Mathematik aufgrund mathematischer Sätze wissen!
Das ist tatsächlich interessant. Als erstes schießt mir da immer der Gedanke in den Kopf, wie das sein kann, ob das nicht dem "Münchhausen-Trick" gleichkommt, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. Interessanterweise scheint es das aber nicht zu sein...
Nun, es handelt sich um ein negatives Resultat. Die Mathematik kann beweisen, was ihre eigenen Grenzen sind. Sie kann sie jedoch nicht verschieben.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben: - die QM funktioniert physikalisch sehr gut
- die Physiker kennen keine gleich gute Alternative
Dass wir derzeit keine andere gleichgute Alternative kennen ist kein wirkliches Argument.
Ich schiele hier natürlich in Richtung QG/ToE... und da stockt es irgendwie, trotz aller Anstrengungen - das ist zumindest mein Eindruck und ich frage mich, warum das so ist?
Ja, dass wir keine Alternative kennen ist kein Argument; aber evtl. brauchen wir ja keine, weil’s funktioniert (ich meine dabei den großen Rahmen, nicht die Details)
seeker hat geschrieben: 1. Eine funktionierende QG zu finden (und auch nachzuweisen, DASS sie gefunden wurde) ist tatsächlich ungeheuer schwer
Ja, aber das hat nichts mit den fundamentalen Themen der Meta-Mathematik zu tun, die wir hier diskutieren.
seeker hat geschrieben:2. Es liegt ein Fehler im Vorgehen vor. Ein solcher Fehler kann sich auf allen Ebenen einschleichen. Die grundlegendste Ebene wäre dabei die Ebene der Mathematik bzw. der verwendeten mathematischen Werkzeuge incl. den dort enthaltenen Grundannahmen bzw. akzeptierten Axiomen. Ein Fehler auf dieser Ebene wäre sehr unangenehm, weil man ihn a) nicht so leicht nachweisen/finden könnte und man b) ganz neu anfangen müsste und man c) erst nach extrem viel neuer Arbeit erfahren würde, ob das dann neue Vorgehen mit anderer Mathematik zum Erfolg führt: Es gibt auf dieser Ebene Dinge, die man nicht a priori als "wahr" oder "unwahr" (im Sinne von: "auf die Natur passend") erkennen kann. Man muss sich also dann doch auf seine Intuition verlassen und hoffen, dass das passt.
Ich kann momentan nicht erkennen, wo das überhaupt hinführen könnte …

Eine Idee, die ggw. diskutiert wird, ist, dass die 4-dim. Raumzeitmannigfaltigkeit eine sogenannte exotische Differenzierbarkeitsstruktur trägt. Das berührt jedoch immer noch nicht die fundamentalen Themen der Meta-Mathematik, die wir hier diskutieren.

Evtl. lohnt es sich, Gleason’s Theorem nochmal gesondert zu betrachten, um zu verstehen, warum der Platonismus so populär ist.
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Skeltek » 24. Jan 2014, 20:24

tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben: Evtl. hat sich an dieser Schnittstelle ein Fehler eingeschlichen, der uns heute in die falsche Richtung führt.
Den Physikern sind die mathematischen Probleme durchaus bewusst (Stichwort: Unendlichkeiten und Renormierung in der QFT, Singularitäteten)
Was heißt Schnittstelle? Eine elementare Implikation "Wenn A, dann B" ist durchaus richtig und was anderes sagt der Mathematiker auch nicht.
Es ist Problem des Physikers wenn er etwas für A hält was gar nicht A ist...

Hier rühren auch die Probleme der QM her. Man kann nicht durch Implikation&Ausschluss ein System an real geltenden Gesetzmäßigkeiten eingrenzen, wenn man nicht erkennen kann was man da eigentlich verarbeitet.
EVA fängt bei der Eingabe bzw Erfassung von Daten an. Ohne umfassende Identifikation oder Feststellung des betrachteten Objektes kann man höchstens zufällig mit Wahrscheinlichkeit das richtige Verhalten/Mechanik implizit herleiten.

Gruß, Skel

ps zu Gödel: Ich weiss dass meine Sig nicht die gewollte Kernaussage trifft. Aber was bringt die Existenz von Implikationen nicht konstruierbarer Aussagen? Eine Aussage unendlicher Komplexität mag richtig sein, aber ist sie dann wirklich wahr wenn sie nicht beweisbar ist?
Gibt es Aussagen die im "Inneren von R" nicht existieren sondern nur "in R" existieren?
Sprich, ist die Menge aller formulierbaren oder existenten Aussagen für eine potentiell unendliche Menge dieselbe wie für eine aktual unendliche Menge?
Sry, hätte hier jetzt eher das Wort Körper verwenden sollen...
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 25. Jan 2014, 12:56

Skeltek hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben: Evtl. hat sich an dieser Schnittstelle ein Fehler eingeschlichen, der uns heute in die falsche Richtung führt.
Den Physikern sind die mathematischen Probleme durchaus bewusst (Stichwort: Unendlichkeiten und Renormierung in der QFT, Singularitäteten)
Was heißt Schnittstelle? Eine elementare Implikation "Wenn A, dann B" ist durchaus richtig und was anderes sagt der Mathematiker auch nicht.
Es ist Problem des Physikers wenn er etwas für A hält was gar nicht A ist...

Hier rühren auch die Probleme der QM her. Man kann nicht durch Implikation&Ausschluss ein System an real geltenden Gesetzmäßigkeiten eingrenzen, wenn man nicht erkennen kann was man da eigentlich verarbeitet.
EVA fängt bei der Eingabe bzw Erfassung von Daten an. Ohne umfassende Identifikation oder Feststellung des betrachteten Objektes kann man höchstens zufällig mit Wahrscheinlichkeit das richtige Verhalten/Mechanik implizit herleiten.
Ich denke, wir sind uns da ja grundsätzlich einig.

Die wesentlichen Probleme der Physik (insbs. QFT, QG) stammen zwar aus dem Bereichen, wo überabzählbare Mengen verwendet werden, sind jedoch nicht schon deswegen problematisch. Es gibt ja auch andere Anwendungsfälle überabzählbarer Mengen in der Physik (z.B. QM), die unproblematisch sind. D.h. die Probleme der Physik sind Probleme, die durch die unsaubere Anwendung grundsätzlicher unproblematischer Strukturen der Mathematik entstehen!

D.h. man muss die Probleme der Physik (s.o.) und die evtl. existierenden Probleme der Mathematik (oder Meta-Mathematik) sauber trennen; sie haben praktisch nichts miteinander zu tun. Aber die beiden Communities sind sich wechselweise der jeweils anderen Probleme bewusst.
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 25. Jan 2014, 12:58

Trotzdem nochmal der Hinweis:
tomS hat geschrieben:Gleasons Theorem gilt unabhängig von der Physik und macht eine ganz konkrete Aussage über eine bestimmte Eigenschaft von Hilberträumen, die in der QM so realisiert ist. Das ist einer der Punkte, warum sowohl Mathematiker als auch Physiker von einer Entdeckung bekannter Strukturen (im Sinne des Platonismus) und nicht von einer Konstruktion sprechen ... Evtl. lohnt es sich, Gleason’s Theorem nochmal gesondert zu betrachten, um zu verstehen, warum der Platonismus so populär ist.
Wenn Interesse besteht, kann ich das gerne erklären.
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 25. Jan 2014, 13:55

Ja, ich hätte "dieselbe Mathematik modifiziert angewendet" schreiben sollen statt "die Mathematik selbst modifiziert". Ein kleiner Lapsus in meinem sprachlichen Ausdruck...

Ja, die Sache mit Gleasons Theorem klingt interessant. Ich würde gerne mehr dazu hören.

Aber erst noch einmal ein kurzes zusammenfassendes Statement:

Wir haben herausgearbeitet, dass das meiste der vorgetragenen konstruktivistischen Kritik zwar nicht für eine 'reine Mathematik' als Kunstform relevant erscheint, jedoch sehr wohl für eine angewandte Mathematik zumindest relevant sein kann.
Von besonderem Interesse ist für uns hier die Anwendung von Mathematik in der Physik. Hier darf man fordern, dass die dort verwendete Mathematik "physikalisch sinnvoll" sein soll.
Die Aufgabe dies zu gewährleisten fällt vorzugsweise dem theoretischen Physiker zu, wobei er allerdings evtl. der Einschränkung unterliegt nur aus dem Fundus seine Werkzeuge auswählen zu können, den ihm der Mathematiker präsentiert - es sei denn, er übt sich selbst als Mathematiker, wie es wohl z.B. in der Stringtheorie der Fall ist.

An diesem Punkt möchte ich zunächst diese Frage hier erneut anbringen, diesmal nur auf die angewandte, physikalisch relevante Mathematik bezogen:

Steht die Verwendung von Unendlichkeiten, incl. dem Satz des ausgeschlossenen Dritten und der Verwendung der reellen Zahlen in der theoretischen Physik in Konflikt mit Ockhams Sparsamkeitsgebot?

Ich glaube, dass das so ist, weil Unendlichkeiten empirisch nicht zugänglich sind und somit in Wahrheit Unbekanntheiten darstellen, über die man in einem gewissen Umfang nichts Sinnvolles aussagen kann.
Verwendet man sie aber in der Grundstruktur der verwendeten Mathematik, so führt man an diesem Punkt schon zusätzliche, unphysikalische oder zumindest 'un-empirische' Entitäten ein, evtl. ohne das recht zu bemerken.

Daher kann ich zur Diskussion stellen, ob es nicht besser wäre, wenn man auf solche Dinge in der theoretischen Physik gänzlich verzichten und eine rein konstruktivistisch abgesicherte Mathematik verwenden würde? (DAS würde dann die Mathematik fundamental betreffen, soweit es um ihre Anwendbarkeit geht.)


Ich muss in dem Zusammenhang auch noch etwas ergänzen:
seeker hat geschrieben: Ich schiele hier natürlich in Richtung QG/ToE... und da stockt es irgendwie, trotz aller Anstrengungen - das ist zumindest mein Eindruck und ich frage mich, warum das so ist?
Ich sehe mehrere mögliche Gründe:

1. Eine funktionierende QG zu finden (und auch nachzuweisen, DASS sie gefunden wurde) ist tatsächlich ungeheuer schwer

2. Es liegt ein Fehler im Vorgehen vor. Ein solcher Fehler kann sich auf allen Ebenen einschleichen. Die grundlegendste Ebene wäre dabei die Ebene der Mathematik bzw. der verwendeten mathematischen Werkzeuge incl. den dort enthaltenen Grundannahmen bzw. akzeptierten Axiomen. Ein Fehler auf dieser Ebene wäre sehr unangenehm, weil man ihn a) nicht so leicht nachweisen/finden könnte und man b) ganz neu anfangen müsste und man c) erst nach extrem viel neuer Arbeit erfahren würde, ob das dann neue Vorgehen mit anderer Mathematik zum Erfolg führt: Es gibt auf dieser Ebene Dinge, die man nicht a priori als "wahr" oder "unwahr" (im Sinne von: "auf die Natur passend") erkennen kann. Man muss sich also dann doch auf seine Intuition verlassen und hoffen, dass das passt.
Es gibt einen dritten möglichen Grund:

3. Eine eindeutige, funktionierende QG zu finden (und auch nachzuweisen, DASS sie gefunden wurde) ist (uns, in unserer Situation) prinzipiell unmöglich.

Dies wäre die unangenehmste Möglichkeit.
Wäre sie gegeben, so wären wir natürlich dennoch nicht fertig, denn dann wäre es unsere Aufgabe genau herauszufinden, inwieweit, inwiefern und warum es unmöglich ist.
Es gälte dann also nicht vorwiegend die Natur in diesem Bereich zu erforschen, sondern unsere Unwissenheit in diesem Bereich!

Getragen von diesem Gedanken frage ich mich, ob wir evtl. das o.g. Argument zu Ockham einfach nur aus praktischen Gründen ignorieren, a la:
"Wenn wir uns jetzt auch noch in unserer Mathematik beschränken, indem wir nur konstruktive Math. verweden, dann wird es ja noch schwerer eine QG oder ToE zu finden..."

Falls so etwas aber eh nicht gefunden werden könnte (Möglichkeit 3.), dann wäre das Unterfangen ja sowieso aussichtslos und der genannte praktische Gedanke ohne Gewicht.
Eine Mathematik, die schon in ihren Wurzeln unsere Unwissenheit stärker berücksichtigt und mit weniger Entitäten auskommt wäre dann evtl. das bessere Werkzeug?

Grüße
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Skeltek » 25. Jan 2014, 18:41

Ich sehe durchaus eine richtige Prognose der mathematischen Formeln auf z.B. Singularitäten.
SL-Singularitäten treten nicht auf weil dort ein undefiniertes "Kein-Element" existiert, sondern weil sozusagen die "Verknüpfungen" die die Menge auf einen Körper einschränken bzw dazu machen, dort so nicht mehr gelten. (Sry für das Mischen von math. und phys. Terminologie)
Was jetzt entweder bedeuten kann, daß wir entweder die Verknüpfungen bzw Operationen nicht richtig erkannt haben oder die Teilmengen der betrachteten Menge nicht weit genug differenzieren können.
1. Fall: Die extrapolierten Naturgesetze und Formeln sind nicht differenziert genug bzw unvollständig.
2. Fall: Die Teilchen auf die obige Gesetze angewandt werden sind geclusterte Teilchenverbände für die jeweils andere Naturgesetze gelten. Für den Cluster als Ganzes ergibt sich der Satz an geltenden Naturgesetzen lediglich als Überlagerung/Superposition verschiedener Verhaltensweisen für die unterschiedlichen Teilchenkomponenten.
Das Unvermögen die Teilchenkomponenten getrennt zu betrachten(sei es durch Unmöglichkeit der Messung durch makroskopische Teilchen oder Untrennbarkeit) verhindert das Extrapolieren der verschiedenen Formelverbände.
3. Fall: Es existieren unendlich viele verschiedene Naturgesetze für die verschiedenen Cluster der fraktalen Zusammensetzung der existierenden Teilchen, für die sich geltende Naturgesetze lediglich als Ergebniss der Gesammtverhaltensweise des Clusters ergeben.

Für mathematisch unendliche Mengen bedeutet das analog, daß es von der Verknüpfung und der dadurch sich ergebenden möglichen Relationen über der Menge abhängt, ob man Aussagen über die "Null" oder ihre obere Grenze "Unendlich"(als Wert/Größe, nicht als Anzahl) treffen kann oder wie diese Grenze zu interpretieren ist(bezüglich der Verknüpfung).
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 25. Jan 2014, 18:53

seeker hat geschrieben:Wir haben herausgearbeitet, dass das meiste der vorgetragenen konstruktivistischen Kritik zwar nicht für eine 'reine Mathematik' als Kunstform relevant erscheint, jedoch sehr wohl für eine angewandte Mathematik zumindest relevant sein kann.
Haben wir das herausgearbeitet?

Wir haben herausgearbeitet, dass der Anwender dafür verantwortlich ist, passende mathematische Formalismen richtig anzuwenden, und dass der Mathematiker dafür zuständig ist, konsistente Formalismen zu entwickeln. Ich sehe nicht, dass ein Argument des Konstruktivismus hier greift. Er sagt weder etwas zur Anwendung, noch zur Konsistenz des Formalismus.

seeker hat geschrieben:Ich glaube, dass das so ist, weil Unendlichkeiten empirisch nicht zugänglich sind und somit in Wahrheit Unbekanntheiten darstellen, über die man in einem gewissen Umfang nichts Sinnvolles aussagen kann.
Verwendet man sie aber in der Grundstruktur der verwendeten Mathematik, so führt man an diesem Punkt schon zusätzliche, unphysikalische oder zumindest 'un-empirische' Entitäten ein, evtl. ohne das recht zu bemerken.
Man führt sicher un-empirische Entitäten ein. Aber das stört nicht, solange sie korrekte Vorhersagen liefern.

Die Physik sagt aus, dass ein Stein auf einem Planeten in der Andromeda-Galaxie den Newtonschen Gesetzen gehorcht. Ist das nun empirisch überprüfbar? Nein! Lehnst du diese Aussage auch ab?

Zu Ockham:

1) Von mehreren möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
2) Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält, die in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.
(Nach Wikipedia)

Deine Kritik geht an mehreren Punkten fehl.

Zu 1) du hast keine alternative Erklärung derselben Sachverhalte, die ohne Unendlichkeiten auskommt; hättest du sie, könnte man darüber diskutieren.
Zu 2) Es geht um Einfachheit bzgl. der Hypothesen, nicht bzgl. der (ontologischen) Entitäten; nach Ockham wäre eine Theorie mit einigen wenigen Axiomen sowie Unendlichkeiten einer Theorie mit vielen Axiomen jedoch keinen Unendlichkeiten vorzuziehen (sonst würden wir letztlich keine Theorien aufstellen, sondern nur endlich viele Sätze über einzelne Experimente bzw. Beobachtungen formulieren)
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 25. Jan 2014, 18:57

Nochmal ein Hinweis:
tomS hat geschrieben:Die wesentlichen Probleme der Physik (insbs. QFT, QG) stammen zwar aus dem Bereichen, wo überabzählbare Mengen verwendet werden, sind jedoch nicht schon deswegen problematisch. Es gibt ja auch andere Anwendungsfälle überabzählbarer Mengen in der Physik (z.B. QM), die unproblematisch sind. D.h. die Probleme der Physik sind Probleme, die durch die unsaubere Anwendung grundsätzlicher unproblematischer Strukturen der Mathematik entstehen.

D.h. man muss die Probleme der Physik (s.o.) und die evtl. existierenden Probleme der Mathematik (oder Meta-Mathematik) sauber trennen; sie haben praktisch nichts miteinander zu tun.
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 25. Jan 2014, 20:15

seeker hat geschrieben:Es ist sinnlos über eine "Realität" für uns eines Elektrons hinter den Erscheinungen ohne uns zu sprechen, weil das Sprechen an sich schon notwendig immer mit uns/in uns geschehen muss. Das hieße mit uns und ohne uns gleichzeitig haben zu wollen, was ein Widerspruch bzw. eine Unmöglichkeit ist.
(Ich halte das für ein sehr starkes Argument.)

Es erscheinen uns eben immer die nur die Erscheinungen - und zwar immer nur in endlicher Form.
Deshalb ist es besser, wenn wir nicht über die Welt "an sich" ohne uns sprechen, sondern nur über unser Wissen/Unwissen von der Welt, mit uns/in uns.
seeker hat geschrieben:Kann man das Hauptargument entkräften (siehe auch oben), das besagt, dass ein Aussagen über eine Realität ohne uns, das jedoch notwendig in uns/mit uns stattfinden muss sinnleer ist?
Dieses Argument besagt nicht zwangsläufig, dass es keine Realität ohne uns gäbe. Es besagt nur, dass man nicht sinnvoll über diesen Bereich aussagen/denken kann.
Dieses Argument konnte nicht entkräftet werden. Es konnte nur gezeigt werden, dass es für die 'reine Mathematik' als Kunstform kein Problem darstellt.

Und:
seeker hat geschrieben:Nochmals: Es geht mir um eine gänzlich andere Perspektive.
Das potentiell Unendliche wird sozusagen zugelassen - aber eben nur als Potential und nicht als Existenz.

Ich muss nicht fragen, ob eine Menge M existiert, die ich noch gar nicht konstruiert habe.
Deshalb muss ich auch nicht verbieten einer beliebigen endlichen, bekannten Menge M ein weiteres Element hinzuzufügen.

Ich frage einfach nicht mehr nach Existenz ohne mich.
Existenz mit mir ist mir aber immer bekannt - und zwar stets in einer endlichen Form.
D.h.: Ich kann beliebig große Mengen konstruieren, die auch alle existieren. Jedoch: Zwingend muss ich nur die Mengen als existent annehmen, die ich schon konstruiert (aufgeschrieben) habe, nicht die Mengen, die ich erst noch aufschreiben werde. Die erst dann, wenn das auch tatsächlich getan ist. Mehr nicht.
Deshalb darf ich sagen:
"Wir haben herausgearbeitet, dass das meiste der vorgetragenen konstruktivistischen Kritik zwar nicht für eine 'reine Mathematik' als Kunstform relevant erscheint, jedoch sehr wohl für eine angewandte Mathematik zumindest relevant sein kann."
Im Sinne von: "Es ist denkbar und daher wert bedacht zu werden!" Mehr will ich derzeit gar nicht sagen. Ich will nur ein paar Gedankenanstöße geben und diese untersuchen. Mehr nicht.
tomS hat geschrieben:Man führt sicher un-empirische Entitäten ein. Aber das stört nicht, solange sie korrekte Vorhersagen liefern.

Die Physik sagt aus, dass ein Stein auf einem Planeten in der Andromeda-Galaxie den Newtonschen Gesetzen gehorcht. Ist das nun empirisch überprüfbar? Nein! Lehnst du diese Aussage auch ab?
Natürlich nicht. Es gibt aber hier einen gewaltigen Unterschied: Es ist nämlich prinzipiell denkbar den Stein in der Andromedagalaxie empirisch zu untersuchen.
Bei Unendlichkeiten ist genau das nicht gegeben.
Es gibt nun Bereiche, wo wir derzeit nicht erwarten, dass unsere derzeitigen Theorien korrekte Vorhersagen liefern. Darum geht es.
Was heute schon mit Newton korrekt beschrieben werden kann, soll man so beschreiben. Dasselbe bei der ART und QM.

tomS hat geschrieben:Zu Ockham:

1) Von mehreren möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
2) Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält, die in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.
(Nach Wikipedia)
Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hast du selbst in diesem Forum schon argumentiert, dass es bei Ockham um die Anzahl der verwendeten Entitäten geht.
Unendlichkeiten SIND Hypothesen bzw. verwendete Entitäten.
tomS hat geschrieben:Deine Kritik geht an mehreren Punkten fehl.

Zu 1) du hast keine alternative Erklärung derselben Sachverhalte, die ohne Unendlichkeiten auskommt; hättest du sie, könnte man darüber diskutieren.
Zu 2) Es geht um Einfachheit bzgl. der Hypothesen, nicht bzgl. der (ontologischen) Entitäten; nach Ockham wäre eine Theorie mit einigen wenigen Axiomen sowie Unendlichkeiten einer Theorie mit vielen Axiomen jedoch keinen Unendlichkeiten vorzuziehen (sonst würden wir letztlich keine Theorien aufstellen, sondern nur endlich viele Sätze über einzelne Experimente bzw. Beobachtungen formulieren)
Wie gesagt: Sieh es nicht als Kritik oder Alternativtheorie sondern als Einladung zum Nachdenken. Es mag jeder selbst damit anfangen, was er möchte.
Natürlich habe ich noch keine alternative Erklärung derselben Sachverhalte. Wie auch? Ich lade nur dazu ein darüber nachzudenken, ob so eine alternative Erklärung/Beschreibung denkbar ist. Wie auch immer das bei Ockham ist, eine Theorie, die ohne Unendlichkeiten auskäme, jedoch dies nicht gleichzeitig mit anderen Zusatzaxiomen erkaufen müsste (warum sollte das auch zwangsläufig so sein?) erschiene mir 'einfacher'.

Und es geht um die Frage, ob eine alternative physikalische Sichtweise auf die Natur sinnvoll und möglich ist. Es geht nicht einmal um "entweder oder", sondern um "sowohl als auch".
Es geht um die Frage, ob man der Standardperspektive "Wie ist die Natur?" nicht auch noch die Perspektive "Was wissen wir/wissen wir nicht prinzipiell (über die Natur)?" hinzufügen kann/sollte - und ob man dem auch mathematisch Rechnung tragen kann: Statt nur zu beschreiben, wie die Natur (ohne uns) IST, auch zu beschreiben, wie die Natur (mit uns/in uns), als Wissen/Unwissen erscheint.
Im ersteren Fall verwendet man eben auch nicht-empirische Entitäten, im letzteren Fall nicht.

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Skeltek » 26. Jan 2014, 03:52

Geht es bei Ockham nicht ums Spreu vom Weizen trennen?
Überflüssiges entfernen und relevantes übrig lassen?
Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Pauschalisierung des Vorzugs der einfacheren Theorie.
Aber selbst wenn man ihn so auffasst:
Bei jedem hinreichend komplexen Zusammenhang ist es extremst unwahrscheinlich, daß alle elementaren Bausteine und Implikationen die einfachste Form haben.
Es ist unabdingbar, daß bei jedem genügend großen logischen Gebilde mindestens bei ein paar Komponenten eben nicht der einfachste mögliche Mechanismus dahintersteckt.
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 26. Jan 2014, 10:14

seeker hat geschrieben:Dieses Argument konnte nicht entkräftet werden. Es konnte nur gezeigt werden, dass es für die 'reine Mathematik' als Kunstform kein Problem darstellt.
Aber wir sprechen über die reine Mathematik.
seeker hat geschrieben: Es geht mir um eine gänzlich andere Perspektive ... Ich frage einfach nicht mehr nach Existenz ohne mich ... Zwingend muss ich nur die Mengen als existent annehmen, die ich schon konstruiert (aufgeschrieben) habe, nicht die Mengen, die ich erst noch aufschreiben werde.
Ja, klar, das ist die intuitionistische Perspektive I,

Ich bestreite nicht, dass man sie einnehmen kann. Ich bestreite aber, dass du unter Verwendung dieser Perspektive einen logischen Widerspruch in der platonischen Perspektive P konstruieren darfst. Du sagst "meine Perspektive ist I, deshalb ist folgender Satz o.ä. in P falsch". Das ist aber ein Glaubenssatz, kein Beweis. Du kannst keinen Beweis konstruieren, ohne zuvor ein Axiomensystem festzulegen. Hast du dieses Axiomensystem einmal festgelegt, gilt der Beweis genau für dieses Axiomensystem, nicht für ein anderes.
seeker hat geschrieben:"Wir haben herausgearbeitet, dass das meiste der vorgetragenen konstruktivistischen Kritik zwar nicht für eine 'reine Mathematik' als Kunstform relevant erscheint, jedoch sehr wohl für eine angewandte Mathematik zumindest relevant sein kann."
Im Sinne von: "Es ist denkbar und daher wert bedacht zu werden!" Mehr will ich derzeit gar nicht sagen. Ich will nur ein paar Gedankenanstöße geben und diese untersuchen. Mehr nicht.
OK. Da magst du recht haben. Ich bin zwar nicht deiner Meinung, aber du kannst diese Meinung natürlich vertreten.
seeker hat geschrieben:Was heute schon mit Newton korrekt beschrieben werden kann, soll man so beschreiben. Dasselbe bei der ART und QM.
Wenn du in der Newtonschen Mechanik u.a. Theorien nun aber Unendlichkeiten verwendest, dann kannst du doch zumindest annehmen, dass du das auch in anderen Theorien darfst. Du wirst diese Idee natürlich verwerfen, sobald du einen Widerspruch findest, den du auf die Verwendung der Unendlichkeiten zurückführen kannst. Aber diesen Widerspruch gaben wir heute nicht. Deswegen kannst du Unendlichkeiten ablehnen, musst du aber nicht.

Nochmal: natürlich haben wir konzeptionelle Probleme in der Physik, aber sie haben m.E. nichts mit der hier diskutierten Meta-Mathematik zu tun. Um eine (zumindest prinzipiell) nachweislich widerspruchsfreie Mathematik zu verwenden, müsstest du (nach Gödel) sogar auf die Arithmetik der ganzen Zahlen verzichten.
seeker hat geschrieben:Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hast du selbst in diesem Forum schon argumentiert, dass es bei Ockham um die Anzahl der verwendeten Entitäten geht.
Unendlichkeiten SIND Hypothesen bzw. verwendete Entitäten.
Nein. Ich habe immer argumentiert, dass es bei Ockham NICHT um Entitäten geht, die z.B. als Theorem folgen oder physikalischen Objekten entsprechen, sondern NUR um Hypothesen, in der Mathematik also um Axiome. In der ZFC-Mengenlehre handelt es sich dabei um

http://de.wikipedia.org/wiki/Zermelo-Me ... xiome_1907
http://de.wikipedia.org/wiki/Zermelo-Fr ... ZF_und_ZFC

und insbs. um

http://de.wikipedia.org/wiki/Auswahlaxiom
seeker hat geschrieben:Natürlich habe ich noch keine alternative Erklärung derselben Sachverhalte. Wie auch? Ich lade nur dazu ein darüber nachzudenken, ob so eine alternative Erklärung/Beschreibung denkbar ist. Wie auch immer das bei Ockham ist, eine Theorie, die ohne Unendlichkeiten auskäme, jedoch dies nicht gleichzeitig mit anderen Zusatzaxiomen erkaufen müsste (warum sollte das auch zwangsläufig so sein?) erschiene mir 'einfacher'.
Ja!
seeker hat geschrieben:Statt nur zu beschreiben, wie die Natur (ohne uns) IST, auch zu beschreiben, wie die Natur (mit uns/in uns), als Wissen/Unwissen erscheint.
Im ersteren Fall verwendet man eben auch nicht-empirische Entitäten, im letzteren Fall nicht.
Nun, die QM (die Grundlagenforschung) befasst sich intensiv mit der Fragestellung, welche Rolle der Beobachter und der Messprozess spielen.

Aber grundsätzlich: eine physikalische Theorie wird immer nicht-empirische Entitäten enthalten.
Heisenberg <Der Teil und das Ganze> hat geschrieben:Heisenberg: "Die Bahnen der Elektronen im Atom kann man nicht beobachten....Da es aber doch vernünftig ist, in eine Theorie nur die Größen aufzunehmen, die beobachtet werden können, schien es mir naturgemäß, nur diese Gesamtheiten, sozusagen als Repräsentanten der Elektronenbahnen einzuführen".

"Aber Sie glauben doch nicht im Ernst", entgegnete Einstein, "daß man in eine physikalische Theorie nur beobachtbare Größen aufnehmen kann".

"Ich dachte", fragte ich erstaunt, "daß gerade Sie diesen Gedanken zur Grundlage Ihrer Relativitätstheorie gemacht hätten?"...

"Vielleicht habe ich diese Art von Philosophie benützt", antwortete Einstein, "aber sie ist trotzdem Unsinn...Denn ist es ja in Wirklichkeit genau umgekehrt. Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann".
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 26. Jan 2014, 11:33

OK.
Zunächst möchte ich noch bemerken, dass ich nicht einsehe nur einen Standpunkt haben zu dürfen.
Ich spiele lieber mit verschiedenen Perspektiven. Das nächste mal versuche ich mich vielleicht wieder hinter den Platonismus zu stellen.
Ich habe das Gefühl, dass wenn ich so handle, dass ich dann jedesmal etwas dazulerne.

Dann möchte ich noch sagen, dass einem meine Argumentation vielleicht sehr penibel vorkommen kann.
Das mag sein. Aber ich denke, wenn man heute noch überhaupt irgendwelche Risse/Fehlstellen im Fundament unserer Wissenschaft finden will, dann muss man halt schon sehr genau und penibel hinsehen und auch dem kleinsten Hinweis nachgehen. Ob daraus was wird, steht in den Sternen. Es ist mehr eine Tat, die durch das scheinbare Stocken in den äußersten Bereichen der Physik motiviert ist. Es ist die Frage: Wenn es im Dachbau im 200sten Stock nicht recht weitergeht, liegt das dann allein an den dort verwendeten Ziegeln oder ist vielleicht auch mit dem Fundament etwas nicht in Ordnung?
tomS hat geschrieben:Aber wir sprechen über die reine Mathematik.
Na ja, ich hätte halt gerne auch über die theoretische Physik gesprochen.
tomS hat geschrieben:Ja, klar, das ist die intuitionistische Perspektive I,

Ich bestreite nicht, dass man sie einnehmen kann. Ich bestreite aber, dass du unter Verwendung dieser Perspektive einen logischen Widerspruch in der platonischen Perspektive P konstruieren darfst. Du sagst "meine Perspektive ist I, deshalb ist folgender Satz o.ä. in P falsch". Das ist aber ein Glaubenssatz, kein Beweis. Du kannst keinen Beweis konstruieren, ohne zuvor ein Axiomensystem festzulegen. Hast du dieses Axiomensystem einmal festgelegt, gilt der Beweis genau für dieses Axiomensystem, nicht für ein anderes.
Ja, einverstanden. Dennoch ist es denkbar (obwohl ich es nicht beweisen kann), dass eine intuitionistische Mathematik besser auf die theoretische Physik passt. Ob das so ist, kann man erst dann wissen, wenn man es getan hat, wenn man versucht hat darauf etwas aufzubauen. Meine Vermutung beruft sich dabei letztlich alleine auf meine Intuition und kann daher auch genausogut völlig daneben sein - das ist richtig.

tomS hat geschrieben:Wenn du in der Newtonschen Mechanik u.a. Theorien nun aber Unendlichkeiten verwendest, dann kannst du doch zumindest annehmen, dass du das auch in anderen Theorien darfst. Du wirst diese Idee natürlich verwerfen, sobald du einen Widerspruch findest, den du auf die Verwendung der Unendlichkeiten zurückführen kannst. Aber diesen Widerspruch gaben wir heute nicht. Deswegen kannst du Unendlichkeiten ablehnen, musst du aber nicht.
Richtig, ich muss nicht. Nur: Damit, dass es bisher gut funktioniert hat, ist keinesfalls bewiesen, dass das auch in Zukunft so sein muss. Hier schlägt das Induktionsproblem zu.

Es könnte ja auch im übertragenen Sinne so sein:

Ein Maler versucht eine Landschaft möglichst originalgetreu zu malen. Leider verwendet er dafür Farben, die für diesen Zweck nicht ganz optimal sind, ohne es zu merken.
Daher geht das sehr lange gut. Mit seinen ersten Bildern der Landschaft ist er sehr zufrieden. Er will die Landschaft nun aber immer genauer malen.
Irgendwann kommt er aber nicht mehr weiter. Was er auch versucht, seine Bilder wollen einfach nicht mehr besser werden. Er überlegt nun, ob seine Maltechnik und sein Pinselstrich vielleicht verbesserungswürdig sind. Er probiert andere Pinsel aus. Er untersucht auch die Lichtverhältnisse, usw.
Aber auf die Idee, dass es auch an der Zusammensetzung seiner Farben liegen könnte kommt er leider nicht.
tomS hat geschrieben:Aber grundsätzlich: eine physikalische Theorie wird immer nicht-empirische Entitäten enthalten.
Wenn das so ist, wäre es vielleicht sinnvoll zumindest so wenig nicht-empirische Entitäten wie möglich zu verwenden.
Das muss nicht nur die Unendlichkeiten betreffen, sondern kann ganz allgemein geschehen.

Ich habe einfach den Verdacht, dass uns evtl. schon viel zu lange gesagt worden ist, dass die ganze Geschichte eh soo unanschaulich ist und dass man sich damit abfinden müsste.
Bei dem was ich aber im Moment an forderster Front von ToE und QG mitbekomme habe ich auch die Befürchtung, dass wir vielleicht genau dann eine funktionierende ToE haben werden, wenn wir sie (als die Menschen, die wir nunmal sind) prinzipiell nicht mehr verstehen können, womit das ganze Unterfangen ad absurdum geführt wäre.
Daher ist es vielleicht lohnenswert den Menschen mit seinen Eigenschaften, seiner Situation und seinen Fähigkeitsgrenzen wieder mehr ins Zentrum der Dinge zu rücken.
Der Mensch ist das Maß aller Dinge!

"Denn ist es ja in Wirklichkeit genau umgekehrt. Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann."
Das ist die entscheidende Frage! Gilt hier "so oder so", "scharz oder weiß", "entweder oder"? Oder gilt vielleicht nicht vielmehr "sowohl als auch"?

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von breaker » 26. Jan 2014, 12:45

tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hast du selbst in diesem Forum schon argumentiert, dass es bei Ockham um die Anzahl der verwendeten Entitäten geht.
Unendlichkeiten SIND Hypothesen bzw. verwendete Entitäten.
Nein. Ich habe immer argumentiert, dass es bei Ockham NICHT um Entitäten geht, die z.B. als Theorem folgen oder physikalischen Objekten entsprechen, sondern NUR um Hypothesen, in der Mathematik also um Axiome. In der ZFC-Mengenlehre handelt es sich dabei um ...
Aber ist es nicht so, dass Unendlichkeitendazu führen, dass man weitere Hypothesen benötigt?

(Klugscheißer-Beispiel: QED. Die Ein-Loop-Amplitude des Photonpropagators gibt einem ein divergentes Integral. Wenn man an dieser Stelle keine Zusatzannahme machen will, muss man sagen "Tja, pech, die Theorie hat nicht funktioniert, weil sie falsche Zahlenwerte vorhersagt." Man muss die Zusatzannahme machen, dass physikalische Größen in Wirklichkeit Grenzwerte von Ausdrückan sind, die man mit regularisierten Integralen berechnet hat.)

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 26. Jan 2014, 13:09

breaker, mit Unendlichkeiten meine ich hier (unproblematische) unendliche Mengen wie reelle Zahlen, Mannigfaltigkeiten etc., nicht problematische(!) Unendlichkeiten wie Divergenzen.
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 26. Jan 2014, 13:18

seeker, ich gebe dir grundsätzlich recht, dass du diesen Standpunkt einnehmen darfst. Ich sage ja nur, dass man ihn nicht zwingend einnehmen muss, und dass man aus dem einen Standpunkt keinen logischen Widerspruch zum anderen ableiten (beweisen) kann. Ich sage auch nur, dass ich dir bei deiner Argumentation nicht folge, weil ich eine andere Überzeugung habe, nicht weil deine Argumentation falsch wäre (solange du über Möglichkeiten, Alternativen, ... und nicht über logische zwingende Notwendigkeiten des Perspektivenwechsels sprichst).

Zu "aber wir sprechen über die reine Mathematik" und "ich hätte halt gerne auch über die theoretische Physik gesprochen".

Klar, können wir machen, aber zuerst müssen ja mal die Grundsatzfragen klar sein. Mir war wichtig, dass die nicht-konstruktivistische Position wenig zusätzliche Probleme in die Mathematik einführt, die nicht bereits implizit enthalten sind (Widerspruchsfreiheit von ZFC nicht beweisbar, daher bereits elementare Arithmetik nicht beweisbar widerspruchsfrei). Und dass die Probleme, die sie einführt (z.B. das C in ZFC), wenig mit den heute im Vordergrund stehenden physikalischen Problemen zu tun haben (Divergenzen, Singularitäten, QG).

Wenn du dir ein "konstruktivistisches" Forschungsprogramm anschauen möchtest, dann solltest du dich evtl. mal mit "causal sets" auseinandersetzen.
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von breaker » 26. Jan 2014, 13:44

tomS hat geschrieben:breaker, mit Unendlichkeiten meine ich hier (unproblematische) unendliche Mengen wie reelle Zahlen, Mannigfaltigkeiten etc., nicht problematische(!) Unendlichkeiten wie Divergenzen.
Achso, dann alles klar!

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Pippen » 26. Jan 2014, 20:00

seeker hat geschrieben:Nachtrag:
Falls sich mein Eindruck so bestätigt, dann muss ich wohl sagen, dass unsere derzeitige Mathematik in ihren Grundfesten (wie die Naturwissenschaften) nur eine empirische Wissenschaft ist, die damit auch dem Induktionsproblem unterliegt!

Grüße
seeker
Das ist sowieso der Fall, denn jeder Mathematiker muss die undefinierbaren Grundbegriffe seiner Wissenschaft bereits vorher verstehen, wie sich zB "=" bzw. Gleichheit verhalten. Das ist aber keine Mathematik mehr, sondern Empirie und Hermeneutik.

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Pippen » 26. Jan 2014, 20:08

tomS hat geschrieben: [

Man setzt ein Axiomensystem oder Postulate voraus, und beweist innerhalb dieses Systems Theoreme.
Was aber, wenn man in einem System für eine Theorie (noch) keinen Beweis gefunden hat? Was ist eine math. Hypothese wert, die (noch) unbewiesen ist? Die Goldbasche Vermutung ist schlicht (noch) nicht aus den jweiligen Axiomen herleitbar und damit ist sie genauso wenig herleitbar wie 1+1=7...und damit wertlos. Dass sie schon jetzt wahr oder falsch ist, ist richtig, aber eben trivial. Es steht auch in dieser Sekunde fest, ob unser Omniversum (sic) endlich oder unendlich ist, aber ohne einen Beweis ist das pure Spekulation ala Münzwurf.

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 26. Jan 2014, 23:35

Pippen hat geschrieben:Was aber, wenn man in einem System für eine Theorie (noch) keinen Beweis gefunden hat? Was ist eine math. Hypothese wert, die (noch) unbewiesen ist?
Eine noch unbewiesene Hypothese ist ein Arbeitsauftrag ;-)
Eine nachweislich unbeweisbare Hypothese bedeutet eine Beschränkung eines Systems, eine Eigenschaft, dass kein Beweis existiert (eine Art negative Erkenntnis). Und die bedeutet eine Wahlfreiheit, denn nun kannst du neue inäquivalente Systeme konstruieren, in denen sie wahr ist, oder falsch ist, oder unbeweisbar bleibt.
Pippen hat geschrieben:Die Goldbasche Vermutung ist schlicht (noch) nicht aus den jweiligen Axiomen herleitbar und damit ist sie genauso wenig herleitbar wie 1+1=7...und damit wertlos.
Die Goldbachsche ist eine unbewiesene Hypothese, die wahr oder falsch sein kann, obwohl wir das noch nicht wissen; 1+1=7 ist sicher falsch. Das sollte man schon auseinanderhalten.
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 27. Jan 2014, 10:05

tomS hat geschrieben:seeker, ich gebe dir grundsätzlich recht, dass du diesen Standpunkt einnehmen darfst. Ich sage ja nur, dass man ihn nicht zwingend einnehmen muss, und dass man aus dem einen Standpunkt keinen logischen Widerspruch zum anderen ableiten (beweisen) kann. Ich sage auch nur, dass ich dir bei deiner Argumentation nicht folge, weil ich eine andere Überzeugung habe, nicht weil deine Argumentation falsch wäre (solange du über Möglichkeiten, Alternativen, ... und nicht über logische zwingende Notwendigkeiten des Perspektivenwechsels sprichst).
So wollte ich verstanden werden. Dann sind wir uns ja in wesentlichen Dingen einig.
Es würde mir nicht einfallen z.B. zu sagen, dass man z.B. zukünftig keine Unendlichkeiten mehr verwenden darf/soll.
Alles was ich sage ist: "Hey, schaut euch die DInge doch auch einmal von jener Perspektive aus an und überlegt ob und was man damit zusätzlich zum normalen Vorgehen anfangen kann! Vielleicht kommt da ja was Gescheites oder Interessantes bei raus. Wer weiß?"

Ich vertrete auch nicht diese scharfe entweder/oder Haltung, wie es wohl manche Konstruktivisten und manche Platonisten tun:
"Entweder sind mathematische Objekte konstruiert oder sie wurden entdeckt."
Ich vertrete stattdessen eine sowohl-als-auch-Haltung!

Was ich sage ist:

Wenn man gewisse Grundaussagen akzeptiert, die notwendig sind um überhaupt etwas sagen zu können, dann kann es keinen Zweifel daran geben, dass Mathematik von uns konstruiert wird! (Aber wichtig dabei: "Konstruiert" in einer abgeschwächt verstandenen Form, im Sinne von "Es wurde (von uns) getan!", "Mathematik wird von uns betrieben!")
DAS ist das, was wir mit der größtmöglichen Gewissheit wissen bzw. alle akzeptieren MÜSSEN, gleich welcher philosophischen Schule man anhängt.

Ob darüber hinaus mathematische Strukturen auch entdeckt werden, wie es die platonische Sichtweise verlangt, ist ungewisser!
Ich sage nicht dass die platonische Annahme falsch sei. Ich sage auch nicht, dass sie richtig sei.
Was ich sage ist: "Vielleicht ist sie richtig, vielleicht ist sie falsch. Ich weiß das nicht und kann es nicht wissen!"
Ich sage dabei auch nicht, dass mathematische Strukturen rein nur konstruiert werden, als reines Gedankenkonstrukt! Das ist wichtig und da unterscheide ich mich wohl von den "Fundis".
Ich sage auch dazu: "Das weiß ich nicht und kann es nicht wissen!"
Ich richte meine Fokus also auf mein Nicht-Wissen/Wissen (und die Sicherheit desselben), statt auf irgendwelches von mir postuliertes Sein außerhalb von mir über das ich eh nichts wissen kann.

Deshalb erschiene es mir sinnvoll, wenn man in einer zweiten mathematischen bzw. theoretisch-physikalischen Schule soweit als möglich keine Annahmen verwenden würde, die aus diesem Bereich stammen.
Wenn es doch getan wird (in der ersten Schule), so soll das klar identifiziert werden, damit man die beiden Vorgehensweisen stets klar voneinander getrennt, miteinander vergleichend betrachten kann.

Der Gedanke dahinter:
Wenn es zwei mögliche Sichtweisen gibt, die reale Konsequenzen im Handeln/Vorgehen haben und man aus prinzipiellen Gründen nicht entscheiden kann, welche die "wahre/richtige" ist, dann ist es logisch beide Wege zu gehen bzw. zu untersuchen.

Ich werde evtl. noch versuchen das Ganze konkreter zu machen, damit es fassbarer wird.
Das muss ich aber erst noch überdenken, bevor ich Ideen für konkretes Vorgehen vorstellen kann.
Ob mir das gelingt weiß ich nicht. So tief bin ich nicht in der Materie drin. Dazu bräuchte es ausgewachsene Mathematiker.

Du sprichst auch von "problematischen" und "unproblematischen" Unendlichkeiten, wobei du immerhin die ersteren einer Überprüfung für Wert hälst, jedoch die letzteren nicht.
Da bin ich noch nicht sicher, ob ich voll bei dir bin: Ich will erst noch überzeugt werden, ob z.B. die Menge R wirklich so unproblematisch ist.
Bei solchen Dingen wie R sprechen wir immerhin endlich über ganz grundlegende Dinge...

Um nochmal mein Gleichnis mit dem Maler zu bemühen:
Wenn unser Maler in all seinen Farben z.B. einige Silberpartikel drin hat, es aber in der Landschaft, die er möglichst genau malen will, keinerlei Silber gibt, dann wird er das erst sehr spät merken, wenn er schon sehr genaue Bilder malt. Es wird erst dann an Grenzen stoßen, wo seine Bilder einfach nicht mehr besser werden.

Deshalb sollte man sehr genau hinschauen, ob auch die absoluten mathematischen Grundlagen "physikalisch" sind oder nicht, wenn man mit ihnen und auf ihnen aufbauend die Natur möglichst treffend beschreiben (können) will.


Auf jeden Fall: Aus meiner Sicht ist das ein guter und interessanter Thread hier!

Danke noch für Deinen Beitrag "Platonismus am Beispiel der Viele-Welten-Theorie".
Das ist hohes Niveau und das muss ich mir erst noch in Ruhe genauer anschauen, um zu verstehen, was du erkären willst.


Grüße
seeker
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 27. Jan 2014, 12:38

Danke für den Beitrag. Ich denke, er fasst sehr viel zusammen und wir haben weitgehend Konsens. Es gibt wenig Physiker, die sich um derartige Themen kümmern; die meisten sind im shut-up-and-calculate Syndrom bzw. der publish-or-perish Mühle :-(
Gruß
Tom

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