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"unendlich" -> "unbekannt"?

Mathematische Fragestellungen
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"unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 19. Jan 2014, 15:36

Der Philosoph Wittgenstein hat einmal gesagt: "Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen."
Ich möchte in dem Zusammenhang den Gedanken vorstellen, dass man nicht über die Dinge ‚an sich‘ sprechen sollte, sondern nur drüber, was wir von den Dingen wissen.
Denn über das, was wir nicht wissen, kann man nicht sinnvoll sprechen – und man sollte dahingehende Begriffe auch in der Sprache vermeiden.

Mit diesem Rüstzeug möchte ich den Begriff „unendlich“ in der Mathematik untersuchen:

Wie wir schon öfter gesehen haben gibt es immer wieder Schwierigkeiten und Verwirrungen um diesen zunächst sprachlichen Begriff.
Zunächst müssen wir diese Frage hier untersuchen: Ist „unendlich“ ein Ding bzw. eine Eigenschaft?
Nein, das ist es nicht. Es ist vielmehr das Fehlen einer Eigenschaft, eben der Eigenschaft ein Ende zu haben bzw. endlich zu sein. „Unendlich“ ist also eine Nicht-Eigenschaft bzw. eine Un-Ding und hat somit keine eigentliche Existenz.
Das sprachliche Problem ist nun, dass wir, wenn dir dieses Un-Ding „unendlich“ nennen, so tun als wäre es eine existierende Eigenschaft bzw. ein Ding, von dem wir Wissen hätten.
Es ist aber so, dass wir gerade eben KEIN Wissen darüber haben. Wissen haben wir immer nur von Grenzen bzw. Endlichkeiten: Anfang, Ende, usw.
Somit darf man behaupten bzw. zur Diskussion stellen, ob das Wort „unendlich“ nicht (bes. auf unsere darauf aufbauenden Gedankengänge) irreführend ist und durch ein besseres Wort ersetzt werden sollte.

Das möchte ich hiermit tun: Ich schlage vor „unendlich“ durch „unbekannt“ zu ersetzten.

Damit hätte z.B. die Menge der natürlichen Zahlen nicht "unendlich viele Elemente", sondern "unbekannt viele Elemente". Das wäre korrekter, weil wir uns nun nicht mehr auf ein postuliertes Ding (es ist keines!, s.o.) „unendlich viele Elemente“ außerhalb/unabhängig von uns beziehen (von dem wir nicht wissen, da keiner von uns alle Elemente von N je sehen wird), sondern auf unser „Wissen von den Elementen“ von N, welches stets begrenzt sein wird: Wir kennen sie nicht in konkreter, aufgeschriebener Form.

Warum hat N unbekannt viele Elemente? Weil ich zu jeder Zahl n, die ich auswählen und aufschreiben kann und somit kenne (erst nachdem sie aufgeschrieben wurde!), z.B. 781453798368 stets weitere Zahlen n+1, n+2, n+3, … finden kann, die ich aber noch nicht kenne, da ich sie ja noch nicht aufgeschrieben habe (schon gar nicht alle).

Mit diesem Denken kommt man auch zur Erkenntnis, dass es verschiedene Unbekanntheiten gibt.
Bei N z.B. ist mir zwar die Anzahl der Elemente unbekannt, jedoch ist mir bekannt, dass ich sie prinzipiell nacheinander abzählen kann. Dies ist z.B. bei R nicht gegeben, womit die Menge R noch unbekannter ist: „unabzählbar-unbekannt“.

Die Zahlen in R würden auch nicht „unendlich dicht“ liegen, sondern „unbekannt dicht“ und auch zum Großteil (zumindest soweit es die transzendenten Zahlen betrifft) auch selbst unbekannt sein, denn ich kann keine von ihnen exakt, also zur Gänze kennen, da ich sie nicht gänzlich berechnen und auch nicht aufschreiben kann. Ebenso kann ich in R zu keiner Zahl, die ich dort kenne (z.B. die 1) die direkte Nachfolgerzahl kennen, womit alle Nachbarzahlen von bekannten Zahlen in R unbekannt sind.

Nochmals zur Erklärung:
Traditionell geht man von unabhängig von uns existierenden Zahlen und mathematischen Objekten aus (als Ideale), über die man mehr oder minder vollständige Aussagen trifft.
Die von mir vorgeschlagene Perspektive tut das nicht. Sie verneint irgendwelche Aussagen über Dinge bzw. Ideale, von denen wir nicht wissen als unzulässige, da sinnlose Postulate und besagt, dass nur das existiert, über das wir Aussagen treffen können. Und auch nur dann, wenn wir dies auch tun bzw. getan haben!
(Zur Einordnung: Ich denke, das ist konstruktivistisches Gedankengut.)
Diese Perspektive verneint also irgendwelche Aussagen über von uns unabhängige Existenzen, da wir darüber nichts sagen können, denn immer wenn wir etwas sagen, so ist das Objekt der Aussage sofort abhängig von uns, da es in unserem Geist erscheint. Also können wir zu allem anderen nicht anders als schweigen.

Kurz:
Der Fokus des Denkens wird von der Frage „Was IST?“ zu der Frage „Was kenne bzw. weiß ich?“ gelenkt.

Man kann mit diesem Gedankengut nun in einer ersten Stufe nur hergehen und versuchen unsere beschreibenden sprachlichen Wörter über die Mathematik zu bereinigen ohne die Mathematik selbst in irgendeiner Form zu verändern. (Ich denke hier lägen weniger Probleme vor. Man könnte hier leichter einen Konsens erzielen.)
In einem weiteren Schritt könnte man aber auch versuchen die Mathematik selbst zu bereinigen und auf ganz neue Füße zu stellen, indem man u.a. schon in ihrer Konstruktion bzw. Definition alle Unbekanntheiten als solche identifiziert und so manche Schlussfolgerung aus Unbekanntem unterlässt, nur aus dem Bekannten heraus weiterkonstruiert…


Anmerkungen, Stellungnahmen, Meinungen dazu?


Beste Grüße
seeker
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Skeltek » 19. Jan 2014, 19:23

Sagt mal sind ursprünglicher Begriff und Bedeutung von "endlich" im Sprachgebrauch jetzt auf einmal völlig unbekannt?
Am Ziel ankommen, etwas erreichen nach einer signifikanten Wartezeit oder bedeutenden Anzahl an Widerholungen?
unendlich bedeutet lediglich, daß eine Grenze/Ziel die man erreichen kann nicht existiert. Wofür ein neues Wort erfinden und später womöglich wieder die Bedeutung uminterpretieren?
Das Fehlinterpretieren der Bedeutung von "unendlich" ist völlig sinnfrei, wenn man danach ein neues Wort mit der ursprünglichen Bedeutung oder ähnlicher erfindet.
Es ist wichtig was das Wort bedeutet und nicht was oder welches Abstraktum im Kopf man im Laufe seiner Kindheit damit naiverweise assoziieren gelernt hat.
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 19. Jan 2014, 20:31

Man kann unendlich sicher in verschiedener Weise gebrauchen. In bestimmten Bereichen wird es tatsächlich wie ein "Ding" verwendet, aber soweit müssen wir ja jetzt gar nicht gehen. Unendlich ist einfach das Gegenteil bzw. die Negation von endlich, also nicht-endlich.

Bsp. 1: die Menge {1,2,3} hat endlich viele Elemente
Bsp 2: die Menge {1,2,3,...} hat nicht endlich viele Elemente; d.h. sie hat unendlich viele Elemente

Und das ist etwas anderes als "unbekannt viele" Elemente. Die Menge der Primzahlen hat unendlich viele Elemente, die Menge der Primzahlzwillinge hat (zumindest für uns heute) unbekannt viele Elemente. Der Unterschied sollte klar sein.
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Skeltek » 19. Jan 2014, 20:48

tomS hat geschrieben: Bsp. 1: die Menge {1,2,3} hat endlich viele Elemente
Solange du einsiehst, daß diese Kurzform der Wortverwendung bereits seit Gedenken(Jahrhunderte? Jahrtausende?) relativ schlaxig gebraucht wird... jede syntaktisch sematisch 100%ig korrekte Benutzung wäre viel länger.
Wieso kürzt man den Sachverhalt derart in ein so kurzes Wort in einem so kurzen Satz? Weil es wohl aufwendig wäre es richtig zu gebrauchen und es kein Problem damit gab, da "ohnehin" jeder damals wusste was gemeint ist.
Seit Generationen hören kleine Kinder wie das Wort gebraucht wird und assoziieren seine Bedeutung. Welche genaue Bedeutung man glaubt herausgehört zu haben differiert nun leider von Person zu Person.
Für mich war es schon immer im Konext von "nie endend", als ich erkannte, daß andere Unendlich eine aktuelles Größenmaß zuordnen war ich erstmal etwas irritiert.

Ich denke solange jeder seine persönliche Vorstellung davon was das Wort bedeutet an die tatsächliche Bedeutung anpassen würde, hätten wir auch weniger Kommunikations- und Begriffsprobleme bei der Verwendung, Diskussion und Handhabung damit.
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 20. Jan 2014, 00:10

Ich glaube, ihr habt es noch nicht ganz begriffen, worauf ich hinaus will.
Dazu ist zugegebenermaßen ein Gedankensprung nötig.
tomS hat geschrieben:Unendlich ist einfach das Gegenteil bzw. die Negation von endlich, also nicht-endlich.
Eben darum geht es aber ist das tatsächlich so?
"Endlich" ist eine Eigenschaft, die man sozusagen "sehen" kann. Unendlich ist das Fehlen dieser Eigenschaft und nicht das Gegenteil und ist somit Nicht-Ding.
Wenn du sagst Unendlich wäre das Gegenteil von Endlich, dann verdinglichst du schon das Nicht-Ding.

Analogie:
zu "Ding": Eine Kreisfläche ist ein Ding, das existiert.
zu "Nicht-Ding": Ein rundes Loch in einer Fläche ist kein Ding. Es existiert nicht. Was existiert, ist die Fläche um das Loch herum.
Ein Loch ist nicht das Gegenteil einer Kreisfläche sondern das dortige Fehlen einer Fläche bzw. der Eigenschaft 'Fläche' zu sein.

Wenn du sagst "die Menge {1,2,3,...} hat unendlich viele Elemente", dann sprichst du über eine Menge, die du gar nicht kennst, in dem Sinne, dass man sie tatsächlich GANZ und DIREKT zu fassen bekommen würde, indem man sie komplett aufschreibt, was eben nicht möglich ist.
Und du sprichst damit etwas, das du gar nicht vollständig kennst eine konkrete Existenz per Schlussfolgerung statt direkter Beobachtung zu. Genau das ist in einem strengen Sinne nicht ganz sauber, weil es letztlich ein Postulat ist. Dementgegen ist hier die Bezeichnung "unbekannt" kein Postulat sondern ein Faktum und auch sozusagen ehrlicher ausgedrückt.

Ich sage daher:
Bsp. 1: die Menge {1,2,3} hat bekannt viele Elemente, da "endlich" immer "prinzipiell bekannt" bedeutet.
Bsp 2: die Menge {1,2,3,...} hat nicht bekannt viele Elemente; d.h. sie hat prinzipiell unbekannt viele Elemente

Ich frage also aus diesem Standpunkt heraus nicht, was diese Mengen 'an sich' SIND (diese Frage lehne ich als sinnlos ab), sondern was mir über sie BEKANNT IST (bzw. sein kann) und was ich daher sagen kann und was nicht.

Nochmals:
Meine Kernaussage lautet, dass es besser ist, wenn man von diesen verdinglichten Idealen wegkommt, die man ja doch nicht ganz zu fassen bekommt, deren Existenz nicht gesichert ist.
Sicherer ist es, wenn man auf dem Boden der Dinge bleibt, die man kennt bzw. kennen kann, deren Existenz direkt gesichert ist.
Es ist also besser, wenn man sich darauf zurückzieht nur über die Dinge zu reden (und ihnen gesicherte Existenz zuzuschreiben) von denen man weiß und möglichst wenig postuliert - und den nicht ganz greifbaren Idealen somit keine Existenz zubilligt (zumindest keine relevante, über die man sinnvoll sprechen kann).
tomS hat geschrieben:Die Menge der Primzahlen hat unendlich viele Elemente, die Menge der Primzahlzwillinge hat (zumindest für uns heute) unbekannt viele Elemente. Der Unterschied sollte klar sein.
Ja. Deshalb muss man noch zwischen "uns derzeit unbekannt" und "prinzipiell unbekannt" unterscheiden. Ich meine das letztere.
Man muss sicher auch noch weiter zwischen verschiedenen "Unbekanntheiten" verfeinern, um exakte Aussagen generieren zu können: WAS ist unbekannt? WIE ist es unbekannt?

Grüße
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Skeltek » 20. Jan 2014, 02:56

Das ist eine relativ konstruktivistische Auffassung.
Prinzipiell gebe ich dir recht, daß eine Menge grundsätzlich endlich aufzufassen sein sollte und die Unendlichkeit mehr etwas mit der potentiellen Erweiterungsfähigkeit zu tun hat.
Jede existente Zahl hat einen endlichen Wert relativ zu 1, ist also ein endliches Vielfaches davon.

Versuch die Mengendefinition eher als Versuch zu betrachten, alle möglichen Zahlen zusammenzufassen und eine "Grenze" "drumherum" zu ziehen; als "Framework" sozusagen.
Auch wenn man noch nicht bis n gezähl hat, ist der "Platz" den das erreichen dieser Zahl repräsentieren würde bereits vorhanden.

Zu sagen die Menge {1,2,3,...} hätte unendlich viele Elemente ist völlig gleichbedeutend mit der Aussage "wenn man unaufhörlich weiterzählen kann, zählt man unaufhörlich Zahlen auf"...
Für mich hat das Umformulieren ein und desselben Sachverhalts keinen nennenswerten Unterschied erbracht...
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 20. Jan 2014, 07:21

Skeltek hat geschrieben:
tomS hat geschrieben: Bsp. 1: die Menge {1,2,3} hat endlich viele Elemente
Solange du einsiehst, daß diese Kurzform der Wortverwendung bereits seit Gedenken(Jahrhunderte? Jahrtausende?) relativ schlaxig gebraucht wird...
Nee, wieso soll das so sein?
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 20. Jan 2014, 07:21

Man kann es auch komplizierter machen als es eh' schon ist.
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Skeltek » 20. Jan 2014, 08:25

Naja, ich dachte eher an "viel" repräsentiert eine Anzahl, das Wort endlich ist nicht Mengen-technisch sondern zähltechnisch aufzufassen...
"unendlich lange" oder "unendlich oft" ist eher damit kompatibel; "unendlich viel" wird zwar gebraucht, ist aber eigentlich unsinnig...
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 20. Jan 2014, 08:27

Vielleicht wird es im Gegenteil auch einfacher...

Ich denke über zwei Dinge nach:

1.) Kann man sprachlich (und damit auch in unseren Gedankengängen!) auf den Begriff "unendlich" zugunsten von (z.B.!, das steht zur Diskussion) "unbekannt" verzichten?
2.) Kann man eine leistungsfähige Mathematik formulieren, die auf Unendlichkeiten zugunsten von Unbekanntheiten verzichtet?

Grüße
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Fuzzlix » 20. Jan 2014, 08:30

Hallo zusammen.

Ich habe den Eindruck, Seeker ist auf dem richtigen (gedanklichen) Weg. Meine Überlegungen gehen genau in die gleiche Richtung, auch wenn ich bischen andere Worte benutze aber das ist egal.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass ich "etwas" NICHT kann. Schlussendlich sind diese verneinenden Aussagen die einzigen Aussagen, die wir - von den Naturgesetzen einmal abgesehen - mit Absolutheitsanspruch machen können.

Nehmen wir zum Beispiel den Ausspruch einer berühmten Zeitgenossin: "I am not amused." Ausgesprochen präzise und unangreifbar formuliert! Hätte Sie (nun eingedeutscht) gesagt: "Ich bin verärgert." dann könnte Widerspruch aufkommen in der Art: "Für bischen verärgert war das aber schon ganz schön heftig - das war schon "wütend". Woraufhin sich gleich wieder Widerspruch regt in der Art: Naaaa wütend war das noch nicht. Das Porzelan ist alles noch in einem Stück und der Kronleuchter hängt auch noch.
Also: verneinende Aussagen können - geschickt formuliert - einen Absolutheitsanspruch haben. Bejahende Aussagen haben die Chance auf absolute Gültigkeit - abgesehen von den Naturgesetzen - niemals.

Daher auch die Probleme der Wissenschaft beim Versuch alles "ganz genau" beschreiben und formulieren zu wollen. Solange eine Wissenschaft diesen "Genauigkeitsanspruch" unhinterfragt verfolgt, wird sie bei der Beschreibung der Welt scheitern. (Das gilt ganz im Besonderen für die Aussagen der Mathematik.)

Grüße.
Fuzzlix.
Sagt das eine Nichts zum anderen "Ich bin nicht du."

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 20. Jan 2014, 08:59

Ihr denkt eher im Rahmen der sogenannten "konstruktivistischen Schule" bzw. des Intuitionismus von Brouwer und Nachfolgern. Kann man tun und ist sicher nicht falsch, aber insgs. wenig populär.

http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktive_Mathematik
http://de.wikipedia.org/wiki/Intuitioni ... athematik)
http://de.wikipedia.org/wiki/Finitismus
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 20. Jan 2014, 09:39

Es gab auch mal eine Zeit, wo das heliozentrische Weltbild wenig populär war...
Ich denke es lohnt sich solche konstruktivistische Richtungen zu untersuchen.

Mein 2.) (Mathematik mit Unbekanntheiten statt Unendlichkeiten) führt übrigens -soweit ich das überblicke- zu einer diskreten Mathematik.

Grüße
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 20. Jan 2014, 09:54

seeker hat geschrieben:Ich denke es lohnt sich solche konstruktivistische Richtungen zu untersuchen.
Ja, wie gesagt, kann man machen. Aber ich persönlich halte wenig davon, da ich einfach eine andere Sichtweise auf die Mathematik habe.
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Falke » 21. Jan 2014, 07:25

Hallo Seeker,
Zunächst müssen wir diese Frage hier untersuchen: Ist „unendlich“ ein Ding bzw. eine Eigenschaft?
Nein, das ist es nicht. Es ist vielmehr das Fehlen einer Eigenschaft, eben der Eigenschaft ein Ende zu haben bzw. endlich zu sein. „Unendlich“ ist also eine Nicht-Eigenschaft bzw. eine Un-Ding und hat somit keine eigentliche Existenz.
Man kann es aber auch so sehen:
  • Das Endliche hat die Eigenschaft endlich zu sein
  • Das Unendliche hat die Eigenschaft nicht-endlich zu sein.
Dem Endlichen fehlt die Eigenschaft nicht-endlich zu sein, und dem Unendlichen fehlt die Eigenschaft endlich zu sein. Entweder sind also beide ein Unding (in Deinen Worten) oder keines von beiden.

Eine Eigenschaft wird nicht deshalb unreal oder zu einem Unding nur weil es mit dem Wort „nicht-“ beginnt. Wenn man z.B. von einem Objekt sagt, es hat die Eigenschaft nicht-groß zu sein, so ist es ja auch kein Unding, sondern das Objekt ist halt einfach nur klein.
Das möchte ich hiermit tun: Ich schlage vor „unendlich“ durch „unbekannt“ zu ersetzten.
Die begriffliche Ersetzung verbessert die Situation nicht. Der Begriff „unbekannt“ kann auch der Anzahl einer endlichen Menge angeheftet werden. So mag z.B. die Anzahl der Leute in einer U-Bahnstation am 7.11.1984 in New York unbekannt sein. (Sie war aber gewiss endlich.)

Die Anzahl der Elemente einer unendlichen Menge ist übrigens nicht unbekannt sondern im Gegenteil ganz genau festgelegt und daher auch ganz genau bekannt: Die Anzahl ist unendlich.

Gewiss, man mag einwenden, dass unendlich keine Anzahl oder Zahl im Sinne einer natürlichen Zahl ist, dennoch: Wenn wir sagen, die Anzahl ist unendlich, so weiß jeder was damit gemeint ist. Aber – und das ist eben der Punkt – der bloße Name „unendlich“ sagt uns nichts über das Wesen von Unendlichkeit. Das gilt aber für alle unsere Begriffe.

Wenn wir z.B. den Begriff „Elektron“ verwenden, dann ist damit eine bestimmte Qualität im Universum gemeint. Was dieses Elektron dem Wesen nach aber tatsächlich ist, ist unbekannt, noch nie hat jemand ein Elektron gesehen. Genauso ist es auch mit dem Begriff unendlich: Es bezeichnet eine bestimmte Qualität, wir wissen was gemeint ist, wir wissen aber nicht was es dem Wesen nach ist, noch nie hat jemand das Unendliche gesehen.
Gruß Falke

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 21. Jan 2014, 09:34

Hallo Falke,
wir müssen etwas aufpassen. Wir sind so gewohnt das Wort bzw. den Begriff "unendlich" zu verwenden, dass es schwer fällt überhaupt noch ohne diesen Begriff zu denken.
Versuche es einfach einmal und schau, was dann herauskommt bzw. was dann noch gedacht werden kann.
Mit der Unendlichkeit hängt ein Sack voll Paradoxa zusammen, die evtl. alle verschwinden, wenn man den Begriff streicht.
Falke hat geschrieben:Man kann es aber auch so sehen:

Das Endliche hat die Eigenschaft endlich zu sein
Das Unendliche hat die Eigenschaft nicht-endlich zu sein.

Dem Endlichen fehlt die Eigenschaft nicht-endlich zu sein, und dem Unendlichen fehlt die Eigenschaft endlich zu sein. Entweder sind also beide ein Unding (in Deinen Worten) oder keines von beiden.
Daran habe ich schon gedacht. Du gehst hier aber a priori (als Rahmenbedingung, Voraussetzung) davon aus, dass es ein "Unendlich" gäbe und schlussfolgerst dann, dass es ein Unendlich als Nicht-Endlich gibt und begehst daher einen Zirkelschluss.
Das Umgekehrte, die a priori Annahme der Existenz des Endlichen ist zulässig, weil du das Endliche per Erfahrung/Beobachtung kennst, das Unendliche aber nicht.
D.h.: Als Mensch darfst du a priori (bzw. durch Erfahrung gesichert) nur von der Existenz der Eigenschaft "Endlich" ausgehen.

Der Ausgangspunkt meiner ganzen Logik hier ist:
Es ist uns unmöglich sinnvoll eine andere Perspektive als die des Menschen einzunehmen. Alles was je gedacht oder erfunden oder erkannt oder ausgesagt wurde ist im Geist des Menschen geschehen! Es ist uns unmöglich sinnvolle Aussagen zu treffen, die nicht im Geist des Menschen erscheinen. Da aber nur das Endliche im Geist des Menschen erscheinen kann (wir können nur in endlichen Begriffen wirklich denken), ist der Begriff "unendlich" in gewisser Weise nur eine leere Worthülse.

Außerdem kommen wir hier zum anzweifelbaren Satz des ausgeschlossenen Dritten:
Nur weil etwas nicht-schwarz ist, muss es noch lange nicht weiß oder grün sein. Es kann auch einfach überhaupt keine Farbe haben. Wenn etwas (z.B. auch ein Stein!) nicht-weiblich ist, dann muss es nicht automatisch männlich sein: Es kann auch ein Neutrum sein.
Ergo: Wenn ich weiß, dass etwas nicht-weiblich oder nicht-endlich ist, dann weiß ich nur das und nichts weiter. Ich kann allein daraus nicht ein postuliertes Gegenteil (als real existierendes Ding) schlussfolgern, das ich noch nie gesehen habe, sondern nur meine Ungewissheit bzw. Unkenntnis erkennen und aussagen. Ich muss dann sagen: "Es ist unbekannt!"
Falke hat geschrieben:Die begriffliche Ersetzung verbessert die Situation nicht. Der Begriff „unbekannt“ kann auch der Anzahl einer endlichen Menge angeheftet werden. So mag z.B. die Anzahl der Leute in einer U-Bahnstation am 7.11.1984 in New York unbekannt sein. (Sie war aber gewiss endlich.)
Wie schon gesagt: Man müsste den Begriff "unbekannt" verfeinern: "prinzipel unbekannt", "derzeit unbekannt", usw.
Ich meine hier wie schon gesagt "prinzipiell unbekannt" (prinzipiell im Sinne von: es ist unmöglich direkt zu erkennen).

Falke hat geschrieben:Die Anzahl der Elemente einer unendlichen Menge ist übrigens nicht unbekannt sondern im Gegenteil ganz genau festgelegt und daher auch ganz genau bekannt: Die Anzahl ist unendlich.
Nein. "Unendlich" meint gerade, dass diese Anzahl nicht festgelegt bzw. definiert ist. "Unendlich" ist hier keine Zahl.
Eine nicht festgelegte Menge ist jedoch unbekannt, im Sinne von "wir wissen es nicht und können es nicht wissen".
Falke hat geschrieben:Gewiss, man mag einwenden, dass unendlich keine Anzahl oder Zahl im Sinne einer natürlichen Zahl ist, dennoch: Wenn wir sagen, die Anzahl ist unendlich, so weiß jeder was damit gemeint ist. Aber – und das ist eben der Punkt – der bloße Name „unendlich“ sagt uns nichts über das Wesen von Unendlichkeit. Das gilt aber für alle unsere Begriffe.
Darum geht es mir: Dieses Mem "Unendlich" hat sich so sehr in unsere Gedankengänge eingegraben, dass wir nicht mehr darauf verzichten wolllen und uns auch einbilden, wir wüssten, was das ist und dass es ein sinnvoller Begriff wäre. Das hinterfrage ich.
Man kann das tun, wenn man einmal versucht die Dinge gänzlich ohne dieses Wort zu betrachten und ergründet, was man dann noch sieht/erkennen/aussagen kann bzw. welche Perspektive sich daraus ergibt, wenn man nicht mehr fragt "Was IST es?" sondern nur noch "Was kann ich davon kennen/wissen?".
Falke hat geschrieben:Wenn wir z.B. den Begriff „Elektron“ verwenden, dann ist damit eine bestimmte Qualität im Universum gemeint. Was dieses Elektron dem Wesen nach aber tatsächlich ist, ist unbekannt, noch nie hat jemand ein Elektron gesehen. Genauso ist es auch mit dem Begriff unendlich: Es bezeichnet eine bestimmte Qualität, wir wissen was gemeint ist, wir wissen aber nicht was es dem Wesen nach ist, noch nie hat jemand das Unendliche gesehen.
Eben! Wir wissen da (bei "unendlich") gar nichts! Wir bilden uns nur ein, wir wüssten was gemeint ist - aus Gewohnheit.
Vom Elektron haben wir aber empirisches Wissen. Das ist ein Unterschied. Real für uns ist aber dann auch nicht das Elektron, sondern nur die Erscheinungen des Elektrons.

Es ist sinnlos über eine "Realität" für uns eines Elektrons hinter den Erscheinungen ohne uns zu sprechen, weil das Sprechen an sich schon notwendig immer mit uns/in uns geschehen muss. Das hieße mit uns und ohne uns gleichzeitig haben zu wollen, was ein Widerspruch bzw. eine Unmöglichkeit ist.
(Ich halte das für ein sehr starkes Argument.)

Es erscheinen uns eben immer die nur die Erscheinungen - und zwar immer nur in endlicher Form.
Deshalb ist es besser, wenn wir nicht über die Welt "an sich" ohne uns sprechen, sondern nur über unser Wissen/Unwissen von der Welt, mit uns/in uns.

Grüße
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 21. Jan 2014, 12:57

seeker, ich gebe zu, dass das Problem des "aktual-unendlichen" existiert und nicht einfach zu fassen ist; es gibt da diverse Probleme (Überabzählbarkeit, Kontinuumshypothese, Auswahlaxiom, unentscheidbare Mengen, ...) die alle nicht aus der Erfahrung ableitbar sind und die man evtl. streichen kann; ggf. kann man sich da auf den Standpunkt zurückziehen, dass es aktual unendliche Mengen nicht gibt.

Aber das Problem des "potentiell-unendlichen" kannst du nicht wegdiskutieren, denn es existiert bereits für den einfachen Falkl des Zählens.

Wenn du zulässt, dass für eine endliche Menge M eine Anzahl der Elemente n = |M| definierbar ist, und wenn zu zulässt, dass du dieser Menge ein neues Element hinzufügst und dadurch eine neue Menge M' mit |M'| = n+1 konstruierst, dann bist du bereits mit dem Problem potentiell unendlicher Mengen konfrontiert; und dieses Problem könntest du nur dadurch wegdiskutieren, dass du für irgendein festes, endliches Nmax verbietest, dass du zu dem entsprechenden M ein M' konstruierst, also dass du verbietest, ein weiteres Element hinzuzufügen - eine offensichtlich willkürliche und unsinnige Maßnahme.

D.h. m.E. musst du zwingend (und ich denke, da stimmen die Intuitionisten zu) miot potentiell unendliochen Mengen vernünftig arbeiten
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 21. Jan 2014, 13:23

Nochmals: Es geht mir um eine gänzlich andere Perspektive.
Das potentiell Unendliche wird sozusagen zugelassen - aber eben nur als Potential und nicht als Existenz.

Ich muss nicht fragen, ob eine Menge M existiert, die ich noch gar nicht konstruiert habe.
Deshalb muss ich auch nicht verbieten einer beliebigen endlichen, bekannten Menge M ein weiteres Element hinzuzufügen.

Ich frage einfach nicht mehr nach Existenz ohne mich.
Existenz mit mir ist mir aber immer bekannt - und zwar stets in einer endlichen Form.
D.h.: Ich kann beliebig große Mengen konstruieren, die auch alle existieren. Jedoch: Zwingend muss ich nur die Mengen als existent annehmen, die ich schon konstruiert (aufgeschrieben) habe, nicht die Mengen, die ich erst noch aufschreiben werde. Die erst dann, wenn das auch tatsächlich getan ist. Mehr nicht.

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 21. Jan 2014, 20:27

Ja, das ist die Perspektive des Konstruktivismus.

Sie ist möglich, aber damit noch nicht richtig (oder falsch). Viele Mathematiker nehmen eher eine platonistische Perspektive ein.
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 22. Jan 2014, 00:05

Was kann man dem entgegenhalten?
Kann man das Hauptargument entkräften (siehe auch oben), das besagt, dass ein Aussagen über eine Realität ohne uns, das jedoch notwendig in uns/mit uns stattfinden muss sinnleer ist?
Dieses Argument besagt nicht zwangsläufig, dass es keine Realität ohne uns gäbe. Es besagt nur, dass man nicht sinnvoll über diesen Bereich aussagen/denken kann.
Mir fällt derzeit keine stichhaltige Entkräftung ein.

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 22. Jan 2014, 01:12

Ich denke, es gibt keine.

Ich wüsste nicht, das eine philosophische Deutungsrichtung oder Schule heute behaupten kann, eine eindeutige, beweisbar richtige und anerkannte Ontologie zu haben. Es gibt viele Schulen, Ausprägungen, Varianten etc., und etliche haben zumindest sinnvolle und nachvollziehbare Argumente auf ihrer Seite.

In der Philosophie der Mathematik halten es viele mit dem Platonismus, d.h. sie gehen davon aus, dass ein mathematisches Objekt unabhängig von seiner Entdeckung, seinem Beweis o.ä. existiert.

Nehmen wir folgendes Beispiel: Die Riemannsche Vermutung besagt, dass alle nicht-trivialen Nullstellen der Riemannschen ζ-Funktion bei Re(z) = 1/2 liegen (es gibt sicher unendlich viele Nullstellen; es gibt sogar sicher unendlich viele Nullstellen, für die die Vermutung gilt; aber es könnte trotzdem weitere Nullstellen geben, für die sie nicht gilt). Nun unterscheiden wir zwei Fälle:
A) die Riemannsche Vermutung ist wahr (im folgenden uninteressant)
B) die Riemannsche Vermutung ist falsch; d.h. es gibt ein minimales n (das die Nullstellen nach wachsenden Beträgen nummeriert) so dass für die n-te Nullstellen gilt Re(z[down]n[/down]) ≠ 1/2.
Der Konstruktivist kann über den Fall (B) heute wenig sagen, denn dieses (angenommene) Gegenbeispiel wurde noch nicht gefunden; für ihn ist die Riemannsche Vermutung weder wahr noch falsch (sondern unbewiesen). Der Platonist besteht unabhängig von der Existenz des Gegenbeispiels darauf, dass die Riemannsche Vermutung entweder wahr oder falsch ist, obwohl wir noch nicht wissen, was tatsächlich zutrifft.
Nehmen wir nun an, eines Tages wird eine nicht-triviale Nullstellen gefunden, für die Re(z[down]n[/down]) ≠ 1/2 gilt; es gälte also (B) und die Riemannsche Vermutung wäre falsch. Der Platoniker würde darauf bestehen, dass es diese Zahl z[down]n[/down] unabhängig von unserer Kenntnis und der Existenz des Beweises schon immer gab, und dass (B) schon immer wahr gewesen ist. D.h. er würde das Finden des Beweises als "Entdecken eines bereits ewig existierenden z[down]n[/down]" interpretieren. Der Konstruktivist würde dagegen nicht von einer Entdeckung sondern von einer Konstruktion sprechen.

Viele Mathematiker, die sich lange und eingehend mit ihrem Fach beschäftigt haben, empfinden die Konstruktion eines Beweises nicht als Konstruktion, sondern als ein Entdecken (Livingston hat die Quellen des Nil nicht konstruiert, sondern entdeckt)
Gruß
Tom

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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Fuzzlix » 22. Jan 2014, 04:11

tomS hat geschrieben:.. D.h. er würde das Finden des Beweises als "Entdecken eines bereits ewig existierenden z[down]n[/down]" interpretieren. Der Konstruktivist würde dagegen nicht von einer Entdeckung sondern von einer Konstruktion sprechen.
Viele Mathematiker, die sich lange und eingehend mit ihrem Fach beschäftigt haben, empfinden die Konstruktion eines Beweises nicht als Konstruktion, sondern als ein Entdecken (Livingston hat die Quellen des Nil nicht konstruiert, sondern entdeckt)
Wenn ich es mir nun bei keiner der beiden Schulen verderben wollte, könnte ich sagen "Herr XY hat Dies-und-jenes als Erster beschrieben"
Und schon tritt diese mir überflüssig erscheinende Unterscheidung nicht mehr auf.

guts Nächtle.
Fuzzlix.
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von tomS » 22. Jan 2014, 07:09

Fuzzlix hat geschrieben:Wenn ich es mir nun bei keiner der beiden Schulen verderben wollte, könnte ich sagen "Herr XY hat Dies-und-jenes als Erster beschrieben"
Und schon tritt diese mir überflüssig erscheinende Unterscheidung nicht mehr auf.
Natürlich kannst du das tun, aber du vermeidest dadurch die Festlegung deines Standpunktes. Was ist deine Auffassung? Welche Existenz kommt deiner Meinung nach mathematischen Strukturen zu? Akzeptierst du die potentielle sowie die Aktualität Unendlichkeit? Wie beschreibst du die prinzipiell nicht konstruierbaren reellen Zahlen? Akzeptierst du nicht-konstruktive Beweise? Gilt für dich der Satz vom ausgeschlossenen Dritten?

Du musst dich nicht festlegen, aber du hast dich sicher eine bestimmte Sichtweise und eine Meinung zu diesen Fragen. Darum geht es.
Gruß
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von seeker » 22. Jan 2014, 09:14

Na gut. Das war mir so ungefähr auch schon bekannt, hilft mir aber als Bestätigung/Überprüfung meiner Gedanken dennoch weiter.
tomS hat geschrieben:Nehmen wir nun an, eines Tages wird eine nicht-triviale Nullstellen gefunden, für die Re(zn) ≠ 1/2 gilt; es gälte also (B) und die Riemannsche Vermutung wäre falsch. Der Platoniker würde darauf bestehen, dass es diese Zahl zn unabhängig von unserer Kenntnis und der Existenz des Beweises schon immer gab, und dass (B) schon immer wahr gewesen ist. D.h. er würde das Finden des Beweises als "Entdecken eines bereits ewig existierenden zn" interpretieren. Der Konstruktivist würde dagegen nicht von einer Entdeckung sondern von einer Konstruktion sprechen.
Ich denke, ich vertrete entweder im Moment eine Zwischenposition oder ich vertrete eine konstruktivistische Position und beginne erst jetzt wirklich zu verstehen, was diese bedeutet...

Denn:
Ich behaupte ja nicht, dass hier in diesem Beispielszenario (B) schon immer wahr gewesen wäre (und widerspreche damit also den Platonikern), ich behaupte aber auch nicht das Gegenteil, dass (B) eine reine Konstruktion wäre, die ohne uns nicht existieren würde! Ich behaupte nur, dass sich diese Frage gar nicht sinnvoll stellen lässt, was sich auch darin zeigt, dass sie unentscheidbar ist, wenn man sie dennoch stellt!
Allein aus dieser Unentscheidbarkeit heraus schlussfolgere ich meine Unwissenheit und schließe, dass daher die Position der Platoniker "unsauber" ist und daher die Position der Konstruktivisten die Position ist, die auf sichererem Boden steht. Das ist ein Unterschied!

Nochmal:
Beim Finden eines mathematischen Beweises kann ich sagen, dass dieser sicher konstruiert wurde (im Sinne von: "es wurde getan"; da wird mir auch kein Platoniker widersprechen).
Ob darüber hinaus auch eine Entdeckung einer ewigen Wahrheit "ohne uns" stattgefunden hat (wie die Platoniker behaupten) ist für mich prinzipiell unentscheidbar (auch da kann mir wohl keiner widersprechen).
Daraus schlussfolgere ich, dass es unzulässig ist die Frage nach "Entdeckung" oder "Nicht-Entdeckung" überhaupt zu stellen, da sie sinnlos ist.
Daher finde ich mich dann bei den Konstruktivisten wieder, obwohl ich nicht behaupte, dass keine Entdeckung stattgefunden hätte (ich behaupte aber auch nicht das Gegenteil).

Wenn diese Schlussfolgerungen unangreifbar wären, wie könnte man dann dem Platonismus konsistent folgen?
Ignoriert man hier einfach? Sagt man: "Ja, das ist so, aber die platonische Haltung ist ja soo nützlich und bis jetzt ging's ja gut! Also folgen wir weiter dieser Richtung!"
Ist das alles, was man vorbringen kann?

Ich weiß nicht, aber da wäre mir dann doch etwas unwohl dabei... besonders wenn man bedenkt, welch unerhörte Auswirkungen diese Position auf all unser Denken hat, auch außerhalb der reinen Mathematik, auch auf die Naturwissenschaften, auch auf unser Weltbild...
Womöglich wäre ja das alles dann auf Sand gebaut??

Grüße
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Re: "unendlich" -> "unbekannt"?

Beitrag von Pippen » 22. Jan 2014, 10:11

Ich sehe das Problem nicht darin, dass man nicht über das (aktuell oder potentiell) Unendliche sprechen, sondern dass man es nicht beweisen kann. Denn wir können uns außerhalb trivialer Postulation der Unendlichkeit nur vorstellen, dass etwas "immer noch um eins weiter geht". Damit können wir uns aber immer nur einen zusätzlichen Schritt "eins weiter" vorstellen, nicht die Nicht-Endlichkeit dieses ganzes Verfahrens, denn dazu müssten wir quasi alle Schritte überblicken. Ich neige daher zum strikten Finitismus, wo jede Menge begrenzt/endlich sein muss.

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