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05. Einschub – Das Standardmodell

Verfasst: 1. Mär 2009, 21:59
von tomS
[anker]5[/anker]5. Einschub – Das Standardmodell

Die bisher vorgestellten Konzepte bilden zusammen das sogenannte Standardmodell der Elementarteilchenphysik (wobei natürlich viele wesentliche Details noch nicht diskutiert wurden).

[anker]5-1[/anker]5.1 Erfolge

Das Standardmodell erklärt bis dato alle bekannten Phänomene bzw. Experimente der Elementarteilchenphysik. Zunächst konnte es die Masse-Erzeugung für Z- und W-Bosonen und damit die Schwäche der schwachen Kraft erklären sowie die Masse von Z- und W- korrekt vorhersagen. Vorausgegangen waren bereits die Präzisionsergebnisse zur QED. Dann konnte die Flavor-Symmetrie der starken Kraft (Quarkmodell) und die zugrundeliegende Dynamik (QCD) erklärt sowie deren wesentlichen Eigenschaften asymptotischen Freiheit (Quarks verhalten sich bei hohen Energien wie freie Teilchen) und Color-Confinement (demzufolge Quarks immer in farbneutralen Mehr-Quark-Systemen gebunden sind) verstanden werden. Letzteres ist jedoch noch etwas unbefriedigend, da dies ausschließlich mit (inzwischen sehr präzisen) Computersimulationen gelingt; es gibt analytische Fortschritte, mathematische Beweise fehlen jedoch.
Es gibt ggw. keinerlei Anzeichen für Phänomene im heute zugänglichen Bereich, die sich nicht mit dem Standardmodell erklären lassen. Demnach sollte das Standardmodell immer als Näherung einer möglicherweise umfassenderen Theorie Gültigkeit behalten (wie z.B. die Newtonsche Gravitationstheorie als Näherung der ART).

[anker]5-2[/anker]5.2 Mögliche Falsifizierung

Die Achillesferse des Standardmodells ist das Higgs-Boson. Es wird benötigt, um den an sich masselosen W- und Z-Bosonen eine Masse zu verleihen, ohne deren Eichsymmetrie zu zerstören. Das Higgs-Boson konnte bisher noch nicht experimentell nachgewiesen werden; sollte dies auch am LHC nicht gelingen, wäre das Standardmodell teilweise falsifiziert. Insgs. erscheint das Higgs etwas künstlich, ein dynamischer Mechanismus zur Erzeugung der Massen wäre wünschenswert.
Diskutierte Effekte jenseits des Standardmodells würden bei Nachweis wohl eher auf eine Erweiterung (z.B. Supersymmetrie) denn auf eine Widerlegung hindeuten.

Auf das Higgs-Boson, den Mechanismus der spontanen Symmetriebrechung und die Erzeugung der Teilchenmassen gehe ich später im Abschnitt zur schwachen WW noch im Detail ein.

[anker]5-3[/anker]5.3 Probleme und Grenzen des Standardmodells
  • Das Standardmodell bietet keine Erklärung, wieso gerade die o.g. Teilchen und Symmetrien existieren und keine anderen.
  • Es gibt keine Erklärung, warum es genau drei Fermion-Generationen gibt.
  • Das Standardmodell bietet keine Erklärung für das Higgs-Boson.
  • Das Standardmodell umfasst ca. 20 freie Parameter, deren Werte es nicht erklären kann (u.a. die Massen der Fermionen)
  • Es gäbe einige natürliche Erweiterungen oder Modifizierungen des Standardmodells, jedoch keine Erklärung, warum diese nicht existieren; u.a. wäre ein CP-verletzender Term in der QCD möglich; es ist nicht geklärt, warum er exakt Null ist.
  • Es gibt eine geringe CP-Verletzung der schwachen Wechselwirkung; es ist unklar, warum diese so klein ist.
  • Hierarchie-Problem: Das Standardmodell hat zwei verschiedenen Energieskalen, zum einen die Skala der elektro-schwachen Wechselwirkung (bzw. Masse von W- und Z-Boson), zum anderen eine Skala, bei der alle WWs ca. gleich stark werden (GUT-Skala, mit heutigen Beschleunigern nicht erreichbar). Es gibt keine Erklärung, warum diese Skalen so unterschiedlich sind, denn man würde erwarten, dass sie durch dynamische Effekte von der gleichen Größenordnung sind.
  • Das Standardmodell bietet keine Kandidaten für die sogenannte dunkle Materie.
  • Unbefriedigend ist, dass häufig die einzige Methode zur Lösung die sogenannte Störungstheorie ist; bei ihrer Durchführung erhält man Unendlichkeiten, die man durch einen Trick eliminieren muss, was mathematisch unbefriedigend ist; außerdem ist wohl die gesamte Störungsreihe nicht vollständig summierbar, sondern divergent. Dies scheint jedoch weniger ein Problem des Modells selbst, sondern eher ein Problem der fehlenden mathematischen Werkzeuge
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