Hallo Diagnostiker
Diagnostiker hat geschrieben: ↑7. Jun 2022, 15:03
Ich denke, das ist zu simpel gedacht. Zunächst ging es darum, den Grund des Glaubens mittels eines einzigen Arguments aufzuzeigen, dem sich auch der ungläubige Tor nicht verschließen kann. Die Debatte mit Anselms Zeitgenossen Gaunilo zeigt, dass sehr wohl eine hoch geistige Diskussion über die Überzeugungskraft dieses Arguments stattgefunden hat und in der Folge auch in den Jahrhunderten danach nicht abriss. Die römisch-katholische Kirche war auf eine rationale Begründung der Existenz Gottes nicht angewiesen. Die Lektüre der Bibel bot Hinweise genug, um den Glauben zu begründen.
Das vor tausend Jahren anders diskutiert worden ist und mit Sicherheit auch hoch geistig, daran zweifle ich nicht im geringsten. Mir ging es bei allem was ich bis jetzt zu dem Thema schrieb , um die Verknüpfung mit der Gegenwart. Man darf auch nicht vergessen, wer damals gegen die Kirche sprach oder schrieb, der fand sich ganz schnell nicht mehr unter den Lebenden und da die Bibel "Gottes Wort" war, also unfehlbar, musste man sich mit ihr auseinandersetzen, wenn man Kritik äußerte.
Heute sollte aber die Grundlage dieser Diskussion(die Bibel)nicht mehr vorhanden sein, weil einfach nichts zu falsifizieren und verifizieren ist.
Warum nimmt man sich nicht wenigstens Personen, die real waren?
Mao oder Hitler z.B.
In der Ideologie der Nazis war Hitler Deutschland und Deutschland war Hitler. Darüber hinaus gab es nichts, es war auch nichts denkbar und wenn es jemand tat, dann war er entweder geistesgestört, er leidet an mangelnder Intelligenz, oder er ist sonst irgendwie nicht zurechnungsfähig.
Natürlich wirst du jetzt einwenden das der Vergleich wohl hinkt, weil es hier ja schließlich um den "allmächtigen" Gott ging und nicht um eine Person und natürlich gibt es über Mao noch andere Menschen........etc.
Es geht mir aber um den Mechanismus und er ist bei allen Gott/Personenkulte der gleiche für mich.
Die Bibel als Grundlage, oder eine "hoch geistige " Diskussion. die aus Passagen einstanden ist, halte ich für Obsolet.
Ist halt eines der Nachteile des Homo Sapiens Gehirn, dass eben nicht immer in Echtzeit denken muss und sich deswegen die abenteuerlichsten Geschichten zusammen zimmert. (Was uns aber zu dem gemacht hat, was wir heute sind)
Diagnostiker hat geschrieben: ↑7. Jun 2022, 15:03
Für die Festigung der Macht war das Edikt des Pariser Bischofs Tempier aus dem Jahr 1277 viel relevanter, da hierbei der Philosophie die Rolle der "Magd der Theologie" zugewiesen wurde und eigenständigem Denken u.a. in Gestalt des lateinischen Averroismus (Siger von Brabant) eine Absage erteilt wurde. Hier sah sich die Kurie in ihrem Machtanspruch tatsächlich bedroht, da kirchliche Dogmen hinterfragt wurden.
Meiner Meinung nach geschah das halt schon früher, weil es mit der Christianisierung um die Jahrtausendwende schon alles andere als gut lief und im wesentlichen meist mit Gewalt nachgeholfen werden musste.
Und das es selbst der Tor nicht abstreiten kann.... Da sollte man immer aufpassen , wer, warum und wieso zu welcher Zeit als Tor galt.
Diagnostiker hat geschrieben: ↑7. Jun 2022, 15:03
Darum haben sich seine Zeitgenossen aber nicht geschert, da z.B. Thomas von Aquin in seinen "Summen" sehr deutlich Widerspruch gegen Anselms Argument geäußert hat, so dass er an Stelle dieses Arguments auf die "Fünf Wege zu Gott" zurückgegriffen hat, um die notwendige Existenz von Gott mittels einer Argumentation, basierend auf Aristoteles unter Vermeidung des infiniten Regresses zu beweisen (erste Ursache, erster Beweger usw.).
Ich beziehe mich hier aber auch wieder auf die Gegenwart, denn wenn die Grundlage dafür fehlt, über eine Sache sich den Kopf zu zerbrechen, dann kann man das auch mit einem Esoteriker machen, oder mit jemand der behauptet:" Elvis hat irgend etwas gesagt und wir müssen uns jetzt "hoch geistig" darüber auseinandersetzen, wie er das gemeint hat oder welche Botschaft dahinter steckt. Nichts dergleichen würden wir in der Realität tun und würden zu einem Menschen sagen, "verschwinde du ****", aber wenn so ein Blödsinn als Religion daher kommt, dann muss man das Ernst nehmen und anfangen sich in Metaphysische Welten zu begeben.
Diagnostiker hat geschrieben: ↑7. Jun 2022, 15:03
Ja, aber diese Begründungen resultieren aus der Bibel und nicht aus rationalen Argumenten zum Beweis der Existenz Gottes. Nicht zu vergessen ist, dass die drei zitierten Personen im Zölibat lebten - von daher also gegen den Sexualtrieb ankämpfen mussten, so dass hierin eine wesentliche Quelle zu finden ist,
Na, dass erklärt natürlich alles.... und deswegen rechtfertigt man so etwas damit?
BtW. Luther lebte ja bekannter weise nicht im Zölibat.(Also zumindest nur anfänglich)
Martin Luther
"Ob sie (die Frau) sich aber auch müde und zuletzt zu Tode tragen, dass schadet nichts, lass sie nur zu Tode tragen, sie sind darum da. (...) Will die Frau nicht, so komme die Magd."
Diagnostiker hat geschrieben: ↑7. Jun 2022, 15:03
alles zu verteufeln, was mit weiblichen Reizen einhergeht. Analoge Einstellungen findet man auch im Hinduismus und im Buddhismus, wo ebenfalls asketische Lebensweisen praktiziert werden.
Oh, da rennst du bei mir offene Türen ein. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die ständig keinen guten Fetzen am Christentum lassen, aber sich dann in andere Religionen flüchten, die genauso Humbug sind.
Ich bin auch kein Atheist, weil die Bezeichnung ja für die klassische Gottesleugnung steht und ich kann nichts leugnen wofür es keine Evidenz gibt.
Diagnostiker hat geschrieben: ↑7. Jun 2022, 15:03
Auch das erscheint mir zu simpel gedacht. Ich sehe hier eine ambivalente Rolle: Einerseits Unterdrückung von alternativen Denkmöglichkeiten, sobald die kirchliche Dogmatik berührt wird, andererseits aber die Möglichkeit, Bildung zu erwerben und zu tradieren - einschließlich der Möglichkeit, auch für minderprivilegierte Schichten, in der sozialen Hierarchie aufzusteigen.
Ich denke schon, dass es nicht verkehrt sein kann, sich mit den Wurzeln abendländischen Denkens zu beschäftigen, um einerseits zu erkennen, woraus unsere moderne Art zu Denken resultiert - einschließlich dessen, was beibehalten worden ist und wovon man sich abgesetzt hat, als man damit begann, die Naturwissenschaften zu etablieren. Andererseits kann man dieser Tradition entnehmen, wie damals Diskurse geführt worden sind, welche Argumentationsmuster beschritten worden sind, welche Traditionen mit eingeflossen sind usw. usw.
Ich halte das nicht für vergebens.
Gerne diskutiere ich über die Wurzeln der abendländischen Kultur, wenn sie im Rahmen eines geschichtlichen Kontextes geschieht. Ein Narrativ, dass zur Grundlage eine Märchengestalt hat(die damals aber als real gegolten hatte), heute weiter zu führen weil es "interessant" ist, kann ich ja noch nachvollziehen, aber es eindeutig , mit zu Hilfenahme der Mathematik, endgültig beweisen zu wollen, also das man über eine Märchengestalt doch noch hinaus denken kann, halte ich für obsolet.
Zumal für mich die abendländische Kultur mit der Aufklärung Ende des 16 . Jahrhunderts beginnt.
Der Aufstieg von minderpriviligierten Schichten resultiert aber aus der Überwindung solcher "Thesen" wie die im Threadthema.
Und klar, keine Zukunft ohne Vergangenheit, aber wir haben heute genug wichtige und fundamentale Probleme, so das wir im Grunde gar keine Zeit haben uns mit denkbaren Szenarien über eine Sagengestalt aus Dünnskirchen auseinandersetzen zu müssen.