Timm hat geschrieben: ↑4. Apr 2021, 09:36
Skeltek hat geschrieben: ↑4. Apr 2021, 02:45
Die Verbindungsstrecke außerhalb der Blase ist raumartig, die innerhalb der Blase zeitartig.
Und Ersteres zeigen die Raumzeitdiagramme. Wenn das Ziel unterhalb der Licht-Weltlinie ist, dann liegen Ursprung und Ziel zwangsläufig raumartig zueinander.
Das wird einfach so behauptet; es ist aber - wie mehrfach geschrieben - im hier vorliegenden Kontext unzutreffend.
Timm hat geschrieben: ↑4. Apr 2021, 10:44
Aus hinreichender Entfernung "betrachtet" "bewegt" sich die Warp-Blase mit Überlichtgeschwindigkeit. Man sollte "as seen by observers outside the disturbed region is possible" jedoch nicht falsch verstehen. Eine lokal Messung der Überlichtgeschwindigkeit ist nicht möglich, sie erschließt rein pragmatisch sich aus der Ankunft der Warp-Blase vor einem Lichtpuls.
Aus dieser pragmatischen Definition der Überlichtgeschwindigkeit ergibt sich weder eine eine Verletzung der Kausalität, noch die Ankunft der Warp-Blase vor einem Lichtpuls.
Ich erkläre jetzt nochmal ausführlich, was eine „Verletzung der Kausalität“ im Rahmen der ART bedeutet und wie man Modelle konstruiert, die tatsächlich dazu führen. Dann erkläre ich, wie verschiedene Warp-Drive-Metriken entworfen werden und warum diese genau nicht zu einer Verletzung der Kausalität führen.
Eine Verletzung der Kausalität kann aus Weltlinien von Beobachtern resultieren, die
1) lokal zumindest teilweise raumartigen sind; d.h. sie würden an Punkten P(s) der Weltlinie außerhalb der Lichtkegel an P(s) verlaufen
2) lokal immer zeitartig sind, jedoch zwei Punkte P(Start) und Q(Ziel) verbinden, wobei P(Start) wieder im Vorwärtslichtkegel von Q(Ziel) liegt
(1) würde lokal v < c bedeuten. Das wird in allen Diskussionen zu Warp-Drive-Metriken ausgeschlossen. Letztlich sitzt im Inneren der Blase immer ein kleines, flaches Gebiet der Raumzeit, so dass im Ruhesystem des Beobachters (Piloten) B im Raumschiffs selbst trivialerweise v = 0 und für jeden lokalen Beobachter B’ in eine genügend kleinen Umgebung von B immer v‘ < c gilt; v‘ ist die Geschwindigkeit von B bzgl. B‘.
Bei (2) wäre lokal immer v < c; jedoch könnte man von Q(Ziel) mittels eines Signals v < c das Ereignis P(Start) erreichen und beeinflussen. Man spricht von einer geschlossenen zeitartigen Kurve (closed timelike curve CTC). Es geht in folgenden nun nicht darum, spezielle CTCs zu diskutieren oder ob eine solche CTC als Weltlinie eines realen Beobachters möglich wäre, also z.B. zunächst innerhalb der Warp-Blase, dann aussteigen, dann irgendwie zurück zu P(Start), evtl. mittels einer zweiten Warp-Blase. Es geht darum, die Warp-Drive-Metrik so zu konstruieren, dass CTCs
sicher ausgeschlossen sind.
Mögliche Raumzeiten mit CTCs sind z.B. die Gödel-Metriken.
Zur Konstruktion der Warp-Drive-Metriken verwendet man den ADM-Formalismus. Dazu zerlegt man die zu konstruierende Raumzeit gedanklich in raumartigen Schnitte, also 3-Räume. Die Zeitentwicklung der Raumzeit nimmt einen 3-Raum mit seiner 3-Metrik als Anfangsbedingung zum Ausgangspunkt und konstruiert die Zeitentwicklung für die senkrecht auf diesem 3-Raum stehende Zeitkoordinate. Anschaulich kann man sich dies mittels 2-Räumen vorstellen, wobei jeder 2-Raum einem beliebig gekrümmten Blatt Papier entspräche, die Zeitentwicklung erzeugt Blatt für Blatt den vollständigen Papierstapel. Die so konstruierten Raumzeiten sind global-hyperbolisch, d.h. ausgehend von einem 3-Raum liegt jeder beliebige raumartigen Bereich A(P) im Zukunftslichtkegel eines Punktes P
nie auch in dessen Vergangenheitslichtkegel; CTCs sind also per Konstruktion ausgeschlossen, sie können nicht entstehen. Die Festlegung eines 3-Raumes als Anfangsbedingung bricht übrigens keine Symmetrien der ART, d.h. im Gegensatz zum Papierstapel gibt es Äquivalenzklassen von Blätterungen. Physikalisch entspricht dies der Wahl unterschiedlich bewegter Beobachter je Raumzeitpunkt, so z.B. einem in der Raumzeit dichten Staub, wobei die Eigenzeit jedes Staubteilchens die lokale Zeitkoordinate definiert (Stichwort Diffeomorphismeninvarianz). Der ADM-Formalismus ist restriktiver als der übliche; er schließt nicht-global-hyperbolische Raumzeiten aus, ist jedoch auf der reduzierten Klasse der ADM-vertäglichen Raumzeiten strikt äquivalent.
Zusammenfassend: alle mir bekannten Ursachen für Verletzungen der Kausalität werden für Warp-Drive-Antriebe explizit vermieden.
1) Alle Weltlinien respektieren v < c
2) Alle Metriken respektieren die globale Hyperbolizität, d.h. per ADM-Konstruktion das Verbot von CTCs.
Wie kann man sich nun die Raumzeit mit Warp-Drive-Metrik anhand eines Raumzeit-Diagramms vorstellen? Innerhalb eines bestimmten Bereiches sind die Lichtkegel geeignet „gekippt“. Durch die ADM-Konstruktion ist es jedoch verboten, dass derartige Bereiche zu CTCs zusammengeklebt werden können. Außerdem ist die Interpretation, dass an einem Punkt P mit gekippten Lichtkegel v > c bzgl. eines anderen Punktes Q mit nicht-gekippten Lichtkegel vorliegt, falsch; man kann und darf mathematisch nicht Geschwindigkeiten an verschiedenen Punkte vergleichen. Anhand dieses Bildes erkennt man auch, dass es falsch ist, zu meinen, die Warp-Blase käme vor einem Lichtsignal an; es verhält sich lediglich so, dass Signallaufzeiten für unterschiedliche Startzeitpunkte variieren.
https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0009013v1.pdf
The warp drive: hyper-fast travel within general relativity
Miguel Alcubierre
It is shown how, within the framework of general relativity and without the introduction of wormholes, it is possible to modify a spacetime in a way that allows a spaceship to travel with an arbitrarily large speed. By a purely local expansion of spacetime behind the spaceship and an opposite contraction in front of it, motion faster than the speed of light as seen by observers outside the disturbed region is possible. The resulting distortion is reminiscent of the ``warp drive'' of science fiction. However, just as it happens with wormholes, exotic matter will be needed in order to generate a distortion of spacetime like the one discussed here ...
This doesn’t mean that our observers will be travelling faster than light: they always move inside their local light-cones. This superluminal speed is very often a source of confusion. It is also a very good example of how an intuition based on special relativity can be deceiving when one deals with dynamical spacetimes ...
Any spacetime that can be described in the language of the 3+1 formalism will therefore have no closed causal curves.
- Gödel-Raumzeit
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- ADM-Konstruktion
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- Raumzeit mit Warp-Blase
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