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Was ist Leben und was nicht?

Entstehung und Entwicklung von Leben, Wahrscheinlichkeit für extraterrestrisches Leben
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Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 23. Dez 2020, 08:32

Aus gegebenem Anlass eröffne ich diesen Thread, in dem es um die Frage gehen soll, wie man Leben von Nichtleben abgrenzen kann. Folgende Fragen aus einem anderen Thread nehme ich dafür als Ausgangspunkt:
Was wäre, wenn man irgendetwas findet, wo man nicht genau sagen kann ob es lebt oder nicht? Was wäre, wenn man einen ganzen Wald an Kristallbäuen oder ähnlichem findet, der über Jahrmillionen langsam vor sich hin wächst? Oder einen kleinen Vulkan-ähnlichen Geysir, um den herum fast nur Aminosäure-Ketten zu finden sind, die sich da lustig vermehren und ein paar Hundert Meter weiter spätestens wieder eingehen?
Hier stellt sich die Frage, ab wann man sagen kann, ob etwas lebt oder nicht. Die Frage wird konkretisiert, indem man sie auf Kristallstrukturen anwendet sowie auf Aminosäureketten, die sich eine Zeit lang reproduzieren und später wieder zerfallen.

Nehmen wir Kristallstrukturen. Kristalle definieren sich über ein Kristallgitter, welches über die Struktur der beteiligten Minerale festgelegt wird. Beispielsweise bilden Wassermoleküle bei der Eisbildung stets ein hexagonales Gitter, welches seinen Ausdruck findet in der Sechsstrahligkeit von Schneekristallen. Kochsalz hingegen bildet stets kubische Kristalle, was an der Anordnung der Natrium-Ionen und der Chlorid-Ionen liegt, die das kubische Kristallgitter festlegen.

Kristallisation erfolgt oft unter Freisetzung von Wärme, was dem Erreichen des niedrigstenergetischen Zustands entspricht. Obwohl wir bei Kristallen ein Höchstmaß an Ordnung haben, haben wir zugleich ein Höchstmaß an Entropie, weil die Ordnung in Kristallen nicht unter Energieaufwand zustandekommt, sondern selber den Zustand niedrigster Energie darstellt, der nur unter Energieaufwand wieder zerstört werden kann. Die elektromagnetischen Kräfte der Ionen halten den Kristall in seiner Struktur zusammen und konservieren die Ordnung des Kristallgitters.

Kristalle stellen somit einen stabilen Endzustand dar, der sich beim Kristallwachstum zwar sukzessive in seinen quantitativen Dimensionen vergrößern kann, aber qualitativ keine Veränderung erfahren kann, wie es bei Lebewesen der Fall ist, die sich evolutionär verändern können und neue Komplexitätsebenen erschließen können. Im Gegensatz zu Lebewesen stellen Kristalle keine dynamischen Strukturen dar, wo ein Fließgleichgewicht vorliegt und wo über Energieaufwand eine bestimmte Ordnung aufgebaut und erhalten wird.

Aminosäuren sind Moleküle, die einen positiv geladenen Pol und einen negativ geladenen Pol aufweisen. Der positiv geladene Pol ist die Aminogruppe (-NH2) und der negativ geladene Pol ist die Carboxylgruppe (-COOH). Aminosäuren können sich unter Wasserabspaltung zu längeren Ketten verbinden, die man Peptide nennt. Die Peptidgruppe (-CONH-) entsteht durch Anlagerung des positiven Pols der Aminogruppe an den negativen Pol der Carboxylgruppe, wenn zwei Aminosäuren aneinandergeraten:

H2N-CH(R)-COOH + H2N-CH(R)-COOH --> H2N-CH(R)-CONH-CH(R)-COOH + H2O

Das klappt aber nur, wenn sie sich linear aneinanderreihen. Kommen sie "kopfüber" aneinander, passiert dies:

H2N-CH(R)-COOH
HOOC-CH(R)-NH2

--> zyklisches Dipeptid + H2O

Mit der Entstehung von zyklischen Dipeptiden wird das Kettenwachstum unterbrochen. Das passiert bereits bei den beiden einfachsten Aminosäuren Glycin und Alanin. Bei Aminosäuren mit reaktiven Seitengruppen (Asparaginsäure, Glutaminsäure, Lysin, Histidin, Arginin u.a.) ergeben sich sehr schnell Peptidbindungen an den Seitenketten, statt wie gewünscht entlang des "Rückgrates". Ohne "Hilfsmittel" (z.B. Tonmineralien o.ä.) erfolgt spontan also keine lineare Kettenbildung von Aminosäuren.

Spontan gebildete Ketten können sich ohne Vorlage nicht reproduzieren. Sie zerfallen wieder in ihre Bestandteile, sobald Wasser, Temperatur oder Strahlung vorhanden sind, die in der Lage sind, Peptidbindungen wieder zu spalten. Peptidketten können sich also nicht "vermehren", da die dafür notwendige "Schablone" fehlt. Es würden stets nur spontan neue Ketten entstehen, die sich aber aufgrund des Zufallscharakters von einer Mustersequenz mehr oder weniger deutlich unterscheiden. Solche Ketten leben also ebenfalls nicht.

Wenn wir von Leben sprechen, also von Dingen, die leben und die wir deshalb als Lebewesen bezeichnen, müssen einige Voraussetzungen gegeben sein, die sie als lebendig erkennbar werden lassen. In der Biologie hat man sich auf folgende Auflistung geeinigt:
Leben bezeichnet in den Naturwissenschaften heute größtenteils eine Organisationsform, die durch gewisse Prozesse charakterisiert ist. Was Leben bzw. ein Lebewesen ist, wird in der modernen Biologie (Synthetische Biologie) nicht über einzelne Eigenschaften, einen bestimmten Zustand oder eine spezifische Stofflichkeit definiert, sondern über eine Menge von Prozessen, die zusammengenommen für Leben bzw. Lebewesen charakteristisch und spezifisch sind. Zu diesen Prozessen werden üblicherweise gezählt:

Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung der Lebewesen mit ihrer Umwelt.
Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
Kommunikation, Lebewesen koordinieren und organisieren alle Lebensprozesse mit Signalen.
Reizbarkeit, das heißt Lebewesen sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
Fortpflanzung, das heißt Lebewesen sind zur Reproduktion fähig.
Vererbung, das heißt Lebewesen können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.

Diese Kriterien definieren ein System als Erklärungsmodell, das als Grundausstattung folgende Eigenschaften haben muss. Es benötigt:

eine äußere Membran
innere Zellkompartimente,
(bio)katalytisch wirksame Substanzen.

Weiterhin muss es sich im Fließgleichgewicht zwischen einem Zustrom von Energie bzw. energiehaltiger Materie und einem Abstrom von Stoffwechselendprodukten und anderen nicht benötigten Stoffen befinden.

Ein solches System hoher Komplexität kann nur im Rahmen der Organischen Chemie realisiert werden. Es besteht aus aufeinander aufbauenden und miteinander wechselwirkenden Einheiten, die sich gegenseitig funktionell bedingen und erhalten.

Das einfachste heute bekannte System, das alle diese Forderungen erfüllt, ist eine Zelle (als selbständiger Organismus Einzeller). Inwieweit Strukturen (inklusive Viren), die nur einen Teil der obigen Forderungen erfüllen, als Leben anzusehen sind, wird diskutiert.

Aus heutiger Sicht sind die einzigen organischen Strukturen, die bei relativer Stabilität gleichzeitig ungeheure Informationsmengen speichern können, die DNA und die RNA.

Alle Prozesse, die oben angeführt sind, werden von RNAs koordiniert und reguliert. Diese RNAs sind in der Regel Teile von ko-optierten, infektiösen Agenten, wie Viren und mobilen genetischen Elementen. Kein zelluläres Lebewesen wäre imstande, sich ohne diese RNAs zu organisieren.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Leben#Naturwissenschaft

Diese Auflistung kann als Ausgangspunkt und Diskussionsgrundlage für Kritik und Präzisierung dienen.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 23. Dez 2020, 11:47

Danke für die schöne Einführung!

Zwei Punkte fallen mir spontan ein:
Diagnostiker hat geschrieben:
23. Dez 2020, 08:32
Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung der Lebewesen mit ihrer Umwelt.
Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
Kommunikation, Lebewesen koordinieren und organisieren alle Lebensprozesse mit Signalen.
Reizbarkeit, das heißt Lebewesen sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
Fortpflanzung, das heißt Lebewesen sind zur Reproduktion fähig.
Vererbung, das heißt Lebewesen können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.
All diese Punkte könnten, soweit ich das sehe, im virtuellen Raum von simulierten Systemen in einer simulierten Umgebung in doch ganz analoger Art und Weise ebenso erfüllt werden.
Deshalb wäre das immer noch mein Favorit für "andersartiges Leben": technologisches Leben
Deshalb stelle ich auch gerne heraus, dass "Leben, so wie wir es bisher kennen" chemisches Leben ist, also Leben, das auf Chemie beruht bzw. aufbaut bzw. läuft.
Und wegen diesem Ausgangspunkt ist es mir auch wichtig die Frage nach Bewusstsein von der Frage nach Leben zu unterscheiden. Es sind nämlich meiner Ansicht nach KI-Systeme denkbar, vielleicht sogar in nicht allzu ferner Zukunft machbar, die eventuell ein Bewusstsein haben könnten, aber dennoch nicht zwingend alle der o.g. Voraussetzungen für Leben erfüllen müssten, auch nicht im weiteren Sinne.
Und was dann zu der etwas gruseligen, nein unbefriedigenden Situation führen würde, dass etwas laut Definition Totes ein Bewusstsein hätte.
Ich glaube, falls dieser Punkt erreicht würde, müssten daher weiterentwickelte Definitionen her, was wiederum zeigt, dass Begriffs-Definitionen durchaus veränderlich sein können.
Inwieweit Strukturen (inklusive Viren), die nur einen Teil der obigen Forderungen erfüllen, als Leben anzusehen sind, wird diskutiert.
Hinzu kommt manchmal auch die Schwierigkeit, wo denn die Grenzen eines lebenden Systems genau seien, räumlich wie zeitlich.
Viren würde ich einfach als eine Art Sporen ansehen, die einem Lebenszyklus angehören, aber als isolierte Einheiten selbst nicht leben (da sie die o.g. Kriterien nicht alle erfüllen). Was in diesem Zyklus lebt, ist die befallene Zelle, welche ja auch nicht die ursprüngliche, unbefallenen Zelle ist.
D.h. auch: Sobald ich mich statt auf kleine Partikel "Viren" im Mikroskop zu fokussieren auf den erweiterten Gesamtprozess "viraler Lebenszyklus" konzentriere, habe ich mit der Einordnung keine Schwierigkeiten mehr. Ich frage ja auch nicht, ob irgendein Teilstück einer Zelle, z.B. ein einzelnes Lipidmolekül in der Membran 'lebendig' ist.

Ansonsten:
Man hat ja schon vieles durchgespielt, was an chemischem Leben sonst noch möglich sein könnte, von Si-Verbindungen, über komplexe Kritallstrukturen, Plasmalebewesen (ich meine hier den physikalischen Plasmazustand, den sog. 4. Aggregatzustand der Materie), etc.
Man ist zwar nie vor Überraschungen ganz sicher, aber bisher fand ich in der Richtung nichts, das mich überzeugt hätte, dass etwas in der Richtung in unserem Universum funktionieren könnte.

P.S.:
Was mir grad noch einfällt:

Wenn man die Perspektive verändert, sodass man sozusagen ein wenig weiter weg geht, ergeben sich interessante Fragen:

Z.B.: Wie ist bei Vielzellern das Verhältnis von Einzel-Zellen zum Gesamtorganismus? Wenn die Zellen leben, lebt dann automatisch auch der Organismus? Alles an ihm? Und gehören die Bakterien in meinem Darm und auf meiner Haut zu mir? Ich denke ja. Die sind übrigens in der Überzahl, es gibt in mir mehr Bakterien als Eukaryonten. Bin ich ein einzelner Organsimus oder ein Ökosystem? (-> siehe auch unten: leben Ökosysteme?)
Und wie ist das dann mit dem Verhältnis von Einzelorganismen zu vielen Organismen, die sozial verbunden sind?
Ist z.B. ein Ameisenvolk ein einzelnes Lebewesen oder sind es viele? Fall man es als viele bezeichnen möchte, wo wäre dann genau der Unterschied zu einem "gewöhnlichen Organismus" wie einem Säugetier? Und wie ist das dann bei bestimmten Schwämmen und Schleimpilzen? Was ist mit Flechten?
Und weiter zu ganzen Spezies und Ökosystemen: Ist ein komplexes, selbstregulierendes Ökosystem in seiner Ganzheit lebendig oder ist es das nicht?
In der Richtung wäre auch die Gaia-Hypothese nennenswert:
Die Gaia-Hypothese besagt, dass die Erde und ihre Biosphäre wie ein Lebewesen betrachtet werden könne, da die Biosphäre (die Gesamtheit aller Organismen) Bedingungen schafft und erhält, die nicht nur Leben, sondern auch eine Evolution komplexerer Organismen ermöglichen. Die Erdoberfläche bildet demnach ein dynamisches System, das die gesamte Biosphäre stabilisiert. Diese Hypothese setzt eine bestimmte Definition von Leben voraus, wonach sich Lebewesen insbesondere durch die Fähigkeit zur Selbstorganisation auszeichnen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gaia-Hypothese

P.P.S.:

Und das wird dir vielleicht auch entgegenkommen, Skeltek:
Der Gaia-Hypothese liegt ein systemtheoretisches Verständnis von Leben zu Grunde. Ein Lebewesen ist demnach ein offenes und Entropie-produzierendes System, das sich reaktiv und selbstorganisierend in einer Weise an seine Umgebung anpassen kann, dass es durch Entropie-Export seine Entropie dynamisch unterhalb seiner maximalen Entropie zu halten vermag. Ein zentrales Kennzeichen von Lebewesen ist zudem die Fortpflanzung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gaia-Hypo ... _von_Leben
Grüße
seeker


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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 23. Dez 2020, 13:22

@ seeker
All diese Punkte könnten, soweit ich das sehe, im virtuellen Raum von simulierten Systemen in einer simulierten Umgebung in doch ganz analoger Art und Weise ebenso erfüllt werden.
Schauen wir uns diese Punkte doch mal genauer an:

- Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung der Lebewesen mit ihrer Umwelt.

Energiewechsel könnte ich mir bei einem Roboter vorstellen, wenn auf elektrische Energie über Batterien zurückgegriffen wird, oder über das Stromnetz, aber Stoffwechsel? Das stelle ich mir schwierig vor. Eher schon könnte ich mir vorstellen, dass ein Roboter Zugriff auf Fabriken hat, wo Ersatzteile hergestellt werden, aber diese Fabriken gehören nicht zum Körper des Roboters, ebenso wie Backöfen, in denen Brot gebacken wird, nicht zu meinem Körper gehören, der das Brot dann später verzehrt.

- Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).

Hier gehe ich mit. So etwas muss ein Roboter leisten können, um zu funktionieren.

- Kommunikation, Lebewesen koordinieren und organisieren alle Lebensprozesse mit Signalen.

"Signale" ist nun wieder ein sehr weit gefasster Begriff. Genau genommen ist das eine Zuschreibung bei Lebewesen, die aus der Signaltechnik stammt. Im Innern von Organismen wird eigentlich nichts signalisiert. Dort haben wir Konzentrationsgefälle, die bei Über- oder Unterschreiten einer bestimmten Sättigung Reaktionen auslösen, die eine nachmalige Stabilisierung des Konzentrationsgefälles bewirken. Bei Robotern kann ich mir hingegen sehr gut vorstellen, dass hier elektromagnetische Impulse ausgesandt werden, die man als Signale bezeichnen kann, welche dann bestimmte Aktionen auslösen.

- Reizbarkeit, das heißt Lebewesen sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.

Das ist dann über bestimmte Sensoren bei Robotern gegeben.

- Fortpflanzung, das heißt Lebewesen sind zur Reproduktion fähig.

Prinzipiell sollte ein Roboter in der Lage sein, identische Kopien mit Hilfe der Bauteile anzufertigen, aus denen er selbst besteht.

- Vererbung, das heißt Lebewesen können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.

Das wäre dann wohl der Plan, der den Roboter in die Lage versetzt, sich selbst zu reparieren wie auch zu kopieren.

- Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.

Hier wird es wieder schwierig. Wenn sich ein Roboter kopiert, muss er nicht mehr wachsen. Vorausgesetzt, es ist nichts kaputt, bekommt er ein Datenupload und ist sofort einsatzbereit und leistungsfähig.

Also ein Teil ist analog übertragbar, aber manches ist nicht notwendig und anderes ist nicht analog übertragbar.
Deshalb stelle ich auch gerne heraus, dass "Leben, so wie wir es bisher kennen" chemisches Leben ist, also Leben, das auf Chemie beruht bzw. aufbaut bzw. läuft.
Ja, das ist wohl eine unbezweifelbare Tatsache. Organismen basieren auf chemischen Prozessen, auf deren Grundlage dann neue Qualitäten erwachsen, einschließlich Bewusstsein, Sprache und Kultur, die für Menschen eigentümlich sind.
Es sind nämlich meiner Ansicht nach KI-Systeme denkbar, vielleicht sogar in nicht allzu ferner Zukunft machbar, die eventuell ein Bewusstsein haben könnten, aber dennoch nicht zwingend alle der o.g. Voraussetzungen für Leben erfüllen müssten, auch nicht im weiteren Sinne.
Da bin ich mir nicht sicher. Ich kann es zwar nicht schlüssig belegen, aber ich vermute, dass die Entstehung von Bewusstsein einen evolutionären Vorlauf in der Entwicklung des Lebens benötigt, um als "bewusstes Sein" emergieren zu können, also als eine Art und Weise, nicht nur "am Leben zu sein", sondern zugleich auch "im Leben zu sein" bzw. "ein Leben zu haben".

Ich vermute, dass man das auf Siliciumbasis nicht hinbekommt, auch wenn der Anschein für uns, dass es so sei, mit maximaler Perfektion simuliert, also vorgespielt werden kann, ohne dass die KI wirklich "weiß", was sie uns da vorspielt, wenn sie uns etwas vorspielt und darüber hinaus gar nicht weiß, dass sie uns etwas vorspielt, weil die Zuschreibung "Vorspielen" von uns vorgenommen wird, die wir diesem Vorspielen ausgesetzt sind.
Ich glaube, falls dieser Punkt erreicht würde, müssten daher weiterentwickelte Definitionen her, was wiederum zeigt, dass Begriffs-Definitionen durchaus veränderlich sein können.
Ab einer bestimmten Qualität der Simulation von Bewusstsein wird es nicht mehr sinnvoll sein, hier begrifflich zu unterscheiden. Wir werden dann so tun, als hätte eine KI ein Bewusstsein und werden mit ihr so umgehen, als würde es sich um ein bewusstes Wesen handeln. Relevant wird das nur in rechtlicher Sicht werden, wenn es um konkrete Haftungen geht, die über eine KI verursacht worden sind. Aber das hat dann nichts mehr mit der Definition von Leben oder Bewusstsein zu tun, sondern mit Produktgarantien seitens von Herstellern.
Viren würde ich einfach als eine Art Sporen ansehen, die einem Lebenszyklus angehören, aber als isolierte Einheiten selbst nicht leben (da sie die o.g. Kriterien nicht alle erfüllen).
Ja, kann man so sehen, aber ich neige mehr zu der Ansicht zu, dass der "Lebenszyklus" von Viren eine Art "Vergiftung" der befallenen Zellen darstellt, wo infektiöse Partikel aufgrund der molekularen Passfähigkeit in den Zellstoffwechsel zu einer Umorganisation des Zellstoffwechsels führen, so dass nur noch infektiöse Partikel produziert werden, aber das was lebt, immer noch die befallene Zelle ist und nicht das Virus. Neben den klassischen Viren, die uns gerade aktuell befallen, gibt es noch kleinere Partikel (Viroide), die nur noch aus einem Schnipsel RNA bestehen, ohne von einer Hülle umgeben zu sein.
bisher fand ich in der Richtung nichts, das mich überzeugt hätte
Das geht mir ebenso. Ich denke, es geht grundsätzlich nur mit Kohlenstoffchemie und mit Wasser als Lösungsmittel und Transportmittel.
Wie ist bei Vielzellern das Verhältnis von Einzel-Zellen zum Gesamtorganismus?
Sie führen ein Eigenleben, aber da im Zuge der Embryonalentwicklung jede Zelle nur einen Teil ihres Genoms umsetzt, findet eine Rückkopplung des Gesamtorganismus auf das Leben der Einzelzelle statt. Eine Herzzelle kann nicht zur Leberzelle werden und umgekehrt. Erst wenn die Rückkopplung nicht mehr funktioniert, entartet eine Zelle zur Tumorzelle und lebt sein ganzes Potenzial aus. Die Teilungshemmung ist außer Kraft gesetzt, so dass die Zelle dann potenziell unsterblich wird. Bekanntestes Beispiel: HeLa-Zellen.
Und gehören die Bakterien in meinem Darm und auf meiner Haut zu mir?
Ja, sie führen ein symbiontisches Dasein, befinden sich aber in einem lockeren Verbund, der jederzeit aufgebrochen werden kann. Über Zellteilungen kompensieren sich die Verluste, so dass ein relativ stabiles Gleichgewicht erreicht wird (Mikrobiom).
Bin ich ein einzelner Organismus oder ein Ökosystem?
Beides und keins von beiden. Organismen existieren nicht losgelöst von ihrer Umgebung, aber können ihre Umgebung wechseln. Sie haben also in begrenztem Ausmaß eine gewisse Autonomie, so dass man sie als Einzelwesen begreifen kann. Da aber immer die Einbindung in eine bestimmte Umgebung gegeben ist, stellen Organismen zugleich Komponenten eines Ökosystems dar, in dem sie sich gerade befinden.

Als vielzelliger Organismus stellt jeder Mensch zudem selber eine Umgebung für eine Vielzahl von Mikroben dar, die er in sich beherbergt. Also ist jeder einzelne Organismus zugleich auch ein Ökosystem, wobei verschiedene Organe zugleich verschiedene Ökosysteme für verschiedene Mikroben darstellen. Im Atemwegsbereich leben andere Mikroben als auf der Haut oder im Magen-Darm-Kanal. Im Dickdarm leben andere Mikroben als im Dünndarm oder im Magen usw. Man kann da sehr viel finden ...
Ist z.B. ein Ameisenvolk ein einzelnes Lebewesen oder sind es viele?
Es ist ein Superorganismus, der aus einer Vielzahl von Einzelorganismen besteht, sozusagen die nächste Evolutionsstufe vom Einzeller zum Vielzeller zum Superorganismus. In diesem Punkt sind uns die staatenbildenden Insekten einen Evolutionsschritt voraus. Bei ihnen hat sich die Eusozialität auch auf den Phänotyp ausgewirkt, was bei uns bislang ausgeblieben ist, da unsere Eusozialität primär über die kulturelle Entwicklung, statt über die genetische Entwicklung gelaufen ist. Bei den Insekten war es anders herum.
Und wie ist das dann bei bestimmten Schwämmen und Schleimpilzen?
Ja, zeitweise lösen sich hier die Zellmembranen auf, bevor später wieder eine Reorganisation stattfindet, die zur Sporenbildung führt. Die Einzelindividuen verschmelzen zu einem einzelnen großen Individuen, welches sich aktiv fortbewegt, um auf Nahrungssuche zu gehen. Im Unterschied zu Tieren, haben wir hier aber kein Nervensystem, sondern einfache chemische Rückkopplungen, die zu einem Wechsel zwischen Gel- und Sol-Phase führen, wenn sich der Schleimpilz auf Wanderschaft begibt ...
Was ist mit Flechten?
Eine schöne Symbiose mit besonders widerstandsfähigen Sklerotien.
Ist ein komplexes, selbstregulierendes Ökosystem in seiner Ganzheit lebendig oder ist es das nicht?
Man kann es als lebendig ansehen, weil es als ganzes System über die Reproduktion seiner Subsysteme das Gesamtsystem reproduziert. Üblicherweise beschränken wir uns bei lebenden Systemen auf einzelne Organismen und blenden die Vernetzungen zu höheren Systemen aus, aber ich denke, man sollte das Ganze im Blick haben, wenn wir vom Leben reden. Das Leben ist vor sehr langer Zeit einmal entstanden und hat sich seitdem als Ganzes erhalten, auch und wegen der Sterblichkeit der einzelnen Individuen.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 23. Dez 2020, 22:56

Ungeachtet der interessanten Fragestellung könnte
Diagnostiker hat geschrieben:
23. Dez 2020, 08:32
Obwohl wir bei Kristallen ein Höchstmaß an Ordnung haben, haben wir zugleich ein Höchstmaß an Entropie, weil die Ordnung in Kristallen nicht unter Energieaufwand zustande kommt, sondern selber den Zustand niedrigster Energie darstellt, der nur unter Energieaufwand wieder zerstört werden kann.
das mißverständlich sein. Die kristalline Phase hat verglichen mit der flüssigen eine niedrigere Entropie, was jedoch durch die frei werdende Kristallisationsenthalpie überkompensiert wird.

Vielleicht sollte man sich zunächst daran orientieren, was die Biologie unter "Leben" versteht. Falls das nicht schon aufgegriffen wurde, ich habe noch nicht alles gelesen.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 24. Dez 2020, 10:07

Diagnostiker hat geschrieben:
23. Dez 2020, 13:22
All diese Punkte könnten, soweit ich das sehe, im virtuellen Raum von simulierten Systemen in einer simulierten Umgebung in doch ganz analoger Art und Weise ebenso erfüllt werden.

Schauen wir uns diese Punkte doch mal genauer an:
Die Betrachtung von Rotersystemen ist schon interessant genug und ich gehe da weitgehend mit dir mit, aber ich meinte etwas anderes, das in gewisser Weise vielleicht noch weitreichender wäre. Und auch bei Robotern geht es meiner Ansicht nach weniger um die Hardware "Roboter" als um die Software, die sich dann sozusagen auch in Hardware ausdrückt.

Ich hatte so etwas im Blick:

https://www.youtube.com/watch?v=makaJpLvbow
How life emerges from a simple particle motion law: Introducing the Primordial Particle System

Particles Life (long)
https://www.youtube.com/watch?v=Qr28DwXeyu0


particle life 2 "cells and virusses"
https://www.youtube.com/watch?v=bKHp9voGUPQ

Und das dann weiter gedacht, denn hier handelt es sich noch um vergleichsweise einfache und kleine Simulationen.
Ich denke hier an eine Art Matrix, also eine mächtige simulierte Welt, die auf einfachen Regeln basiert und in der simulierte Einheiten existieren, die tatsächlich alle gennanten Definitionen von Leben erfüllen, incl. der Fähigkeit zur Evolution. Man könnte das dann vielleicht "virtuelles Leben" nennen.
Und ich glaube, es ist keine SiFi, wenn ich prognostiziere, dass sowas in diesem Jahrhundert noch gebaut werden könnte.

Interessant hierzu ist vielleicht als grober Überblick auch das hier:

Künstliches Leben
https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstliches_Leben
Diagnostiker hat geschrieben:
Es sind nämlich meiner Ansicht nach KI-Systeme denkbar, vielleicht sogar in nicht allzu ferner Zukunft machbar, die eventuell ein Bewusstsein haben könnten, aber dennoch nicht zwingend alle der o.g. Voraussetzungen für Leben erfüllen müssten, auch nicht im weiteren Sinne.
Da bin ich mir nicht sicher. Ich kann es zwar nicht schlüssig belegen, aber ich vermute, dass die Entstehung von Bewusstsein einen evolutionären Vorlauf in der Entwicklung des Lebens benötigt, um als "bewusstes Sein" emergieren zu können, also als eine Art und Weise, nicht nur "am Leben zu sein", sondern zugleich auch "im Leben zu sein" bzw. "ein Leben zu haben".

Ich vermute, dass man das auf Siliciumbasis nicht hinbekommt, auch wenn der Anschein für uns, dass es so sei, mit maximaler Perfektion simuliert, also vorgespielt werden kann, ohne dass die KI wirklich "weiß", was sie uns da vorspielt, wenn sie uns etwas vorspielt und darüber hinaus gar nicht weiß, dass sie uns etwas vorspielt, weil die Zuschreibung "Vorspielen" von uns vorgenommen wird, die wir diesem Vorspielen ausgesetzt sind.
Vielleicht hast du Recht, aber ich wäre da sehr vorsichtig, wir sollten hier auch streng reflektieren, inwieweit wir hier in unseren Einschätzungen Vorurteilen bzw. einem Bias unterliegen.

Du hast außerdem Recht, dass man es letztlich nicht streng nachweisen kann, ob eine Einheit tatsächlich ein Bewusstsein besitzt oder nur so tut und ich stimme auch zu, dass es für alle praktischen Zwecke ab einem gewissen Punkt der Perfektion auch egal zu sein scheint.

Dennoch, ich glaube, dass Leben (nach o.g. Definition) und Bewusstsein, eigentlich zwei getrennte Phänomene sind, die nicht notwendig aufeinander aufbauen müssen. Neuere Forschung legt allerdings nahe, dass Bewusstsein einen Körper benötigt, in dem es sozusagen "geerdet" ist. Nun, dennoch könnte so ein Körper auch virtuell sein...

Ich halte es hier jedenfalls für problematisch anzunehmen, dass sowas prinzipiell nicht auf IT-Basis stattfinden können soll, da mir scheint, dass ich dazu auf gewisse Postulate zurückgreifen müsste, die wir dort i.A. nicht haben wollen (ominöse Lebenskraft, Beseeltheit in religiöser Vorstellung, teleologische Annahmen, ...).
DIagnostiker hat geschrieben:
Viren würde ich einfach als eine Art Sporen ansehen, die einem Lebenszyklus angehören, aber als isolierte Einheiten selbst nicht leben (da sie die o.g. Kriterien nicht alle erfüllen).
Ja, kann man so sehen, aber ich neige mehr zu der Ansicht zu, dass der "Lebenszyklus" von Viren eine Art "Vergiftung" der befallenen Zellen darstellt, wo infektiöse Partikel aufgrund der molekularen Passfähigkeit in den Zellstoffwechsel zu einer Umorganisation des Zellstoffwechsels führen, so dass nur noch infektiöse Partikel produziert werden, aber das was lebt, immer noch die befallene Zelle ist und nicht das Virus. Neben den klassischen Viren, die uns gerade aktuell befallen, gibt es noch kleinere Partikel (Viroide), die nur noch aus einem Schnipsel RNA bestehen, ohne von einer Hülle umgeben zu sein.
Ja. Und deine Ansicht wird wohl auch die Standardansicht sein und so kann man es sicher auch sinnvoll sehen. Dennoch, ich denke, dass ich auch genauso sagen kann: "Die lebendige befallene Zelle IST der Virus!"
Es ist aus dieser Perspektive hier in derselben Weise unwichtig, was die Zelle vorher war, wie es unwichtig ist, was die beiden Keimzellen (Ei und Spermium) waren, bevor sie sich vereinigt haben und dann zu mir geführt haben.
Es ist hier glaube ich einfach eine Frage der Perspektive: Betrachte ich den Lebenszyklus eines Eukaryonten oder den Lebenszyklus eines Virus?
Evolutionär gesehen könnte es stark vereinfacht auch so gewesen sein, dass durch eine Mutation irgendwann eine allererste lebende Virenzelle entstanden ist, die sich seither fortgepflanzt und weiterentwickelt hat.
Wie ist bei Vielzellern das Verhältnis von Einzel-Zellen zum Gesamtorganismus?
Sie führen ein Eigenleben, aber da im Zuge der Embryonalentwicklung jede Zelle nur einen Teil ihres Genoms umsetzt, findet eine Rückkopplung des Gesamtorganismus auf das Leben der Einzelzelle statt. Eine Herzzelle kann nicht zur Leberzelle werden und umgekehrt.
Außerdem replizieren sich über die Generationen hinweg sowohl die einzelnen Zelltypen als auch der Gesamtorganismus und beides evolviert auch.
Ja, ich denke, daher kann man mit Recht sagen, dass beides lebendig ist. Es baut eben aufeinander auf und hängt miteinander zusammen, von "unten nach oben" genauso, wie "von oben nach unten".
Bin ich ein einzelner Organismus oder ein Ökosystem?
Beides und keins von beiden.
:D Sehr schwierige Frage, nicht? Ich denke, es ist eine Grauzone.
Ich würde aber sagen, dass ich hier eher als Ökosystem lebe, weil ich ohne meine Bakterien gar nicht lebensfähig wäre und weil man faszinierenderweise immer mehr darüber hinausfindet, wie verschlungen das Verhältnis hier ist, wie sehr sich hier alles gegenseitig beeinflusst und gegenseitig reguliert, bis ins Epigenom hinunter.
Weiterhin gibt es ähnliches sogar auf Zellebene: Die Mitochondrien mit ihrem eigenen Erbgut. Ich denke, man kann sogar einzelne Zellen wahlweise auch als Ökosysteme oder als Symbionten betrachten.
Diagnostiker hat geschrieben:
Ist ein komplexes, selbstregulierendes Ökosystem in seiner Ganzheit lebendig oder ist es das nicht?
Man kann es als lebendig ansehen, weil es als ganzes System über die Reproduktion seiner Subsysteme das Gesamtsystem reproduziert. Üblicherweise beschränken wir uns bei lebenden Systemen auf einzelne Organismen und blenden die Vernetzungen zu höheren Systemen aus, aber ich denke, man sollte das Ganze im Blick haben, wenn wir vom Leben reden. Das Leben ist vor sehr langer Zeit einmal entstanden und hat sich seitdem als Ganzes erhalten, auch und wegen der Sterblichkeit der einzelnen Individuen.
Ja, das denke ich auch.

Ansonsten danke für die Auführungen.
Frohe Weihnachten!
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 24. Dez 2020, 12:57

@ seeker
Ich denke hier an eine Art Matrix, also eine mächtige simulierte Welt, die auf einfachen Regeln basiert und in der simulierte Einheiten existieren, die tatsächlich alle gennanten Definitionen von Leben erfüllen, incl. der Fähigkeit zur Evolution. Man könnte das dann vielleicht "virtuelles Leben" nennen.
Ich habe mir die Simulationen mal angeschaut. Ehrlich gesagt, kann ich damit nichts anfangen, was mich beim Verständnis des Lebens weiterbrächte. Das sind zweifellos schöne Bilder, die man da generieren kann und die Ähnlichkeit zu zellulären Prozessen, die über die Zwischentexte suggeriert werden, ist zwar auf phänomenologischer Ebene gegeben, aber aus diesen Ähnlichkeiten kann man nichts ableiten, was auf zelluläre Prozesse übertragbar wäre. Eher ist es so, dass die Kenntnis über zelluläre Prozesse hier die Vorlage liefert, um das Verhalten der Punktmenge zu beschreiben.

Die umgekehrte Betrachtungsweise, also von der Punktmenge auf Zellen, ist leider überhaupt nicht ergiebig, um etwas über Zellen aussagen zu können, was wohl daran liegt, dass Zellen qualitativ doch etwas anderes sind als mathematisch definierte Punkte. Das heißt, dass virtuelles Leben zwar rein äußerlich irgendwie wie reales Leben aussieht, aber selber kein Leben ist, sondern nur ein Haufen Punkte, die sich gemäß der mathematisch fixierten Vorgaben irgendwie strukturieren, ohne dass das irgendeine Auswirkung hätte auf den Bereich jenseits des abgesteckten virtuellen Raums, innerhalb dessen sich die Simulation vollzieht.

Alles in allem: Ja, eine hübsche Spielerei, aber mir ist nicht klar, was es darüber hinaus mal werden könnte, wenn man die Simulationen noch weiter im Detail perfektioniert. Mit Leben hat das aus meiner Sicht jedenfalls nichts zu tun, auch wenn man das Attribut "virtuell" davorsetzt.
Künstliches Leben
Danke für den Link. Ich werde mir das mal über die Festtage durcharbeiten. Nach einem flüchtigen Überblick wird hier aber auch unterschieden zwischen "Wet", "Soft" und "Dry", wobei eigentlich nur "Wet" etwas mit Leben zu tun hat, während "Soft" und "Dry" lediglich Simulationen betrifft, die zwar in der AL-Forschung als gleichwertig angesehen werden, aber es de facto nicht sind. Genaueres dazu aber später ...
wir sollten hier auch streng reflektieren, inwieweit wir hier in unseren Einschätzungen Vorurteilen bzw. einem Bias unterliegen.
Das ist natürlich richtig und immer geboten. Ich bemühe mich, den größeren Kontext einzubeziehen, gemäß dem das Bewusstsein aus einem längeren evolutionären Vorlauf von Lebewesen erwachsen ist und dieses somit mit dem Kontext verwachsen ist, aus dem es hervorgegangen ist. Ein Roboter mit Siliciumchips als Hirnanalog ist einfach nur zusammengebaut worden, ohne dass dem ein evolutionärer Vorlauf vorausgegangen ist und ohne dass dieser Roboter einen Bezug zu seinem Körper hätte, dessen er sich in seinen Aktionen bedient.

Er hat vielleicht ein virtuelles Abbild seines Körpers, aber dieser Körper bedeutet ihm nichts auf analoge Weise, wie uns unser Körper etwas bedeutet, weil unser Gehirn mit unserem Körper verwachsen ist, während das Gehirn des Roboters einfach nur eingebaut wurde und beliebig ausgetauscht werden kann. Der Roboter ist dann tatsächlich "nur" eine Maschine, während Menschen über den rein maschinellen Aspekt hinaus auch noch eine autonome Person darstellen, was ich bei Robotern bezweifle.
ich glaube, dass Leben (nach o.g. Definition) und Bewusstsein, eigentlich zwei getrennte Phänomene sind, die nicht notwendig aufeinander aufbauen müssen.
Das ist schwierig zu entscheiden. Leben ist immer mit Innerlichkeit verbunden, die sich vom Außenraum durch ihren Zustand unterscheidet und abgrenzt. Folglich ergibt sich ab einem bestimmten Komplexitätslevel die Entstehung von irgendeiner Art von Subjektivität, um den Einflüssen von Außen durch aktives Tun eine Form von Selbstbestimmtheit zu realisieren. Diese Subjektivität findet dann sukzessive eine immer differenziertere Ausdrucksform in Gestalt einer Psyche, die als Simulationsraum für Umweltreize eine Funktion besitzt.

Mit dem Entstehen von Nervensystemen entstehen damit zugleich simulierte Zustände der Innerlichkeit und des Körperzustands sowie der Abbilder von Umgebungsreizen, die zu einem Abbild der Umgebung zusammengefügt werden, einem Konzept über die Welt, in der das Individuum lebt. Je komplexer das Nervensystem wird, um so komplexer und detaillierter werden die Simulationen von Konzepten der Umwelt wie auch von Konzepten über die eigene Subjektivität, die sich in dieses Konzept der Umwelt verortet.

Beim Menschen kommt nun noch Sprache hinzu, die auf das gewachsene Bewusstsein über sich selbst (Selbstwahrnehmung) nun noch einen weiteren Repräsentationsraum drüberlegt, in dem die Konzepte begrifflich benannt werden können und mit Hilfe von Grammatik neue Konzepte entworfen werden können, mit ihnen auf sprachlicher Ebene gespielt werden kann, um sie hinterher entweder zu verwerfen oder zu präzisieren um sie danach zu tradieren, indem sie weitererzählt werden.

Ich sehe da durchaus eine Kontinuität vom Einzeller über die tierischen Entwicklungsstufen hin zum Menschen, der über ein Bewusstsein verfügt, welches er mittels Sprache auf den Begriff bringen kann. Ob das auf maschineller Basis ebenso gelingen kann, möchte ich bezweifeln, aber als Simulation kann es nach außen hin täuschend echt gelingen, einem Roboter "Bewusstsein" zuzuschreiben.
ominöse Lebenskraft, Beseeltheit in religiöser Vorstellung, teleologische Annahmen
Nein, so etwas können wir von vornherein unberücksichtigt lassen, da es dafür keinerlei Möglichkeiten gibt, sie zu widerlegen, so dass man solche Annahmen zwar setzen kann, aber diese nach erfolgter Setzung nichts erklären, was man erkennen und verstehen möchte.
ich denke, dass ich auch genauso sagen kann: "Die lebendige befallene Zelle IST der Virus!"
Es gibt solche Vorstellungen, aber ich finde sie nicht überzeugend genug, um ein Virus als lebendig anzusehen. Denkbar ist, dass sich Viren aus einst lebenden Zellen heraus entwickelt haben, indem sie nach und nach immer mehr Funktionen an die nunmehrigen Wirtszellen abgetreten haben, aber damit haben sie zugleich auch ihre Lebendigkeit abgegeben, so dass sie jetzt nur noch infektiöse Partikel sind, aber nichts mehr, was lebt - auch in den Wirtszellen nicht. Klar kann man das auch anders sehen, aber wie gesagt, es überzeugt mich nicht. Macht aber auch nichts ... ;)
Ich würde aber sagen, dass ich hier eher als Ökosystem lebe, weil ich ohne meine Bakterien gar nicht lebensfähig wäre und weil man faszinierenderweise immer mehr darüber hinausfindet, wie verschlungen das Verhältnis hier ist, wie sehr sich hier alles gegenseitig beeinflusst und gegenseitig reguliert, bis ins Epigenom hinunter.
Dann sind wir ein Ökosystem, welches sich aus einer Vielzahl von Symbiosen konstituiert. Warum auch nicht? So etwas ist in der Natur ja gang und gäbe.
Frohe Weihnachten!
Danke, das wünsche ich Dir auch. :)

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 24. Dez 2020, 13:24

@ Timm

Danke für den Hinweis bezüglich der Kristalle.
Vielleicht sollte man sich zunächst daran orientieren, was die Biologie unter "Leben" versteht. Falls das nicht schon aufgegriffen wurde, ich habe noch nicht alles gelesen.
Wir sind bereits dabei, aber wollen natürlich auch die Grenzen ausloten, was man noch unter Leben einordnen kann und was bereits nicht mehr.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 24. Dez 2020, 15:49

Hi, ich muss mir das alles heute irgendwann mal durchlesen.
Timm hat recht, was die Entalphie angeht. Es genügt nicht den Kristall für sich zu betrachten. Man schaut ja z.B. bei einer Redox-Reaktion auch nicht nur auf einen der beiden Reaktionspartner. Auch sollte man sich nicht auf chemische Energie beschränken was die Betrachtung angeht.
Das mit den Kristallstrukturen als 'Abfallprodukt' war nur ein Beispiel in dem Thread, wie weit man möglicherweise maximal gehen könnte, weil man die genaue Grenze prinzipiell nicht kennt und daher wie seeker es propagiert die Grenze selbst opportunistisch festlegen sollte (hab ich ihm hier wieder etwas in den Mund gelegt?). Der Kristall in meinem überzogenen(?) Beispiel lebst selbst gar nicht, ist aber nur eines der Endprodukte der Reaktion. Aber lassen wir das Beispiel wie bereits gesagt lieber mal ruhen.

Die Biologie selbst ist möglicherweise voreingenommen, da sie aus einem Studium der makroskopisch erkennbaren Lebensformen wie Pflanzen und Tieren hervorging und sich später dann mit den in ihnen ablaufenden Prozessen und Strukturen befasste. Das ist ähnlich wie daß gewisse terminologische Ausdrücke in anderen Wissenschaften je nach Fachbereich eine andere Bedeutung haben - mit dem Unterschied, daß die Biologie bezüglich des Definitionsmonopols so ziemlich konkurenzlos dasteht (wenn man Theologie und dergleichen mal als nicht klassisch wissenschaftlich bei Seite lässt).

Und seeker hatte es ja bereits angedeutet: Die einzelnen lebenden Zellen kümmern sich nicht sonderlich weiter darum, ob sie im Verbund etwas größeres emergierendes bilden/hervorrufen. Selbst den Mitochondrien ist es relativ egal, wie ihr 'Mini-Biotop' evolutionär zu Stande kam; ursprünglich waren sie autark, bevor sie irgendwie in einer größeren Zelle durch irgendeinen inkludierenden Prozess eingebunden wurden. Alleine deshalb war es mir ein Anliegen, den Menschen nicht als Ganzes zu betrachten, sondern den ganzen überflüssigen Mist wie Bewusstsein, Nervensystem und gesellschaftlichen Kontext bei der Betrachtung bei Seite zu lassen (prophylaktisch weise ich darauf hin, daß ich hier die Vergangenheitsform benutze).
Es sollte in jedem Fall nicht davon abhängig sein, ob eine Schleimpilz-Spore spontan ein Nervensystem und gesteuerten Antrieb ausbildet, bevor wir bereit sind es von einem Lebewesen-Verbund zu einem eigenständigen Lebewesen umzuklassifizieren.
Hier sollte man sich denke ich zunächst darauf einigen, ob es ausreichend ist, daß die Einzelkomponenten jede für sich prozessieren.
Diagnostiker hat geschrieben: ohne dass die KI wirklich "weiß", was sie uns da vorspielt, wenn sie uns etwas vorspielt und darüber hinaus gar nicht weiß, dass sie uns etwas vorspielt, weil die Zuschreibung "Vorspielen" von uns vorgenommen wird, die wir diesem Vorspielen ausgesetzt sind.
Das weiß mein Körper genausowenig. Genausowenig wie die Einzelzellen aus welchen ich bestehe oder der Einzeller aus dem ich entstanden bin irgendeine Ahnung von dem höheren Bewusstsein haben, die daraus emergiert sind. Dein Gedankenganz geht aber in eine ähnliche Richtung, daß die Veranlagung möglicherweise vorher schon da gewesen ist und durch den Evolutions/Wachstumsprozess lediglich als wahrnehmbares/erkennbares Phänomen herauskristalisiert/herausemergiert ist.

Jetzt muss ich mir erst ein Mal den Rest eurer Posts durchlesen...
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 25. Dez 2020, 10:52

Nun, ich denke die Fragestellung der OP ist weitestmöglich gefasst und erlaubt deshalb nicht die eine richtige Antwort. Ich tendiere zu einer abstraktest möglichen Antwort, was letztlich aber Geschmacksache ist. Läßt man Randbedingungen wie Fortpflanzung, Evolution, Bewusstsein usw. weg, dann ließe sich "Leben" etwa so definieren:

Ein offenes System lebt, wenn es aus der Umwelt energiereiche Stoffe aufnimmt und energieärmere Stoffe unter Reduzierung seiner Entropie wieder ausscheidet.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 25. Dez 2020, 14:41

Timm hat geschrieben:
25. Dez 2020, 10:52
Ich tendiere zu einer abstraktest möglichen Antwort, was letztlich aber Geschmacksache ist. Läßt man Randbedingungen wie Fortpflanzung, Evolution, Bewusstsein usw. weg, dann ließe sich "Leben" etwa so definieren:

Ein offenes System lebt, wenn es aus der Umwelt energiereiche Stoffe aufnimmt und energieärmere Stoffe unter Reduzierung seiner Entropie wieder ausscheidet.
Ja, da bin ich auch voll dabei bei der Präferenz. Vielleicht steckt hier sogar der Sinn des Lebens dahinter: Der Darm weiß es, aber das Hirn steht völlig ahnungslos da ^^
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 25. Dez 2020, 18:40

@ Timm
Ein offenes System lebt, wenn es aus der Umwelt energiereiche Stoffe aufnimmt und energieärmere Stoffe unter Reduzierung seiner Entropie wieder ausscheidet.
Dann lebt eine Kerzenflamme, denn sie ist ein offenes System, nimmt energiereiche Stoffe aus der Umgebung auf (Sauerstoff und Wachs) und gibt energieärmere Stoffe ab (CO2 und Wasserdampf). Die Form und das Volumen der Flamme ist Ausdruck reduzierter Entropie, da sich die Gestalt der Flamme stabilisiert, also Ordnung hergestellt wird.

Ich möchte diese doch recht arg zurechtgestutzte Definition hinsichtlich ihrer Eignung dann doch bezweifeln.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 25. Dez 2020, 21:14

Diagnostiker hat geschrieben:
25. Dez 2020, 18:40
Die Form und das Volumen der Flamme ist Ausdruck reduzierter Entropie, da sich die Gestalt der Flamme stabilisiert, also Ordnung hergestellt wird.
Nein, nicht die Gestalt der Flamme, sondern die Zahl der Mikrozustände geht in die Entropie ein.

Für ein ideales Gas gilt
S_2 - S_1 = Cln(T_2/T_1) mit C der spezifischen Wärmekapazität. Folglich wächst die Entropie mit steigender Temperatur.

Die Entropie erreicht im thermodynamischen Gleichgewicht ein Maximum. Ein solches strebt ein Organismus nach dem Tod an, d.h. sie nimmt bei diesem Prozess zu.

Die Flamme ist insofern gerade ein Gegenbeispiel zu "Leben".

Um Diskussionen abzukürzen, diese Dinge sind nachzulesen.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 25. Dez 2020, 21:57

Ich glaube es ist einfach unzureichend, wie die Leute versuchen darüber zu sprechen.
Die Definition sehe ich so ähnlich, wie Timm sie beschrieben hat. Was die Leute aber bei der Verwendung des Ausdruckes 'leben' meinen ist nicht leben im allgemeineren abstrakteren sinn, sondern eben die speziellen Implementierungen, welche man aus dem Alltag und mit seiner eingeschränkten menschlichen Wahrnehmung kennt.
Als man nur Tiere und Pflanzen kannte, war die Welt noch einfach. Versagt haben die Vorstellungen der Vergangenheit eigentlich erst, als man neue Dinge entdeckte wie Holons usw. Anfangs ordnete man ihnen wohl noch eine Sonderstellung als Ausnahme zu; mittlerweile muss man jedoch auch sehen, daß klassische Vielzeller, welche aus einer einzelnen Zelle durch Teilung/Vervielfältigung entstanden wohl eher nur eine von vielen Möglichkeiten sind. Flechten sind dabei nur ein Beispiel.

Kerzenflamme? Ich glaube als Beispiel ungeeignet; der Verbrennungsprozess lässt sich nur schwer von dem durchgeschleusten Material(Nahrung) trennen. Falls man es wirklich darauf anlegt es als Beispiel zu nennen, müsste man der Flamme zumindest aberkennen einen eigenen Körper zu haben.
Beim Menschen erreichen die Ausscheidungen hingegen erst lange Zeit nach dem Durchschleusen (trotz Abkühlung) irgendwann ihre maximale Entropie. Betrieb und Instandhaltung des menschlichen Körpers geschieht mehr durch die anfallenden Nebenprodukte (was halt so durch die Darmwand durchdiffundiert) und sind denke ich vom Verdauungsprozess getrennt zu betrachten. Jedenfalls hat man bei höheren Lebewesen mehrere Verwertungssysteme zusammengeschachtelt.
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Frank » 25. Dez 2020, 22:53

Skeltek hat geschrieben:
25. Dez 2020, 21:57

Als man nur Tiere und Pflanzen kannte, war die Welt noch einfach.
Ist sie nach meinem dafürhalten immer noch :wink:
Wir sollten erst mal noch Leben außerhalb der Erde finden, auf das zumindest unsere Definition desgleichen passt, bevor man sich es passend macht(was man manchmal beim Lesen eurer tollen Beiträge vermuten könnte)
Mit anderem Leben können wir doch gar nichts anfangen.
Zum Teil ist das hier wie Algebra in der Mathematik. :)
Mit freundlichen Grüßen

Frank

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Skeltek » 26. Dez 2020, 02:15

Desnkst du nicht, daß eine relativ 'weite' Definition des Begriffes besser wäre? Wir reden immerhin über andere Planeten. Es ist doch fast unmöglich jemals etwas uns ähnliches zu finden. Wichtiger wäre es z.B. Sonden auszuschicken, die eine allgemeinere Auffassung von Leben haben, und dann gegebenenfalls feststellen, ob es auf dem Planeten 'Vorläufer' von den uns bekannten zellulären Lebensarten geben könnte?

Vermutlich wird die einzige Möglichkeit jemals einen anderen Planeten für die Besiedelung durch Menschen bewohnbar zu machen sein, daß man die Vorläuferformen richtig erkennt und das System mit Glück 'umkippen' kann, sodaß sich dann höhere und komplexere Lebensformen wie Bakterien und Pflanzen bilden. Die meisten Planeten wird man wohl am ehesten völlig lebensfeindlich, alkalisch, übersäuert, giftig usw antreffen. Wir wollen keinen Planeten, auf dem bereits Tiere, intelligente Lebensformen usw leben. So ein Planet ist ggf schon hinüber, wenn ein Kolonieschiff dann dort irgendwann einmal eintrifft oder die Tier&Pflanzenphase hat noch gar nicht richtig begonnen. <- Nur abstruse Ideen.

Das wichtigste ist doch praktisch zu denken.
1. Wie werden die meisten Planeten von uns gestaltet sein, wenn wir diese finden?
2. Hat der Planet potentiell überhaupt die Möglichkeit irgendwann tragfähig für Leben zu sein?
3. Treffen wir ihn Millionen Jahre vor der Entwicklung einer Biosphäre an oder gar Milliarden Jahre danach?
4. Verpasst der Planet möglicherweise den Kickstart für Evolution, oder geht er ein und wird zu einer Venus, bevor er überhaupt die Chance hatte?
5. Gibt es prä-zelluläres Leben, das in dem planetaren Klima bereits eine Nische bevölkern konnte und ihm lediglich ein kleiner Eingriff von Außen helfen könnte, daß daraus höheres Leben (mit Zellwand) wird? Ein Besiedeln durch 'mitgebrachte Aminosäure-Träger/Einzeller/Bakterien' wird da wohl eher scheitern (abgesehen, daß der interstellare Transport in einer kaum abschirmbaren Sonde fehl schlagen sollte).
6. Was hat es für einen Nutzen, sich bei der Evaluerung von Fremdplaneten auf zelluläres Leben zu beschränken? Wir haben nicht unbedingt die Wahl, was man ggf besiedeln möchte. Die meisten Planeten werden wohl kein zelluläres Leben haben, sondern eher Vorläuferphasen durchlaufen.
7. Erst nach Bereitstellung einer Biosphäre mit genug Nährstoffmaterial und aufbereiteten Bodenschichten wäre überhaupt eine Bepflanzung durch mitgebrachtes Saatgut denkbar. Es kann ein langer Prozess sein, bis die Biosphäre weniger giftig und weniger niederentropisch ist. Vielleicht wird man 99% der Planeten der bewohnbaren Zonen in einer 'Vorläuerphase' antreffen.

Ich denke jedenfalls, daß es durchaus Sinn macht, den 'Kern der Sache' richtig zu erkennen. Mit Glück kann man aus energetischen und Materialkreisläufen irgendwie katalysierend erdähnliches Leben dann emergieren lassen. Das ist jetzt nur Brainstorming, aber ein paar der Ideen sind sicherlich nicht außer Acht zu lassen. Es wäre doof, wenn man auf einen Planeten trifft und ihn dann als lebensfeindlich 'verwirft', nur weil man dort kein 'richtiges' Leben gefunden hat (obwohl die Vorläuferprozesse bereits im Gange sind).
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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 26. Dez 2020, 07:24

@ Timm
Nein, nicht die Gestalt der Flamme, sondern die Zahl der Mikrozustände geht in die Entropie ein.
Die Gestalt der Flamme ist ein Zustand von Ordnung, mithin also von geringerer Entropie. Entropie im Zusammenhang mit Leben bedeutet immer ein Maß für Unordnung. Die Zahl der Mikrozustände geht auch beim Stoffwechsel in einer Zelle ein. Sowohl bei der Zelle wie auch bei der Kerzenflamme wird die überschüssige Entropie nach erfolgter chemischer Reaktion (und daraus abgezweigtem Energiegewinn) in Gestalt energieärmerer Stoffe an die Umgebung abgegeben, so dass sich die Entropie der Umgebung erhöht, während die Entropie im Stoffwechselsystem vermindert ist.

In der Gesamtbilanz gleicht sich die Entropie aus, so dass hier physikalisch alles mit rechten Dingen zugeht. Darum gibt es keinen qualitativen Unterschied zwischen einer Kerzenflamme und einer Zelle, wenn man Deine Definition von Leben zugrundelegt. In beiden Fällen wird mittels Energieaufwand Ordnung erzeugt und erhalten, indem energiereiche Stoffe aufgenommen, umgesetzt und energieärmere Stoffe abgegeben werden. Sowohl Kerzenflamme wie auch Zelle sind Durchfluss-Systeme (Fließgleichgewichte), die sich jenseits des chemischen Gleichgewichts befinden.

Was jedoch Zellen von Kerzenflammen unterscheidet, ist die koordinierte Reproduktion der Reaktionskomponenten. Im Unterschied zu Kerzenflammen weisen Zellen in Gestalt von Proteinen Makromoleküle auf, die einen regulierten Stoffwechsel ermöglichen, weil sie als Katalysatoren eine koordinierte Abstimmung der jeweiligen chemischen Umsetzungen bewirken. Der qualitative Unterschied ist hier, dass die Zelle mit Hilfe von Vorlagen, bestehend aus Nucleinsäuren, in der Lage ist, die zur Aufrechterhaltung von Ordnung notwendigen Proteine selbst zu reproduzieren, so dass sie über die Reproduktion der Proteine zugleich den koordinierten Stoffwechselzusammenhang reproduziert. So etwas kann eine Kerzenflamme nicht.

In die Definition des Lebens muss also unbedingt die Reproduktion des Gesamtsystems über die Reproduktion der Komponenten dieses Systems mit einfließen, um praktikabel anwendbar zu sein.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 26. Dez 2020, 12:03

Timm hat geschrieben:
25. Dez 2020, 10:52
Ein offenes System lebt, wenn es aus der Umwelt energiereiche Stoffe aufnimmt und energieärmere Stoffe unter Reduzierung seiner Entropie wieder ausscheidet.
Ich denke, das ist allzu physikalistisch-reduktionistisch gedacht und ist zwar richtig aber allein das wäre aus meiner Sicht klar unzureichend. Es geht an wichtigen Kernpunkten der Sache vorbei bzw. blendet diese aus.
Diagnostiker hat geschrieben:Ich habe mir die Simulationen mal angeschaut. Ehrlich gesagt, kann ich damit nichts anfangen, was mich beim Verständnis des Lebens weiterbrächte.
Erstes Video, Zeit: 13min 15s
https://www.youtube.com/watch?v=makaJpLvbow
Diese Grafik fand ich dort am interessantesten: Unterscheidung von stabilen Zonen und instabilen Zonen. So etwas finden wir in chaotischen Systemen, komlexen Systemen und eben auch in lebendigen Systemen.
Es geht hier um eine systemtheoretische Betrachtungsweise. Und ich finde es höchst interessant wie aus schon so einfachen Systemen mit wenig Grundregeln solche Kompexität emergieren kann, die doch schon einige Eigenschaften mit lebendigen Systemen teilt: eine Art Stoffwechsel, Strukturbildung incl. Negentropieerhöhung innerhalb der Strukturen, Wachstum, Vermehrung, Sporenbildung, Absterben/Auflösung von Strukturen: ganze Lebens-Zyklen. Es sind in gewisser Weise schon alle 7 Kriterien der Definition in deinem Eigangsposting erfüllt:
Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung der Lebewesen mit ihrer Umwelt.
Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
Kommunikation, Lebewesen koordinieren und organisieren alle Lebensprozesse mit Signalen.[5]
Reizbarkeit, das heißt Lebewesen sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
Fortpflanzung, das heißt Lebewesen sind zur Reproduktion fähig.
Vererbung, das heißt Lebewesen können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung
Ich würde das dennoch noch nicht als echtes Leben bezeichen wollen, aber es zeigt ja dann schon so einiges, auch wo die Reise higehen könnte, bei künftigen Simulationen.
Und es zeigt auch wie schwierig Definitionen sind.
Diagnostiker hat geschrieben:Das heißt, dass virtuelles Leben zwar rein äußerlich irgendwie wie reales Leben aussieht, aber selber kein Leben ist, sondern nur ein Haufen Punkte, die sich gemäß der mathematisch fixierten Vorgaben irgendwie strukturieren, ohne dass das irgendeine Auswirkung hätte auf den Bereich jenseits des abgesteckten virtuellen Raums, innerhalb dessen sich die Simulation vollzieht.

Alles in allem: Ja, eine hübsche Spielerei, aber mir ist nicht klar, was es darüber hinaus mal werden könnte, wenn man die Simulationen noch weiter im Detail perfektioniert. Mit Leben hat das aus meiner Sicht jedenfalls nichts zu tun, auch wenn man das Attribut "virtuell" davorsetzt.
Ich denke, diese Bewertung ergibt sich nur, wenn du von vorne herein festlegst, dass "Leben" ausschließlich "chemisches Leben" sein darf und daher alles andere vorn vorne herein kein echtes Leben sein kann, dass es höchstens so scheinen kann, 'als ob', was aber meinem Verständnis nach schon etwas Bias-geleitetes, zirkulär-dogmatisches an sich hätte.
Ein Roboter mit Siliciumchips als Hirnanalog ist einfach nur zusammengebaut worden, ohne dass dem ein evolutionärer Vorlauf vorausgegangen ist und ohne dass dieser Roboter einen Bezug zu seinem Körper hätte, dessen er sich in seinen Aktionen bedient.

Er hat vielleicht ein virtuelles Abbild seines Körpers, aber dieser Körper bedeutet ihm nichts auf analoge Weise, wie uns unser Körper etwas bedeutet, weil unser Gehirn mit unserem Körper verwachsen ist, während das Gehirn des Roboters einfach nur eingebaut wurde und beliebig ausgetauscht werden kann. Der Roboter ist dann tatsächlich "nur" eine Maschine, während Menschen über den rein maschinellen Aspekt hinaus auch noch eine autonome Person darstellen, was ich bei Robotern bezweifle.
Da ist etwas Wahres dran und ich finde es auch sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass unser ZNS mit unserem Körper verwachsen ist, das bei uns sogar alles bis zur molekularen Ebene in gewisser Weise miteinander verwachsen ist. Dennoch: Zunächst einmal durchlaufen auch alle von Menschen hergestellten Gegenstände eine Evolution, das nennt man auch Entwicklungsarbeit, Trial and Error, Produktgenerationen, ... Und dies ist wiederum mit der Gesellschaft rückgekkoppelt-verwachsen.
Und wer sagt denn, dass Maschinen nur so sein können, wie du es hier skizzierst? Was wäre, wenn man Maschinen hätte, die auch in der Art bis ganz hinunter 'verwachsen' wären? Was man bräuchte wären m.E. auch Maschinen die selbsttätig eine Evolution durchlaufen können, das könnten auch virtuelle Maschinen sein.
Diagnostiker hat geschrieben:
ich glaube, dass Leben (nach o.g. Definition) und Bewusstsein, eigentlich zwei getrennte Phänomene sind, die nicht notwendig aufeinander aufbauen müssen.
Das ist schwierig zu entscheiden. Leben ist immer mit Innerlichkeit verbunden, die sich vom Außenraum durch ihren Zustand unterscheidet und abgrenzt.
Das stimmt zwar, aber das ist für Bewusstsein nach derzeitigem Verständnis nicht hinreichend.
Nach derzeitigem Verständnis muss ein bewusstes Lebewesen notwendig ein Nervensystem oder ein entsprechendes System haben.
Ich finde daher, dass das aus der Perspektive eher noch leicht zu entscheiden ist.
Folglich ergibt sich ab einem bestimmten Komplexitätslevel die Entstehung von irgendeiner Art von Subjektivität, um den Einflüssen von Außen durch aktives Tun eine Form von Selbstbestimmtheit zu realisieren. Diese Subjektivität findet dann sukzessive eine immer differenziertere Ausdrucksform in Gestalt einer Psyche, die als Simulationsraum für Umweltreize eine Funktion besitzt.
Ja. Allerdings liegt dieser Komplexitätslevel auf einer Stufe und ist eine Art der Komplexität, die für Leben nach derzeitigem Verständnis nicht notwendig ist. Was man dennoch noch postulieren könnte wäre, dass auch einfaches Leben, z.B. Einzeller eine Art rudimentäres Bewusstsein hat. Wenn man diese Straße noch weiter geht, kommt man zum Panpsychismus, nach dem schlicht alle Matertie wenigstens rudimentär-bewusst ist und den ich durchaus interessant finde. Ich bin nur nicht sicher, ob du dort landen möchtest?
Ob das auf maschineller Basis ebenso gelingen kann, möchte ich bezweifeln, aber als Simulation kann es nach außen hin täuschend echt gelingen, einem Roboter "Bewusstsein" zuzuschreiben.
Aus welchem Grund sollte das prinzipiell unmöglich sein? Praktische Gründe könnte man finden, indem man davon ausgeht, dass unsere Computer und die dazugehörige Software zumindest bis auf absehbare Zeit für so etwas nicht leistungsfähig sein werden, o.ä.
Aber als prinzipiellen Grund fällt mir nur ein, dass man davon ausgehen müsste, dass "Leben" etwas beinhaltet, das nicht algorithmisch abgebildet werden kann. Und das ist schwierig, es bedeutet nämlich m.E., zu behaupten, es gäbe etwas, Lücken, die in gewisser Weise nicht den Naturgesetzen unterliegen.
Und was sollte dieses "etwas" sein? Eher esoterische Anworten haben wir ja bereits ausgeschlossen, da sie uns nicht weiterhelfen.
Hast du irgendeine Idee?
Dann sind wir ein Ökosystem, welches sich aus einer Vielzahl von Symbiosen konstituiert. Warum auch nicht? So etwas ist in der Natur ja gang und gäbe.
Wir sind es noch mehr, als ich bisher wusste...
Ich habe nun das hier gefunden, zum menschlichen Virom:
Die aktuelle Forschung zeigt zunehmend, dass Menschen nicht in erster Linie aus »menschlichen« Zellen bestehen, in die gelegentlich Mikroben eindringen. Der Körper ist in Wirklichkeit ein Superorganismus aus Zellen, Bakterien, Pilzen und vor allem Viren. Studien zufolge ist möglicherweise die Hälfte aller biologischen Materie in unserem Körper nicht menschlich.

Noch vor zehn Jahren war den Forschern kaum bewusst, dass das menschliche Virom überhaupt existiert. Heute sehen wir es als integralen Bestandteil des größeren menschlichen Mikrobioms: passive und aktive mikroskopische Organismen, die fast jeden Winkel von uns besetzen. Wir kartografieren das Virom seit zehn Jahren, und je genauer wir es untersuchen, desto mehr stellt sich heraus, dass wir mit ihm eine Partnerschaft eingegangen sind, die unser tägliches Leben sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann.
Viren können nicht nur schaden, sondern auch helfen
https://www.spektrum.de/news/phagen-vir ... en/1809707
(mit einer Hervorhebung)

Das mit den Bakterien wusste ich schon, aber dass es nochmal 10x so viele Viren wie Bakterien in uns gibt, das wusste ich noch nicht.
Während die Bakterien die Zahl der menschlichen Zellen um den Faktor 10 übertreffen, ist es bei den Viren der Faktor 100
https://www.trillium.de/zeitschriften/t ... annte.html

Krass... :sp:

Und um die Sache mit dem Ökosystem etwas weiterzuspinnen:

Kann man es nicht so sehen, dass das urtypisch Lebendige darin besteht, dass verschieden 'Agenten' zusammenarbeiten, quasi einander 'helfen', zum gegenseitigen Nutzen miteinander 'kooperieren', bei gleichzeitiger Abgrenzung von einer Umwelt, von der sich das System dabei ein Stück weit emanzipiert und die einfach nur 'genutzt' oder 'ausgebeutet' wird?
'Kooperation' und 'System-Egosimus' könnte man so von ganz oben auf Gesellschaftsebene bis ganz hinunter zur Chemie in Einzellern verfolgen: DNA/RNA und Proteine 'kooperieren' um sich gemeinsam zu replizieren -> kooperativer Selbsterhalt auf Kosten der Umwelt - und in Konkurrenz dazu (zu dortigen Prozessen und Entitäten).
Und evolutionär gesehen entwickeln sich dann erfolgreiche, d.h. überlebende Kooperationen weiter und werden in diesem Prozess immer verschlungener und komplexer.
Aus dieser Sicht wäre die Sache mit der Entropie und den Konzentrationsgefällen nur eine Konsequenz, die sich dadurch dann halt auch ergibt.
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 26. Dez 2020, 12:52

@ Diagnostiker

Die Thermodynamik eignet sich nun mal ausgezeichnet um Phänomene in Biologie, Chemie und Technik präzise zu beschreiben. Man muss es nicht mögen das Phänomen "Leben" so zu charakterisieren, kommt aber nicht umhin genau damit zu erkennen, dass eine Flamme eben nicht lebt. Insofern ist das Beispiel gut.

Die Entropie als extensive Zustandsgröße ändert sich mit der Größe des Systems, nicht mit dessen Form. Die große Entropie einer Flamme folgt schon aus der Temperaturabhängigkeit der Entropie, was sich leicht nachlesen lässt. Und zu Entropie allgemein, es gibt recht gute allgemeinverständliche Artikel hierzu um sein Verständnis zu bessern.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 26. Dez 2020, 13:11

@ seeker
Es geht hier um eine systemtheoretische Betrachtungsweise.
Ja sicher, aber Punkte auf einem Bildschirm sind nun mal kein "Stoff", der leben kann, sondern eben nur Punkte, die ursächlich über Elektronen in Silicium-Chips an den Bildschirm vermittelt werden. Und diese Elektronen leben nun mal nicht und sortieren sich in den Chips nicht so, wie später die Punkte auf dem Bildschirm erscheinen. Das sind alles Artefakte, die über das bildgebende Verfahren zustandekommen. Was wir dann über die Betrachtung des Farbenpunktespiels hineinprojizieren, erinnert uns zwar irgendwie an das, was wir von Zellen kennen, aber es ist eben doch etwas ganz anderes, jedenfalls nichts was lebt. Von daher zwar hübsch anzuschauen, was man mittels mathematischer Gleichungen als Input so an Output hervorrufen kann, aber darüber hinaus nach meinem Eindruck nichts weiter.
Ich denke, diese Bewertung ergibt sich nur, wenn du von vorne herein festlegst, dass "Leben" ausschließlich "chemisches Leben" sein darf ...
Na ja, also wenn etwas lebt, dann muss da auch etwas da sein, was leben kann, und da kommt man um Materie nun mal nicht herum. Dass darüber hinaus auch Chemie stattfindet, um mechanisch passende Moleküle bereitzustellen, ist nur noch eine notwendige Folge, die sich aus dem Vorhandensein von Materie ergibt und keine willkürliche Festlegung meinerseits.
Was wäre, wenn man Maschinen hätte, die auch in der Art bis ganz hinunter 'verwachsen' wären?
Wie soll so etwas funktionieren? Ein Siliciumchip in einem Maschinenhirn speist sich in seinem Fortbestehen nun mal nicht aus einer wie auch immer vorhandenen siliciumhaltigen Nahrung, die irgendwie verstoffwechselt werden müsste, um den Siliciumchip zu reproduzieren. Ich sehe da keinen Weg, so etwas hinzubekommen. Eher sehe ich auch aus rein praktischen Gründen heraus eine Art Chassis, in das man beliebig Siliciumchips als Hirnanalog ein- oder ausbauen kann, aber das ist dann nicht mehr ein evolutionäres "Verwachsensein", sondern eine Art Ersatzteilbaukastensystem, wie es heutige Roboter ja auch schon sind.
Das stimmt zwar, aber das ist für Bewusstsein nach derzeitigem Verständnis nicht hinreichend.
Da bin ich mir nicht sicher. Das Bewusstsein ist ja Ausdruck der Innerlichkeit, welches unter der Notwendigkeit entstanden ist, mit der Außenwelt zu interagieren. Dass dafür ein Nervensystem entstehen musste, ist die materielle Voraussetzung, aber der Selektionsdruck war permanent da, so dass sich Nervensysteme relativ schnell zu ausgewachsenen Gehirnen entwickelten, sobald die Grundlage gesetzt war.
Allerdings liegt dieser Komplexitätslevel auf einer Stufe und ist eine Art der Komplexität, die für Leben nach derzeitigem Verständnis nicht notwendig ist.
Für Leben auf niedrigem Level wohl nicht, aber da Leben der Evolution unterliegt und Konkurrenz hier für Selektionsdrücke sorgt, ist das ein Selbstläufer, der über kurz oder lang zu den beobachtbaren Resultaten führt, auch wenn die Wege dahin manchmal etwas verschlungen sind.
Aus welchem Grund sollte das prinzipiell unmöglich sein?
Wie schon gesagt, kann ich das nicht abschließend begründen, aber mir scheint die organische Verwachsenheit von Hirn mit Leib essentiell zu sein, um hier einen Bezug zu sich selbst und über diesen Bezug einen Bezug zur Umwelt aufzubauen, in der man lebt, wobei dieser Bezug über die Psyche ebenfalls eine Verwachsenheit auf der simulativen Ebene darstellt: Man fühlt sich mit der Wirklichkeit verbunden und stellt einen emotionalen Bezug her, mittels dem man sich als Teil eines größeren Ganzen begreift, in das man eingeordnet ist.
Und das ist schwierig, es bedeutet nämlich m.E., zu behaupten, es gäbe etwas, Lücken, die in gewisser Weise nicht den Naturgesetzen unterliegen.
Die Naturgesetze stellen die Basis dar, der den Rahmen setzt, was möglich und was nicht möglich ist. Das war es dann aber auch schon. Alles weitere, was sich dann an Möglichkeiten verwirklicht, ist ein Spiel der konkreten Umstände und nicht über die Naturgesetze festgelegt. So eben auch das Leben und das Bewusstsein: Es widerspricht nicht den Naturgesetzen, ist in seinem Zustandekommen aber selber kein Naturgesetz, sondern ein Produkt des zufälligen Zusammenkommens der gerade passenden Gelegenheiten, dass so etwas entstehen konnte.

Aufgrund der Verwachsenheit von Hirn mit Leib und daraus abgeleitet von Bewusstsein mit Empfindung (Qualia) ergibt sich für mich, dass man voll bewusstseinsfähige Roboter nicht einfach bauen kann, sondern lediglich Maschinen, die das Vorhandensein von Bewusstsein über den Output perfekt vorspielen können, ohne deswegen tatsächlich über ein dem menschlichen analoges bzw. adäquates Bewusstsein zu verfügen.

Die "Lücke" sehe ich nicht in den Naturgesetzen, die ja nur den Rahmen des Möglichen festlegen, sondern in der bei Maschinen nicht gegebenen Evolution im Kontext mit der Umwelt, in der sich diese Maschinen dann aufhalten. Hier geht einer Maschine jegliches erlebbares Verständnis ab. Man kann sie zwar mit den nötigen Informationen füttern, um sich entsprechend ausdrücken zu können, aber der evolutionäre Vorlauf, den wir Menschen haben, fehlt dieser Maschine nun mal komplett, so dass ich zwar die technische Leistung bewundere, aber dennoch nicht in Versuchung komme, hier so etwas wie Menschlichkeit entdecken zu können.
Das mit den Bakterien wusste ich schon, aber dass es nochmal 10x so viele Viren wie Bakterien in uns gibt, das wusste ich noch nicht.
Ich auch nicht, aber betrachtet man die Größenverhältnisse, ist diese Zehnerpotenzregel eigentlich erwartbar. Es gibt rund zehn mal mehr kernhaltige Einzeller als Mehrzeller. Dann gibt es rund zehn mal mehr kernlose Einzeller als kernhaltige Einzeller. Die Viren als noch kleinere Partikel ordnen sich dann entsprechend ein: Es gibt deren dann ebenfalls rund zehn mal mehr als kernlose Einzeller. Das Volumen einer kernhaltigen Zelle ist rund 1000 mal größer als das Volumen einer kernlosen Zelle. In der Längenausdehnung ist eine kernhaltige Zelle rund zehn mal größer als eine kernlose Zelle. Das Verhältnis von Viren zu Bakterien ist ähnlich, so dass mich das Zehnerpotenzverhältnis nicht wirklich überrascht.
Kann man es nicht so sehen, dass das urtypisch Lebendige darin besteht, dass verschieden 'Agenten' zusammenarbeiten, quasi einander 'helfen', zum gegenseitigen Nutzen miteinander 'kooperieren', bei gleichzeitiger Abgrenzung von einer Umwelt, von der sich das System dabei ein Stück weit emanzipiert und die einfach nur 'genutzt' oder 'ausgebeutet' wird?
Ja, alles hängt mit allem zusammen und über vielfältige Netzwerke sind die Stoffkreisläufe geschlossen, so dass der Schaden des einen zum Nutzen für jemand anders wird. Kooperation ist die primäre Eigenschaft in Ökosystemen. Ohne Kooperation wäre das Leben längst ausgestorben. Interessanterweise gab es Anfang des 20. Jahrhunderts durch den russischen Biologen Kropotkin einen Gegenentwurf zum "Survival of the fittest"-Ansatz Darwins. Fressen und Gefressen werden ist also nicht der Weisheit letzter Schluss:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gegenseit ... nschenwelt

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 26. Dez 2020, 13:16

@ Timm
Die große Entropie einer Flamme folgt schon aus der Temperaturabhängigkeit der Entropie, was sich leicht nachlesen lässt.
Die Flamme ist doch aber die Erscheinungsform des Verbrennungsprozesses, die dadurch zustandekommt, dass hier das heiße Gas teilweise ionisiert wird, so dass ein Plasmakörper entsteht, der sich im Zuge des Verbrennungsprozesses selbst erhält und somit Ausdruck von Ordnung durch Regulation des Verbrennungsprozesses darstellt und nicht ein Zustand von maximaler Unordnung ist, was einer erhöhten Entropie entspräche. Es geht also nicht um die Temperaturabhängigkeit der Entropie, sondern um das, was aus der chemischen Reaktion als Plasmakörper emergiert.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 26. Dez 2020, 18:54

Doch, es geht um die Entropie als Unterscheidungskriterium für Leben vs. Nicht-Leben, das war ja die Frage der OP. Ich hatte gehofft das hinlänglich dargelegt zu haben und denke es macht wenig Sinn mich zu wiederholen.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 26. Dez 2020, 19:05

@ Timm
es geht um die Entropie als Unterscheidungskriterium für Leben vs. Nicht-Leben
Ja, und es hat sich herausgestellt, dass das als Unterscheidungskriterium nicht ausreicht, da dann Kerzenflammen auch leben würden, weil sich über den Stoffwechsel und den damit verbundenen Energiegewinn im Verlauf des Verbrennungsprozesses der Plasmakörper der Flamme reproduziert. Nur zur Klarstellung: Ich habe Erwin Schrödingers Buch "Was ist Leben?" gelesen und verstanden. Auch Schrödinger sah die Notwendigkeit, einen "aperiodischen Kristall" mit einer "Schlüsselschrift" analog zum Morse-Code zu postulieren, also das, was man heute als DNA kennt, um so ein komplexes Gebilde wie eine Zelle stabil zu erhalten.
Ich hatte gehofft das hinlänglich dargelegt zu haben und denke es macht wenig Sinn mich zu wiederholen.
Offenbar waren Deine Darlegungen nicht hinreichend genug, zumindest haben sie mich nicht von ihrer Anwendbarkeit auf Leben überzeugt.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Timm » 26. Dez 2020, 19:06

Verschiebt sich die Fragestellung in Richtung der Bedeutung des Begriffs "Leben", sind den Interpretationen kaum Grenzen gesetzt, wie beispielsweise hier nachzulesen ist.

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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von seeker » 26. Dez 2020, 19:09

Zu eurer Diskussion zur Entropie noch einmal kurz:

Ich denke, man kann sicher Systeme bauen, die die Definition "Ein offenes System lebt, wenn es aus der Umwelt energiereiche Stoffe aufnimmt und energieärmere Stoffe unter Reduzierung seiner Entropie wieder ausscheidet." erfüllen, die wir aber sicher nicht als lebendig bezeichnen würden.
Ich muss daher feststellen, dass das zwar eine sinnvolle und nützliche Perspektive darstellt, einen wichtigen Aspekt, aber alleine nicht ausreichend ist, um das zu fassen, was wir fassen wollen, wenn wir "lebendig" sagen.
Sprich: Man braucht eine Kombination verschiedener Perspektiven der Betrachtung, um das Phänomen befriedigend eingrenzen zu können.
Diagnostiker hat geschrieben:
26. Dez 2020, 13:11
Na ja, also wenn etwas lebt, dann muss da auch etwas da sein, was leben kann, und da kommt man um Materie nun mal nicht herum. Dass darüber hinaus auch Chemie stattfindet, um mechanisch passende Moleküle bereitzustellen, ist nur noch eine notwendige Folge, die sich aus dem Vorhandensein von Materie ergibt und keine willkürliche Festlegung meinerseits.
Und was IST dann Materie?
Wa genau unterschiedet eine echte Welt von einer hinreichend gut simulierten Welt?
Festhalten kann man: Beides besteht aus Strukturen. Was soll das sein, das darüber hinaus noch existiert, nur in der 'echten' Materie?
Diagnostiker hat geschrieben:
26. Dez 2020, 13:11
Ja sicher, aber Punkte auf einem Bildschirm sind nun mal kein "Stoff", der leben kann, sondern eben nur Punkte, die ursächlich über Elektronen in Silicium-Chips an den Bildschirm vermittelt werden. Und diese Elektronen leben nun mal nicht und sortieren sich in den Chips nicht so, wie später die Punkte auf dem Bildschirm erscheinen.
Während Materie was ist?
Sind das nicht auch nur eine Art eigenschaftstragende Punkte die durch irgendeine zugrundeliegende Matrix* vermittelt werden?
*: Vielleicht könnte man hier die Raumzeit nennen, was immer das ist.
Diagnostiker hat geschrieben:
26. Dez 2020, 13:11
Was wäre, wenn man Maschinen hätte, die auch in der Art bis ganz hinunter 'verwachsen' wären?
Wie soll so etwas funktionieren?
Auf simulierter Ebene wäre es vielleich am leichtesten zu bewerkstelligen: Simuliere eine Umgebnung, eine Welt, incl. der Chemie darin und lass das evolvieren, variiere auch mal die Paramterer, lass die Simulatiuon oft laufen und gib dem Ding zuzeiten auch einmal einen Schubs in die eine oder andere Richtung und schau, was herauskommt.
In Hardware schwieriger, aber auch da wohl nicht ganz unmöglich: Baue eine große Einheit aus kleinen, rückgekoppelten Einheiten auf, die in komplexe Wechselbeziehungen hineinwachsen. Sorge dafür, dass genügend kleine Untereinheiten möglichst schon Replikanten sind und sorge für Evolutionsdruck.
Und bezgl. KI-Bewusstsein: Baue mehrer neuronale Netzwerke und vernetze diese richtig und lass sie lernen indem du sie an eine Input-Welt anbindest. Gib ihnen auch einen echten oder einen simulierten Körper, von dem sie eine innere Repräsentation bilden können.
Etwas in der Richtung könnte ich mir vorstellen. Einfach wird das alles sicher nicht sein, aber unmöglich? Da wär ich vorsichtig...
Diagnostiker hat geschrieben:
26. Dez 2020, 13:11
Das Bewusstsein ist ja Ausdruck der Innerlichkeit, welches unter der Notwendigkeit entstanden ist, mit der Außenwelt zu interagieren. Dass dafür ein Nervensystem entstehen musste, ist die materielle Voraussetzung, aber der Selektionsdruck war permanent da, so dass sich Nervensysteme relativ schnell zu ausgewachsenen Gehirnen entwickelten, sobald die Grundlage gesetzt war.
Das erklärt die Existenz von leistungsfähigen ZNS, es erklärt aber nicht, warum damit ein Innenerleben einhergehen muss, warum ein ZNS ein solches haben sollte. Welchen Überlebensnachteil hätte ein Lebewesen ohne Innenerleben, das sich äußerlich aber genauso verhalten würde, wie eines mit?
(-> Zombie-Argument)
https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophischer_Zombie

Die Erklärung des Bewusstseins als Epiphänomen scheitert hier auch, da etwas ohne echte kausale Wirkkraft auch keinen evolutionären Vorteil bieten kann. Daher kann sich so etwas evolutionär nicht einfach so bilden und halten. Damit es das kann, muss es notwendig entstehen, wenigstens als unvermeidliches Nebenprodukt. Warum sollte so etwas notwendig sein?
Diagnostiker hat geschrieben:
26. Dez 2020, 13:11
Die Naturgesetze stellen die Basis dar, der den Rahmen setzt, was möglich und was nicht möglich ist. Das war es dann aber auch schon. Alles weitere, was sich dann an Möglichkeiten verwirklicht, ist ein Spiel der konkreten Umstände und nicht über die Naturgesetze festgelegt.
Wenn das so ist, dann sollte sowas aber doch auch im Prinzip in einer Simulation geschehen können, vorausgesetzt diese ist mächtig genug.
Diagnostiker hat geschrieben:
26. Dez 2020, 13:11
Es gibt rund zehn mal mehr kernhaltige Einzeller als Mehrzeller. Dann gibt es rund zehn mal mehr kernlose Einzeller als kernhaltige Einzeller. Die Viren als noch kleinere Partikel ordnen sich dann entsprechend ein: Es gibt deren dann ebenfalls rund zehn mal mehr als kernlose Einzeller. Das Volumen einer kernhaltigen Zelle ist rund 1000 mal größer als das Volumen einer kernlosen Zelle. In der Längenausdehnung ist eine kernhaltige Zelle rund zehn mal größer als eine kernlose Zelle. Das Verhältnis von Viren zu Bakterien ist ähnlich, so dass mich das Zehnerpotenzverhältnis nicht wirklich überrascht.
Dass es überhaupt so viele gibt, ist erwartbar, richtig.
Es hat mich überrascht, dass es in uns so viele gibt - trotz unseres Immunsystems. Ich dachte, wir wären im Körperinneren normalerweise weitgehend virenfrei, dem ist nicht so, überhaupt nicht so, im Gegenteil. Und sie sind überall, nicht nur auf den Schleimhäuten.
Wobei: Die meisten sind ja offenbar Bakteriophagen. Und was uns nicht schadet, wenn es im Zaum gehalten wird, muss unser Immunsystem auch nicht weiter aufwändig bekämpfen und kann es dann sogar zu unserem Vorteil nutzen.
:sp:
Grüße
seeker


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Re: Was ist Leben und was nicht?

Beitrag von Diagnostiker » 26. Dez 2020, 19:17

@ Timm
Verschiebt sich die Fragestellung in Richtung der Bedeutung des Begriffs "Leben", sind den Interpretationen kaum Grenzen gesetzt ...
Richtig, der Begriff "Leben" hat ein weites Bedeutungsspektrum, aber hier soll es um eine Eingrenzung auf naturwissenschaftlicher Basis gehen und nicht auf Fragestellungen, was man z.B. unter einem guten Leben versteht.

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