Hier stellt sich die Frage, ab wann man sagen kann, ob etwas lebt oder nicht. Die Frage wird konkretisiert, indem man sie auf Kristallstrukturen anwendet sowie auf Aminosäureketten, die sich eine Zeit lang reproduzieren und später wieder zerfallen.Was wäre, wenn man irgendetwas findet, wo man nicht genau sagen kann ob es lebt oder nicht? Was wäre, wenn man einen ganzen Wald an Kristallbäuen oder ähnlichem findet, der über Jahrmillionen langsam vor sich hin wächst? Oder einen kleinen Vulkan-ähnlichen Geysir, um den herum fast nur Aminosäure-Ketten zu finden sind, die sich da lustig vermehren und ein paar Hundert Meter weiter spätestens wieder eingehen?
Nehmen wir Kristallstrukturen. Kristalle definieren sich über ein Kristallgitter, welches über die Struktur der beteiligten Minerale festgelegt wird. Beispielsweise bilden Wassermoleküle bei der Eisbildung stets ein hexagonales Gitter, welches seinen Ausdruck findet in der Sechsstrahligkeit von Schneekristallen. Kochsalz hingegen bildet stets kubische Kristalle, was an der Anordnung der Natrium-Ionen und der Chlorid-Ionen liegt, die das kubische Kristallgitter festlegen.
Kristallisation erfolgt oft unter Freisetzung von Wärme, was dem Erreichen des niedrigstenergetischen Zustands entspricht. Obwohl wir bei Kristallen ein Höchstmaß an Ordnung haben, haben wir zugleich ein Höchstmaß an Entropie, weil die Ordnung in Kristallen nicht unter Energieaufwand zustandekommt, sondern selber den Zustand niedrigster Energie darstellt, der nur unter Energieaufwand wieder zerstört werden kann. Die elektromagnetischen Kräfte der Ionen halten den Kristall in seiner Struktur zusammen und konservieren die Ordnung des Kristallgitters.
Kristalle stellen somit einen stabilen Endzustand dar, der sich beim Kristallwachstum zwar sukzessive in seinen quantitativen Dimensionen vergrößern kann, aber qualitativ keine Veränderung erfahren kann, wie es bei Lebewesen der Fall ist, die sich evolutionär verändern können und neue Komplexitätsebenen erschließen können. Im Gegensatz zu Lebewesen stellen Kristalle keine dynamischen Strukturen dar, wo ein Fließgleichgewicht vorliegt und wo über Energieaufwand eine bestimmte Ordnung aufgebaut und erhalten wird.
Aminosäuren sind Moleküle, die einen positiv geladenen Pol und einen negativ geladenen Pol aufweisen. Der positiv geladene Pol ist die Aminogruppe (-NH2) und der negativ geladene Pol ist die Carboxylgruppe (-COOH). Aminosäuren können sich unter Wasserabspaltung zu längeren Ketten verbinden, die man Peptide nennt. Die Peptidgruppe (-CONH-) entsteht durch Anlagerung des positiven Pols der Aminogruppe an den negativen Pol der Carboxylgruppe, wenn zwei Aminosäuren aneinandergeraten:
H2N-CH(R)-COOH + H2N-CH(R)-COOH --> H2N-CH(R)-CONH-CH(R)-COOH + H2O
Das klappt aber nur, wenn sie sich linear aneinanderreihen. Kommen sie "kopfüber" aneinander, passiert dies:
H2N-CH(R)-COOH
HOOC-CH(R)-NH2
--> zyklisches Dipeptid + H2O
Mit der Entstehung von zyklischen Dipeptiden wird das Kettenwachstum unterbrochen. Das passiert bereits bei den beiden einfachsten Aminosäuren Glycin und Alanin. Bei Aminosäuren mit reaktiven Seitengruppen (Asparaginsäure, Glutaminsäure, Lysin, Histidin, Arginin u.a.) ergeben sich sehr schnell Peptidbindungen an den Seitenketten, statt wie gewünscht entlang des "Rückgrates". Ohne "Hilfsmittel" (z.B. Tonmineralien o.ä.) erfolgt spontan also keine lineare Kettenbildung von Aminosäuren.
Spontan gebildete Ketten können sich ohne Vorlage nicht reproduzieren. Sie zerfallen wieder in ihre Bestandteile, sobald Wasser, Temperatur oder Strahlung vorhanden sind, die in der Lage sind, Peptidbindungen wieder zu spalten. Peptidketten können sich also nicht "vermehren", da die dafür notwendige "Schablone" fehlt. Es würden stets nur spontan neue Ketten entstehen, die sich aber aufgrund des Zufallscharakters von einer Mustersequenz mehr oder weniger deutlich unterscheiden. Solche Ketten leben also ebenfalls nicht.
Wenn wir von Leben sprechen, also von Dingen, die leben und die wir deshalb als Lebewesen bezeichnen, müssen einige Voraussetzungen gegeben sein, die sie als lebendig erkennbar werden lassen. In der Biologie hat man sich auf folgende Auflistung geeinigt:
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Leben#NaturwissenschaftLeben bezeichnet in den Naturwissenschaften heute größtenteils eine Organisationsform, die durch gewisse Prozesse charakterisiert ist. Was Leben bzw. ein Lebewesen ist, wird in der modernen Biologie (Synthetische Biologie) nicht über einzelne Eigenschaften, einen bestimmten Zustand oder eine spezifische Stofflichkeit definiert, sondern über eine Menge von Prozessen, die zusammengenommen für Leben bzw. Lebewesen charakteristisch und spezifisch sind. Zu diesen Prozessen werden üblicherweise gezählt:
Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung der Lebewesen mit ihrer Umwelt.
Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
Kommunikation, Lebewesen koordinieren und organisieren alle Lebensprozesse mit Signalen.
Reizbarkeit, das heißt Lebewesen sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
Fortpflanzung, das heißt Lebewesen sind zur Reproduktion fähig.
Vererbung, das heißt Lebewesen können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.
Diese Kriterien definieren ein System als Erklärungsmodell, das als Grundausstattung folgende Eigenschaften haben muss. Es benötigt:
eine äußere Membran
innere Zellkompartimente,
(bio)katalytisch wirksame Substanzen.
Weiterhin muss es sich im Fließgleichgewicht zwischen einem Zustrom von Energie bzw. energiehaltiger Materie und einem Abstrom von Stoffwechselendprodukten und anderen nicht benötigten Stoffen befinden.
Ein solches System hoher Komplexität kann nur im Rahmen der Organischen Chemie realisiert werden. Es besteht aus aufeinander aufbauenden und miteinander wechselwirkenden Einheiten, die sich gegenseitig funktionell bedingen und erhalten.
Das einfachste heute bekannte System, das alle diese Forderungen erfüllt, ist eine Zelle (als selbständiger Organismus Einzeller). Inwieweit Strukturen (inklusive Viren), die nur einen Teil der obigen Forderungen erfüllen, als Leben anzusehen sind, wird diskutiert.
Aus heutiger Sicht sind die einzigen organischen Strukturen, die bei relativer Stabilität gleichzeitig ungeheure Informationsmengen speichern können, die DNA und die RNA.
Alle Prozesse, die oben angeführt sind, werden von RNAs koordiniert und reguliert. Diese RNAs sind in der Regel Teile von ko-optierten, infektiösen Agenten, wie Viren und mobilen genetischen Elementen. Kein zelluläres Lebewesen wäre imstande, sich ohne diese RNAs zu organisieren.
Diese Auflistung kann als Ausgangspunkt und Diskussionsgrundlage für Kritik und Präzisierung dienen.