Ich möchte zunächst die Sachen mit der Emergenz und der Supervenienz (furchbares Wort
) noch etwas analysieren:
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mit meiner Position in bestimmten Fällen doch so etwas wie Supervenienzbeziehungen behaupten muss.
Mindestens, wenn ich mir z.B. vorstelle, es gäbe eine exakte Kopie von mir, die aber aus Antimaterie bestünde (und auf einer Antimaterieerde in einem Antimateireuniversum lebt), dann muss ich annehmen, dass diese Person auch dieselben mentalen Eigenschaften/Zustände wie ich hätte.
Daraus folgt dann, dass das Mentale über dem materiellen in gewisser Weise superveniiert, mindestens ins naturgesetzlichen Welten, wie ich festhalten muss.
Ob daraus dann noch Weiteres folgt, will ich für den Moment noch offen lassen.
Man muss hier zunächst einmal klären, was "das Materielle" denn sei?
Wenn wir uns darunter nur irgendeine "Substanz" vorstellen, dann gehen wir nämlich m.E. fehl.
Soweit ich das sehe, haben wir in der Physik noch nie so etwas wie eine "Substanz" gefunden, wenn wir uns unter Substanz etwas vorstellen, das selbst statisch und unveränderlich ist und Träger von Eigenschaften ist (man kann sich hier bildlich-symbolhaft z.B. kleine Kügelchen vorstellen). Was wir stets nur gefunden haben waren Prozesse (man kann sich hier bildlich-symbolhaft kleine Wirbel vorstellen): Immer wenn man glaubte, man hätte etwas Fixes gefunden stellte sich -wenn man noch tiefer hineinschaute- heraus, dass es in Wahrheit eine dynamische Struktur war, die nur
aus ihrer Dynamik heraus Struktur war, die zeitlich nur relativ stabil ist, sodass sie ein "materielles Ding" nur vortäuschte (z.B. Atome). Man kann das philosophisch weiterferfolgen und zu einem Platonismus kommen, wo man dann dort wahrhaft seiende, unveränderliche Grundformen, die platonischen Ideen postuliert, die man dann als "grundlegende Substanz" identifizieren kann.
Aber auch das wäre unvollständig, es fehlt eine Zutat: das Moment der Bewegung! Denn wie sollte denn unsere dynamische Welt rein aus einer statischen Substanz hervorgehen können?
Wo sollen die Prozesse herkommen?
Es ist daher sinnvoll die Welt zunächst einmal als Prozess zu betrachten, mit Mikroprozessen und Makroprozessen, denn das ist das, was wir empirisch finden, alles darüber hinausgehende ist Spekulation.
"Das Materielle", "das Physische" ist -soweit wir bis jetzt wissen- reiner Prozess, zeitlich stabile Prozesse erscheinen uns als "Dinge". Und spätestens wenn wir an die Quantenwelt denken, sind es sogar seltsame Prozesse, auch dort werden wir mit einer Eigenschaftsdualität konfrontiert und auch dort haben wir es mit einem Spannungsverhältnis zwischen Observablen und dem was dahinter liegt zu tun.
Und auch "das Mentale" ist -soweit wir bis jetzt wissen- reiner Prozess. Prozess ist -soweit wir bis jetzt wissen- SEIN.
Beim Verhältnis Gehirn Geist kann man also feststellen, dass wenn da etwas über etwas anderes superveniiert, dann sind das beides Prozesse. Entscheidend beim Antimateriegehirn ist nicht ob da Elektronen oder Positronen herumfliegen, die postulierte "Substanz", sondern die Art und Weise wie "das
ganze Ding läuft", die Dynamik, die dynamischen Beziehungen insgesamt.
Ich muss also, weil ich auf Naturgesetzlichkeit bestehe, mindestens behaupten, dass dieselben Gesamtheiten von Mikroprozessen immer mit denselben mentalen Prozessen korrelieren.
Da im Antimateriegehirn dieselben Mikroprozesse laufen, hat es auch dieselben mentalen Eigenschaften/Inhalte wie das spiegelbildliche Materiegehirn.
Ich muss aber nicht behaupten, dass in dem Sinne das Mentale über dem Materiellen (als Substanz) superveniiert.
Wegen der Erklärungslücke kann ich dabei nicht sagen, warum mindestens bestimmte prozesshafte Gesamtheiten von bestimmten physikalischen Mikroprozessen in bestimmten Systemen immer mit denselben mentalen Prozessen korrelieren, ich muss das als gegebenen fundamentalen naturgesetzlichen Fakt hinnehmen, der nicht weiter erklärt werden kann, der aber im "wie" und "wann" untersucht und beschrieben werden kann.
Kommen wir zu Frage ob und wann Makroeigenschaften durch die vollständige Kenntnis der Mikroeigenschaften deduzierbar sind, kommen wir zur Emergenz:
Bei den Diskussionen über Supervenienz und Emergenzbeziehungen werden immer wieder Beispiele gebracht, wie das Verhältnis zwischen Bildpunkten und einem Bild, das Verhältnis zwischen Gasteilchen und einem Gas oder das Verhältnis zwischen Atomen und einem Kristall, wobei dann Mikroeigenschaften mit Makroeigenschaften verglichen werden.
Damit wird oft impliziert, dass das auch treffende Beispiele für das Verhältnis zwischen Gehirn und Mentalem seien.
Das sind sie aber nicht, ganz und gar nicht!
Bei Gehirn/Geist (und auch beim Leben und vielem mehr) haben wir einen ganz anderen Typ von Emergenz vorliegen, dort haben wir echte Komplexität vorliegen.
Eine solche Komplexität zeichnet sich durch folgendes aus:
Das sind
dynamische, hoch
rückgekoppelte Systeme, die von ihrer Umgebung
teilisoliert sind, sich
selbsttätig an der
Grenze zum deterministischen Chaos halten und mindestens
robust gegen Störungen, also selbststabilisierend sind.
Das Prozesshafte seht hier also völlig im Vordergrund, es ist
wesentlich, weder gibt es ein statisches Bewusstsein, noch ein statisches lebendiges Gehirn.
Daher muss jede Untersuchung solcher Systeme, die das nicht ins Zentrum stellt, scheitern: Das Prozesshafte ist nicht mit statischen "Substanz-Modellen" erfassbar.
Die Teilisolierung ist auch sehr wichtig:
Komplexe Systeme brauchen eine gewisse Isoliertheit von ihrer Umgebung, um überhaupt so etwas wie ein abgetrenntes selbstbezügliches System bilden zu können, sie brauchen aber auch einen Austausch mit ihrer Umgebung zur Selbstorgansisation, um ihre Komplexität überhaupt erreichen, erhalten und weiterentwickeln zu können. D.h. ein jederzeit völlig isoliertes komplexes System ist nicht möglich. Bei lebendigen Zellen übernimmt diese Aufgabe die semipermeable Membran, beim Gehirn sind es Nervenimpulse als auch chemische Botenstoffe über Sinnesreize und Reize vom Körper. Ansonsten ist das Gehirn zu 90% mit sich selbst beschäftigt, ebenso wie eine lebendige Zelle hautsächlich mit sich selbst beschäftigt ist.
Diese nicht-Isolierbarkeit komplexer Systeme alleine reicht schon aus um sie klassich-physikalischen Analysen mindestens teilweise unzugänglich zu machen, denn klassisch geht man so vor, dass man das zu untersuchende Objekt möglichst perfekt isoliert. Ein isoliertes komplexes System hat aber mindestens teilweise andere Eigenschaften als ein nicht-isoliertes, weil es eben halboffener Prozess und nicht statisches Ding ist - und auch nicht abstrahierend näherungsweise als statisches Ding betrachtet werden kann.
Dass sich komplexe Systeme an der Grenze zum deterministischen Chaos halten, mach ihr Verhalten dann
prinzipiell nicht vollständig vorhersagbar, schon weil es wegen der Quantenmechanik keine völlig exakte Kenntnis ihres physikalischen Zustands geben kann und solche Systeme immer wieder labile Punkte durchlaufen, wo Schmetterlingseffekte zum Tragen kommen, wo das System also in der Lage ist maximal winzige Abweichungen beliebig zu verstärken - machmal tut es das, manchmal auch nicht, auch das kann man nicht immer vorhersagen.
Und in ihrer Robustheit zeigt sich schließlich ganz, dass sie nicht deduktiv erklärbar sein können, es zeigen sich dort mindestens Grundformen von etwas, das man "Kreativität" nennen kann: Unvorhersehbares selbststabilisierendes Reagieren auf Störungen von außen, inneres unvorhersehbares Abbilden dieser Störungen, dadurch Erzeugung von inneren Abwerprozessen, Anpassung an wiederholte Störungen.
Seltsame Schleifen...
Das hat wirklich nichts mehr mit dem Verhältnis aus Gasteilchen und einem Gas zu tun.