100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie

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100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie

Beitrag von FKM » 25. Nov 2015, 22:43

Heute konnte man den 100. Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie feiern: am 25.11.1915 stellte Einstein erstmals die endgültige Fassung seiner Theorie bei einer Sitzung der "Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften" in Berlin vor.

Heute morgen war ich neugierig, ob dieser Geburtstag ein Thema in den Medien werden würde - beim ZDF-Morgenmagazin jedenfalls nicht. Von Google hätte ich ein Doodle erwartet, das kam aber auch nicht. Spiegel und Zeit Online brachten zwei schöne Artikel. Am meisten hat mich der Artikel auf Heise-Online gefreut wegen des Links auf die Originalarbeit und vor allem aufgrund des Hinweises auf den Vortrag von Kip Thorne heute Abend an der Freien Universität Berlin, was von einem Computermagazin jetzt nicht unbedingt zu erwarten war.

Dann hatte ich noch das Glück rechtzeitig Feierabend machen zu können und war pünktlich zur Stelle, als die Aula aufmachte. Daher nehme ich an, dass nur ein kleiner Prozentsatz der vielen Kopien meiner selbst, die sich heute verzweigt haben, den Vortrag erleben durften. :mrgreen:

Kip Thornes Vortrag, der für ein breites Publikum vorbereitet war, spannte den Bogen von Newton über Einstein, Interstellar zu aktuellen Forschungsergebnissen und Vorhaben (LIGO). Der Kinofilm "Interstellar" entstand also wirklich aufgrund seiner Idee, einen physikalisch korrekten Blockbuster über schwarze Löcher und Effekte der Relativitätstheorie zu drehen. Aber er gab zu, dass der Film bewusst einige Fehler und Ungenauigkeiten enthält, um eine spannende Handlung zu ermöglichen. Insbesondere die Zeitdilatation auf "Miller's Planet" im Verhältnis 1h/7 Jahren aufgrund der Nähe zum schwarzen Loch und die Gezeiteneffekte mit den Kilometer hohen Wasserwellen waren präzise berechnet. Eine so große Zeitdilatation ist übrigens nur in der Nähe eines schnell rotierenden schwarzen Loches möglich. Vorbild für "Gargantua" war das SL im Zentrum der Andromeda-Galaxie.

Neu für mich war, dass er (oder man?) sich die Singularität im Innern des schwarzen Lochs nicht mehr als Punkt oder Ring vorstellt, sondern als chaotisches, sich ständig veränderndes Gebilde:
Bild Er sprach auch die Simulationen von verschmelzenden schwarzen Löchern an sowie die Verwirbelungen der Raumzeit an den Polen an, was für mich nicht mehr neu war, da es hier im Forum schon mal einen Thread dazu gab.

Er erwartet in den nächsten 5 Jahren die Entdeckung der Gravitationswellen. Das LIGO-Experiment soll in der Lage sein, selbst Streckunen oder Stauchungen von 1/1000 eines Atomkerns auf 4 km entdecken zu können und damit theoretisch in der Lage sein, Gravitionswellen von verschmelzenden schwarzen Löchern aus bis zu 4 Milliarden Lichtjahren Entfernung entdecken zu können. Das wäre schon äußerst beeindruckend, wenn das stimmt und klappt.

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Re: 100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie

Beitrag von Pippen » 26. Nov 2015, 00:05

Was würden denn Gravitationswellen beweisen? Und woher wüßte man, dass man da Gravitationswellen entdeckt hat und nicht irgendwelche anderen Erschütterungen?

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Re: 100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie

Beitrag von Analytiker » 26. Nov 2015, 09:04

Die Feldgleichungen der Gravitation sind ein großartiger Geniestreich! Die ART ist eine Theorie, die bisher jeder Überprüfung standgehalten hat. Mit ihr kann man die Entwicklung des Universum beschreiben und die Gravitation erklären.

Vielen Dank FKM für die interessanten Hinweise.

Letzter Schluss der Weisheit bezüglich der Gravitation ist die ART wohl nicht, aber es ist bis heute nicht gelungen, sie durch eine Theorie der Quantengravitation abzulösen, obwohl die Quantentheorie so erfolgreich ist.

Punkt- oder Ringsingularität sind nur idealisierte Annahmen. Dass es chaotisch im Innersten eines Gravitationskollaps zugeht, liegt daran, dass die Gravitation selbst als Gravitationsquelle wirkt.

http://www.einstein-online.info/vertief ... itaetenBKL

Ja, was würden denn Gravitationswellen beweisen? Ihr direkter Nachweis wäre eine weitere Bestätigung für die ART und man könnte Genaueres über extreme Vorgänge im Universum und sogar über die ersten Momente des Universums erfahren. Das elektromagnetische Spektrum gestattet es nur bis etwa 380000 Jahre nach dem Urknall zurückzuschauen. Mit Gravitationswellen könnte man auf winzige Sekundenbruchteile an den Urknall beobachtungstechnisch herankommen.

Wenn nahezu zeitgleich von mehreren Detektoren auf der Erde die gleichen Wellenmuster im gesuchten Bereich detektiert würden, dann könnte man auf das Vorhandensein von Gravitationswellen schließen.

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Re: 100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie

Beitrag von FKM » 29. Nov 2015, 00:24

Pippen hat geschrieben:Was würden denn Gravitationswellen beweisen? Und woher wüßte man, dass man da Gravitationswellen entdeckt hat und nicht irgendwelche anderen Erschütterungen?
Der Einwand ist sicher berechtigt, und in der Wissenschaftsgeschichte gab es ja auch ein paar unrühmliche Beispiele (Weber in den 70er Jahren, aktuell BIZEP) für vermeintliche Entdeckungen, die sich als Fehlinterpretation statistischer Daten herausgestellt hatten.
Die heutigen sehr aufwändigen und teuren Detektoren arbeiten nach dem Prinzip des Michelson-Inferometers, und sind über alle Kontinente verteilt:
Bild
Wie Analytiker schon geschrieben hat, steht ja der direkte Nachweis von Gravitiationswellen noch aus. Immerhin soll selbst Albert Einstein die Gravitiationswellen 20 Jahre später wieder verworfen haben.* Daher wäre der Nachweis und erst recht ein negatives Resultat ein wichtiges Ergebnis. Ansonsten verspricht sich Kip Thorne von den Gravitationswellen-Detektoren Signale von kollidierenden schwarzen Löchern aus bis zu 4 Milliarden Lichtjahren Entfernung, Signale von kollidierenden Neutronensternen, (unbekannte) Quellen von Gammar Ray Bursts, Supernovae und etwas spekulativ von komischen Strings und "BIG SURPRISES".

@Analytiker:
Danke für den Link zur Raumzeit-Knetmaschine.
Bild In seinem Vortrag hat Kip Thorne das Thema Singularitäten im SL nur kurz gestreift, neben der BKL-Singularität erwähnte er noch Spekulationen über "gentle singularities", die durch einfallende oder zurückprallende Materie erzeugt werden könnten und in "Interstellar" auch eine Rolle spielten: http://www.space.com/27970-whats-new-bl ... horne.html

*) Einstein, A., Rosen, N.: On Gravitational Waves. In: Journal of the Franklin Institute 223 (1937), 43–54.

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