Ich gebe auch mal wieder meinen Senf auch mal dazu ab. Zunächst mal, um was es geht:
Ein sich exponentiell ausdehnendes Universum entsteht, wenn in einem Universum nur eine konstante positive Energiedichte vorhanden ist, alias kosmologische Konstante. Das wurde schon von Wilhem de-Sitter entdeckt zu Einsteins Zeiten.
Die konstante (sich nicht verdünnende) positive Energiedichte wird im Allgemeinen als Vakuumenergiedichte bezeichnet. Der Kernpunkt ist, dass einer konstante Vakuumenergie-Dichte einem negativen Druck (Spannung) entspricht, was aus der Energieerhaltung folgt. Dieser Beitrag sorgt für die Expansion. Wenn man das in die Friedman-Gleichungen für ein homogenes/isotropes einsetzt, findet man als Lösung ein sich exponentiell ausdehnendes Universum, dessen Charakteristikum es ist, dass die Ausdehnungsrate da(t)/dt / a(t)=H0 konstant ist.
Wenn andere Energie-Formen vorhanden sind, Materie und Strahlung, die sich aber verdünnen mit der Ausdehnung (Materie mit 1/a^3, Strahlung mit 1/a^4 wegen zusätzlicher Rotverschiebung), gibt es einen Misch-Masch. Da sich Materie/Strahlung verdünnen, Vakuumenergiedichte aber nicht weil konstant, spielt Materie irgendwann, nämlich im Prinzip "seit heute" kaum noch eine Rolle. wir leben in einem sich exponentiell ausdehnenden Universum mit nach bisheriger Kenntnis im wesentlichen konstanter Ausdehnungsrate (Zumindest bald in eigen Milliarden Jahren^^)
Die Inflation ist im Prinzip nichts anderes, nur ist dort der H0-Parameter aufgrund einer damaligen von einer gänzlich anderen als heutigen Quelle verursachten (Inflaton-Feld) viel höheren Vakuum-Energiedichte weshalb , Die Ausdehnungsrate so dramatisch war (Heute verdoppelt sich die Ausdehnung des Universums in Milliarden-Jahre Skala, damals in 10-30 Sekunden Skala). Es gab damals ein hochenergetisches Vakuum eines hypothetischen skalaren Inflatonfeldes um etwa 10-35 sec . Ein anderes skalares Feld als das Higgsfeld. GUT-Modelle und auch Stringtheorie lassen da so einiges zu. Unsere Materie von heute war NICHT da. Das Inflatonfeld-Potential hatte mit zunehmenden Inflaton-Feldwerten ein Plateau-artiges erst langsam abfallendes und dann steil zu einem Minimum abfallende Form. (analog zum Higgsfeld, auch wenn die genaue Form unbekannt ist). Das Minimum liegt dann bei dem heutigen kleinen Vakuum-Energiedichten-Werte. Das plateau-artige Gebiet verschaffte dem Universum ausreichend Zeit für sein rasanten exponentiellen Wachstum während das Inflaton-feld auf dem nahezu konstanten Gebiet hinabrollte, wo es seine Größe alle 10-30 sec oder so verdoppelte (efolds, 50 mal oder so).
Irgendwann wurde dann die „Steilküste“ erreicht und das Inflatonfeld stürzte ab. Die Differenzenergie zwischen dem hohen Plateauwert und dem niedrigen Minimum wurde in Strahlung und Teilchen/Antiteilchen umgewandelt. Das heizte das Universum dann nochmal so richtig auf (re-heating). Ab dann gab es die „normale“ Expansion des Universums, zuerst mit strahlungsdominierter Energiedichte, dann mit Materie dominierter Energiedichte (a(t)~t^(2/3) )und schließlich seit etwa 5 Milliarden Jahren mit Vakuum-energie-dichte dominiertes Universum a(t)~e^(Ho*t).
Das „über die klippe-stürzen“ des Inflaton-Feldes erfolgte nicht überall gleichzeitig, denn es gab ja die nicht zu vermeidenden Quantenfluktuationen. Das haben Vilenkin und Linde näher untersucht. Zum einen sorgten Quantenfluktuationen für die Inhomogenitäten, die den Samen für die heutigen Strukturen, zum anderen zur ewigen Inflation mit immer neuen Bubble-Universen, dem Multiversum. (Es ist schwer und recht künstlich Modelle zu finden, die nur ein Universum erzeugen).
Was hat das jetzt mit dem Higgs-Feld zu tun. und den angegebenen Energiewert von L=10^10 GeV zu tun. Erst mal hat dieser Lambda Wert nichts mit der kosmologischen konstante zu tun. Er bezieht auf das Mexican-hat Modell des Higgs-potential. Also im wesentlichen: V(H)=-mh*H^2+lh* H^4
die Autoren werden sich auf die vor einem Jahr veröffentlichte Rechnung von Theoretikern gestützt haben. (s. mein post
http://abenteuer-universum.de/bb/viewto ... =39&t=2373) (de-Grassi-paper)
Nochmal zuammengefasst: die Konstanten wie Massen , Ladungen , Kopplungskonstanten sind in der Quantenfeldtheorie nicht wirklich konstant. Sie sind aufgrund der stets vorhandenen Vakuumfluktuationen energieabhängig. Für die elektrische Ladung nennt man das Vakuumpolarisation. Aufgrund der recht starken Energieabhängigkeit wird die Kopplungskonstante der QCD gar running coupling constant genannt usw.
Diese Energieabhängigkeit gilt auch für Massen der Teilchen und, was auch für alle anderen „konstanten“ der Theorie und eben auch für den lh-Wert im Higgs-Potential. Man kann diese Abhängigkeit störungstheoretisch berechnen (Stichwort: Renormierungsgruppenfunktion), wiedergeben. Wichtig dazu ist, dass man die Werte der konstanten an einem Punkt auf der Energie-skala kennt, die bestimmt man aus dem Experiment. Dann kann man den Wert der bei anderer Energie aus der Rechnung bestimmen. Nun hat jeder Messwert. Messfehler, was dann natürlich einen Spielraum für die Ergebnisse bei hohen Energien zulässt. Die Forscher um de-Grassi haben nun damals berechnet, daß bei der gefunden Masse des Higgs-Teilchen und der Top-Quark-Masse im Rahmen der Meßgenauigkeit und im gegebenen störungstheoretischen Berechnungsschema für den lh-Parameter durchaus die Möglichkeit besteht, das lh<0, also negativ werden kann. Und zwar ab einer Energie von etwa 10^10 GeV.
Das hat dramatische Konsequenzen. Aus dem „Mexican-hat“-Potential mit einer nach oben gewölbten Krempe bei großen Higgs-Feldwerten wird sozusagen eine Kapuze, es geht immer fleißig weiter nach unten. Dieses Potential ist aber nichts anderes als eine negative Vakuum-energie-dichte. Was macht ein Universum mit einer negativen Vakuum-energie, wenn eins mit einer positiven Vakuum-energie sich ausdehnt? Richtig, es zieht sich zusammen. Aber es kommt noch schlimmer. Im Falle eines negativen lh-Wertes, fällt das Potential mit –lh* H^4 zu immer kleineren Werten, ohne jemals einen stabilen Wert zu erreichen. Das Vakuum ist notorisch instabil! Die Vakuumenergie fällt immer weiter ab. Das heißt ein Universum schrumpft dann im Laufe der Zeit mit einer immer höheren Rate (Bedenke exponentiell heißt konstante Rate). Das ist schon richtig übel.
Das Problem ist nun folgendes. Offenbar ist unser Universum, da es ja seit 13.8 Milliarden existiert stabil bei einer geringen positiven Energiedichte. Aber das ist wohl nicht der niedrigste Energie-Wert. Wenn obiges fürs Higgs-Feld stimmen sollte, wäre es nur meta-stabil und es kann es spontan zu einem niedrigeren Energiewert tunneln, eben zu einem mit negativem lh, und von dort an geht’s abwärts. Diese Tunnelwahrscheinlichkeit ist extrem niedrig wegen der großen Potentialbarriere bis zu etwa 10^10 GeV, wir leigen ja quasi bei 0. Offenbar sollte sie dann >10^10 Jahre sein, oder viel viel größer. Wenn einmal so eine Bubble mit einer gewissen Größe auftaucht, ist es ein Phasenübergang, Unser Vakuum wird sich an der Grenze den niedrigerem Zustand anschließen und das mit Lichtgeschwindigkeit (so schnell ist die Schrumpfung zu Beginn nicht, das heisst dass sich die negative lh-Phase ausbreitet bevor die Schrumpfung an Fahrt aufnimmt).
Nun haben die Autoren um Hogan oben aber eine zweite Frage gestellt? Sie fragten nicht nach der Übergangswahrscheinlichkeit heute wie Degrassi et al. sondern nach der Übergangswahrscheinlichkeit zur Zeit er Inflation als etwa 10-35 sec nach Urknall. Wenn man die BICEP2-Daten als Inflationsgetrieben interpretiert. Dann hat das Universum damals eine viel höhere Energiedichte bei der GUT-Skala von 10^16 GeV. Nun haben alle Felder Quantenfluktuationen, einschließlich das Higgsfeld Quantenfluktuationen. Hogan et al. zeigten, daß der Potential Erwartungswert der Higgsfeld-Fluktuationen bei etwa 10 ^13 GeV liegt, was tausendmal größer ist als die Instabilitätsgrenze für lh-term von 10^10 GeV ist. Das Higgsfeld braucht da also gar nicht zu tunneln, es kann während der Inflation über eine Fluktuation direkt über die Potentialbarriere rollen und einen negativen lh-Wert annehmen und somit häufig Bubbles mit instabilem Higgs-Vakuum mit immer kleiner werden Vakuumenergiedichte erzeugen. (Anmerkung: Nun hat die Form des Higgs-Potentials selber eine Temperatur-abhängigkeit, weshalb es ja zum elektroschwachen Phasenübergang kommt bei 10^3 GeV, aber soweit ich sehen konnte, ändert diese nichts an dem Instabilitätsverhalten)
Das mag während der Inflation vielleicht noch nicht gestört haben, da das Inflaton-Potential sehr viel höher war und damit dominierte, aber spätestens am Ende der Inflationen hätten wir mit vielen Bubbles mit einem negativem Higgspotential mit Kapuzenform da gesesses , welche als Kondensationskeim zu einem Phasenübergang aller verbleibenden Gebiete mit kleiner positiver Vakuum-Energiedichte zur negativen (und dann weiter fallenden) Vakuumenergiedichte. Das gesamte Post-inflationäre Universum wäre betroffen. Die negative Vakuumenergiedichte würde weiter fallen, die normale Expansion gestoppt und umgekehrt . Wenn das aber der Fall gewesen wäre, tja dann sässen wir heute nicht hier und diskutierten darüber
Ergo schlussfolgerten sie, dass es einen unbekannten physikalischen Effekt gegeben haben muss, der uns vor diesem Schicksal bewahrte.
Meine Meinung: Sehr interessante Analyse. Es zeigt wieder einmal mehr, dass das unser Universum sehr vielschichtiger ist, als wir mit Standardmodell und inflationärem lambda-CDM-Modell nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Wieder ein Nagel mehr im Sarg der Ungereimtheiten über unser gegenwärtiges Bild des Universums und der Tendenz zu einem Paradigmen-Wechsel.
Ich hoffe, dass ich das so richtig verstanden und in etwa wiedergegeben habe, sonst möge man mich korrigieren