Dgoe hat geschrieben: ↑25. Nov 2017, 20:38
Ein bzw. das Henne-Ei-Problem in Reinstform, zu Beginn halt.
Das Henne-Ei-Problem lässt sich lösen:
Das Ei war natürlich zuerst da!
Genauer: Der Kreisprozess, der als ein Zwischenergebnis Ei-artiges produziert ist sehr alt, viel älter als Hühner, universell und hat sich mehrmals unabhängig entwickelt.
Man findet ihn bei Fischen, bei Wirbellosen, bei Pflanzen (Samen), in gewisser Weise sogar bei Einzellern (Sprossung, Endosporen).
D.h.: Der besagte Prozess kam in der Vielzahl wo er überall wirkt irgendwann auch an den Punkt, wo das erste Hühnerei von einem Nicht-Huhn gelegt wurde, wobei "Huhn" und "Nicht-Huhn" nur Begriffe sind, die sich erst durch unser kategorisch-ordnendes Denken ergeben, die Natur kümmert das nicht, sie tut einfach was sie tut, sie kennt ebenso Sprünge wie auch langsame Übergänge, sie hat weder ein Problem mit "Halb-Hühnern" noch mit "Nicht-Huhn legt Hünerei".
D.h. auch, dass das Henne-Ei-Problem ein Problem ist, das sich erst durch eine spezielle, nicht für alles geeignete Herangehensweise an das Betrachtete manifestiert, bzw. durch ein ebensolches Denken bzw. Fragen erst generiert wird.
ATGC hat geschrieben: ↑25. Nov 2017, 15:32
Es geht doch aber letztlich um numerische Wahrscheinlichkeiten, die a priori gültig sein sollen. Was wir tun, ist aus der Retrospektive abzuschätzen...
Insofern hast du natürlich Recht. Die Retrospektive ist hier ein Problem, das uns klar einschränkt. Wir finden es ebenso in der Evolution und der Kosmologie.
D.h. aber nicht, das wir gar nichts sagen oder abschätzen können, es heißt, dass das was wir rein aus der Retrospektive sagen können, hier immer unsicherer sein wird, da sich die Argumentationen indirekterer Argumente bedienen müssen, selbst dann, wenn wir nur Wahrscheinlichkeitsaussagen generieren.
ATGC hat geschrieben: ↑25. Nov 2017, 15:32
Quantität schlägt irgendwann in Qualität um.
Dieser Standardsatz der Dialektik ist hier aber nicht anwendbar, da es eben nicht einfach nur eine sukzessive Vermehrung von Molekülen und Prozessverläufen betrifft, sondern eine andere Art von Wechselwirkungen, die nicht einfach mal so als spontanes "Umkippen" infolge von genügend "Masse" entsteht. Die Dinge sind hier diffiziler - und sie sind prinzipiell unvorhersagbar.
Ich finde du bist an der Stelle in deinem Denken zu sehr einem Kategoriendenken verhaftet.
Eine sukzessive Vermehrung von Molekülen und Prozessverläufen, so sie denn in einem System existiert (hier ist schon zu beachten, dass man die Größe eines halboffenen Systems prinzipiell frei wählen kann: eine flüssigkeitsgefüllte Pore, ein Bereich, ein Landstrich, die Erde, das Sonnensystem, usw.), erhöht die Wahrscheinlichkeit für ein Umkippen.
Insofern erhöht auch hier Quantität die Wahrscheinlichkeit für das Umschlagen in Qualität.
ATGC hat geschrieben: ↑25. Nov 2017, 15:32
Welche Gemeinsamkeiten zwischen Molekülen und Zellen würdest Du denn hier finden und genauer untersuchen?
Du kennst dich da mit den Details viel besser aus, was würdest du meinen?
Wie gesagt würde ich eine Top-Down-Perspektive zusätzlich zu einer Bottom-Up-Perpektive vorschlagen.
Bei der Bottom-Up-Perpektive analysierst du das Leben, so wie man es heute vorfindet, zerlegst es in seine materiellen Teile plus die Wechselbeziehungen dieser Teile und fragst dann, wo diese Teile und Wechselbeziehungen herkommen können.
Bei der Top-Down-Perpektive schaust du dir die Systeme insgesamt an und fragst zunächst ungeachtet der Teile, welche grundsätzlichen Prozesse da ablaufen. Da geht es dann nicht mehr um Moleküle, Materie oder materielle Elemente, die sind da prinzipiell austauschbar, sie sind sekundär. Es geht auch nicht mehr um Chemie oder Biologie oder Mechanik, es geht um abstraktere Dinge.
Ein zentraler Prozess ist z.B. die Reproduktion. Das hast du in lebenden Zellen, du hast es aber auch bei zellulären Automaten (
https://de.wikipedia.org/wiki/Zellul%C3%A4rer_Automat) und du hast es auch schon, wenn du ein Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoff hast und die erste Reaktion 2H2 + O2 -> 2 H2O + Energie abläuft, vielleicht angetrigert durch ein kosmisches Teilchen das von einer Supernova hierher kam:
Die Energie die aus dem Prozess der ersten Bildung eines H2O-Moleküls frei wurde, sorgt dafür, dass weitere H2O-Moleküle gebildet werden, deren freiwerdende Energie sorgt dafür, dass noch mehr H2O-Moleküle entstehen, das Ganze nennt man eine Explosion.
Man kann es in einem anderen System auch kontrolliert ablaufen lassen, wenn man Wasserstoff und Sauerstoff in einem Fließgleichgewicht durch eine Brennerdüse leitet und das Ganze zündet: Es entsteht eine Wasserstoffflamme und wir haben einen Reproduktionsprozess: Das Entstehen von H2O sorgt dafür, dass immer noch mehr H2O gebildet wird. Das Ganze läuft so lange stabil weiter, wie die Systemrandbedingungen hinreichend stabil sind (so lange Wasserstoff und Sauerstoff ins System nachgeliefert werden und so lange H2O und ein Teil der Energie aus dem System entweichen kann).
Oder nimm die Planetenbildung: Am Anfang hast du nur Staubkörner, diese treffen sich zufällig und agglomerieren aufgrund elektrostatischer Kräfte. Wenn solche Agglomerate dann eine gewisse Größe erreicht haben, dann schlägt der Prozess um, weil dann ganz langsam zunehmend auch die Gravitation für das Wachstum eine Rolle spielt, bis sie zuletzt völlig dominat ist.
Dort würdest du wahrscheinlich auch von einer kategorisch völlig neuen Qualität sprechen, was ja auch so gesehen nicht falsch ist, der Prozess ist aber abstrakter gesehen derselbe geblieben und heißt nach wie vor "Strukturbildung" oder "Massevermehrung", er bedient sich nur unterschiedlicher Mechanismen und repliziert bzw. erhält sich -als Prozess- selber, er ist selbstverstärkend.
Solche Prozesse sind wahrscheinlich nicht so sehr evolutionsfähig, wie wir das im Auge haben, aber man kann daraus lernen, dass der grundsätzliche Prozess bzw. das Prinzip "Reproduktion" sehr viel einfacher sein kann als bei Ribosomen. Man kann auch leicht einsehen (siehe Henne-Ei), dass er älter und universeller als das Leben ist.
Weiterhin kann man feststellen, dass ein Reproduktionprozess, der evolvierfähig sein soll, nicht perfekt sein darf: Der Fehler ist für jede Evolution absolut notwendig.
Gleichzeitig darf er aber auch nicht völlig aus Fehlern bestehen, denn sonst können sich keine Strukturen halten.
Bei lebenden Systemen ist die Fehlerrate sehr gering, das ist aus meiner Sicht der Hauptunterschied zu komplexen physikalisch-chemischen Systemen wo die Fehlerrate bei Prozess-Reproduktionen sehr viel größer ist, vielleicht
fast 100%. Wichtig ist mir aber, dass das abstrakt gesehen nur ein
gradueller Unterschied ist.
Und die große Fehlerrate bei chemischen Systemen sorgt eben gleichzeitig auch für eine viel größere Bandbreite in dem was geschieht bzw. geschehen kann.
Komplexere zusätzliche Struktur entsteht aus so etwas immer durch Einschränkung/Reduktion oder Separierung dieser Bandbreite.
Das finden wir sogar in der Entwicklung des menschlichen Gehirns: Bei Babys bildet das Gehirn zunächst eine Unmenge an Verbindungen zwischen den Neuronen, sozusagen ein Chaos aus Verbindungen, die aber eine sehr hohe Bandbreite an Möglichkeiten bereitstellen. Erst danach wird reduziert: Die Verbindungen die häufig benutzt/gebraucht werden, werden verstärkt/verstärken sich selber, die anderen Verbindungen werden abgebaut. So entsteht das sehr viel sturkturiertere Gehirn eines Erwachsenen, nicht durch ein Mehr, sondern durch ein Weniger, durch Reduktion.
Dasselbe Prinzip kann man sogar in der Quantenmechanik erkennen, wenn man möchte: Aus der verschwommenen Quantenwelt der Vielzahl an Möglicheit und "sowohl als auch" entsteht entweder durch Reduktion (KI) oder durch Separaration (VWI) unsere vertraute, strukturiertere, konkrete Welt.
D.h.: Frage nicht nur nach Molekülen, frage auch abstrakter!