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Singularitäten: Urknall vs. Schwarzes Loch

Schwarze Löcher, wohl die mysteriösesten Objekte im All: Entstehung, Geometrie, Dynamik, Quantenaspekte
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Ray Light
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Singularitäten: Urknall vs. Schwarzes Loch

Beitrag von Ray Light » 22. Jul 2007, 18:50

Hallo zusammen,

wir sind im Forum im Bereich "Kosmologie" im Rahmen des Themas "Quantenkosmologie" auf die Singularitäten zu sprechen gekommen. gravi hat angeregt sie in einem neuen Thread zu diskutieren. Das soll hier geschehen. Zunächst alle Fragen, die gravi aufgeworfen hat.

gravi schrieb:
Wieso sind beim SL und bei der Urknallsingularität verschiedene Lösungen anzuwenden? Woher weiß man, dass im SL tatsächlich eine Vakuumlösung vorliegt, beim Urknall jedoch nicht?
Und wenn bei der Urknall- Lösung die rechte Seite aus baryonischen Teilchen usw. besteht, kann das doch auch nicht stimmen, denn direkt nach oder beim Urknall gab es nur pure Energie (= Photonen).
Ich antwortete bereits beim "Quantenkosmologie":
Grundsätzlich ist die Urknallsingularität etwas völlig anderes als die Krümmungssingularität in einem Schwarzen Loch. Die zugehörige Raumzeit für das Universum ist eine ganz andere als die eines Lochs.
Der Grund ist, dass es sich um Lösungen verschiedener Feldgleichungen handelt: Beim Loch ist die rechte Seite (der Energie-Impuls-Tensor T) null, d.h. ein (elektrisch ungeladenes) Schwarzes Loch ist Vakuum; beim Universum hingegen ist die rechte Seite nicht null, sondern hier steht die Materie im Universum, die sich aus baryonischer Materie (Sterne, Gas, Menschen), Dunkler Materie (vermutlich ein SUSY-Teilchen) und Dunkler Energie (vermutlich das Quantenvakuum, gut beschrieben durch Einsteins Lambda) zusammensetzt. Die Einsteingleichungen für die Kosmologie enthalten daher einen Energie-Impuls-Tensor einer idealen Flüssigkeit plus Lambda-Term. Wenn man sie umschreibt, erhält man die Friedmann-Gleichungen, die die Dynamik verschiedener Universen beschreiben. Sie beschreiben auch unser expandierendes Universum sehr gut.
Dem möchte ich hier hinzufügen:
Historisch war es so, dass Einstein 1916 die Feldgleichungen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie veröffentlicht hat. Im gleichen Jahr fand Karl Schwarzschild die erste Lösung dieser Gleichung, die die Gravitation einer Punktmasse beschreibt. Erst viel später, ab den 1960er Jahren, wurde klar, dass sogar diese Schwarzschild-Lösung (genauer: die äußere Schwarzschild-Lösung, die eine zentrale Krümmungssingularität enthält) in der Natur existieren könnte, nämlich als Schwarzes Loch.
Einstein setzte schon früh die von ihm gefundenen Feldgleichungen auch für die Kosmologie ein. 1917 versuchte er ein statisches Universum mit seinen Gleichungen auch im Rahmen der Theorie zu beschreiben, was jedoch nur durch einen Trick gelang, der Ergänzung der Feldgleichung durch den berühmten Lambda-Term.
Ab 1922 wurden die Einstein-Gleichungen von dem Russen Friedmann verwendet, der dabei die dynamischen Universen fand. 1931 entdeckte der Belgier Lemaitre die Urknallsingularität in den expandierenden Friedmann-Universen, indem er die Expansion zeitlich umgekehrt ablaufen lief und ein kleines und heißes Universum fand. Einsteins (unquantisierte) Gleichungen führen auf einen Punkt in der Vergangenheit, der eine Krümmungssingularität darstellt. Sie heißt Urknallsingularität.
Zunächst hat es sich also rein geschichtlich ergeben, dass Schwarze Löcher mit den einen Raumzeiten beschrieben werden, das Universum hingegen mit andern. Die Raumzeiten bei (elektrisch neutralen) Schwarzen Löchern heißen Schwarzschild-Metrik (Loch ist kugelsymmetrisch und statisch) oder Kerr-Metrik (Loch ist achsensymmetrisch und rotiert). Die Raumzeit des Universums heißt politisch korrekt in voller Schönheit Friedmann-Lemaitre-Robertson-Walker-Metrik (FLRW). In all diesen speziellen Namen sind die beteiligten Pioniere verewigt.

Im Allgemeinen rotieren kosmische Schwarze Löcher und werden durch die Kerr-Metrik am besten beschrieben. Diese Metrik ist vollkommen ungeeignet für die Beschreibung des Universums als Ganzes. Der Grund: im Kosmos gibt es keine ausgezeichnete Richtung. Kosmologen sagen: das Weltall sei isotrop. Es gibt auch starke Hinweise aus der Beobachtung, dass das so ist: die kosmische Hintergrundstrahlung ist nahezu perfekt isotrop ("Noch gleichmäßiger, als ein perfekt blauer Himmel"). Klar, es gibt die berühmten, 2006 mit dem Nobelpreis prämierten Anisotropien, aber sie sind winzig und liegen im Bereich von Mikrokelvin!

Ein rotierendes Loch hat dagegen eine ausgezeichnete Raumrichtung, nämlich die Rotationsachse.

Noch konkreter:
gravi fragte:
Woher weiß man, dass im SL tatsächlich eine Vakuumlösung vorliegt, beim Urknall jedoch nicht?
Ein Schwarzes Loch ist ja im Prinzip ein kollabierter Stern und kein kollabiertes Universum. Es wäre also verkehrt, das ganze Universum in den Ansatz zu stecken, wenn man nur ein Schwarzes Loch beschreiben will.

Der Aspekt mit dem Vakuum ist schon kritischer. Eine selbstkonsistente Beschreibung eines kosmischen Schwarzen Loches musste eigentlich die Materie in der Umgebung (Akkretionsfluss und den Rest des Universums) berücksichtigen. Der Einfluss dieser Gravitationsquellen wird aber wegdiskutiert, weil er die Vakuumraumzeit nur geringfügig verändern würde. Akkretionsflüsse beschreibt man in der theoretischen Astrophysik in der Regel "auf dem Hintergrund der Metrik eines Schwarzen Loches". Das bedeutet, der Akkretionsfluss verzerrt die Raumzeit des Loches nicht, er folgt ihr nur. [Es gibt aber auch mittlerweile Codes, die vermögen eine konsistente Berechnung der Rückwirkung auf die Metrik. Sie wird dann im Allgemeinen keine analytische Standardlösung sein.]

Es gibt aber auch analytische Raumzeiten, die versuchen, dem Rechnung zu tragen: einerseits wäre da die Wald-Lösung zu nennen, die wenigstens Schwarze Löcher innerhalb einer Magnetosphäre beschreibt; andererseits gibt es die Schwarzschild-de-Sitter- und Kerr-de-Sitter-Lösungen (mit entsprechenden Anti-de-Sitter-Analoga und auch gerne mit elektrischer Ladung) die ein Schwarzes Loch mit einer bestimmten Form Dunkler Energie (Einsteins Lambda) in der Umgebung beschreiben.

Insgesamt lässt sich sagen, dass klassische Schwarze Löcher mit Singularität die Astrophysik in der Umgebung des Loches sehr gut beschreiben. Bislang sind die Astronomen nicht nah genug herangekommen, dass die vom Ereignishorizont verhüllte Singularität eine entscheidende Rolle spielen würde. Ich vermute, dass sich dies mit der Gravitationswellenastronomie ändern wird.

gravi fragte:
Und wenn bei der Urknall- Lösung die rechte Seite aus baryonischen Teilchen usw. besteht, kann das doch auch nicht stimmen, denn direkt nach oder beim Urknall gab es nur pure Energie (= Photonen).
Zunächst: Was ist denn diese "pure" Energie? Liest man oft, aber jede Energieform hat ja einen Charakter, den man klar benennen kann. Oder physikalisch gesprochen: sie hat eine Zustandsgleichung. Genau das steckt in der Friedmann-Gleichung drin. Dort zeigt sich, dass die Abhängigkeit vom Skalenfaktor oder Weltradius (beides abhängig von Zeit t oder alternativ von kosmologischer Rotverschiebung z) für jede Energieform charakteristisch ist.

Photonen werden im Zusammenhang mit den Friedmann-Gleichungen häufig etwas stiefmütterlich behandelt. Natürlich müssen sie wie alle Energieformen (baryonische Materie, Dunkle Materie, Dunkle Energie) berücksichtigt werden. Es gibt also auch ein Omega_phot. Tatsächlich wichtig waren sie jedoch nur in der so genannten strahlungsdominierten Phase, die eine sehr frühe Phase im Kosmos war. Später wurden die Photonen durch die kosmische Expansion stark ausgedünnt und trugen daher weniger zur Dynamik des Universums bei.

Wichtig für die Kosmologie ist, dass trotz dieses Energiekonglomerats uns die Friedmann-Gleichungen rückwärts betrachtet in der Zeitentwicklung sagen, dass es eine Urknallsingularität gab. Man kann sehr schön anhand der einzelnen Terme in diesen (eigentlich zwei) Differentialgleichungen sehen, in welcher Epoche welche Energieform dominant war: neben dem oben erwähnten strahlungsdominierten, frühen Kosmos findet man auch einen von der Dunklen Energie dominierten späten Kosmos, in dem wir derzeit leben.

Diese Dominanz der Dunklen Energie wird anhalten, weil das Universum nicht mehr kollabieren kann. Das sagen uns zumindest die aktuell gemessenen kosmologischen Parameter (die Omegas und der Hubble-Parameter). Es sei denn, es gibt doch eine ganz andere Form Dunkler Energie (Phantom-Energie) oder einen uns heute unbekannten Mechanismus (z.B. die Ekpyrosis in der Branen-Kosmologie), der zum erneuten Kollaps des Kosmos führen könnte.

In der aktuellen Ausgabe von "Sterne und Weltraum" (SuW 8200) gibt es übrigens einen Artikel des Heidelberger Kosmologen Bartelmann. Der Text führt die Grundlagen der Kosmologie vor, nutzt allerdings schon eher die Fachsprache. Es handelt sich um eine mehrteilige Artikelreihe.

Ich bitte die lange Antwort zu entschuldigen und hoffe, dass es nun etwas klarer wurde.

Gruß,
Ray
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Beitrag von gravi » 22. Jul 2007, 20:06

Vielen Dank lieber Ray,

jetzt ist mir vieles klarer geworden!

Die von tensor angesprochenen statischen Raumzeiten werden in der Natur wohl kaum vorkommen.

Da kommt man dann auch wieder zum Punkt, ob die Urknallsingularität (falls es sie überhaupt im Einsteinschen Sinn gegeben hat) ebenfalls einer Art Kerrscher Lösung gehorcht. Falls ja, müsste das Universum rotieren, was aber bei expandierenden Raumzeiten nicht möglich ist.

Danke nochmals,
Gruß
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Beitrag von Stephen » 22. Jul 2007, 23:45

Hallo,

obwohl ich von Ricci-, Weyl- oder Riemann-Tensoren ebenso wenig Ahnung habe wie von der "Kerrschen Lösung" will ich mich trotzdem mal einmischen:

Singularität bedeutet für mich immer noch, dass sich eine unendlich hohe Masse auf einem undefinierbar kleinem Raum konzentriert - also auch mit einer nicht beschreibbaren Dichte. Das wäre eigentlich eine Art von Unendlichkeit, die wir so ablehnen.

So gesehen kann es einen Urknall im "Einsteinischen Sinne" - wie Werner es formulierte - doch gar nicht gegeben haben. Seine (Einsteins :wink: )Thesen versagen sowohl bei diesem Aspekt als auch hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Loches.

Anfang (Urknall) und Ende (SL) kann man mit Einstein also nicht vollständig erklären...

So @Ray, jetzt hast Du Deine Anfängerfragen :lol:


Gruß, Steffen
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Beitrag von Ray Light » 23. Jul 2007, 01:06

Nabend.

Vielen Dank für die schnellen Reaktionen am Sonntag. Ich habe da auch noch ein paar Nachtgedanken
(apropos, merkt man, dass ich Urlaub habe? :mrgreen: ).

@tensor:
Vielen Dank für die netten Worte und die wichtigen Bemerkungen, die unterstreichen, wie einfach die Struktur der klassischen Schwarzen Löcher in Einsteins Theorie ist. Da ist einfach Vieles null.

@gravi:
Ich hatte ehrlich gesagt gedacht, dass das, was ich geschrieben habe, schon breit bekannt sei. Es war sicherlich gut, das nochmals zu wiederholen bzw. hier kompakt darzustellen. Denn ich habe schon häufig von Nichtwissenschaftlern diesen Vorschlag zu hören bekommen, das Universum als Schwarzes Loch beschreiben zu wollen.

Zwei Bemerkungen noch zu Deiner Antwort, gravi:
1) Aus einer anderen Perspektive betrachtet ist eine statische Raumzeit ein Gebilde sehr hoher Symmetrie (vgl. Minkowski- oder Schwarzschild-Metrik). Das Auferlegen von Symmetrien ist in einer naturwissenschaftlichen Beschreibung sicher eine gute und erfolgreiche Herangehensweise. Aber wir wissen als aufmerksamer Beobachter unserer Umwelt auch, das das nur eingeschränkt gültig sein kann. So ist die Modellierung der Sonne als kugelsymmetrischer Gasball einerseits oder als Schwarzschild-Raumzeit andererseits eine Methode, die die Beobachtungen an der echten Sonne erstaunlich gut wiedergeben. Es wird aber einen Punkt geben, wo diese einfachen Modelle zusammenbrechen.

2) Ich habe erwartet, dass mein Thread auf das Gödel-Universum führen könnte. Dies ist ein relativistisches Modell eines rotierenden Universums, das also auch eine ausgezeichnete Richtung enthält. Das widerspricht einerseits dem kosmologischen Prinzip, und – viel wichtiger – genießt derzeit nicht die Favoritenrolle auf der Grundlage von Beobachtungsdaten.

@Steffen:
Dein Einwand ist vollkommen berechtigt, richtig und vollführt den Brückenschlag zu unserer Diskussion mit dem Thema "Quantenkosmologie": Einsteins Theorie sagt uns, dass es vor einigen Milliarden Jahren diesen Punkt in der Vergangenheit unseres Universums gegeben haben muss, der unendlich klein und unendlich heiß war. Viele Physiker glauben heute, dass wir hier Einsteins Theorie überstrapazieren. Einsteins Theorie ist eine unquantisierte Gravitationstheorie. Diese Theorie ist mächtig und trägt weit, aber sie scheitert vermutlich, wenn man bis zu einem Universum zurückgeht, dass einen Quantenmaßstab hatte.

Genau dort setzen Quantengravitationstheorien an, wie die Loop-Quantengravitation oder auch die Stringtheorien. In diesem Mikroregime unseres Kosmos übernehmen sie (vermutlich) die Rolle einer geeigneten, theoretischen Beschreibung.

Ironischerweise hatte Einstein selbst gerade Probleme mit den Singularitäten. Er war über Schwarzschilds Lösung alles andere als entzückt und dynamische Universen waren erst recht nicht trendy in den 1920ern.

Doch genau diese Singularitäten sind eine natürliche Konsequenz, wenn man Einsteins Theorie benutzt – vermutlich weil man sie in einem Regime außerhalb ihrer Gültigkeitsbereichs benutzt.

Was nun?

Die astronomischen Beobachtungen - vor allem die kosmische Hintergrundstrahlung und die Häufigkeit und Verteilung der ersten Elemente im Universum – sagen uns, dass diese Hypothese vom heißen Urknall gar nicht so schlecht sein kann: Das jüngste Universum war klein und heiß genug, dass es selbst leichte Elemente per Kernfusion erzeugen konnte und dass sein heißes Urplasma die Hintergrundstrahlung auf den Weg schicken konnte.

Die Beobachtungen fordern nicht die Urknallsingularität. Sie ist ein Resultat unserer (bzw. Lemaitres) Extrapolation der Einstein-Gleichung.

Im günstigsten Fall finden die Physiker eine Theorie, die im Grenzfall die erfolgreiche Einsteinsche Friedmann-Kosmologie enthält, aber auf der kleinen Skala (frühe Zeiten, kleine Längen) in etwas mündet, das klein, heiß, aber frei von einer Singularität ist.

Die Loop-Quantengravitationsforscher haben ein solches Modell vorgestellt. Viel früher, 1991, haben Priester & Blome das Big-Bounce-Modell vorgestellt, das ebenfalls ohne Singularität auskommt. Jedoch hat dieses Modell auch seine Probleme in der Kosmologie.

Gute Nacht,
Ray

p.s.: Kleine Korrektur: Ich meinte im ersten Posting die Ausgabe der Fachzeitschrift SuW 8/2007 - sorry, da klemmte die Taste gleich zweimal.
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Beitrag von Stephen » 23. Jul 2007, 17:30

Hallo,

ob das so ähnlich sein könnte wie mit den Newtonschen Gleichungen? Im Gegensatz zu Einstein sah dieser ja (u.a.) die Geschwindigkeit (für Einstein ist c die einzige absolute Größe) - als relativ an. Jeder weiß inzwischen, dass wir auf der Erde auch weiterhin mit den Formeln von Newton rechnen können - Einsteins RT wird erst bei GPS, Raumfahrt etc. benötigt.

Vielleicht (ist nur eine Vermutung) kann man über diese beiden - relativ super funktionierenden Hüllen - noch eine dritte (oder vierte) - noch genauere - draufpacken?

Gruß, Steffen
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Beitrag von gravi » 23. Jul 2007, 18:54

Es werden zukünftig sicherlich noch weitere Theorien entwickelt werden (müssen), wollen wir den Urknall besser verstehen.

Das Gödelsche Universum kann man sicherlich ad acta legen - nochmals Dank an Ray für die weiteren Ausführungen.

Ich denke, man muss auch die Vorstellungen von einer Urknallsingularität und dem "Uruniversum" als Schwarzem Loch, Fuzzball oder dergleichen beiseite legen. Ein SL kann nur durch die Hawkingstrahlung verdampfen, auf diese Weise kann aber kein Kosmos entstehen. Ein SL dieser Massen(Energie-)Größe würde im wahrsten Sinne unendlich lang verdampfen. Machen wir da also mal einen Strich darunter.

Ist es überhaupt (physikalisch) möglich bzw. denkbar, eine solch unfassbar große Energiemenge, wie sie der junge Kosmos enthielt, auf Quantengröße zusammen zu pressen? So richtig vorstellen kann man sich das eigentlich nicht mehr. Vor allem stellt sich die Frage, muss das Universum überhaupt so klein gewesen sein? Ist es nicht denkbar, dass die Entwicklung mit einer Größe begann, die weit jenseits der Quantengröße lag?

Es gibt ja auch alternative Modelle, wie z.B. dem ekpyrotischen von Steinhardt, die den winzigen Zustand bereits von vornherein ausschließen.
Ich weiß zwar nicht, wie ich mir das All als Membran vorstellen soll, aber es wäre immerhin eine elegante Lösung. Vielleicht hat sich auch "einfach" eine riesige Energiemenge aus einem Quantenvakuum - durch eine Fluktuation - von diesem abgetrennt und expandiert seitdem. Das muss nicht unbedingt auf Quantenbasis stattgefunden haben.

Selbstverständlich bezweifle ich nicht das Urknallmodell - die vorliegenden Befunde sind viel zu aussagekräftig.

Gruß
gravi
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Beitrag von SchwarzeMaterie » 23. Jul 2007, 19:44

Hallo,

das Problem - so vermute ich - liegt höchst wahrscheinlich darin, dass wir bisher keine Technologie besitzen um das zu überprüfen, geschweige denn über den Horizont zu gelangen von dem aus wir beobachten könnten wie die Welt von dort aus schaut. Das es noch weitere Beobachtungsmöglichkeiten gibt, als die uns bekannten, mag ich nicht in der Lage sein, anzuzweifeln.

Nur wie sähe dann eine weitere funktionierende Hülle aus?
Auf kleinsten Raum haben wir ja die Möglichkeit zu experimentieren, jedoch in großräumigen Dimensionen dürfte es etwas komplizierter werden.

Ich dachte bisher, um an den Urknall heranzukommen, ist das eine Voraussetzung.

Bisher war es doch auch so, je weiter sich ein Mensch von seinem Standpunkt entfernt, je mehr gab es zu entdecken und desto näher rückte die Menschheit der fantastischen Dinge auf den Leib.

Andersherum kann doch - mit Verlaub - schlicht weg nur Null bei herauskommen, dafür braucht es doch eigentlich auch keine weiteren Antworten mehr. Ich denke, weitere Antworten sind weit weg, weiter als wir heute kommen, zu finden.

Und das klingt doch unglaublich spannend, findet Ihr nicht auch? :wink:


LG

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Beitrag von Ray Light » 23. Jul 2007, 22:33

@SchwarzeMaterie:

Richtig, das ist das Schicksal des Astronomen nicht in "seinem Labor Weltall" experimentieren zu können - aber er kann beobachten. Und durch die Weite des Alls und die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit kann er so Entwicklungen im Kosmos studieren ohne zu manipulieren.

Sehr viele Beobachtungen zusammen ergeben ein konsistentes Bild, das Urknallmodell heißt und unglaublich erfolgreich ist. Der Urknall wird durch viele voneinander unabhängige Beobachtungen gestützt:

1) die Fluchtbewegung der Galaxien;
2) die isotrope, kosmische Hintergrundstrahlung - eine Planck-Strahlung;
3) entfernte, explodierende Weiße Zwerge (Supernovae Typ Ia);
4) die Häufigkeit und Verteilung der leichtesten chemischen Elemente;
5) die Verteilung und Entwicklung von Galaxien

Bemerkungen am Rande, die diese kompakte Diskussion uns wunderbar vor Augen führt:

Feststellung I) Kosmologen sagen, wir leben in einem Lambda-CDM-Universum und meinen damit einen Kosmos, der in späten Epochen von Dunkler Energie (Lambda) und Dunkler Materie (CDM=cold dark matter) dominiert (zusammen 96% an allen Energieformen!) wird.

Feststellung II) Die "Urknalltheorie" ist in aller Munde.

Was ich sehr erstaunlich und witzig an diesen Sprechweisen finde, sind die folgenden Ironien.

Ironie 1) Einsteins Lambda wurde anfänglich für ein statisches Universum eingeführt - heute wissen wir, dass das Universum expandiert (sogar beschleunigt, wie Supernovabeobachter 1998 herausgefunden haben, was nun mit dem hochdotierten Gruber-Preis belohnt wurde).

Ironie 2) Die physikalische Natur von 96% des Universums ist vollkommen unbekannt!

Ironie 3) Urknall (Original: big bang) war ursprünglich ein Schimpfwort, das der Kosmologe Fred Hoyle erfunden hat und in den 1950er Jahren in einem Radiointerview zum besten gab (Hoyle war Verfechter einer alternativen Kosmologie). Diese Wortschöpfung ist so gut, so griffig, so medienwirksam, dass sie fast 60 Jahre später noch ein Erfolgsschlager ist!

Ironie 4) Beim Urknall hat es nie geknallt.

Unsere Diskussion belegt wie wahnwitzig der Lauf der Geschichte ist: Vom erfundenen Term zur Realität, vom Schimpfwort zum Schlagwort, vom scheinbar sicheren Wissen zur Unwissenheit.

Schließen wir diese entlarvten Ironien in Demut mit einem meiner Lieblingsaphorismen:

Ich weiß, dass ich nichts weiß. (Sokrates)

Gute Nacht,
Ray
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