Re: Sind SL`s eine rund Kugel
Verfasst: 6. Apr 2016, 13:21
Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht verzetteln...
Also:
Ort, Geschwindigkeit, Zeit, usw. sind (begriffliche) Konzepte!
Alles was wir vernünftigerweise glauben bzw. hoffen dürfen ist, dass diese Konzepte die wahre Natur ein Stück weit treffen, dass es 'dort draußen' also etwas gibt, das unseren Konzepten mehr oder weniger entspricht.
Ob es aber wirklich in einem objektiven Sinne so etwas wie "Raum", "Zeit", etc. gibt, ist notorisch unbekannt.
Heute morgen ist mir eine Frage in den Sinn gekommen, die mir wichtig erscheint:
Existiert eine ideologiefreie Wissenschaft?
Schwächer gefragt: Ist Wissenschaft völlig ideologiefrei, kann sie überhaupt völlig ideologiefrei sein?
Meine Antwort: Nein!
Z.B. ist Ockham, Reduktionismus, etc. eine Ideologie, so wie viele unserer Grundannahmen und Prinzipien in der Wissenschaft. Das ist schön und gut, man kann auch begründen, warum diese Prinzipien und keine anderen, warum sie sinnvoll sind, usw.
Nur: Man begründet damit nicht, dass hier keine Ideologie vorliegt, sondern nur warum diese und nicht eine andere!!
Es läuft immer wieder darauf hinaus, dass die Wissenschaft in die Richtung geht, die uns (als Subjekte!) sinnvoll und nützlich und bewährt erscheint, nie darauf, was wirklich, objektiv, ohne uns Sache ist.
Ableitung:
Wenn dem so ist, dann ist eine völlig objektive Wissenschaft gar nicht möglich!
Bums! Ich denke, das muss man erst einmal setzen lassen…
Ich glaube nur nicht, dass diese zu 100% objektiv erfassbar/beschreibbar ist, schon gar nicht in einer endgültigen Form, aus einer 'alleinseligmachenden' Perspektive heraus. Und gerade im Subjekt ist sie z.B. eben nicht objektiv sondern subjektiv. Daher müsste eine wirklich vollständige Beschreibung das Subjekt notwendig miteinbeziehen, was nicht möglich ist, wenn die Beschreibung völlig objektiv sein soll.
Eine Grenze, die wahrscheinlich prinzipiell nicht aufgelöst werden kann...
Weißt du, die allerwichtigste Grundanname des Reduktionismus ist ja die: Zuallererst muss man annehmen, dass überhaupt Teile eines Ganzen wirklich existieren! Denn wenn sie nicht existierten, würde die ganze Zerlegerei ja gar keinen Sinn machen...
Und wir haben hier ja zusätzlich zu den schon genanten Konzepten der Abwärtsverursachung auch noch die Quantenmechnik mit ihren nicht-reduzierbaren verschränkten Zuständen und den damit zusammenhängenden Holismus. Zuende gedacht kommt dabei heraus, dass das Universum nur als Ganzes existiert: Eine einzige, unteilbare Wellenfunktion, ein einziger reiner Zustand, wobei erst der Gesamtzustand dieser Funktion bestimmt, wie die Teile, die uns dann erscheinen, überhaupt genau aussehen! Und diese "Teile" sind dann demzufolge natürlich nur Pseudo-Teile, keine wirklichen Teile!
Ebenso sind ihre "Zustände" dann nur Pseudozustände, weil es nur einen einzigen, nicht-reduzierbaren Gesamtzustand des Universums gibt!
Und noch ein Beispiel aus ganz anderer Richtung, was man sich so unter "Abwärtsverursachung" jenseits der QM vorstellen kann:
Gegeben sei ein Computerprogramm, das komplexe Berechnungen ausführt und bei einem bestimmten Ergebnis ein Signal ausgibt, mithilfe dessen ein Lichtschalter betätigt wird und dann ein Licht angeht.
Gut! Nehmen wir an, wir beobachten das und sehen, dass das Licht angeht.
Was ist die Ursache davon?
Um das herauszufinden kann ich mir nun jedes einzelne Atom der Maschine anschauen. Finde ich so die Ursache? Liegt die Ursache auf der Ebene der Atome?
Und ich kann dasselbe Programm ja auch auf einem anderen Computer laufen lassen, diesmal mit AMD-CPU statt Intel-CPU oder gar auf einem Rechner, der Germanium-Transistoren statt Silizium-Transistoren hat.
Dasselbe: Das Licht geht an. Warum?
1. Ableitung: Die Ursache liegt nicht allein in der Hardware (und ihren Atomen) sondern auch in der Software!
Ok, schauen wir uns die Software an:
Wenn wir diese zerlegen, Programmzeile für Programmzeile, finden wir dann irgendwann die eine Zeile, die Ursache dafür ist, dass das Licht angegangen ist? Sicher auch nicht, denn es ist ein komplexes Programm mit vielen tausend verschachtelten und rückgekoppelten Programmzeilen, das erst als Ganzes funktioniert. Entferne oder verändere ich irgendeine Programmzeile, so läuft es nicht mehr und das Licht geht nicht an.
Daher:
2. Ableitung: Die Ursache für das Licht-angehen liegt nicht allein in den Teilen des Programms, sondern zusätzlich auch noch im Gesamtsystem "Programm"!
D.h. die einzig sinnvolle Antwort auf unsere Frage lautet: Die Ursache dafür, dass das Licht angegangen ist, liegt im nicht weiter reduzierbaren Gesamtsystem "Gesamtprogramm+Hardware+Lichtschalter+Licht" (plus eigentlich sogar noch + Umwelt incl. Mensch, der den Computer gebaut, mit dem Licht verbunden und dann das Programm programmiert und dann gestartet hat.)
Grüße
seeker
Also:
Vorsicht!positronium hat geschrieben:Es gibt verschiedenes, was ich als real bezeichnen möchte. Aus unserer direkten Beobachtung wissen wir, dass es Objekte und Orte gibt, und dass die Objekte ihren Ort verändern können. Diese drei Fakten sind, auch wenn man sie auf verschiedene Weise formulieren und abstrahieren kann und evtl. muss, unumstösslich. Das war auch mein Punkt weiter oben im Thread. Ich leite also daraus ab, dass diese in der Natur irgendwie repräsentiert sein müssen. Mögen die Objekte Strings, Zustandsvektoren, Variablen oder was auch immer sein, sie müssen existieren, und auch deren Veränderung muss als Geschwindigkeits- oder Impulsvektor repräsentiert/real sein.
Ort, Geschwindigkeit, Zeit, usw. sind (begriffliche) Konzepte!
Alles was wir vernünftigerweise glauben bzw. hoffen dürfen ist, dass diese Konzepte die wahre Natur ein Stück weit treffen, dass es 'dort draußen' also etwas gibt, das unseren Konzepten mehr oder weniger entspricht.
Ob es aber wirklich in einem objektiven Sinne so etwas wie "Raum", "Zeit", etc. gibt, ist notorisch unbekannt.
Heute morgen ist mir eine Frage in den Sinn gekommen, die mir wichtig erscheint:
Existiert eine ideologiefreie Wissenschaft?
Schwächer gefragt: Ist Wissenschaft völlig ideologiefrei, kann sie überhaupt völlig ideologiefrei sein?
Meine Antwort: Nein!
Z.B. ist Ockham, Reduktionismus, etc. eine Ideologie, so wie viele unserer Grundannahmen und Prinzipien in der Wissenschaft. Das ist schön und gut, man kann auch begründen, warum diese Prinzipien und keine anderen, warum sie sinnvoll sind, usw.
Nur: Man begründet damit nicht, dass hier keine Ideologie vorliegt, sondern nur warum diese und nicht eine andere!!
Es läuft immer wieder darauf hinaus, dass die Wissenschaft in die Richtung geht, die uns (als Subjekte!) sinnvoll und nützlich und bewährt erscheint, nie darauf, was wirklich, objektiv, ohne uns Sache ist.
Ableitung:
Wenn dem so ist, dann ist eine völlig objektive Wissenschaft gar nicht möglich!
Bums! Ich denke, das muss man erst einmal setzen lassen…
Ich bin mir recht sicher, dass das letztlich der Fall ist. Zweifellos gibt es für mich dabei aber eine Realität, die so ist, wie sie eben ist.positronium hat geschrieben:Wenn es keine vollständig objektive Realität gäbe, wäre eine endgültige Beschreibung der Natur unmöglich. Glaubst Du, das könnte der Fall sein?
Ich glaube nur nicht, dass diese zu 100% objektiv erfassbar/beschreibbar ist, schon gar nicht in einer endgültigen Form, aus einer 'alleinseligmachenden' Perspektive heraus. Und gerade im Subjekt ist sie z.B. eben nicht objektiv sondern subjektiv. Daher müsste eine wirklich vollständige Beschreibung das Subjekt notwendig miteinbeziehen, was nicht möglich ist, wenn die Beschreibung völlig objektiv sein soll.
Eine Grenze, die wahrscheinlich prinzipiell nicht aufgelöst werden kann...
Ja, ich glaube, dass das möglich ist. Ich glaube aber auch, dass die beiden Möglichkeiten in unserer Beschreibung/Betrachtung der Welt (1. es gibt keinen Zufall, alles ist gesetzmäßig | 2. Es gibt Zufall, aus dem sich erst Gesetzmäßigkeiten ergeben/entwickeln) letztlich auf genau dasselbe hinauslaufen werden, wenn man sie nur weit genug verfolgen kann. "Zufall" bedarf jedenfalls weniger Grundannahmen als "Gesetzmäßigkeit", "reiner Zufall" bedürfte genaugenommen überhaupt keiner Grundannahme.positronium hat geschrieben:Glaubst Du, es wäre möglich, dass es einen echten Zufall, wie Du ihn in Zusammenhang mit den Ableitungen in die Diskussion gebracht hast, gibt? Ein Zufall völlig aus dem Nichts, der sich sogar wie im Rahmen der QM nach gewissen Regeln verhält?
Der Reduktionismus auch als Konzept und Arbeitsmodell ist ja schön und gut und auch sehr nützlich, aber ich erkenne auch seine Grenzen.positronium hat geschrieben:Das haut mich um!
Das einzige, was ich mir in diese Richtung noch vorstellen kann, ist eine unvollständige Entstehung des Universums, die dann noch vervollständigt werden muss, aber auch diese Vervollständigung würde m.E. aus unumstösslichen Regeln folgen, und damit vorherbestimmt sein.
Bitte erkläre mir, wie Du zu Deiner Überzeugung kommst. Kannst Du vielleicht sogar ein konkretes Beispiel nennen?
Weißt du, die allerwichtigste Grundanname des Reduktionismus ist ja die: Zuallererst muss man annehmen, dass überhaupt Teile eines Ganzen wirklich existieren! Denn wenn sie nicht existierten, würde die ganze Zerlegerei ja gar keinen Sinn machen...
Und wir haben hier ja zusätzlich zu den schon genanten Konzepten der Abwärtsverursachung auch noch die Quantenmechnik mit ihren nicht-reduzierbaren verschränkten Zuständen und den damit zusammenhängenden Holismus. Zuende gedacht kommt dabei heraus, dass das Universum nur als Ganzes existiert: Eine einzige, unteilbare Wellenfunktion, ein einziger reiner Zustand, wobei erst der Gesamtzustand dieser Funktion bestimmt, wie die Teile, die uns dann erscheinen, überhaupt genau aussehen! Und diese "Teile" sind dann demzufolge natürlich nur Pseudo-Teile, keine wirklichen Teile!
Ebenso sind ihre "Zustände" dann nur Pseudozustände, weil es nur einen einzigen, nicht-reduzierbaren Gesamtzustand des Universums gibt!
Und noch ein Beispiel aus ganz anderer Richtung, was man sich so unter "Abwärtsverursachung" jenseits der QM vorstellen kann:
Gegeben sei ein Computerprogramm, das komplexe Berechnungen ausführt und bei einem bestimmten Ergebnis ein Signal ausgibt, mithilfe dessen ein Lichtschalter betätigt wird und dann ein Licht angeht.
Gut! Nehmen wir an, wir beobachten das und sehen, dass das Licht angeht.
Was ist die Ursache davon?
Um das herauszufinden kann ich mir nun jedes einzelne Atom der Maschine anschauen. Finde ich so die Ursache? Liegt die Ursache auf der Ebene der Atome?
Und ich kann dasselbe Programm ja auch auf einem anderen Computer laufen lassen, diesmal mit AMD-CPU statt Intel-CPU oder gar auf einem Rechner, der Germanium-Transistoren statt Silizium-Transistoren hat.
Dasselbe: Das Licht geht an. Warum?
1. Ableitung: Die Ursache liegt nicht allein in der Hardware (und ihren Atomen) sondern auch in der Software!
Ok, schauen wir uns die Software an:
Wenn wir diese zerlegen, Programmzeile für Programmzeile, finden wir dann irgendwann die eine Zeile, die Ursache dafür ist, dass das Licht angegangen ist? Sicher auch nicht, denn es ist ein komplexes Programm mit vielen tausend verschachtelten und rückgekoppelten Programmzeilen, das erst als Ganzes funktioniert. Entferne oder verändere ich irgendeine Programmzeile, so läuft es nicht mehr und das Licht geht nicht an.
Daher:
2. Ableitung: Die Ursache für das Licht-angehen liegt nicht allein in den Teilen des Programms, sondern zusätzlich auch noch im Gesamtsystem "Programm"!
D.h. die einzig sinnvolle Antwort auf unsere Frage lautet: Die Ursache dafür, dass das Licht angegangen ist, liegt im nicht weiter reduzierbaren Gesamtsystem "Gesamtprogramm+Hardware+Lichtschalter+Licht" (plus eigentlich sogar noch + Umwelt incl. Mensch, der den Computer gebaut, mit dem Licht verbunden und dann das Programm programmiert und dann gestartet hat.)
Grüße
seeker