positronium hat geschrieben:Das könnte ich mit der Gegenfrage beantworten: Warum sollte sich etwas verändern, wenn alles kontinuierlich ist?
Nun ja, man kann hier festhalten, dass 'Bewegung' bzw. 'Dynamik' bzw. 'Veränderung' an sich primär sein muss.
Ich denke, das ist hier unsere gemeinsame Grundannahme, dass es so etwas wie Dynamik tatsächlich gibt.
(Man kann sich auch darüber streiten, aber das ist hier glaube ich nicht unser Thema.)
Wenn du nun sagst, die Zeit sei aus diskreten Einheiten zusammengesetzt, sie springe also im Rahmen der Ganzen Zahlen von einem Zeitpunkt zum nächsten, dann lässt sich fragen: Und was ist dazwischen, zwischen zwei Sprüngen?
Antwort: Dort ist Nicht-Zeit, Nicht-Dynamik, Statik.
Frage: Und wie lange dauert diese Nicht-Dynamik? Woher weiß eine Zeiteinheit (genauer: eine Nicht-Zeit), wie lange sie zu sein hat, wann sie zuende ist, dass nun der nächste Sprung zu erfolgen hat? Was gibt dem diskreten "Zeitklötzchen" seine Breite, wodurch wird sie definiert bzw. determiniert? (Sie darf ja nicht Null sein, sonst wären wir wieder beim Kontinuum.)
Antwort: Es gibt keinen
internen Grund!
Und wenn gerade ein Sprung erfolgt, ist dann Dynamik da?
Antwort: Nein, auch dort nicht, denn es vergeht ja keine Zeit, im Sprung. Es erfolgt vielmehr ein zeitloser Sprung zur nächsten 'Zeiteinheit'.
Und was verbindet dann zwei aufeinanderfolgende Zeiteinheiten?
Antwort: Nichts, nichts Internes auf dieser Ebene der Betrachtung.
Daraus folgt:
Wenn die Zeit diskret ist, dann kann sie nicht fundamental sein!
Zeit ist dann zwingend ein emergentes Phänomen, etwas, das erst "aus der Ferne" nach Zeit aussieht, eben
weil sie von ferne kontinuierlich wirkt.
Daraus folgt zwingend die Frage:
Was wirkt dann unterhalb der Zeit, lässt sie emergieren?
Ist dieses "darunter" auch diskret oder ist es kontinuierlich?
(Dieser Frage muss man sich in jedem Fall stellen. Ich möchte diesem Punkt "darunter" erst einmal festhalten.)
positronium hat geschrieben:Beide Gleichungen implizieren einen Zeitverlauf. In ersterer ist er infinitesimal, in zweiterer diskret. Ich sehe keinen konzeptionellen Unterschied darin, etwas in der Zeitspanne 1 über alle Werte von R in einem Intervall laufen zu lassen, oder für jede Zeitspanne 1 über die Werte in Z in einem Intervall laufen zu lassen. In beiden Fällen bedarf es einer Regel.
Sicherlich. Nur ist die Regel im kontinuierlichen Fall zu jedem Zeitpunkt implizit, im diskreten Fall aber nicht, dort
muss sie extern gedacht werden. Insofern ist die interessante Annahme der Diskretheit sehr wohl zulässig, aber sie ist komplizierter, während das Kontinuum einfacher/sparsamer ist.
Warum ist das im kontinuierlichen Fall implizit?
Wegen dem hier:
Zu jedem Zeitpunkt
befindet sich der Pfeil genau an einem Ort
, und zum nächsten Zeitpunkt
, bereits an einem anderen Ort
. Die Geschwindigkeit
bleibt in einem Inertialsystem (also ohne Beschleunigungen oder Abbremsungen) dabei für alle
, gleich, also auch im Grenzfall
.
Der Flug des Pfeiles ist nur vor dem Kontext eines Kontinuums von Zeit und Raum zu verstehen. Die Grenzwerte Moment und Ort in diesem Kontinuum reichen als Modell zum Verständnis einer Bewegung dagegen nicht aus.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pfeil-Paradoxon
D.h., dass hier im kontinuierlichen Fall jederzeit eine Geschwindigkeit V existiert, ohne weitere zusätzliche Annahmen. Der Grenzfall stellt das sicher!
Haben s und t aber ein Breite, sind diskret, dann funktioniert das nicht mehr und Zenons Paradoxon greift dann zunächst mit seiner Aussage, dass Bewegung unmöglich sei, weil dann die Grenzwerte für V in unserer diskreten Raumzeit entweder Null sind (zwischen zwei Sprüngen) oder unendlich (direkt beim Sprung).
Dem kann man nur entkommen, wenn man eine externe Annahme/Regel hinzunimmt, die dafür sorgt, dass s und t in konstanter Abfolge zum nächsten diskreten 'Zeit/Raum-Klötzchen' springen. Das ist nichts anderes als ein externer Beweger, eine externe, kontinuierliche Zeit!
positronium hat geschrieben:Wenn ich die Mathematik nach obiger Darstellung weg lassen würde, könnte ich jetzt sogar so gemein sein, und das von Dir zitierte Pfeilbeispiel so kontern: Wie könnte sich in einem kontinuierlichen Raum etwas bewegen, wo doch zur Bewegung (in R) zur Überwindung einer Strecke unendlich viele Orte eingenommen werden müssen? - Es handelt sich (bei x/t=1) um unendlich viele räumliche Sprünge in x Element R während unendlich vieler Zeiteinheiten in t Element R. Hier muss ich nur das "unendlich viele" durch "einen" ersetzen, und die Grammatik bereinigen, und es passt für diskrete Räume.
Das halte ich für ein Artefakt unserer Mathematik. Und wir wollen doch auch über die Natur sprechen?
Es gibt da nicht unendlich viele Punkte und es wird da nicht von einem zum nächsten gesprungen. Es wird überhaupt nicht gesprungen!
Stattdessen gibt es einfach eine kontinuierliche Bewegung. Dises ist primär, nicht Raum und Zeit, nicht irgendwelche von uns darauf definierte Punkte.
positronium hat geschrieben:Du hast meinen zitierten Satz missverstanden. Ich meinte damit, dass der Ruck jenseits der Natur liegt.
Was meinst du damit? Existiert er oder existiert er nicht? Wenn er nicht existiert, darfst du das auch nicht so beschreiben oder musst zumindest diese Unvollkommenheit in deiner Beschreibung dann als für die Natur unzutreffend hinnehmen.
positronium hat geschrieben:Dem kann ich nicht folgen. Meiner Auffassung nach ist ein diskretes System, bei dem man die diskreten Einheiten sieht, sofern dieses tatsächlich diskret ist, ohne Substruktur.
Siehe oben! Ich halte diese Substruktur, diesen "externen Beweger" beim diskreten Fall aus logischen Gründen für zwingend notwendig.
Siehe auch das Beispiel mit dem Computer mit kontinuierlich arbeitendem Schwingquarz (= Sub-System), auf dem eine diskrete Simulation läuft, die 'aus der Ferne' dann wieder kontinuierlich wirken mag.
Zusammenfassend:
Ich halte es schon für möglich, dass die Raumzeit auf einer gewissen Ebene diskret ist. Das ist sogar ein faszinierender Gedanke.
Jedoch komme ich hier um eine externe "Bewegungsursache", die kontinuierlich arbeitet nicht herum, wenn ich nicht zusätzliche, nicht weiter hinterfragbare Annahmen a la 'das diskrete System bewegt sich halt' treffen will.
Grüße
seeker