Es stellen sich mir dabei auch zwei Fragen:Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Dennetts These, dass das Bewusstsein eine Illusion ist, kann ich hingegen nicht nachvollziehen.
1) Was soll im obigen Zusammenhang mit "Illusion" gemeint sein?
Gewöhnlich meint "Illusion" ja das hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/IllusionIm engeren Wortsinn ist eine Illusion eine falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit. In einem weiteren Wortsinn werden auch falsche Interpretationen und Urteile als Illusion bezeichnet.
Auch eine falsche Wahrnehmung ist immer noch eine Wahrnehmung und nicht etwa nichts. Es kann also hier mit "Illusion" nicht gemeint sein, dass es keine Wahrnehmungen mit Inhalten gibt, sondern nur, dass die Inhalte von Wahrnehmungen im obigen Sinne falsch/ unzutreffend sind.
Festzustellen ist: "Illusion" meint in keinem Falle dasselbe wie "nicht-existent".
2) Gegeben den Fall, dass es tatsächlich ein Illusion wäre, dann fragt sich: WESSEN Illusion??
Eine Illusion meines Gehirns?
Damit löst man das Problem nicht, man verschiebt es nur: Dann hätte eben nicht "Ich" ein Bewusstsein, sondern "mein Gehirn" hätte eines, auf ebenso unerklärte Weise. Es stellt sich dann immer noch dieselbe harte-Nuss-Frage: "Wie zum Teufel..."
Wobei ich bei Dennett sogar noch mitgehe, dass das, was wir gewöhnlich "Ich" nennen, wahrscheinlich eine Konstruktion bzw. Illusion ist, zumindest sein könnte.
Das ist aber nicht das eigentliche Problem! Das darf man nicht verwechseln und eben das scheint mir Dennet zu verwechseln: "Ich" und "die Existenz von Empfindungen" sind nicht dasselbe!
Das eigentliche Kernproblem ist, wie und warum es überhaupt Wahrnehmungen/ Empfindungen gibt, gleich, ob dabei auch eine Ich-Empfindung auftaucht oder nicht.
Deshalb finde ich Dennett unbefriedigend, sogar teilweise irreführend und verbohrt.
Ich weiß zunächst einmal nicht, ob es in einer Einheit "erzeugt" oder "entsteht" oder "empfangen" (so wie ein Radio das macht) oder "eingefangen" oder "konzentriert" oder sonstwas wird. Ich weiß nur, dass es bei uns irgendwie mit Prozessen auf unserer Materie korreliert, scheints darauf oder damit "lebt".Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Auf welche Art und Weise kann Bewusstsein deiner Meinung nach auf künstlichem Wege entstehen?
Und im Übrigen: Was macht eigentlich eine Einheit zu einer Einheit?
Ich würde aber erwarten, dass es nicht auf die bekannten biologischen Strukturen beschränkt sein wird, sondern mit beliebigen Struktureinheiten korrelieren kann, die in ihrer logischen Struktur und damit auch Reizverarbeitung und Prozesshaftigkeit dasselbe oder etwas ähnliches darstellen oder tun, wie unser Gehirn-Körper-Umwelt-Verbundnetzwerk.
Mir fällt jedenfalls kein Grund ein, warum Bewusstsein ausschießlich nur in biologisch gewachsenen Kohlenwasserstoffeinheiten auftreten können sollte, weil ich nicht daran glaube, dass an diesen chemischen Elementen dahingehend irgendetwas "Magisches" und in diesem Sinne Besonderes ist.
Wenn das stimmt, dann können prinzipiell mindestens auch folgende Einheiten ein Bewusstsein haben:
- ein Mensch aus Antimaterie, der in einer Antimaterieumwelt lebt
- ein Alien in einem anderen Universum, in dem es grundsätzlich andersartige Materie gibt
- eine KI auf Basis von Halbleitertechnik
- eine KI auf Basis von Zahnrädern!
- eine KI auf Basis eines Schwarms (wie ein Ameisenhaufen)
- eine virtuelle KI, die in einer virtuellen, künstlich erzeugten Welt lebt
- eine KI auf Basis irgendeines anderen Netzwerks (im Prinzip könnten das auch genügend und richtig vernetzte PCs oder Smartphones sein)
Wichtig scheint mir immer nur die richtige und genügend stark ausgeprägte Art der Vernetzung, die richtige Art der Reiz-Reaktion bzw. "Informationsverarbeitung" (mit dem Begriff "Information" habe ich dabei so meine Probleme, weil er in dem Zusammenhang hier nicht klar definiert ist, daher hier in Anführungszeichen).
Um deine Frage konkreter zu beantworten:
Man müsste halt genau schauen, was im Gehirn in Interaktion mit Körper und Umwelt passiert und diese Netzwerkstruktur versuchen nachzubauen. Keine leichte Aufgabe.
Das wird dann auch nicht die einzige Möglichkeit sein, wie es gehen kann, aber die eine, wo wir durch uns selber immerhin schon wissen, dass es geht. Ein Schlüssel werden wohl auch dezentrale Strukturen sein, die ein Stück weit holographisch, "informationsintegrierend" arbeiten.
Was dabei nicht funktionieren wird, ist "anschalten und dann ist Bewusstsein da". Bewusstsein muss wie schon erwähnt gelernt werden, es muss wachsen. Davon bin ich jedenfalls überzeugt. Bauen kann man im Prinzip also zunächst nur Einheiten, die die Fähigkeit haben, ein Bewusstsein zu entwickeln.
Interessant, dass du das ansprichst... Ich habe das Video noch einmal angeschaut und bin gerade an diesem Punkt auch mit Chalmers uneinig.Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Chalmers äußert ja den Gedanken, dass es aus moralischer Sicht notwendig wäre, dass die KI-Systeme der Zukunft ein Bewusstsein besitzen, insofern sich die Dinge dahingehend entwickeln sollten, dass die Menschen künftig körperlich mit Informationstechnologie verschmelzen.
Denn so, wie ich es verstanden habe, meint Chalmers, dass nur mit Bewusstheit Moralität einhergehen könne.
Das sehe ich nicht ein. Hier kann ich nämlich Chalmers Zombie-Argument gegen ihn selber anwenden und fragen: Warum sollte eine KI nicht auch nur so tun können, als ob? Warum solle sie nicht auch als Zombie ohne Bewusstsein moralisch handeln können? Wo genau wäre der Unterschied?
Ok, er glaubt ja nicht, dass es (philosophische) Zombies in unserer Welt geben kann. Insofern hätte er den Widerspruch dann vermieden, müsste dann aber immer noch erklären, warum das in unserer Welt so ein sollte?
Bewiesen oder schlüssig gezeigt ist das bisher jedenfalls nicht, also kann er auch nicht wirklich damit argumentieren.
Ja.Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Meinst du das sogenannte „hard problem of consciousness“? Dieser von Chalmers geprägte Begriff bezieht sich ja auf die Frage, warum die Verarbeitung von Sinneseindrücken mit der subjektiven Empfindung des Wahrgenommenen einhergeht.
Etwas in der Art ist möglich. Und ich neige dem zu. Es kann aber nicht an der (statisch gedachten) Komplexität der Strukturen hängen, sondern an dem, was da prozesshaft darauf läuft. Denn sonst wäre es unerklärlich, warum wir auch Bewusstslosigkeit kennen, obwohl in diesem Zustand unser Gehirn ja organisch-materiell dasselbe ist. Und die Art der Komplexität, der Vernetzung wird wohl auch alles andere als egal sein.Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Dass alle Dinge Bewusstsein enthalten und dass der Grad des Bewusstseins in Abhängigkeit von der Komplexität der materiellen bzw. organischen Strukturen zunimmt, wäre eine elegante Erklärung, finde ich.
Ich bin da leider nicht sehr optimistisch. Ein Stück weit werden wir vielleicht vorankommen, aber wir werden das Rätsel wohl nie ganz auflösen können, auf keinem Weg.Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Wie eine panspychistische Theorie aussehen kann, die sich experimentell überprüfen lässt, wäre natürlich die Frage...
Beim Panpsychismus haben wir das Kombinationsproblem und außerdem das grundsätzliche Problem, dass Bewusstsein prinzipiell nicht direkt messbar ist - schon gar nicht bei Elementarteilchen.
Und beim Materialismus haben wir das Problem, dass wir nicht wissen, was Materie eigentlich ist.
Ich habe hierbei auch Gedanken von Markus Gabriel im Hinterkopf, mit seinen Sinnfeldern...
Man könnte es wohl genausogut auch Perspektiven oder Rahmen nennen, jedenfalls geht es darum, dass es keinen Weg geben kann, mit dem die Welt vollständig erfassbar oder beschreibbar wäre. (Gabriel findet dabei noch, dass es "die Welt" eh gar nicht gibt.)
Die Sache ist die:
- die Beschreibung einer Sache oder eines Dings ist nicht dasselbe, wie die Sache oder das Ding selber!
Ein Bild von einem Menschen (egal wie detailliert es ist) ist z.B. nicht dasselbe, wie derjenige Mensch selber. Die mathematische Beschreibung eines Elektrons ist nicht dasselbe wie ein wirkliches Elektron.
D.h. auch: Die "messbare Seite der Welt" ist nicht dasselbe wie "die Welt"!
- Bei einer jeden Theorie gibt es einen Theorierahmen (und eine Theoriesprache mit speziellen Theoriebegriffen, die nur innerhalb des Theorierahmens, erst durch diesen eine klare Bedeutung haben), der nicht durch die Theorie selber verlassen werden kann! Denn jenseits dieses Rahmens haben diese Begriffe eine andere oder gar keine Bedeutung mehr.
- Jeder Theorierahmen, der IN der Welt von uns geschaffen wird, um etwas in der Welt zu erfassen, muss notwendig immer kleiner und beschränkter sein, als die Welt: Der Rahmen ist notwendig in der Welt, die Welt kann nicht in dem Rahmen sein!
D.h., z.B.: Selbst wenn ich physikalisch gesehen lückenlos alles gesagt und beschrieben hätte, was es so überhaupt zu sagen und zu beschreiben gibt, so wäre damit eben immer noch lange nicht alles gesagt und beschrieben, was es (unter allen anderen möglichen "Theoriebrillen") ingesamt zu sagen und zu beschreiben gäbe, nämlich alles außerhalb des Theorie- und Begriffsrahmens "Physik".
Ergo: Es kann prinzipiell keine Theorie geben, die die Welt lückenlos und vollständig beschreibt!
Lückenlosigkeit und Vollständigkeit kann bestenfalls immer nur innerhalb eines Theorie-Rahmens erreicht werden, welcher immer nur einen Teil der Welt unter einer bestimmten Perspektive abbilden kann.
Ja, leider... Dennoch spannend! Und ich habe auch schon ein paar Artikel dazu gelesen, aber so ganz verstanden habe ich es leider noch nicht. Ich glaube, dazu müsste man wohl die dahinterliegende Mathematik lernen.Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Das, was er beschreibt, ist sehr abstrakt und sehr hypothetisch. Mit Alltagssprache lassen sich die postulierten Gegebenheiten schwer wiedergeben.
Klar scheint mir aber auch hier, dass das Gesamtsystem (Gehirn, usw.) sozusagen einen Bedeutungs-Rahmen bildet, wenn es genügend und richtig vernetzt ist. Und nur innerhalb dieses Rahmens haben dann die Vorgänge darin eine Bedeutung - bezüglich des Rahmens und für den Rahmen. Und dieses ergibt bzw. ist dann Bewusstheit... oder so ähnlich...
Spannend ist der Ansatz auch, weil damit Bewusstheit messbar werden können soll. Ganz zufrieden bin ich damit aber auch nicht, weil es eben (s.o.) dann auch wieder nur ein Rahmen, ein Sinnfeld unter sehr vielen möglichen sein wird.
Man wird also leider eh nie fertig werden, bei dieser Frage...
Und irgendwie bekomme ich leider auch bei dem integrierte-Information-Ansatz immer noch nicht das Bild vom Münchhausen aus dem Kopf, der sich selber, am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht...
Danke für den Hinweis, ich schaue einmal...Weserdampfer hat geschrieben: ↑12. Apr 2024, 22:29Nachdem ich den YouTube-Kanal "Closer To Truth" entdeckt hatte, der sich mit metaphysischen Fragen und mit ungeklärten wissenschaftlichen Fragen beschäftigt (und von dem auch das oben verlinkte Interview mit Tononi stammt), habe ich mir viele Videos des Kanals angeschaut.