Ich denke, sie halten es hauptsächlich für kongnitive Verzerrungen in der Wahrnehmung und vor allem der Erinnerung solcher Ereignisse: u.a. selektive Wahrnehmung zufälliger Ereignisse, selektive Erinnerung, Bedeutungsverschiebungen in der Erinnerung, usw.Weserdampfer hat geschrieben: ↑8. Mai 2024, 22:18Da Berichte über Nahtoderfahrungen und Nachtodkontakte bisher nur in sehr geringem Maße Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sind und da im Bereich der Wissenschaft das materialistische Weltbild vorherrscht, würde ich mal vermuten, dass die Mehrzahl der Wissenschaftler Nahtoderfahrungen und Nachtodkontakte für Halluzinationen halten.
Und dieser Einwand ist m.E. schon gewichtig und muss beachtet werden. Die Phänomene als solche, werden ja meist eher nicht infrage gestellt.
Gerade an dem Punkt ist z.B. auch Kahnemann aufschlussreich. Und ich finde, man muss da wirklich streng mit sich selber ins Gericht gehen, wenn man denn ehrlich nach der Wahrheit sucht und nicht nur nach Bestätigung vorgefasster Meinung.
Aber ich weiß es wie gesagt nicht, was da wirklich Sache ist. Und ich habe ehrlich gesagt auch wenig Hoffnung, es noch vor meinem eigenen Tod herausfinden zu können.
Zunächst noch zu Markus Gabriel:
Man muss bei ihm zur Einordnung wissen, dass er eine philosophisch pluralistische Grundhaltung vertritt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pluralismus_(Philosophie)Als Pluralismus bezeichnet man in der Philosophie Positionen, die eine Vielzahl grundlegender und irreduzibler Ebenen oder Erkenntnisformen in der Welt annehmen. Pluralismen unterscheiden sich damit zum einen von monistischen Theorien, wie etwa dem Physikalismus, der die Ebene des physischen Geschehens für die einzig grundlegende hält. Pluralistische Theorien unterscheiden sich jedoch auch vom Dualismus, der von zwei grundlegenden Ebenen ausgeht – dem Physischen und dem Mentalen.
Er richtet sich also damit auch gegen alle monistischen Positionen, damit auch gegen Positionen, die meinen, man könne alles auf Physik zurückführen und mit ihr erklären oder man könne eine alles erklärende "Weltformel" finden.
Die Unterkategorie dabei ist bei ihm eine Position des "Neurealismus":
https://de.wikipedia.org/wiki/NeurealismusBeim Neurealismus (auch Neorealismus oder Neuer Realismus) handelt es sich um eine Strömung der englischen Philosophie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Als ihr Gründer gilt George Edward Moore.
...
Die Neurealisten stellen eine Gegenbewegung zum Neuhegelianismus und zu allgemein idealistischen Positionen dar. Sie treten für eine unspekulative Bearbeitung philosophischer Einzelprobleme ein, die sie mittels einer gründlichen Analyse, der Logik, der Mathematik und den Methoden der Naturwissenschaften zu lösen suchen. Die Bildung großer philosophischer Systeme wird dagegen verworfen.
...
Bedeutende Vertreter des Neurealismus
Verstorbene
Samuel Alexander
Charlie Dunbar Broad
William Pepperell Montague
George Edward Moore
Conwy Lloyd Morgan
Bertrand Russell
Alfred North Whitehead
Lebende
Maurizio Ferraris
Markus Gabriel
Dabei argumentiert er m.E. doch sehr interessant und nachdenkenswert zu seinen sog. "Sinnfeldern".
Er argumentiert, dass alle Erkenntnisse und Begriffe immer nur innerhalb eines Rahmens eine Bedeutung und eine Geltung haben können.
Z.B. könne dabei ein Begriff wie z.B. "Masse" bzw. "physikalische Masse" eben nur innerhalb des Bezugsrahmens (Sinnefeldes) "Physik" die Bedeutung haben, die er eben hat. Es sei aber i.A. unmöglich einen Begriff mit der Bedeutung X im Sinnfeld A in einem anderen Sinnfeld B darzustellen, ohne dabei die Bedeutung X zu verändern oder ganz zu verlieren.
So könne z.B. ein Begriff wie "Geld", der ja durch das Sinnfeld "Ökonomie" eine klare Bedeutung hat, (sogar) prinzipiell nicht im Sinnfeld "Physik" mit derselben Bedeutung abgebildet werden.
Insbesondere argumentiert er auch, dass es kein "Sinnfeld aller Sinnfelder geben kann", womit quasi ein Sinnfeld gemeint wäre, das alle anderen Sinnfelder enthalten/ umfassen würde.
Die Argumentation dabei (soweit ich es bisher verstehe, ich lerne noch) läuft ganz ähnlich wie die, dass es keine "Allmenge" gibt, keine Menge aller Mengen. Dass es eine solche Menge (in der Mathematik) nicht gibt, wurde durch Russel bewiesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Russellsche_Antinomie
viewtopic.php?t=2796
Gezielt wird hier m.E. vor allen Dingen darauf, dass die Physik nicht alle anderen Wissenschaften umfassen kann - und zwar prinzipiell nicht!
Er unterscheidet beispielsweise hier auch zwischen "dem Universum" und "der Welt" und kritisiert, dass hier oft Begriffe durcheinandergeworfen werden.
Das Universum ist nämlich ein astronomischer/ physikalischer Begriff im Gegenstandsbereich der NW und enthält eben nicht alles, was es gibt, sondern nur alles, was es in diesem Sinnfeld gibt (und dort auch begrifflich so-definiert ist).
Jenseits davon, in der Welt, gäbe es aber noch eine ganze Menge anderer Dinge: Staaten, Träume, nicht realisierte Möglichkeiten, die Zukunft, Kunstwerke, Zahlen und insbesondere Gedanken über die Welt, etc.
Somit sei "die Welt" ein viel größerer Gegenstandsbereich als "das Universum".
Denn:
"Das Universum ist primär etwas, in dem alles vorkommt, was sich experimentell mit den Methoden der Naturwissenschft untersuchen lässt. Das Universum bezeichnet nicht nur ein Ding, sondern eben auch eine besondere Betrachtungsweise."
Markus Gabriel
Und:
"1. Die Welt ist alles, was der Fall ist.
1.1 Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge."
Ludwig Wittgenstein
Eine Tatsache ist etwas, das über etwas wahr ist. Es ist z.B. wahr, dass ich gerade jetzt vor meinem PC sitze und diesen Beitrag hier schreibe. Es gibt also nicht nur Dinge, sondern auch Tatsachen.
Und Wahrheit ist:
https://de.wikipedia.org/wiki/WahrheitGemeinhin wird die Übereinstimmung von Aussagen oder Urteilen mit einem Sachverhalt,[1][2] einer Tatsache oder der Wirklichkeit im Sinne einer korrekten Wiedergabe als Wahrheit bezeichnet.
Wichtig beim Neurealismus ist noch (soweit ich es bisher verstehe), dass dort nicht (wie in kontruktivistischen Strömungen) geleugnet wird, dass es eine Welt gibt, die für uns tatsächlich auch so erkennbar ist, wie sie an sich wirklich ist.
Gabriel führt dazu aus:
"Natürlich können wir uns täuschen, dann befinden wir uns unter Umständen in einer Illusion. Aber es stimmt einfach nicht, dass wir uns immer oder auch nur fast immer täuschen."
"Der neue Realismus nimmt also an, dass Gedanken über Tatsachen mit demselben Recht existieren wie die Tatsachen, über die wir nachdenken. Sowohl die Metaphysik als auch der Konstruktivismus scheitern dagegen an der unbegründeten Vereinfachung der Wirklichkeit, indem sie die Wirklichkeit entweder einseitig als die Welt ohne Zuschauer oder ebenso einseitig als die Welt der Zuschauer verstehen. Die Welt, die ich kenne, ist aber immer eine Welt mit Zuschauer, in der Tatsachen, die sich nicht für mich interessieren, zusammen mit meinen Interessen (und Wahrnehmungen, Empfindungen und so weiter) bestehen. Die Welt ist weder ausschießlich die Welt ohne Zuschauer noch ausschließlich die Welt der Zuschauer. Dies ist der neue Realismus. Der alte Realismus, sprich die Metaphysik, interessierte sich nur für die Welt ohne Zuschauer, während der Konstruktivismus recht narzisstisch die Welt und alles, was der Fall ist, auf unsere Einbildungen gründet. Beide Theorien führen zu nichts."
Gabriel, Markus, 2015, Warum es die Welt nicht gibt. Berlin: Ulstein Verlag, S. 13-15
Das vorab als Hintergrund-Einschub, zum (hoffentlich) etwas besseren Verständnis von Markus Gabriel. Auch in der Hoffnung nicht zu weit abzuschweifen nicht zu sehr damit zu langweilen. Ich dachte einfach, hier sei etwas mehr Hintergrund hilfreich. (Man müsste dann demnächst auch wieder auf das eigentliche Thema hier zurückkommen oder den Thread aufteilen, ich weiß...)
Darauf aufbauend gehe ich dann später noch konkreter auf deinen letzten Beitrag ein.