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Paradigmenwechsel in der Physik

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Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von tomS » 24. Nov 2013, 11:03

Paradigmenwechsel am Beispiel der Everettschen Interpretation der Quantenmechanik

Ich wurde ja geben, hier etwas zum Paradigmenwechsel in der modernen Physik zu schreiben. Dem
komme ich gerne nach.

Der folgende Link führt zum eigtl. Text in den Userfiles. Ich werde den Text auf Basis der hier folgenden Diskussion korrigieren bzw. ergänzen.

http://abenteuer-universum.de/bb/userfi ... echsel.pdf
Gruß
Tom

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Re: Paradigmenwechsel

Beitrag von tomS » 24. Nov 2013, 21:43

Danke für's Verlinken des Dokumentes
Gruß
Tom

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von wilfried » 25. Nov 2013, 16:34

Guten Tag Tom

hier meine Kommentare zu Deinen Ausführungen:

Kuhn sagt somit, dass (wissenschaftliche) Disziplinen eventuell getrennt sind durch zugeschneiderte Paradigmen (Lehrmeinungen). Meine Erfahrung in der Forschung bestätigt diest.

Grund: Für verschiedene Disziplinen nutzen wir verschiedene Werkzeuge oder Methoden. Das ist es doch, was Kuhn unter Paradigmenwechsel sieht: verschiedene Rahmenbedingungen. Jedoch die Fundamente sind gleich, denn die Mathematik ändert sich nicht und die Physik auch nicht. Jedoch haben wir in verschiedenen Disziplinen verschiedenartige Anpassungen, Vereinfachungen, Sichtweisen und damit wählen wir verschiedenartige Wege (Methoden und Werkzeuge) um zu einer Lösung zu kommen.

Dann sagst Du in Deinem Text:
TOM hat geschrieben:1. Von mehreren möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
Meistens ist das richtig, aber ich kann nicht sagen, ob diese Aussage eine Allgemeingültigkeit hat.
TOM hat geschrieben:12. Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält, die in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.
Diese Aussage entspricht der Auffassung, die wir gemeinschaftlich hier in diesem AK doch vertreten und genau mit diesem Schwerpunkt hinterfragen.
Damit sind wir offensichtlich mit dem Ockhamschen Prinzip in Übereinstimmung.

Ein wenig weiter im Kontext der Stringtheorie: Ja, es geht nicht um die geringste Anzahl der Entitäten, es geht um deren Bedeutung.

Damit Folgerichtig, dass die Mathematik aus der Dienerschaft herauskommt. Das muss sie aus, denn sie ist gleichwertig neben der Physik. Aber sie darf keine Herrscherin werden -dito gilt das für die Physik- denn sonst wären wir schnell im gleichen Schlamassel oder in den gleichen Zugzwängen, wie wir mit der jetzigen Physik sind. Insofern ist der Paradigmenwechsel eher als ein Wechsel zu einer Gleichberechtigung der Disziplinen, zu einem Zweikönigs-System zu sehen oder zu wünsche. Die Zweifel von denen Du sprichst sind insoweit angebracht, als dass hier eine gesunde Skepsis vorleigt. Skepsis insofern, dass dieser Paradigmenwechsel das physikalische Verständnis des überall Gleichwirkens der Physik auch zulässt.

Die Falsifizierung ist einer der wichtigsten Punkte einer beobachtenden und messenden Physik. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass das was man glaubt zu meinen auch wirklich so gemessen wurde oder das was gemessen wurde passt nicht zur Meinung und man muss dann gezwungenermaßen neu nachdenken.

Darin liegt die große Gefahr, die wir gerade in unser heutigen Zeit immer wieder erleben: es wird etwas gemessen und schon schreien einige der Gemeinde: wir brauchen eine neue Physik, hier ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Ich bin an der Ecke ein wenig vorsichtig und sage:
Nicht jeder Unterschied Messung / Theorie verlangt einen solche Wechsel, es muss ab und zu ein wenig mehr Ruhe und Ordnung innerhalb der Theoretikergemeinde gepflegt werden. Insoweit als dass im Zug unserer rechnergestützten Forschungen schnell gigantische Mengen an Daten und gigantische Gleichungen ausgewertet und berechnet werden. Das birg die Gefahr von Schnellschüssen (ich will den Preis, die Promotion, das Forschungsgeld ... egal wie, aber ich wills!). Das ist ein wenig polemisch ausgedrückt, aber so erfahre ich das innerhalb meiner Gesellschaft immer wieder einmal. Ich denke bei Euch ist das nicht allzu viel anders.

Aber weiter im Text:
TOM hat geschrieben:....Nun eben weil die Theorie damit ihre eigene Nicht-Testbarkeit vorhersagt
Auch hier spiegelst Du mit diesem Satz meinen Eindruck wieder. Diese Nicht-Testbarkeit deutet doch darauf hin, dass hier etwas fehlt. Entweder ist die Theorie zu schwach, heißt es muss dort nachgebessert werden oder sie ist gar falsch, dann muss sie auch auf den Prüfstand. Oder ist es gar unsere Messtechnik. Wissen wir denn überhaupt, was und wie gemessen werden soll oder ist das mehr eine spekulative Annahme. Diese Fragen müssen auf den Tisch, bearbeitet und beantwortet werden, bevor man von einer Nicht-Testbarkeit spricht.

Zusatzfrage von mir: Nicht-testbar und nicht beobachtbar ist das in diesem Sinne dasselbe oder meint man tatsächlich: "Unmöglich das zu messen". Sollte letzteres der Fall sein, was ist denn dann das Unmögliche? Ist die momentane Technologiegrenze, so dass sich diese Situation ändert im Laufe des Fortschritts oder ist es der Messort, welcher nicht zugänglich sein kann?

Deinen Teil 2 lese ich später durch

Danke Tom für diese ausführliche Auseinandersetzung mit dem Paradigmenwechsel.

Netter gruß

Wilfried
Die Symmetrie ist der entscheidende Ansatz Dinge zu verstehen:
-rot E - dB / (c dt) = (4 pi k ) / c
rot B - dE/ / (c dt) = (4 pi j ) / c
div B = 4 pi rho_m
div E = 4 pi rho_e

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von seeker » 26. Nov 2013, 10:49

Sehr schöner Text. Vielen Dank Tom!

Nur kurz, bis ich mehr Zeit habe:
Eine Hauptstütze der Argumentation ist Ockhams Rasiermesser (in der Auslegung, dass es die Anzahl der verwendeten Entitäten nicht berührt, was noch erörtert werden sollte).
D.h.: Wir müssen daher zunächst Ockhams Rasiermesser genauer untersuchen.

Es ist ein heuristisches Prinzip, kein Naturgesetz und auch keine notwendige logische Grundannahme. Nichts, das in Stein gemeißelt wäre.
(Heuristik (altgr. εὑρίσκω heurísko – ich finde, zu heuriskein – (auf)finden, entdecken) bezeichnet die Kunst, mit begrenztem Wissen („unvollständige Informationen“) und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen. [aus Wikipedia])
D.h.: Es ist zuerst eine Forderung nach Zweckmäßigkeit, nicht unbedingt nach Wahrheit: Die Theorie soll (gut) funktionieren! (siehe Punkt 1. in meinem anderen Text).

Also müssen wir untersuchen worin die Zweckmäßigkeit liegt, wenn man sich auf der mathematischen Brücke vom Ufer der Empirie entfernt.
Wir müssen fragen: Wem nützt das inwiefern? Worin liegt der Nutzen? Ist eine Theorie die sich vom empirischen Boden weit entfernt hat (und dorthin nicht mehr zurückfindet) nützlich?

Aspekte:
Vorhersage von neuen experimentellen Ergebnissen? Weiterentwicklung der mathematischen Methoden? Gesellschaftlicher und weltanschaulicher Nutzen?
Bringt das einen Fortschritt in der Forschung, der noch mit unserer erfahrbaren Welt in Zusammenhang gebracht werden kann oder schwebt ein solches Programm irgendwann im freien Raum und bildet einen reinen Selbstzweck? Bekommt so etwas womöglich irgendwann sogar einen religiösen Charakter? usw. ...

Ich schreibe wenn ich Zeit habe noch mehr.

Viele Grüße
seeker
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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von tomS » 26. Nov 2013, 20:27

Ich sehe Ockham's Razor nur als Prinzip der maximalen Einfachheit. But there's no such thing like free lunch, d.h. wir zahlen eben anderweitig drauf.

Sagen wir's mal so: es gibt zwei Extrempositionen, nämlich a) eine "Theorie" die nur aus der Ansammlung aller bekannten Fakten besteht und kein weiteres Prinzip kennt, sowie b) eine Theorie ohne regulierende, phänomenologische Kriterien. Bsp. für a) wäre die Sammlung aller Festplatten und Daten des LHC als Ersatz für das Standardmodell und die QFT. Bsp. für b) wäre die MUH = mathematical Universe Hypothesis derzufolge ALLE widerspruchsfreien mathematischen Strukturen mit real existierenden Universen identisch sind.

"Unsere" Physik liegt irgendwo dazwischen; wo nun ein guter Mittelweg zu finden ist vermag ich nicht zu sagen.

Ich wollte in meinem kurzen Aufsatz auch gar nicht werten sondern zunächst nur beschreiben.
Gruß
Tom

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von seeker » 28. Nov 2013, 00:02

tomS hat geschrieben:But there's no such thing like free lunch, d.h. wir zahlen eben anderweitig drauf.
Ganz genau!
tomS hat geschrieben:... "Unsere" [heutige] Physik liegt irgendwo dazwischen... [zwischen den Extrempositionen]
Genau!
tomS hat geschrieben:Ich wollte in meinem kurzen Aufsatz auch gar nicht werten sondern zunächst nur beschreiben.
Schon klar, hatte ich so verstanden.
Das wollte ich mit meinem Beitrag vom 26. Nov 2013, 10:49 eigentlich auch nicht.
Mir gefällt der Schreibstil der um Neutralität bemüht ist zurzeit ungemein gut. Ich will da bei mir selbst noch öfter drauf achten.
Dennoch scheint eben die innere Haltung manchmal doch etwas durch, ob man will oder nicht...

Ich würde gerne noch das eine oder andere erörtern, um unser Verständnis zu vertiefen - denn auch dafür ist dein Text aus meiner Sicht da.

Mein erster Vorschlag ist -wie erwähnt-, dass wir uns Ockhams Rasiermesser mal genauer anschauen.

Weitere Punkte:
Kuhns Aussage ist nun u.a., dass erst eine Theorie (eine Sammlung von Theorien) einen begrifflichen
Rahmen definiert, innerhalb dessen sich dieses Wechselspiel [Induktion/Deduktion] ereignet. Natürlich sagt die o.g.
Theorie ein Z-Boson voraus, aber auch erst die Theorie gibt Hinweise darauf, wie die zugehörigen
Phänomene experimentell untersucht werden können.
Das ist ein interessanter Punkt.
Unser Grundproblem dabei ist ja unsere Beschränktheit, d.h.: Wir können unmöglich alle Experimente designen und durchführen, die prinzipiell überhaupt durchführbar wären - nicht einmal näherungsweise.
Wir sind daher gezwungen gezielt zu suchen, gezielt Fragen an die Natur zu stellen. Das gilt insbesondere in der heutigen Zeit, wo wirklich neue grundlegende experimentelle Ergebnisse (im Bereich der Grundlagenforschung) fast nur noch durch sehr aufwändige und teure High-Tech-Aufbauten gewonnen werden können.

Für dieses gezielte Suchen sind Theorien nicht nur sehr hilfreich, sondern absolut notwendig.
Es ist dabei auch sehr wichtig, dass man mehrere alternative Theorien bzw. Theorie-Varianten zur Verfügung hat.
So kann man Experimente ersinnen, die zwischen diesen Varianten per Empirie unterscheiden: Aussschlussprinzip.
Denn wenn uns irgendwann einmal die Varianten ausfgehen sollten bzw. eine Varianten-Verarmung stattfinden sollte, könnten wir evtl. auch in ein Problem hineinlaufen: Stichwort "selbsterfüllende Prophezeiung".
Experimentelle Daten können in aller Regel (besonders bei der fortgeschrittenen Physik) eigentlich nur im Rahmen der bis dato bestehenden Theorien-/Hypothesenschar gedeutet werden. Außerdem werden wir sicherlich keine Millionen Euro für Experimente ausgeben, die so designt sind, dass sie nicht zumindest prinzipiell in der Lage sind Antworten auf Fragen von schon zuvor vorgeschlagenen Theorien/Hypothesen zu geben.
Bis hier her war die Mathematik eigtl. nur ein Diener der Physik (so wie im Mittelalter der Schreiber
des Herrschers, der nicht selten klüger als dieser war und damit selbst die Geschicke lenkte …) Aber
nun beginnt die theoretische Physik sich aus diesem o.g. Wechselspiel herauszuschleichen, und die
Mathematik wird zu einer heimlichen Herrscherin. Warum? Nun letztlich, weil die bisher so
erfolgreiche Extrapolation der Theorie jenseits ihres konstituierenden phänomenologischen
Rahmens an eine natürliche Grenze stößt -- sich aber dadurch nicht aufhalten lässt. Letztlich ist
es der Experimentalphysik nicht mehr möglich, die theoretisch vorhergesagten Phänomene und
Entitäten der Untersuchung zugänglich zu machen.
Hier kommen wir zum Punkt!
Vereinfacht ausgedrückt schreitet die Extrapolation rasant
voran, während die experimentelle Falsifizierung kaum Schritt halten kann.
Aha!
Man muss fragen: Wie kommt denn das?

Ganz einfach:
Es kommt daher, dass die Entwicklung bei der Informationsverarbeitung, also im Computerbereich in den letzten Jahrzehnten enorm viel schneller abgelaufen ist als in allen anderen Bereichen der Technik und Messtechnik. Viel, viel schneller, Zehnerpotenzen möchte ich behaupten! Und immer noch weiter zunehmend!
Erst diese enorme Rechenkapazität hat es der theoretischen Physik ermöglicht so schnell voranzukommen. Es gibt heute ganz neue Werkzeuge! Wer hat z.B. vor 80 Jahren schon etwas von "Computersimulation" oder "experimenteller Mathematik" gewusst oder sich das, was wir heute dahingehend erleben, auch nur vorzustellen gewagt?

Der Mensch tut in seinem Drang voranzukommen das, was er kann; er nutzt das, was ihm zur Verfügung steht.
Deshalb gallopiert die theoretische Physik heute davon. Sie tut es schweren Herzens, sicherlich! Aber sie tut es, weil sie nicht anders kann! Es liegt sozusagen in ihrer Natur, es liegt am allgemeinen Fortschrittsglauben und -Willen. Es liegt am derzeit allgemein in der Kultur herrschenden Paradigma bzw. Zeitgeist: Vorwärts! Immer weiter! Es geht voran! Es muss! Koste es, was es wolle!?
Das ist verständlich, nachvollziehbar - keine Frage... nach all den dramatischen wissenschaftlichen Erfolgen der letzten 200 Jahre. Wir haben uns an den Erfolg gewöhnt...

Wichtig dabei ist die eine Kernfrage:

Wo kommen wir da hin? Was kostet das? Was kann man erwarten, das es bringt?
Ist eine Physik, die dem Primat der Mathematik folgt noch Physik? Oder ist sie dann nicht vielmehr Mathematik - oder vielleicht gar Philosophie im Gewand der Mathematik?

Das würde ich gerne diskutieren. Ich würde dazu gerne eure Meinungen hören.

Beste Grüße
seeker
Grüße
seeker


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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von tomS » 28. Nov 2013, 06:44

Der rasant Fortschritt liegt m.E. eher in den theoretisch-mathematischen Methoden. Und der Vorsprung resultiert auch aus der technischen Limitierung der Experimente.
Gruß
Tom

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von tomS » 28. Nov 2013, 06:46

seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:
Bis hier her war die Mathematik eigtl. nur ein Diener der Physik
(so wie im Mittelalter der Schreiber des Herrschers, der nicht selten klüger als dieser war und damit
selbst die Geschicke lenkte …) Aber nun beginnt die theoretische Physik sich aus diesem o.g. Wechselspiel herauszuschleichen, und die Mathematik wird zu einer heimlichen Herrscherin.

Warum?

Nun letztlich, weil die bisher so erfolgreiche Extrapolation der Theorie jenseits ihres konstituierenden phänomenologischen
Rahmens an eine natürliche Grenze stößt -- sich aber dadurch nicht aufhalten lässt. Letztlich ist
es der Experimentalphysik nicht mehr möglich, die theoretisch vorhergesagten Phänomene und
Entitäten der Untersuchung zugänglich zu machen.
Hier kommen wir zum Punkt!

...

Ist eine Physik, die dem Primat der Mathematik folgt noch Physik? Oder ist sie dann nicht vielmehr Mathematik - oder vielleicht gar Philosophie im Gewand der Mathematik?
Ja, das ist die Kernfrage!
Gruß
Tom

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von tomS » 14. Feb 2014, 01:32

Und was machen wir jetzt damit? Ich denke nicht, dass Husserl oder seine Schüler irgendetwas in Richtung der Naturwissenschaften zu sagen hatten.
Gruß
Tom

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von deltaxp » 14. Feb 2014, 11:33

wilfried hat geschrieben:
TOM hat geschrieben:1. Von mehreren möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
Meistens ist das richtig, aber ich kann nicht sagen, ob diese Aussage eine Allgemeingültigkeit hat.
hat er auch nicht behauptet. es ist eine methodik, die lediglich aufgrund unserer erfahrung in der naturwissenschaft beruht, mehr nicht.

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von deltaxp » 14. Feb 2014, 11:45

seeker hat geschrieben:
Vereinfacht ausgedrückt schreitet die Extrapolation rasant
voran, während die experimentelle Falsifizierung kaum Schritt halten kann.
Aha!
Man muss fragen: Wie kommt denn das?

Ganz einfach:
Es kommt daher, dass die Entwicklung bei der Informationsverarbeitung, also im Computerbereich in den letzten Jahrzehnten enorm viel schneller abgelaufen ist als in allen anderen Bereichen der Technik und Messtechnik. Viel, viel schneller, Zehnerpotenzen möchte ich behaupten! Und immer noch weiter zunehmend!
Erst diese enorme Rechenkapazität hat es der theoretischen Physik ermöglicht so schnell voranzukommen. Es gibt heute ganz neue Werkzeuge! Wer hat z.B. vor 80 Jahren schon etwas von "Computersimulation" oder "experimenteller Mathematik" gewusst oder sich das, was wir heute dahingehend erleben, auch nur vorzustellen gewagt?
nich nur seeker, es geht auch um energie und ressourcen, gerade in der hochenergiephysik. man brauch mittlerweile so ungeheuere ressourcen, um die interessierenden energie-bereiche nur anzukratzen, die wir einfach nicht haben. nur um zu sagen, sorry mate, die idee war zwar logisch konsistent und nett, aber leider in der natur nicht realisert alle welt ressourcen und politik zu bündeln, um sagen wir mal einen beschleuniger um die erde zu bauen (was noch nichtmal weit reicht), ist derzeit ein unverhältmässig hoher, nicht realisierbar aufwand. technisch könnten wir es heute schon, aber politisch und ökonomisch nicht. Es spielt also auch der allgemeine stand der gesellschaft in ökonomischer, energetische und politischer Hinsicht mit rein, nicht nur die Messtechnik.

technich önnten wir auch heute schon zum mars fliegen, aber wir habe seit 45 jahren nich mal wieder auf den mond geschafft, nicht weil wirs technisch nicht können. technisch konnten wir auch den ligo detektor im all mit millionen kilometern hebelarm bauen, um gravitationswellensignaturen des urknalls zu messen (oder eben nicht), aber finaziell und vor allem wohl politisch nicht, und das ist noch vergleichsweise billig. das disasster mit dem SSC in den usa ist auch so beispiel, was nicht aus technischen gründen, sondern aus finanziellen und politischen scheiterte.

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von Timm » 15. Feb 2014, 11:38

seeker hat geschrieben: Ist eine Physik, die dem Primat der Mathematik folgt noch Physik? Oder ist sie dann nicht vielmehr Mathematik - oder vielleicht gar Philosophie im Gewand der Mathematik?
Gute Frage!

Mir fällt nur die Gegenfrage ein:

Ist, wenn man von einer physikalischen Theorie spricht, das Adjektiv nicht untrennbar mit der Erwartung einer mathematischen Beschreibung verbunden?

Ein mathematisches Konstrukt ist zunächst mal nicht mit der Erwartung von Physik verbunden. Ich denke, es ist aber umgekehrt zwingend so. Die Frage ist dann eher, was kennzeichnet eine physikalische Theorie. Wesentliche mathematische Begründungen der ART sind Riemannsche- und der Stringtheorie Kalabi-Yau-Mannigfaltigkeiten. Das eine ist empirisch gut abgesichert, das andere zehrt hauptsächlich vom anthropischen Prinzip.

Grüße, Timm

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Re: Paradigmenwechsel in der Physik

Beitrag von seeker » 15. Feb 2014, 13:35

Ja deltaxp, da hast du Recht.
Es ist auch eine Frage des Aufwands und des Wollens.
Wenn der Aufwand gering ist, dann fällt das Wollen bzw. Tun leichter...

Wenn ich so drüber nachdenke, dann komme ich zu dem Schluss, dass technischer Fortschritt halt nicht nur in der Machbarkeit von irgendetwas besteht was zuvor nicht möglich war, sondern zudem auch darin, das eben dieses auch immer billiger (mit weniger Aufwand) zu erreichen ist, und damit immer praktikabler wird.
Was wir uns an Rechnern heute für schmales Geld ins Arbeitszimmer stellen können übertrifft in der Leistungsfähigkeit jeden Uni-Großrechner von vor ein paar Jahrzehnten bei weitem!
Das Moorsche Gesetz, das seit Jahrzehnten "wütet" ist einfach unglaublich, auch in seinen Auswirkungen überall.
Eine ähnliche rasante Entwicklung wie im Rechnerbereich gibt es m. E. in keinem anderen Bereich. Ich kann mir gar nicht ausmalen, was in 50 Jahren sein wird!
Werden wir im heutigen Sinn dann noch selber theoretische Physik betreiben, wenn man einen Einstein für 100€ in seiner Tasche oder am Handgelenk oder als Implantat mitführen kann, der die eigene Intelligenzleistung und das eigene Wissen bei weitem übertrifft?

Timm hat geschrieben:Ist, wenn man von einer physikalischen Theorie spricht, das Adjektiv nicht untrennbar mit der Erwartung einer mathematischen Beschreibung verbunden?
Ja schon. Aber nicht unbedingt mit irgendeiner mathematischen Beschreibung, sondern mit einer "physikalisch sinnvollen" und gewöhnlich sparsamen und eindeutigen mathematischen Beschreibung.
Die Frage ist dann: Wann ist eine mathematische Beschreibung physikalisch WIE sinnvoll und wann nicht?
Die Frage ist: WAS erhält man, wenn man auf die empirische Absicherung verzichten muss/will?

Ich habe manchmal den Eindruck, dass bei manchen Leuten die (verständliche) Neigung besteht die Dinge in ihrem Sinne umzuinterpretieren, anstatt die Tatsachen anzuerkennen.

Eine Weisheit der Dakota-Indianer besagt: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!”

Die Frage ist, was wir tun sollen/wollen?

Sind manche Bestrebungen (z.B. mathematisches Universum) nicht evtl. dies:

Wir ändern die Kriterien, die besagen, dass ein Pferd tot ist.
Wir sagen: „So haben wir das Pferd schon immer geritten”.
Wir schließen mit den Reitern eine Zielvereinbarung über das Reiten toter Pferde.
Wir besorgen eine größere Peitsche.
Wir stellen fest, dass die anderen auch tote Pferde reiten und erklären dies zum Normalzustand.
Wir starten einen internen Ideenwettbewerb zum Reiten toter Pferde.
Wir stellen Vergleiche unterschiedlich toter Pferde an.
Wir schirren mehrere tote Pferde zusammen an, damit sie gemeinsam schneller werden.
Wir definieren einen eigenen Fachbereich "Reiten toter Pferde".
Wir tauschen das tote Pferd gegen eine tote Kuh aus.
Wir wenden die Abwarte-Strategie an: Wir setzen uns hin und warten 100 Jahre, ob das Pferd sich nicht einfach nur tot stellt.

Eine weit verbreitete Handlungsmaxime in der Praxis lautet:
"Wenn Du merkst, dass Du ein totes Pferd reitest, sorge für einen bequemen Sattel - es könnte ein langer Ritt werden!"
(Frank Menzel 2008)

... das ist m. E. das Problem. Noch sind wir nicht ganz so weit, aber es könnte so weit kommen, wenn wir nicht aufpassen!

Grüße
seeker
Grüße
seeker


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