Hinweis auf die DSGVO: Auf unserer Seite werden keine Dritt-Anbieter-Cookies verwendet und nur Daten erfasst, welche für das Minimum an Board-Funktionalität notwendig sind.
Bevor Sie sich registrieren oder das Board verwenden, lesen Sie bitte zusätzlich die DSGVO-Erklärung, welche in der Navigationsleiste verlinkt ist.

Kurzfassung der unserer Meinung nach wichtigsten DSGVO-Punkte:
Es kann vorkommen, dass Benutzer eigenverantwortlich Videos oder sonstige Medien in ihren Beiträgen verlinken, welche beim Aufruf der Forenseite als Teil der Seite samt zugehörigem Material mitgeladen werden. Sollten Sie dies nicht wünschen, verwenden Sie beim Benutzen des Forums einen Blocker wie z.B. uMatrix, welcher das Laden von Inhaltsblöcken von Fremd-URLs effektiv unterbinden kann.
Wir blenden keine Werbung ein und schränken die Inhalte in keinster Weise bei Benutzung von Addblockern ein. Dadurch ist die Grundfunktionalität des Forums auch bei vollständigem Blockieren von Drittanbieter-Inhalten stets gegeben.

Cookies werden unsererseits nur verwendet um das Einloggen des Benutzers für die Dauer der Forenbenutzung zu speichern. Es steht dem Benutzer frei die Option 'Angemeldet bleiben' zu verwenden, damit der Cookie dauerhaft gespeichert bleibt und beim nächsten Besuch kein erneutes Einloggen mehr notwendig ist.
EMail-Adressen werden für Kontakt bei wichtigen Mitteilungen und zur Widerherstellung des Passwortes verwendet. Die verwendeten IPs können von uns ohne externe Hilfsmittel mit keiner realen Person in Verbindung gebracht werden und werden nach spätestens 7 Tagen gelöscht. Diese IPs werden höchstens verwendet um Neuanmeldungen unerwünschter oder gesperrter Nutzer zu identfizieren und zu unterbinden. Wir behalten uns daher vor bei Verdacht, die Frist für die IP-Löschung auf maximal 14 Tage zu verlängern.
Unsere Webseite läuft auf einem virtuellen Linux-Server, welcher von einem externen Anbieter gehostet wird. Etwaige Verstöße der DSGVO-Auflagen seitens dieses deutschen Hosters können wir nicht feststellen und somit auch nicht verfolgen.
Wir halten Backups unserer Datenbanken, welche in regelmäßigen Abständen als Schutz vor Katastrophen, Hackerangriffen und sonstigen Ausfällen erstellt werden. Sollte ein Nutzer die Löschung seiner Daten wünschen, betrachten wir es als Unzumutbar die Backups auch von den Daten zu befreien, da es sich hierbei um eine mehrtägiges Unterfangen handelt - dies ist für eine Einzelperson beim Betrieb eines privaten Forums nicht zumutbar möglich ohne das Backup komplett zu löschen.
Sollten Sie etwas gegen die dauerhafte anonyme Speicherung ihrer EMail-Adresse, ihres Pseudonyms und ihrer Beiträge in einem Backup haben, sehen Sie von der Registrierung in diesem Forum ab. Für Mitglieder, welche vor dem 25.05.2018 registriert waren steht jedoch das Recht im Raum, eine Löschung der Datenbank-Backups zu beantragen.



Wenn dies Ihr erster Besuch hier ist, lesen Sie bitte zunächst die FAQs sowie die wesentlichen Regeln zur Benutzung des Forums.
Um an den Diskussionen teilnehmen zu können, müssen Sie sich zunächst registrieren.

Zeit und Zeitpfeile

Allgemeine physikalische Fragestellungen, z.B. Newtonsche Mechanik, Elektrodynamik, Thermodynamik...
Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 13. Apr 2013, 13:58

Wenn sich der Mensch fragt, welche grundlegenden Aussagen möglich sind, dann kann man sich auf eine allergrundlegendste Aussage einigen.
Sie lautet:

"Es tut sich etwas!"

Was sich da tut, kann man "Veränderung" oder auch "Bewegung" nennen.

Mit "Bewegung" ist der Begriff "Zeit" assoziiert. Ob nun "Zeit" oder "Bewegung" grundlegender ist, darüber lässt sich streiten.
Das soll hier auch eine untergeordnete Rolle spielen.

Wichtig bei der Zeit ist, dass sie eine Richtung zu haben scheint: Sie scheidet die Vergangenheit von der Zukunft. Die Gegenwart scheint sich immer von der Vergangenheit aus in Richtung Zukunft zu entwickeln. Nie sieht man das Umgekehrte.

Diesen Umstand der Gerichtetheit der Zeit nennt man "Zeitpfeil".

Für uns hier wichtige Zeitpfeile sind:

Der psychologische Zeitpfeil:
Wir können uns an die Vergangenheit erinnern, aber nicht an die Zukunft.

Der kausale Zeitpfeil:
Ursachen gehen ihren Wirkungen stets voraus. Er ist ein Postulat, das unsere Erfahrungswelt widerspiegelt.

Der kosmologische Zeitpfeil:
Das Universum hat mit dem Urknall begonnen und dehnt sich seither aus. Ob es sich bis in alle Ewigkeit ausdehnen wird, ist nicht sicher bekannt. Nach den derzeit vorherrschenden Berechnungen und Theorien sieht es so aus. Somit kann man die vergangene Zeit an der Größe des Universums ablesen: Die Zukunft ist die Richtung des größeren Universums.

Der thermodynamische Zeitpfeil:
Er beruht auf dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik: Die Zukunft ist die Zeitrichtung, in der die Entropie zunimmt. Ein interessanter Punkt ist, dass dieser Zeitpfeil im thermodynamischen Gleichgewicht nicht existiert: Für einen Gleichgewichtszustand gibt es keine thermodynamisch definierte Vergangenheit und Zukunft; der Gleichgewichtszustand ist sozusagen zeitlos.

Bei den Zeitpfeilen geht es um die Fragen: Warum läuft die Zeit stets vorwärts und nie rückwärts ab? Tut sie das? Woher wissen wir das?

Aus Sicht der Physik stoßen wir hier auf allerlei Probleme:

Die grundlegenden Theorien sind alle zeitsymmetrisch! Das gilt für die ART und auch für die QM.
D.h.: Wenn wir uns vorstellen, wir würden von einem x-beliebigen physikalischen Vorgang eine Filmaufnahme machen, dann kann man den Film hinterher vorwärts wie rückwärts anschauen.
In beiden Richtungen wird den Naturgesetzen Genüge getan. Wir können anhand des Films nicht feststellen welche der beiden Richtungen die Vergangenheit und welche Richtung die Zukunft ist!

Es gibt eine kleine Ausnahme, eine kleine Zeitasymmetrie im Bereich der schwachen WW. Mehr hat man bisher noch nicht finden können.
Leider ist diese kleine Verletzung mit Sicherheit nicht ausreichend um unsere wahrgenommene Zeitrichtung zu erklären.

Kommen wir zum thermodynamischen Zeitpfeil.
Er wird oft als Lösung dieser Probleme angeführt. Leider ist es nicht so einfach, wie wir sehen werden:

Der thermodynamische Zeitpfeil besagt, dass die Entropie stets zunehmen muss, da bei der Entwicklung eines Systems ein ungeordneterer Zustand viel wahrscheinlicher als ein geordneterer ist.

Das Problem dabei ist:
Er sagt uns aber nicht, in welche Zeitrichtung die Entropie zunehmen soll!
Die Thermodynamik sagt uns, dass die Entropie von einem beliebigen Gegenwartszeitpunkt aus gesehen in beide Zeitrichtungen zunehmen muss!


Warum ist das so?
Schauen wir uns ein Diagramm an:
Entropie und Zeitpfeil.jpg
Entropie und Zeitpfeil.jpg (36.57 KiB) 16843 mal betrachtet
Es ist hier so, dass sich von dem Zeitpunkt "Jetzt" aus gesehen, die Entropie in der Vergangenheit vom Punkt A oder vom Punkt B her entwickelt haben kann.
Der Punkt ist: Es ist ungeheuer viel wahrscheinlicher, dass sich das System in der Vergangenheit in Zustand A als im Zustand B befunden hat!
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Universum durch einen unglaublichen Zufall von einem ungeordneteren Zustand (A) zu einem geordneteren Zustand im Jetzt entwickelt hat ist immer noch sehr sehr viel größer, als dass es sich vom dem noch viel viel unwahrscheinlicheren (da ja noch viel geordneteren) Zustand B her entwickelt hat.

D.h.: Die Argumentation über den thermodynamischen Zeitpfeil funktioniert nur dann, wenn man einen sehr geordneten Zustand in die Vergangenheit bzw. letzten Endes in den Urknall hineinpostuliert.
Ein solcher Zustand ist aber so unvorstellbar unwahrscheinlich, dass das er einer sehr glaubhaften Erklärung bedarf - und die haben wir nicht!
Das ist das Problem.

Zusammenfassend kann man daher sagen:

Wir haben bis heute keine stichhaltige Erklärung dafür, dass die Zeit eine Vorwärtsrichtung hat.
Wenn man sich dabei klar macht, dass auch das gesamte Ursache-Wirkungs-Prinzip (siehe oben, der kausale Zeitpfeil) essentiell von dieser Richtung abhängt, dann haben wir hier eine völlig unbefriedigende Situation, ein fundamentales Rätsel, das unser gesamtes Weltbild ins Wanken bringen könnte.

Beste Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Benutzeravatar
Stephen
Ehrenmitglied
Ehrenmitglied
Beiträge: 3012
Registriert: 14. Dez 2005, 17:09
Wohnort: Halle (Saale)

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von Stephen » 13. Apr 2013, 16:26

Hallo zusammen,

zunächst einmal vielen Dank an seeker für die kleine Doktorarbeit zum Begriff Zeit-(Pfeil).

Ich kann mich des Eindrucks jedoch nicht erwehren, dass wir immer stutziger werden, je mehr wir über das Universum lernen. Oder etwas lapidarer ausgedrückt: Jede neue Erkenntnis scheint zwei neue Fragen aufzuwerfen; wir glauben, dass wir viel mehr wissen als vor 50 Jahren aber stellen inzwischen ganz elementare Sachen - wie eben die Zeit - auf den Prüfstand.

Da fragt man sich natürlich, was nach ART, Quantenmechanik, Stringtheorie, Antimaterie, Dunkler Materie, Dunkler Energie etc. noch alles an "Überraschungen" auf uns zukommen werden...

Gruß
Steffen
Die Demokratie beruht auf drei Grundpfeilern: Der Freiheit der Gedanken, der Freiheit der Rede und der Klugheit, beides nicht zu gebrauchen.
Mark Twain

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 14. Apr 2013, 23:38

Es handelt sich um die CP-Verletzung bei B- und K-Mesonen.
Allerdings sind das exotische, instabile Teilchen, die im Hochenergiebereich auftauchen und nicht im Bereich unserer normalen, vertrauten Materie.
http://de.wikipedia.org/wiki/CP-Verletzung

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Benutzeravatar
gravi
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 6069
Registriert: 26. Nov 2005, 18:55
Wohnort: Münchhausen

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von gravi » 15. Apr 2013, 19:42

Ich muss auch mal ein dickes Lob für seekers Beitrag spendieren!

Ich habe zum Richtungsverlauf der Zeit mal einen Vorschlag zu machen:
Können wir das nicht vereinfachen und vom Urknall ausgehen? Mit diesem entstand ja die Zeit - eine Dimension, die es vorher gar nicht gab. Seit diesem Punkt Null verläuft sie stetig in ein und dieselbe Richtung - völlig unveränderlich (ich klammere einmal die lokal wirksamen Einflüsse auf die Zeit wie relativistische Geschwindigkeit oder Gravitation aus). Würde sie auf irgendeine Weise in eine andere Richtung (rückwärts) laufen können, so wäre das eine "Reise" in die Vergangenheit. Das aber lassen Natur bzw. Kausalität nicht zu, und das sollte dann auch für die Quantenwelt gelten. Zeitreisen sind zwar prinzipiell möglich - aber nur in die Vorwärtsrichtung, also in die Zukunft. Von dort gibt es dann aber auch kein zurück. Weil eben die Natur der Zeit nur eine einzige Richtung zulässt.

Vielleicht aber in diesem Zusammenhang noch die Frage, was ist von Hawkings imaginärer Zeit zu halten? Könnte so etwas reell sein - ich habe da leider etwas zu wenig Vorstellungskraft...

Gruß
gravi
Unser Wissen ist ein Tropfen. Was wir nicht wissen, ist ein Ozean.
Sir Isaac Newton

PeterM
wohnt hier!
wohnt hier!
Beiträge: 422
Registriert: 9. Jul 2009, 19:47

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von PeterM » 15. Apr 2013, 22:50

gravi hat geschrieben: Ich habe zum Richtungsverlauf der Zeit mal einen Vorschlag zu machen:
Können wir das nicht vereinfachen und vom Urknall ausgehen?
Natürlich können wir das so vereinbaren. Die Zeit begann mit dem Urknall. Mir reicht das nicht. Es bleibt immer die Frage, was existiert von unseren Vorstellungen tatsächlich in der Natur und was nicht.

Seekers „Doktorarbeit“ ist insoweit interessant, weil sie auf einfache Art und Weise die Entwicklung der Zeit darstellt. Der Anfang der Zeit ist die Erinnerung an die Vergangenheit. Die Vergangenheit besteht aber für uns nicht aus Zeit, sondern aus Erlebnissen oder Ereignissen an die wir uns erinnern können. Mit Zeit hat das erst mal nichts zu tun, sondern mit Erfahrungswerten. Damit ist indirekt der Beginn der Zeit in der psychologische Zeit zu finden.

Du sagst in einem anderen Thread, das wir keinen Sensor für Zeit haben. Ich behaupte, ich kann Zeit sehen und hören. Wenn ich Zeit als Veränderung und Bewegung definiere, dann sehe ich Zeit wenn Objekte sich bewegen . Veränderungen kann ich auch hören. Also sehe und höre ich die Zeit. Sinne geben wiederum Gefühle wieder.

Demnach ist der psychologische Zeitpfeil gefühlsbasiert. Würden wir dieses natürliches Empfinden nicht haben, so könnten wir die Zeit auch nicht systematisieren und es würde ein wichtiges Werkzeug fehlen. Gleiches gilt für Entfernung, Temperatur usw. Wir haben also Sensoren für Veränderungen, die in der Gesamtheit unserer Sinne liegen. Dass wir für Veränderungen in der Natur unterschiedliche physikalische Beschreibungen anwenden und diese dann systematisch verbinden, zeigt ja eigentlich nur, dass wir aus dem Universum Teile trennen (isolieren) und sie dann nach funktionalen Regeln wieder verknüpfen. Darin steckt eigentlich nur ein mechanisches Prinzip. Es ist also immer eine Frage der Interpretation. Die Frage ist, interpretieren und verknüpfen wir das beschriebene Universum richtig? Interpretieren wir die Natur richtig? Was existiert von unseren Annahmen tatsächlich so in der Natur. Dass wir Zusammenhänge beschreiben und auch technisch nutzen können ist die eine Seite. Nutzung und Beschreibung des Universums sind aber zweierlei Dinge.

@seeker

Kann es denn sein, dass wir das Universum geistig so nachgebaut haben, dass es funktioniert wie ein Getriebe? Einem Getriebe ist es auch wurscht in welche Richtig sich die Teile drehen. Dann wäre es ein technisches Universum und hat mit dem tatsächlichen Universum nichts zu tun. Dass selbst die Mathematik keine Zeitrichtung in dem Sinne kennt, wie Fuzzlix schreibt, irritiert mich ein wenig.
Bedenkt man, dass der Gesamtzustand der Natur sich zu einem Zeipunkt x nie wieder identisch herstellen lässt, so ist ein Zurücklaufen des Universums nicht möglich. Die Übetragung physikalsicher Gesetze und auch der Mathematik auf die Natur hätten hier einen erheblichen Mangel.

Nun seeker, als nominalistischer konstruktivistischer Ketzer bekomme immer wieder Nahrung. Danke für das Futter. :wink:

Gruß

Peter
Zuletzt geändert von PeterM am 16. Apr 2013, 10:41, insgesamt 1-mal geändert.

Skeltek
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 5085
Registriert: 25. Mär 2008, 23:51
Wohnort: Stuttgart, Germany
Kontaktdaten:

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von Skeltek » 16. Apr 2013, 00:19

Und wenn man sich darauf beschränkt, daß es nur für Elemente einer ganz bestimmten Phänomenologie eine Vorzugsrichtung gibt?

Was ich sagen will ist, daß man die Zukunft als (bereits?) feststehend und abgeschlossen ansehen könnte, aber an diesen Raumzeitkoordinaten keinen Zugriff auf Information anderer Koordinaten hat.
Informationen aus der Vergangenheit werden im Gehirn rekonstruiert, Informationen aus der (weiter entfernten?) Zukunft können(obwohl feststehend) aufgrund von Information Overflow nicht ermittelt werden; da die erforderliche Datenmenge die Verarbeitungskapazität sprengen.

Phylosophische Frage: Wären wir in der Lage sowohl Zukunft als auch Vergangenheit mit unbeschränkter Genauigkeit in beliebiger zeitlicher Entfernung zu erkennen/rekonstruieren/wahrzunehmen, wären wir dann noch in der Lage Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit zu unterscheiden?
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 16. Apr 2013, 01:21

Ich habe eigentlich etwas mehr Widerspruch zu einem anderen Punkt erwartet... Ist euch der klar geworden? Schluckt ihr das einfach so?
Bevor das jetzt untergeht, will ich noch einmal die Ungeheuerlichkeit dieses Punktes deutlich herausstellen:

Aus Sicht der Thermodynamik ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass das Universum gestern mit allem was darin ist einfach so aufgetaucht ist, als dass es im Urknall mit seiner extrem geringen Entropie entstanden ist!!!

Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen...
Erkennt ihr das Problem?

Grüße
seeker

Edit:
Ich formuliere noch etwas genauer:

Aus Sicht der Thermodynamik ist es unvorstellbar viel wahrscheinlicher, dass das Universum gestern, mit allem was darin ist, incl. unserer Erinnerungen, durch eine seltene Fluktuation aus einem hochentropischen Zustand „hervorgeploppt“ ist, als dass es aus dem Urknall mit seiner unsagbar kleinen Entropie hervorgegangen ist!
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Skeltek
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 5085
Registriert: 25. Mär 2008, 23:51
Wohnort: Stuttgart, Germany
Kontaktdaten:

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von Skeltek » 16. Apr 2013, 02:48

Das ist klar, aus obiger Anschauung hätte laut Skizze allerdings jeder Zeitpunkt im Universum seiner eigenen Sicht nach die kleinste Entropie.
Die Gegenwart ist allerdings keine Momentaufnahme des Universums. Sie setzt sich zusammen aus sowohl der momentanten Position aller Teilchen als auch ihren Bewegungsvektoren; also laienhaft ausgedrückt ist die Gegenwart ein Produkt und keine Konstante.
Schaut man sich lediglich die Positionen der Teilchen an und lässt die Bewegungen außer Acht, gäbe es zu jeder Gegenwart unendlich viele mögliche Vergangenheits- und Zukunftslichtkegel, von denen die höherentropischen wahrscheinlichsten wären.

Erst, wenn du Vergangenheit und Zukunft paarweise verknüpfst ergibt sich eine Schar an Kombinationsmöglichkeiten an Kegeln, deren Schnittfläche die Gegenwart ergibt.
So ließe sich Zeit als ein dreidimensionales Gebilde auffassen, das sich lokal nur eindimensional äußert. So wäre Zeit denke ich Richtungs- und Ortsabhängig.
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

PeterM
wohnt hier!
wohnt hier!
Beiträge: 422
Registriert: 9. Jul 2009, 19:47

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von PeterM » 16. Apr 2013, 09:51

seeker hat geschrieben:I

Aus Sicht der Thermodynamik ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass das Universum gestern mit allem was darin ist einfach so aufgetaucht ist, als dass es im Urknall mit seiner extrem geringen Entropie entstanden ist!!!

Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen...
Erkennt ihr das Problem?

Ich glaube eher an Licht aus leerem Raum, als an konstruierte Werte.

Berücksichtigt man, dass geteilte Photonen, nach meiner Deutung :wink: , immer noch eine Verbindung haben, dann ist für mich ein Universum welches in sich zusammenhängend ist viel wahrscheinlicher, als ein konstruiertes mechanisches Universum. Das ist nicht minder verrückt, oder?



http://www.pro-physik.de/details/news/1 ... _Raum.html



Ich verstehe zwar nicht so ganz was die da gemacht haben, aber ich denke, dass das Ergebnis zählt.


Gruß

Peter

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 16. Apr 2013, 12:36

Siehe mein Edit im obigen Beitrag.

Die Entropie kann in extrem seltenen Fällen zufällig auch einmal abnehmen.
So unwahrscheinlich dies auch ist, es ist immer noch viel wahrscheinlicher als Zustand B im obigen Diagramm.

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

positronium
Ehrenmitglied
Ehrenmitglied
Beiträge: 2832
Registriert: 2. Feb 2011, 20:13

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von positronium » 16. Apr 2013, 13:49

Ich finde es nicht überraschend, dass man in physikalischen Formeln Zeitsymmetrie findet. Immerhin beruhen die meisten darauf, einen zeitlichen Ablauf zu beschreiben, und Formeln sind eben umkehrbar. Weil das eine mathematische Eigenschaft beschreibender, nicht die Natur darstellender Formeln ist, halte ich es für in jedem Fall nötig, die Zulässigkeit einer Umkehrung genau zu prüfen. Die Wahrscheinlichkeit einer höheren Entropie in der Vergangenheit ist meines Erachtens sicher ein Fall, bei dem das nicht erlaubt ist. Ich sehe nicht zeitliche Abläufe sondern Prozesse als fundamental an. Wenn ein Prozess in der Form von A->B nach B->A umkehrbar ist, dann darf man die Zeit in einer Formel rückwärts "laufen" lassen. Zeit ist meiner Auffassung nach eben nicht eine präparierbare Variable, sondern eine Erscheinung, die sich aus Veränderung ergibt. Sie ist sozusagen ein Massstab, den man sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links auf einen Ablauf legen kann - dass das oft funktioniert ist allein der Tatsache geschuldet, dass die meisten Abläufe mit Bewegung einher gehen, welche eben Zeit in Erscheinung treten lassen.

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 16. Apr 2013, 16:50

Die Entropie beschreibt auch den Mikrokosmos.
Niemand glaubt, dass das Universum gestern "hervorgeploppt" ist, obwohl uns die Thermodynamik genau das nahelegt.
Was auch dagegen spricht: Bei einem solchen Entropiesprung nach unten hätte es ja auch gereicht, wenn nur das Sonnnensystem oder unsere Galaxis dabei entstanden wäre und das restliche Universum hochentropisch geblieben wäre. Warum also diese (unwahrscheinliche) Verschwendung? (Kleine zufällige Entropiesprünge nach unten sind viel wahrscheinlicher als große.)

Das Problem liegt darin, dass wir für eine stimmige Geschichte einen extrem niederentropischen Urknall annehmen müssen, für den uns die Thermodynamik eine Wahrscheinlichkeit von praktisch Null vorhersagt und für den wir keine stichhaltige Erklärung haben. Ohne diesen Niederentropie-Urknall kein Zeitpfeil.
positronium hat geschrieben:Die Wahrscheinlichkeit einer höheren Entropie in der Vergangenheit ist meines Erachtens sicher ein Fall, bei dem das nicht erlaubt ist.
Vielleicht. Es bleibt die Gretchenfrage: Warum soll es nicht erlaubt sein? Bisweilen klingt das wie ein Postulat in den leeren Raum hinein.

Du entkommst dem Problem auch nicht, indem du Veränderung/Bewegung als primär - und Zeit als sekundär ansiehst. Die Frage bzw. das Problem bleibt dabei dasselbe.

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

positronium
Ehrenmitglied
Ehrenmitglied
Beiträge: 2832
Registriert: 2. Feb 2011, 20:13

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von positronium » 16. Apr 2013, 17:36

seeker hat geschrieben:
positronium hat geschrieben:Die Wahrscheinlichkeit einer höheren Entropie in der Vergangenheit ist meines Erachtens sicher ein Fall, bei dem das nicht erlaubt ist.
Vielleicht. Es bleibt die Gretchenfrage: Warum soll es nicht erlaubt sein?
Weil die Wahrscheinlichkeiten je nach Richtung des Ablaufs von Vorgängen unterschiedlich sein können. So ist z.B. jeder Vorgang bei dem aus zwei Teilchen drei werden viel wahrscheinlicher als der gleiche Prozess in umgekehrter Richtung - es müssen dann ja statt zwei drei Teilchen zusammentreffen, damit die Reaktion ablaufen kann. Und bei drei Teilchen hat man natürlich die höhere Entropie. In dem Beispiel kann man also nicht einfach die Zeit umdrehen.

Skeltek
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 5085
Registriert: 25. Mär 2008, 23:51
Wohnort: Stuttgart, Germany
Kontaktdaten:

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von Skeltek » 16. Apr 2013, 22:27

Vergesst nicht, daß es auch Mechanismen gibt um Entropie umzukehren
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 17. Apr 2013, 09:50

Skeltek hat geschrieben:Vergesst nicht, daß es auch Mechanismen gibt um Entropie umzukehren
Nur bei offenen Systemen oder bei geschlossenen Systemen durch einen großen Zufall.
positive hat geschrieben:Ich verstehe die Argumentation der Thermodynamik nicht. Wie erreicht man den Gleichgewichtszustand? Der ist doch nicht einfach da.
Gegenfrage: Wie erreicht man den Nicht-Gleichgewichtszustand? Der ist doch auch nicht einfach da,

Man braucht immer eine Anfangsbedingung, einen Anfangszustand bei solchen Systemen. Es ist nun aber so, dass es prinzipiell unvorstellbar viel mehr Möglichkeiten für einen hochentropischen Anfangszustand gegeben hat als für einen niederentropischen, geordneten. Davon müssen wir so lange ausgehen, so lange wir keinen Grund angeben können, warum es anders gewesen sein muss.

Ich versuche es anders klarzumachen.
Folgendes Szenario:

Du betrittst einen Raum, in dem seit einer Stunde ein Versuch läuft.
Du siehst folgendes: Da ist ein transparenter Zylinder mit 200 roten und 200 blauen Kugeln drin.
Der Zylinder wird nach jeder Minute von einer Maschine einmal ruckartig einen cm nach oben und unten bewegt.
Dadurch bewegen sich die Kugeln in dem Zylinder: Sie verändern 1x pro Minute ihre Anordnung zueinander.

Nachdem du den Raum betreten hast stellst du fest:
Die meisten Kugeln sehen durchmischt aus. Du erkennst kein Muster.
Allerdings besteht am Boden des Zylinders die unterste Kugelschicht aus 20 lauter roten Kugeln, während die oberste Schicht aus 20 lauter blauen Kugeln besteht.

Du beobachtest die Vorgänge im Zylinder eine Weile und stellst fest, dass sich diese teilweise Ordnung nach jeder Ruckbewegung immmer mehr auflöst.
Nach einer halben Stunde Beobachtungszeit kannst du keinerlei Muster mehr in der Konfiguration der Kugeln im Zylinder feststellen.

Du sagst daher:

Die Unordnung/Entropie im System "Zylinder" hat mit der Zeit zugenommen!

Du fragst dich nun:
Wie sah die ursprüngliche Anordnung der Kugeln am Anfang aus, als die Schüttelmachine angeschaltet wurde, 1h bevor ich den Raum betreten habe?

Und du könntest nun schließen:

Wenn die Unordnung der Kugeln während ich im Raum war zugenommen hat, dann muss sie zwangsläufig vorher (bevor ich im Raum war) umgekehrt, vor jedem Schütteln immer noch kleiner gewesen sein. Daher muss die Anfangsanordnung der Kugeln so ausgesehen haben: Unten im Zylinder waren 200 rote Kugeln und darüber geschichtet waren 200 blaue Kugeln!

Und eben diese Schlussfolgerung ist falsch!

Warum?

Weil du über die Anfangsanordnung nichts weiter weißt.
Weil es daher für die Anfangsanordnung prinzipiell 1000 "Phantastillionen" Möglichkeiten gibt, während die Anordnung "200 rote Kugeln unten + 200 blaue Kugeln oben" nur eine einzige Anordnung ist. Es ist nun nicht ausgeschlossen, dass das tatsächlich der Ausgangszustand war, jedoch ist es viel wahrscheinlicher, dass bei den vielen anderen Phantastillionen Möglichkeiten (z.B.) zumindest 1 Trilliarde Anfangs-Anordnungen dabei sind, die nach 60x Schütteln genau zu dem Zustand der Anordnung der Kugeln führen müssen, den du bei Betreten des Raumes vorgefunden hast.

Die Chance, dass du mit "200 rote Kugeln unten + 200 blaue Kugeln oben" Recht hast beträgt dann in dem Beispiel 1 : 1 Trilliarde.

Jetzt?

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 17. Apr 2013, 16:45

positive hat geschrieben:Verstehe ich nicht, du weißt doch, dass die Anfangsordnung niederentropisch ist, weil die Entropie mit der Zeit zunimmt.
Das weißt du eben nicht. Du weißt nur, dass die Entropie von deinem Gegenwartszeitpunkt aus gesehen mit der Zeit zunimmt.
Du kannst daraus nicht schließen, dass sie deshalb in Richtung Vergangenheit abnehmen muss - jedenfalls nicht aus Sicht rein von der Thermodynamik her.
Um das zu schließen brauchst du Zusatzannahmen aus Richtungen jenseits der Thermodynamik. Oder du musst unabhängig von der Thermodynamik postulieren, dass der Anfangszustand niederentropisch war.

Lies doch nochmal den Text oben nach "Warum?" durch.

Das alles bedeutet nicht, dass die Thermodynamik nicht gelten würde.
Es bedeutet folgendes:

Du erhälst allein durch die Thermodynamik, ohne entsprechende (niederentropische) Anfangsbedingung, keinen Zeitpfeil.
Die Zeit verläuft nicht vorwärts, weil die Entropie zunimmt, sondern die Entropie nimmt zu, weil die Zeit vorwärts läuft.
Das tut sie, weil der Anfangszustand niederentropisch war.
Die Entropiezunahme ist nicht Ursache des Zeitpfeils, sondern seine Wirkung. Ursache des Zeitpfeils ist der Anfangszustand.
Warum der Anfangszustand so und nicht anders aussah ist ungeklärt.

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Skeltek
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 5085
Registriert: 25. Mär 2008, 23:51
Wohnort: Stuttgart, Germany
Kontaktdaten:

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von Skeltek » 17. Apr 2013, 17:24

Zeit ist keine globale/skalare Größe sondern richtungs- und bezugssystemabhängig.
Entropie sollte nicht von einem Zeitpunkt sondern von einem Raumzeitpunkt aus betrachtet werden.
Das Universum ist ein offenes System und die Entropiedichte bzw gleichverteilung der Teilchen im Schnitt dürfte doch dadurch vielleicht ausgeglichen werden?
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

Benutzeravatar
gravi
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 6069
Registriert: 26. Nov 2005, 18:55
Wohnort: Münchhausen

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von gravi » 17. Apr 2013, 19:34

Ihr sprecht hier jetzt vom Anfangszustand, der niederentropisch sein soll (was ich sehr befürworte!), dann muss man aber auch an den wirklichen Anfang zurück gehen.
Was hatten wir denn dort? Eine winzig kleine Energieblase, in der alle Wechselwirkungen vereint waren. Ich möchte bezweifeln, dass wir hier überhaupt die Worte Thermodynamik oder Entropie anwenden können. Diesen Punkt kann man noch nicht mal mit einem Schwarzen Loch vergleichen, in dessen Innern ja bekanntlich unsere Physik versagt. Noch weniger trifft das auf den Punkt Null des Urknalls zu. Wir können ihn gar nicht beschreiben.

Erst nach und nach, vielleicht ab etwa der Planckzeit, haben sich Zeit und auch Entropie entwickelt. Letztere kann am Punkt Null einfach nur Null betragen haben - eine geringere "Unordnung", wie sie die Entropie beschreibt, ist mir nicht vorstellbar.

Gruß
gravi
Unser Wissen ist ein Tropfen. Was wir nicht wissen, ist ein Ozean.
Sir Isaac Newton

Skeltek
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 5085
Registriert: 25. Mär 2008, 23:51
Wohnort: Stuttgart, Germany
Kontaktdaten:

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von Skeltek » 18. Apr 2013, 03:01

Was ich sagen wollte war, daß zum Zeitpunkt des Urknalls bzw davor die Energiedichtedifferentiale im Raum viel höher waren, was auch mit Entropie in Verbindung gebracht werden kann.
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 18. Apr 2013, 09:57

positive hat geschrieben:Ich kann dir da nicht ganz folgen.
Es ist anti-intuitiv, ja. Das ist vielleicht das Problem? Es ist in der Physik aber leider nicht immer alles intuitiv.

Du kannst es dir auch so klarmachen, was gemeint ist:

Schau dir nochmals das Entropie/Zeit-Schaubild im Eingangsposting an.
Wichtig an dem Schaubild ist, dass hohe Entropie hohe Wahrscheinlichkeit bedeutet, d.h. je weiter oben ein Punkt dort ist, desto wahrscheinlicher ist dieser Zustand.
Dort findest du zwei vorgeschlagene Wege, wie man von der Vergangenheit zum Jetzt kommt: Von Punkt A ausgehend oder von Punkt B ausgehend.

Es ist nun so, dass ALLE Punkte auf der Linie von A nach "Jetzt" über ALLEN den Punkten auf der Linie von B nach "Jetzt" liegen.
Daher sind sie wahrscheinlicher, daher ist der Weg "A->Jetzt" wahrscheinlicher als "B->Jetzt".

Anderes Beispiel:

Du schaust gedanklich "Jetzt" in einen völlig isolierten Raum hiein, der mit Gas gefüllt ist.
Du stellst dabei fest, dass der Druck im Raum gerade jetzt überraschenderweise nicht überall gleich hoch ist: In der Mitte des Raumes ist er eben jetzt etwas höher.
Da du viel eher erwartwet hättest, dass der Druck überall gleich hoch ist (denn das wäre laut Thermodynamik der "natürliche", wahrscheinlichste Zustand) bedarf dieser Zustand einer besonderen Erklärung und du denkst darüber nach aus welchem Zustand in der Vergangenheit sich dieser Zustand in der Gegenwart entwickelt haben könnte.

Es ist aus Sicht der Thermodynamik nun völlig absurd anzunehmen, dass die Druckerhöhung in der Raummitte daher kommt, dass früher ALLE Luftmoleküle in der hinteren rechten Ecke waren.
Das wäre nämlich ein absolut unwahrscheinlicher, hochentropischer Ausgangszustand (und entspricht "B" im Schaubild). Man würde so den unwahrscheinlichen Zustand im Jetzt durch einen noch viel unwahrscheinlicheren Zustand in der Vergangenheit erklären wollen, was eben aus Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen heraus gesehen einfach unsinnig ist.

Viel wahrscheinlicher ist es da, dass der Raum früher im thermodynamischen Gleichgewicht war (das entspricht "A" im Schaublid), dass also der Druck im Raum überall gleich groß war und dass die derzeitige Druckerhöhung in der Raummitte einfach eine zufällige Fluktuation ist, die selten ist, aber gelegentlich vorkommen MUSS.

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

PeterM
wohnt hier!
wohnt hier!
Beiträge: 422
Registriert: 9. Jul 2009, 19:47

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von PeterM » 18. Apr 2013, 10:59

seeker hat geschrieben:
Du schaust gedanklich "Jetzt" in einen völlig isolierten Raum hiein, der mit Gas gefüllt ist.

Schön erklärt seeker.

Jetzt entferne nur noch den isolierten Raum, dann hast du eine Erklärung, warum Fluktuationen entstehen müssen.


Ich wusste ja gar nicht, dass Physik so toll sein kann. :oops:

Gruß

Peter

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 18. Apr 2013, 11:07

Skeltek hat geschrieben:Entropie sollte nicht von einem Zeitpunkt sondern von einem Raumzeitpunkt aus betrachtet werden.
Das könnte m. E. die Dinge zumindest zum jetzigen Zeitpunkt unnötig verkomplizieren.
Aber du kannst das Universum ja auch von deinem jetzigen Raumzeitpukt aus betrachten.
Ich weiß nicht, ändert sich dadurch etwas an unseren bisherigen Aussagen?
Skeltek hat geschrieben:Das Universum ist ein offenes System...
Seit wann denn das?
Skeltek hat geschrieben:Was ich sagen wollte war, daß zum Zeitpunkt des Urknalls bzw davor die Energiedichtedifferentiale im Raum viel höher waren, was auch mit Entropie in Verbindung gebracht werden kann.
Keine Ahnung. Versteh ich leider nicht. Irgendwann müssen wir uns noch den kosmologischen Zeitpfeil ansehen (Expansion).
Blöd ist da nur, dass man die Entropiezunahme nicht so einfach mit der Expansion verwursteln kann: Auch in einem kontrahierenden Universum würde die Entropie weiter zunehmen.
gravi hat geschrieben:Ihr sprecht hier jetzt vom Anfangszustand, der niederentropisch sein soll (was ich sehr befürworte!), dann muss man aber auch an den wirklichen Anfang zurück gehen.
Was hatten wir denn dort? Eine winzig kleine Energieblase, in der alle Wechselwirkungen vereint waren. Ich möchte bezweifeln, dass wir hier überhaupt die Worte Thermodynamik oder Entropie anwenden können. Diesen Punkt kann man noch nicht mal mit einem Schwarzen Loch vergleichen, in dessen Innern ja bekanntlich unsere Physik versagt. Noch weniger trifft das auf den Punkt Null des Urknalls zu. Wir können ihn gar nicht beschreiben.

Erst nach und nach, vielleicht ab etwa der Planckzeit, haben sich Zeit und auch Entropie entwickelt. Letztere kann am Punkt Null einfach nur Null betragen haben - eine geringere "Unordnung", wie sie die Entropie beschreibt, ist mir nicht vorstellbar.
Interessant ist dabei doch, dass wir eine Entropie bei SL (wo unsere sonstigen Gleichungen genauso zusammenbrechen) angeben können - und die ist unerhört hoch!
Ob man dem Urknall selbt eine Entropie zuweisen kann oder irgendwann können wird weiß ich nicht.
Es reicht ja aber auch, wenn wir dem Zustand 1ms nach dem Urknall eine zuweisen können. Schon haben wir unser Problem: Warum war dieser Zustand so unerhört, so unwahrscheinlich geordnet, niederentropisch? Es ist eben nicht direkt einsichtig, dass dieser Zustand nahe Null gewesen sein MUSS - im Gegenteil.
Dies ist mal wieder ein Punkt, wo man sieht wie stark sich doch SL vom Urknall unterscheiden.

Zur Lösung könnte man mal wieder das anthropische Prinzip heranziehen: Nur in Universen, die niederentropisch anfangen, kann sich Leben entwickeln.

Als Ursache kommen daher im Moment (bis wir eines Tages mehr wissen) mal wieder nur zwei Möglichkeiten in Betracht:

Entweder gibt/gab es quasi unendlich viele (unbeobachtbare!) Universen unterschiedlichster Anfangsentropie oder ein (genauso unbeobachtbarer) Gott hat unseres absichtlich so gemacht. Beide Erklärungen sind aus wissenschaftlicher Sicht recht unbefriedigend, wegen dem "unbeobachtbar".

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 18. Apr 2013, 11:09

PeterM hat geschrieben:Jetzt entferne nur noch den isolierten Raum, dann hast du eine Erklärung, warum Fluktuationen entstehen müssen.
... und auch noch das Gas. So etwas in der Art könnte sein.

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

PeterM
wohnt hier!
wohnt hier!
Beiträge: 422
Registriert: 9. Jul 2009, 19:47

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von PeterM » 18. Apr 2013, 11:36

seeker hat geschrieben:
PeterM hat geschrieben:Jetzt entferne nur noch den isolierten Raum, dann hast du eine Erklärung, warum Fluktuationen entstehen müssen.
... und auch noch das Gas. So etwas in der Art könnte sein.

Grüße
seeker
Ob man das jetzt Gas oder Dichte :wink: nennt, ist auch egal. Das sind nur Worte und Hilfsmittel, um eine "Vorstellung" von dem zu bekommen, wie das Universum ticken könnte. Ohne Worte geht es nun mal nicht.

Diese Fluktuationen können m.E. aber nicht nur an einem "Punkt" auftreten, sondern an unendlich "VIELEN". Eigentlich findet doch auf diese Art und Weise immer ein "Erneuerungsprozess" über geringfügige Werte("Quantenwerte") statt. Des Weiteren kann man da doch gar nichts erkennen, was in unserem makroskopischen Bereich Gültigkeit hat.

Gruß

Peter
Zuletzt geändert von PeterM am 18. Apr 2013, 13:19, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
seeker
Ehrenadmin
Ehrenadmin
Beiträge: 8128
Registriert: 26. Dez 2009, 10:29

Re: Zeit und Zeitpfeile

Beitrag von seeker » 18. Apr 2013, 13:37

Nun ja, so langsam habe ich alles gesagt, was aus meiner Sicht dazu zu sagen war... Mir geht langsam das Pulver aus. :wink:


Bedenke, dass die thermodynamische Entwicklung eines Systems eine Wahrscheinlichkeitsrechnung ist, die eben deinen Standpunkt so nicht stützt.
Die Thermodynamik (und ihre Aussagen) unterscheidet sich in dem Punkt fundamental von anderen Theorien, wie z.B. der ART, wo wir klare Beziehungen der Art "Ursache A führt IMMER zu Wirkung B" haben. In der TD haben wir Beziehungen der Art "Zustand A führt wahrscheinlich, vermutlich, meistens zu Zustand B". Diese berechenbare Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus A, B und der Dynamik der beteiligten Teile. Es (die Zunahme der Entropie) handelt sich dabei nicht um eine eindeutige kausale Beziehung!

D.h. ...
positive hat geschrieben:Weil sie eben zugenommen haben MUSS...
... dass das MUSS in dem Satz ein Irrtum ist. Es MUSS eben nicht, weil keine echt-kausale Beziehung besteht.
positive hat geschrieben:...ist es wahrscheinlicher, dass die Moleküle in der rechten Ecke waren und nicht überall.
Fragt sich warum und wie sie dort in die Ecke gekommen sind? Mit welcher Wahrscheinlichkeit?

Ich denke der Kern der Sache ist folgender:

Wenn du ein System im thermodynamischen Gleichgewicht (= Zustand hoher Entropie) vorfindest, so bedarf das aus Sicht der TD keiner weiteren Erklärung: Es ist genau in dem Zustand, in dem du erwartest es vorzufinden, weil die mathematisch berechenbaren Wahrscheinlichkeiten dahingehend eine klare Sprache sprechen.

Wenn du aber umgekehrt ein System vorfindest, das nicht die maximale Entropie hat, sondern dem mehr oder minder eine erkennbare Ordnung innewohnt, dann bedarf das sehr wohl einer Erklärung, weil dieser Zustand eben nicht das ist, was du aus TD Rechnungen ausgehend vorzufinden erwarten musst.

Grüße
seeker
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

Antworten