Hallo zusammen,
ich kann zumindest etwas zur Weak Gravity Conjecture (WGC) sagen, da ich mich in meiner Diss u.a. damit bisschen auseinander gesetzt habe. Allerdings bin ich inzwischen nicht mehr in der Forschung, so dass ich etwas den Anschluss verloren habe. Insbesondere habe ich das verlinkte Paper von Grimm, Palti, Valenzuela (super Leute btw) noch nicht gelesen. (Auch Heidenreich, Reece, Rudelius haben kürzlich was publiziert.)
Zunächst möchte ich sagen, dass ich das Argument via Black Holes noch nie völlig überzeugend fand, vielleicht auch weil ich es nie gänzlich verstanden habe. Ich versuche es, kurz zu wiederholen:
Angenommen wir haben eine effektive Feldtheorie (EFT) mit einer kontinuierlichen globalen Symmetrie. Dann könnte man irgendwelche unter dieser globalen Symmetrie geladenen Teilchen in ein schwarzes Loch werfen. Ein Beobachter außerhalb des schwarzen Lochs kann nicht bestimmen, wie viele geladene Teilchen in das schwarze Loch geworfen wurden. Denn es handelt sich um eine globale Symmetrie, so dass es keinen Gaußschen Satz wie in der Elektrodynamik (die ja eine lokale U(1)-Symmetrie hat) gibt. Somit sieht es so aus, dass Ladungserhaltung verletzt wurde, was der Beobachter als Verletzung der kontinuierlichen globalen Symmetrie verstehen würde. Ergo: Kontinuierliche globale Symmetrien sind irgendwie krank.
Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und betrachten eine EFT mit U(1) Eichsymmetrie mit Kopplungskonstante g. Wir betrachten den Limes g -> 0 . Offensichtlich entspricht dieser Limes dem Übergang zu einer globalen kontinuierlichen Symmetrie. Man kann dann schwarze Löcher mit beliebiger Ladung bauen. Diese kann aber nicht via Hawking-Strahlung abgebaut werden. Indes verliert das schwarze Loch trotzem Masse. Was bleibt, sind Objekte (extremale schwarze Löcher) um ein paar Planck-Massen herum, und zwar beliebig viele, bzw. unendlich viele für g -> 0. Das führt zu einer Reihe von Problemen, siehe z.B.
https://arxiv.org/abs/hep-th/9501106
Es ist also zu erwarten, dass eine konsistente Theorie der Quantengravitation den Limes g -> 0 verbietet.
Die WGC macht genau das. Ausgangspunkt ist, dass man diese o.g. Objekte mit paar Planck-Massen vermeiden will. Wir verlangen deshalb, dass extremale schwarze Löcher zerfallen können müssen. Ein extremales schwarzes Loch mit Masse M und Ladung Q erfüllt die Extremalitätsbedingung M = gQ (eigentlich gibt es noch einen Faktor \sqrt{2}, aber der ist mir jetzt egal, ist ja auch nur Normierung). Hier ist g die elektrische Kopplungskonstante. Damit so ein extremales schwarzes Loch zerfallen kann, muss gelten:
Q = Nq
M > Nm
Hier ist m die Masse und q die Ladung eines Teilchens, in die das schwarze Loch zerfällt. Wir nehmen der Einfachheit halber an, dass es in N dieser Teilchen zerfällt. (Man kann das Argument auch verallgemeinern.)
Es gilt nun: M = gQ = gNq > Nm oder
m<gq, wobei ich in dieser Rechnung M_Planck = 1 gesetzt habe.
Achtung, hier haben wir angenommen, dass aufgrund der Cosmic Censorship ein Zerfall des extremalen schwarzen Lochs in Teilchen mit m>gq und einem superextremalen schwarzen Lochs mit M < gQ nicht möglich ist.
Es folgt, dass der Limes g -> 0 nicht existieren kann. Dass die Ungleichung
m<gq gelten muss, ist die electric Weak Gravity Conjecture.
Hier gibt es eine Subtilität, die auch in dem Originalpaper (Motl et al.) angesprochen wurde, und meines Wissens nach nicht vollständig geklärt ist. Es ist unklar, ob es genügt, dass es wenigstens ein Teilchen im Spektrum gibt, dass die electric WGC erfüllt (milde Form der WGC), oder ob das Teilchen auch das leichteste im Teilchenspektrum sein muss (starke Form der WGC). Gilt letzteres, so wäre ein stringy Large-Field Inflation Modell von meiner damaligen Arbeitsgruppe und mir kaputt (zumindest, wenn eine weitere Subtilität zutriff, siehe unten).
Es gibt dann auch noch die magnetische Version der WGC. Die Herleitung ist analog, man betrachtet halt die dualen Objekte zu oben, also magnetische Monopole. Es muss lt. WGC gelten: m_mono < g_mag q_mag ~ 1/(gq).
Traditionell wird die magnetische WGC etwas anders formuliert. Man benutzt, dass das die Masse des magnetische Monopols nach unten durch seine Energiedichte beschränkt ist. Dann gilt m_mono > (g_mag q_mag)^2*Lambda, wobei Lambda der Cutoff der effektiven Feldtheorie ist. Es folgt:
Lambda < gq, die magnetische Version der WGC.
Wieder mal ist der Limes g -> 0 verboten.
Es gibt weitere Subtilitäten: Kann die WGC nur auf Teilchen angewandt werden, oder ganz allgemein auf p-Dimensionale Objekte in d>p Dimensionen? Es gibt startke Argumente, dass man das kann, weil man obige Argumente mit Black Branes durchführen kann. Schwierig wird es bei der Anwendung auf Axione, die ja durch eine 0-Form beschrieben werden und somit durch Instantone entspringen. Instantone sind aber in der Zeit lokalisiert, so dass das Argument über Hawking-Strahlung überhaupt nicht funktioniert. Aber es gibt Argumente aus Stringtheorie via dimensionaler Reduktion und Dualitäten, die eine Anwendung der WGC auf Axione ergeben. Genau deshalb ist die WGC in den letzten Jahren so spannend geworden, weil man mit ihr untersuchen kann, ob und inwieweit Inflation mit Axione funktionieren kann.
Übrigens gibt es im Rahmen der perturbativen Stringtheorie quasi einen Beweis, dass es keine kontinuierlichen globalen Symmetrien gibt: Globale Symmetrien auf dem Worldsheet eines Strings entsprechen immer einer lokalen Eichsymmetrie in der Raumzeit.
Sehr spannend finde ich, dass die WGC an sich erstmal unabhängig von Stringtheorie ist, sondern allgemeine Bedingung einer konsistenten Quantengravitation sein sollte. Dennoch lässt sich die WGC immer wieder in Stringtheorie finden bzw. motivieren (wobei rigorose Beweise nicht so richtig vorliegen, zumindest meines Wissens nach).
Die Moral von der Geschichte: Man sollte erwarten, dass die riesige String-Landscape, die alle EFTs konsistent mit Stringtheorie umfasst, von einer noch viel größeren Swampland (enthält alle EFTs, die inkonsistent mit Stringtheorie/Quantengravitation sind) umgeben ist. (Tatsächlich hat die String-Landscape Maß Null in der Swampland, weil Parameter in stringy EFTs durch ganzzahlige Flusszahlen definiert werden, aber EFTs in der Swampland generell reelle, kontinuierliche Parameter erlauben.)
Ich hoffe, dass ich damit ein paar erhellende Punkte beisteuern konnte.
Beste Grüße
Patrick