seeker hat geschrieben: ↑7. Okt 2017, 11:19
Job hat geschrieben: ↑27. Sep 2017, 16:21
Wenn man tatsächlich einen Theorieturm bräuchte, im Sinne von unterschiedlichen Theorien für jede weitere Ebene, würde ich Herrn Dürr in seiner Kritik zustimmen. Aber so muss es ja nicht sein. Gerade das Beispiel der Baba-Puppen ist ja eher ein Gegenargument. Wenn ich eine Puppe beschreiben kann, kenne ich auch alle anderen. Sie unterscheiden sich nur durch ihre Größe, nicht durch ihre topologische und geometrische Struktur. Sie sind selbstähnlich. Eine einzige Theorie würde hier ausreichen und trotzdem könnte es (beliebig) viele Ebenen mit immer kleineren „Teilchen“ geben.
Ja. Nur ist die Natur nicht so einfach: Die Ebenen sind nicht selbstähnlich, jedenfalls nicht vollständig. Du kannst gerade nicht durch die Kenntnis irgendeiner Ebene vollständig auf alle anderen Ebenen schließen, weder nach oben noch nach unten. Das hat sowohl praktische als auch prinzipielle Gründe.
Die Grundbausteine und ihre Wechselwirkungen kann man schon selbstähnlich definieren. Das habe ich oben gemeint. Die Kondensate und ihre Bildung, sowie sonstige Emergenzen, die sich daraus ergeben, kann man nur aus einer einzelnen Ebene heraus nicht herleiten, das ist richtig. Aus diesem Grund ergibt sich u.a. die (unendliche) Kaskade.
seeker hat geschrieben:
Job hat geschrieben:
Es ist sicher notwendig, bei der Suche nach dem Aufbau der Natur auf gewissen Grundprinzipien aufzubauen, sonst verliert man sich in der Beliebigkeit. Wenn diese Grundprinzipien aber nicht vollständig richtig sind, können sie uns auch in die falsche Richtung lenken bzw. uns ein Korsett anlegen, aus dem wir nicht herauskommen. Herr Dürr hat sich u.a. für obige Annahme entschieden. Aber es ist halt eine Annahme. Die kann stimmen oder auch nicht. Bewiesen ist diese Aussage nicht. Daher würde ich das auch nicht als entscheidendes Argument ansehen, sondern lediglich als eine Aussage, die wegen der Reputation von Herrn Dürr sicher ein gewisses Gewicht hat.
Sehe ich auch so. Das Spannende -wenn ich Dürr hier richtig verstehe- ist sein Vorschlag, sich nicht primär um das Konzept "Teilchen" zu kümmern, sondern um das Konzept "Feld".
Teilchen und alles andere was sich so tut wären dann nichts weiter als Anregungen eines grundlegenden Feldes.
Felder sind ein mächtiges und sehr nützliches Werkzeug. Sie beantworten aber nicht die Frage, was denn die Träger der Feldeigenschaften sind und auch nicht die Frage, wie diese Eigenschaften zustande kommen könnten. Ich wundere mich immer wieder, dass das scheinbar nur wenige interessiert.
seeker hat geschrieben:
Job hat geschrieben:
Eines meiner Grundprinzipien ist, dass es keine Wirkung ohne Ursache gibt. Das kann ich natürlich nicht beweisen. Wenn man dies aber ernst nimmt, kommt man früher oder später zu dem Punkt, dass es in der Natur ein Konzept gibt, dass mit einer abzählbar unendlichen Kette von Baba-Puppen durchaus Ähnlichkeiten hat. Das ist zugegeben nicht einfach zu schlucken, schon allein deswegen, weil es dann zum einen kein kleinstes Teilchen gäbe und zum anderen ganz bestimmte Arten (nicht alle) von Unendlichkeiten zu einem festen Bestandteil der Natur gehörten.
Darüber habe ich nachgedacht. Ich glaube, dass dieses Baba-Konzept mit einer vollständigen Kausalität unvereinbar ist, dass für eine echte, vollständige Kausalität eine unterste Ebene zwingend notwendig ist.
Ich glaube, wir haben hier unterschiedliche Auffassungen der Begriffe Ursache und Kausalität. Bei Dir scheint mir der Determinismus eine Rolle zu spielen, bei mir nicht. Das wird vielleicht bei den weiteren Kommentaren klarer.
seeker hat geschrieben:Grund: Das, was wir "deterministisches Chaos“ nennen und der Umstand, dass sich solche Strukturebenen nicht statisch sondern nur dynamisch auseinander ergeben können.
Genau. Deterministisch ist dies bei mir aber nicht.
seeker hat geschrieben:Wenn es auf irgendeiner Ebene Nichtlinearität gibt, negative Rückkopplungen, chaotisch-komplexes Verhalten, das zu Strukturbildung auf der nächsthöheren Ebene führt, dann sehe ich ein Problem. Und wir wissen ja, dass es zumindest ab der Ebene der Chemie und darüber so etwas gibt.
Das führt dann zu folgendem:
Für eine echt-kausale Beziehung Ebene (n) -> Ebene (n+1) müssen auf Ebene n die Anfangswerte, Randwerte und auch die Zwischenwerte völlig exakt bestimmt sein, denn variiert man diese Werte auf Ebene n auch nur minimal, so kann es auf n+1 schon zu einer völlig anderen Struktur kommen. Also muss das (die Exaktheitsforderung) dann auch für Ebene n-1 gelten, für n-2, usw.
Du definierst hier eine „echt-kausale“ Bedingung, die den Begriff der Kausalität recht eng eingrenzt. Bei mir ist er weiter gefasst. Ich mache mal ein Beispiel dazu.
Der radioaktive Zerfall ist heute ein Phänomen, das anscheinend grundlos dazu führt, dass z.B. ein Urankern zerfällt. Wir haben zwar eine gewisse Gesetzmäßigkeit feststellen können, für die Wahrscheinlichkeiten, dass es passiert, aber den Auslöser kennen wir nicht. Manche behaupten sogar, dass wir ihn nicht nur nicht kennen, sondern dass er gar nicht existiert, also eine Wirkung ohne Ursache vorliegt.
Bei mir ist es so, dass der Auslöser eines Zerfalls zufällige und seltene Treffersequenzen der Vakuumteilchen sind, die ingesamt dann einen so hohen Gesamtimpuls in einer sehr kurzen Zeitspanne haben, dass die Bindungsenergien des Atomkernes überschritten werden können. Ich kann nicht berechnen, wann es passiert. Ich kann auch nicht berechnen, welche Teilchenkonstellation nun konkret am Werke war, denn es gibt im Grunde beliebig (unendlich) viele mehr oder weniger wahrscheinliche, verschiedene Konstellationen, die alle zum selben Ergebnis, dem Zerfall führen können. Kurz, mein Wissen über einen künftigen Zerfall unterscheidet sich in keiner Weise von dem, was wir heute darüber aussagen können. Trotzdem hat jeder einzelne Zerfall damit eine Ursache, die einleuchtend ist und die ich verstehen kann. Und auch, warum der Zerfall zufällig ist, ist wegen der stochastischen Verteilung der Impulse der Vakuumteilchen klar. Ich kann das einzelne Ereignis, also die tatsächlich eingetretene Trefferkonstellation bei einem ganz konkreten Fall nicht angeben. Ein einzelner konkreter Vorgang ist nicht deterministisch und hat sogar die Wahrscheinlichkeit 0. Das könnte man auch als objektiven Zufall bezeichnen, wenn man denn will. Er hat bei mir aber nichts damit zu tun, dass es dann auch keine Ursache für den Zerfall gibt, wie es heute oft interpretiert wird.
Nun kann man in diesem Zusammenhang natürlich darüber diskutieren, was eine Ursache ist. In obigem Fall kennen wir die „wahre“ Ursache in dem Sinne, dass wir eine konkrete Treffersequenz, die zu einem Zerfall geführt hat, bis zu ihrem eigentlichen Ursprung zurückverfolgen können, nicht. Das ist bei mir auch nicht möglich, da wir dann irgendwann zu einer ersten Ursache kommen müssten. Diese gibt es bei mir nicht. Trotzdem ist der Zerfall nicht grundlos erfolgt, sondern durch eine Treffersequenz ausgelöst worden. Ich kenne weder die konkrete Treffersequenz, noch könnte ich sie zurückverfolgen, aber in meiner Interpretation kenne ich trotzdem den prinzipiellen (nicht den konkreten) Grund eines Zerfalls. Ich kann nachvollziehen, wodurch er ausgelöst wird und warum das zufällig ist. Mehr geht nicht, aber es ist mehr als wir heute darüber wissen.
Es ist ähnlich wie z.B. bei der Maxwell Boltzmann Verteilung. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen genau die Geschwindigkeit v hat, ist 0. Ich kann nicht voraussagen, welche Geschwindigkeit ein einzelnes Teilchen konkret hat. Ich kann nur Bereiche mit einer Wahrscheinlichkeit > 0 betrachten. Die Entwicklung eines klassischen Gases ist ja im Grunde auch nicht deterministisch, weil die Gasteilchen aus Atomen bestehen, die wiederum zufällig schwingen und somit auch der Schwerpunkt und die Positionen und Impulse der einzelnen Atome der Gasteilchen in gewissen Grenzen zufällig sind. Damit sind auch die Stösse zufällig und nicht wirklich deterministisch. Im klassischen Bereich ist der Determinismus nur dann gegeben, wenn wir von idealisierten Gegebenheiten ausgehen, die es aber in der Natur so nicht gibt. Es gibt sicher Phänomene, die im Rahmen unserer Messmöglichkeiten deterministisch erscheinen, weil die Schwankungen entsprechend klein sind. Ausserhalb unserer Messmöglichkeiten sind sie nicht deterministisch. Es gibt immer wieder die Frage, wo die QM aufhört und die klassische Physik anfängt. Diese Frage ist m.E. obsolet, weil die klassische Physik ebenfalls der QM gehorcht, wir können es ab einer bestimmten Größenordnung, die wir dann klassisch nennen, nur nicht mehr messen. Newton berücksichtigt diese Schwankungen in F = dp/dt indirekt bereits.
Die klassische Physik ging immer stillschweigend davon aus, dass für den dort zugrunde liegenden („leeren“) Raum F = 0 gilt. Die Quantenmechanik zeigt, dass diese Annahme falsch ist. Das Vakuum ist ein aktiver Teilnehmer am Geschehen.
Durch die Unendlichkeiten können sich auch völlig neue Eigenschaften ergeben. Schau Dir die Cantormenge an. Auf jeder Ebene der Teilung gibt es endlich viele Teilintervalle, die jeweils für sich zusammenhängend sind. Das Endergebnis (Emergenz), also die Cantormenge ist aber total unzusammenhängend. Diese Eigenschaft gibt es auf den einzelnen Ebenen nicht. Sie entsteht erst neu durch den Prozess. Unendliche Prozesse können neue Eigenschaften hervor bringen, die wir in den einzelnen beteiligten Bausteinen nicht finden können. Die Cantormenge ist relativ einfach, so dass wir es in diesem Fall mathematisch noch herleiten können. Die Natur ist ungleich komplexer.
seeker hat geschrieben:Wenn man nun weiter annimmt, dass es eine unterste Ebene (n0) gibt, deren Struktur sich nicht aus einer Dynamik ergibt, die stattdessen völlig statisch und völlig bestimmt ist, dann passt das, die Kausalität ist bis in die obersten Ebenen gewahrt.
Wenn man das nicht annimmt, dann nicht: Dann haben wir nur eine unendliche Reihe von Dynamiken über Dynamiken, die niemals zu einer völligen Exaktheit konvergieren, es liegt dann in der Folge (n), (n-1), (n-2), ... keine Kovergenz der Exaktheit/Bestimmtheit gegen Null vor. Womit dann auch eine echte Kausalität ausgeschlossen ist, stattdessen würde die Natur dann "Gewohnheiten" folgen, nicht-vollständig-kausal (echt-chaotisch) entstandene Strukturen, die hin und wieder und hier und dort für eine gewisse Weile relativ stabil und relativ exakt sind. Diese Strukturen würden wir dann "Naturgesetze" nennen.
Ja, so eine unendliche Reihe von Dynamiken ist nicht deterministisch. Es gibt m.E. keine völlige Exaktheit. Es ist eher ein chaotisches System, in dem es aber Inseln der Ordnung geben kann, wie wir bereits wissen. Die Strukturen würde ich nicht „Naturgesetze“ nennen, sondern die grundlegenden Mechanismen, warum es sie überhaupt geben kann. Wir stehen bei der Analyse solcher komplexen Systeme und den sich daraus ergebenen Strukturen und Dynamiken noch ziemlich am Anfang. Und wir haben hier ein hochkomplexes System mit unendlich vielen Teilchen, die auch noch alle untereinander wechselwirken. Eine echte Herausforderung. Die QM ist nicht ohne Grund so komplex.
seeker hat geschrieben:Noch ein Gedanke hierzu:
Job hat geschrieben:
Eines meiner Grundprinzipien ist, dass es keine Wirkung ohne Ursache gibt.
Was ergibt sich, wenn man das Gegenteil annimmt?
Und was ergibt sich, wenn man ein Drittes annimmt, wenn man also sowohl dieses Postulat als auch seine Negation fallen lässt?
Mein Gedanke hierbei ist: Immer wenn man auf zwei scheinbar unvereinbare Gegensätze stößt, könnte man das in dialektischer Tradition auch dahingehend werten, dass ein Drittes zu suchen ist, das beide transzendiert/überwindet, das den gefundenen Gegensatz aufhebt.
Ich persönlich sehe keine Veranlassung, mir diese Fragen zu stellen, weil sich die obige Annahme überall in der Natur wiederfindet und seit langer Zeit ein Grundprinzip der physikalischen Forschung ist, das bisher äusserst nützlich war. Bei der QM gibt man diesen Grundsatz (bei einigen Interpretationen) zum Teil auf. Ich sehe aber keinen wirklich triftigen Grund dafür. Im Gegenteil hält uns diese Einstellung m.E. davon ab, zu verstehen, was der physikalische Hintergrund der QM sein könnte.
Viele Grüße
Job