tomS hat geschrieben:Nun, die Frage ist, ob und wo du einen Paradigmenwechsel erwartest, in der mathematischen und physikalischen Modellbildung, oder in der Metaebene der wissenschaftlichen Methode selbst.
Gute Anmerkung! Aber da steckt es auch schon drin: "was ich erwarte".
Wenn man erwartet ist man schon auf einem Auge blind, man ist kanalisiert, nicht vorurteilsfrei, nicht völlig offen.
tomS hat geschrieben:Ersteres bedeutet, dass eine saubere mathematische Darstellung, quantitative Vorhersagen und Testbarkeit (Falsifizierbarkeit) essentiell sind und bleiben.
Letzteres kann ich nicht absehen, wo das hinführen sollte. Evtl. sind wir gerade mittendrin ein einem solchen Paradigmenwechsel (Multiversum, Landscape, antropisches Prinzip, nicht-Anwendbarkeit von Ockham's razor, mathematische Konsistenz anstelle Falsifizierbarkeit als Leitmotiv, ...)
Ja, das fühle ich auch. Vielleicht ergibt das diesmal auch keinen Wechsel, sondern eine Erweiterung oder eine Koexistenz.
Beim Ersteren müssen wir aber auch aufpassen:
Es gibt da das Ideal, wie ein idealer Wissenschaftler und der ganze Wissenschaftsbetrieb handeln und arbeiten
sollten (da erwarte ich auch keine großen Verbesserungen mehr) - und dann gibt es noch die Realität, wie
tatsächlich gehandelt und gearbeitet wird.
Und so ist das nunmal: Die Welt ist noch lange nicht perfekt, besonders dann nicht, wenn Geld, Geldzwänge, Prestige, Karrieren, Eitelkeiten, Veröffentlichungszwänge, etc. im Spiel sind... und gewisse Strukturen im Wissenschaftsbetrieb, die die Leute zur bestmöglichen Leistung anspornen sollen, dies aber natürlich nur unvollkommen erreichen.
Ich glaube eben nicht, dass immer das erforscht wird, was am sinnvollsten wäre.
Ich denke daher ist es auch möglich, dass auch kollektiv nicht immer die optimalsten Wege eingeschlagen werden.
Es gibt dann auch noch eine Mühle, wo die Leute in ihrer Ausbildung durchmüssen. Das erzieht die Leute auch zu einer gewissen geschichtlich-kulturabhängigen(!) wissenschaftlichen Denkweise. Das ist gut und schlecht zugleich: Es lehrt die Leute, wie man zu arbeiten hat, es beschränkt die Leute aber auch in der Freiheit ihrer Gedanken:
Manche Dinge könnten dann gar nicht mehr denkbar sein - und was nicht gedacht werden kann, wird man auch nicht finden.
Es geht mir dabei nicht um das Handwerkliche, darum z.B., wie Messdaten gewonnen werden müssen (das ist rel. klar), sondern darum, wie diese Daten dann zu interpretieren/bewerten sind und was man dann daraus ableitet, was als nächstes zu tun ist, welche weitere Forschungsrichtung sich daraus ergebend eingeschlagen werden sollte (das ist rel. uneindeutig). Es geht da um die Frage: "Was ist interessant und was könnte nützlich sein?"
Was als interessant bewertet wird und was nicht ist nunmal auch kulturabhängig.
Es geht also nicht nur darum
wie gearbeitet wird, sondern auch darum
was bearbeitet wird und was nicht.
Da die Ressourcen beschränkt sind kann nicht jeder Weg mit derselben Kraft angegangen werden.
Wer entscheidet nun welche Wege verstärkt angegangen werden?
Natürlich wird alles diskutiert und es gibt dann meistens einen Konsens der Mehrheit, aber auch einen Konsens der Gewichtigen.
Letztlich entscheidend sind doch die, die die Mittelströme kanalisieren.
Frag also die Professoren und die Industrie - ohne die geht wenig.
Und die Wissenschaftler? Die müssen sich entscheiden ob sie ein gesichertes, ruhiges Leben mit der Anerkennung der Gemeinschaft haben wollen oder ob sie dennoch gegen den Strom schwimmen wollen und dabei nicht nur ihre Reputaion riskieren wollen, sondern vielleicht auch ihre gesamte gesicherte Existenz.
Die wenigsten sind Abenteurer und entscheiden sich für das letztere.
Ich beziehe das alles nicht auf die aktuell vorliegende Arbeit, denn ich kann sie nicht wirklich beurteilen und verpüre im Moment noch keine Lust mich in eine weitere Jenseits-des-Standardmodells-Theorie reinzuknien. Auch ich habe Ressourcenknappheit und muss mich da auf das Urteil von dir und anderen verlassen.
Allerdings ist die Grundidee, die Dinge mal aus einer ganz anderen Perspektive anzugehen, nämlich der Perspektive des Mathematikers statt der des Physikers vielleicht gar nicht schlecht.
@Gepakulix: Das macht für mich Sinn. Ich stimme dir zu.
P.S.:
Gepakulix hat geschrieben:Da nützt es nicht wenn man gerne open-minded wäre: Das Assoziieren geschieht im Hintergrund.
Man kann immerhin versuchen das etwas abzuschwächen, indem man nicht nachlässt seine Gedanken/Assoziationen zu reflektieren, zu hinterfragen.
Das ist vielleicht mühsam und manchmal unangenehm, aber ich denke ein kluger Mensch tut das.
Grüße
seeker