PeterM hat geschrieben:Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, sind viele Dinge, die wir ableiten, einfach nur Effekte, die uns das Leben schwer machen.
Nein, es sind echte physikalische Effekte, die aber eben auf fundamentalere Erklärungen zurückgeführt werden sollen; ob ich die Eigenschaften von Atomen sowie deren Spektren auf die Quantenmechanik zurückführe, oder die Eigenschaften der Raumzeit auf eine unterlagerte Quantengravitation (wie immer die auch aussieht – jedenfalls fremdartig) bliebt sich letztlich gleich. Ich betrachte einen bekannten physikalischen Effekt und suche eine „Erklärung“.
PeterM hat geschrieben:Demnach müsste der Aufbau einer ToE auch rein logischer Natur sein. Ich unterstelle hiermit eigentlich, dass ein logischer Aufbau nicht über richtig und falsch oder wahr und unwahr entscheidet. Logik hat für mich etwas übergeordnetes.
Nicht rein logisch; sie sollte m.E. logisch konsistent sein aber ich glaube nicht, dass es ohne physikalische „Prinzipien“, „Axiome“ oder Intuition geht. Das Problem ist dann natürlich, dass diese Prinzipien weitere Zutaten neben der Logik wären und daher nicht durch die selbst ToE erklärbar. Daher glaube ich nicht, dass es eine allumfassende ToE geben kann, die ihre grundlegenden Prinzipien ebenfalls mit erklärt und die Axiome überflüssig macht.In diesem Sinne gäbe es keine echte ToE sondern nur eine ggf. immer weiter verbesserte Annäherung an eine ToE, ohne diese jedoch tatsächlich zu erreichen. Es geht demnach weniger um die grundlegende Naturerklärung, als vielmehr um eine möglichst gute passende und möglichst einfache Naturerklärung. Dies würde man im strengen Sinne nicht ToE nennen dürfen, da sie ihre eigenen Prinzipien nicht erklären kann.
PeterM hat geschrieben:Was ist mit Zeit, Bewegung, Ort usw. ? Wird das nur noch über das Wort Veränderung o.ä. formuliert?? Oder durch ein Symbol, welches für Veränderung steht? Wie immer auch Veränderung aussehen mag. Eigentlich müsste sich doch alles gleichzeitig verändern.
Bewegung, Zeit und Ort sind Begriffe, die zusammen mit Raum, Dimension usw. entstehen. Betrachte eine fundamentale Theorie, die auf Basis von Atomen und Molekülen die Dynamik und Wechselwirkung von H2O beschreibt. In einem bestimmten Grenzfall kannst du dann Effekte ableiten, die du z.B. als „Wasseroberfläche“ interpretieren kannst. Alleine mit der Physik von H2O hast du das noch nicht. Gleichzeitig mit der Erklärung der Wasseroberfläche bekommst du auch Phänomene wie „Welle“ usf. angeboten. Diese Begriffe sind gewissermaßen in der einfachen Dynamik basierend auf H2O enthalten, so wie der Phänotyp eines Lebewesens in seinen Erbanlagen enthalten ist.
PeterM hat geschrieben:Was verstehst du unter Grenzfälle? Den Menschen??
Nein. Unter Grenzfall verstehe ich z.B. einen bestimmten Energiebereich, für den dann z.B. der Begriff „Raumzeit“ sinnvoll definierbar ist. Das wird im Bereich der Planckenergie nicht mehr gültig sein. Betrachte wieder das Beispiel „Wasser“ basierend auf der Physik von H und O (Wasserstoff und Sauerstoff). Bei einigen tausend Grad sind die Begriffe „Wasser“, „Wasseroberfläche“ usw. schlichtweg unsinnig, da hier sogar das Molekül H2O in einzelne Atome aufbricht; es gibt dieses „Wasser“ nicht. Aber im Bereich von einigen hundert Grad bis hinunter zum absoluten Nullpunkt kann man über Wasser (inkl. Dampf und Eis) vernünftig reden.
PeterM hat geschrieben:Was ist mit den Beobachtern, die dürften doch auch nicht mehr Bestandteil dieser Theorie sein. Der makroskopische Rahmen kann doch nicht mehr diese Bedeutung haben.
Das ist ein fundamentales Problem der QM und wird m.E. durch die heute diskutierten Ansätze für eine ToE nicht gelöst. Evtl. deutet dies darauf hin, dass noch etwas wesentliches fehlt, oder es bedeutet, dass es sich um ein „Scheinproblem“ handelt. Wir sollten das aber besser im Bereich der Quantenmechanik diskutieren, sonst wird dieser Thread hier zu sehr überfrachtet.
PeterM hat geschrieben:Ich will das eigentlich noch gar nicht wissen, aber hast du für dich selbst schon eine ToE vorformuliert?? Den Eindruck habe ich.
Nein, natürlich noch nicht, aber ich sehe einige Theorien, die als Kandidaten (im eingeschränkten Sinne) gelten könnten. Eingeschränkt bedeutet, dass sie ausgehend von einfachen Grundprinzipien und einfachen mathematischen Strukturen die Fülle der Phänomene, Strukturen und der abgeleiteten Begriffe (Raumzeit, Elementarteilchen, Wechselwirkungen, …) erklären könnten, dass sie jedoch eben keine Erklärung für die Grundprinzipien und Strukturen bieten; d.h.es könnte auch andere Theorien geben, die strukturell ähnlich aufgebaut sind, die jedoch ein anderes Universum beschreiben. Warum dann gerade diese Theorie und dieses Universum kann ich damit nicht beantworten.
Als Kandidaten sehe ich
1) eine algebraische Formulierung (Erweiterung) der LQG mit der Möglichkeit, neben der Raumzeit auch die Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen als emergente Effekte zu erklären (hatten wir hier im Forum schon diskutiert, allerdings gibt es speziell zu den Elementarteilchen keine mir bekannten Fortschritte)
2) Eine Umformulierung der Stringtheorie, die tatsächlich eine fundamentale mathematisch Struktur aufweist und bestimmte konzeptionelle Schwächen der Stringtheorie überwindet
In beiden Fällen sehe ich nicht, dass festgelegt wäre, warum es gerade diese Theorie sein müsste und keine andere. Man kann das ggf. wieder durch „Übereinstimmung mit dem Experiment = dem Universum) erklären, aber nicht rein logisch.
Als Erklärungsmuster, warum gerade dieses Universum mit diesen Eigenschaften und diese ToE – und keine Andere, sehe ich
1) das anthropische Prinzip, demzufolge verschiedene Universen tatsächlich realisiert sind und wir (= die Menschheit) uns in einem ganz bestimmten für uns geeigneten befinden müssen, da wir sonst anders beschaffen sein müssten oder gar nicht existieren könnten
2) das Prinzip des mathematischen Universums (hatten wir hier im Forum schon diskutiert) demzufolge allen mathematischen Strukturen eine reale Existenz zukommt, und diejenige, die wir sehen und als ToE identifizieren, im Sinne von 1) anthropisch festgelegt ist; demzufolge wäre 2) nur eine Variante bzw. Erweiterung von 1)
3) ein noch zu identifizierendes evolutionäres Prinzip, demzufolge unser Universum (evtl. sogar unsere ToE) in irgendeinem evolutionären Prozess ausgewählt wird, d.h. ein Selektionsmechanismus, demzufolge unser Universum mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 100% so sein muss, wie es ist. Daran glaube ich aber nicht, da ich bezweifle, dass es ein derartiges Prinzip gibt, dass tatsächlich zur Konvergenz führt; im Falle der biologischen Evolution gibt es ja auch keinen einzigartigen Zustand, auf den alles hin konvergiert, sondern eine Fülle von tatsächlich existierende Lebensformen
4) Ein mathematisches Selektionsprinzip, demzufolge nur genau eine mathematische Struktur als ToE physikalisch realisiert sein kann. Ich glaube nicht daran, dass es ein derartiges Prinzip geben kann; und selbst wenn es das gäbe, könnten wir es m.E. nicht erkennen.