gravi hat geschrieben:Ich kann es nur nochmals betonen: In der Milchstraße befinden sich ~ 300 Milliarden (!) Sterne. Für eine Zivilisation damit also die Chance von 1:300Mrd., ein anderes mit Intelligenzen bewohntes System zu finden.
Die sollten lieber Lotto spielen, da sind die Chancen deutlich besser!
Auch wenn ich dir in der Grundhaltung zustimme, hier muss ich Einwände vorbringen.
Das Beunruhigende ist:
Eine fortschrittliche Zivilisation müsste nur mit sicherlich leicht verfügbaren Superteleskopen nach Sauerstoff und evtl. Zivilisationsgasen wie FCKW suchen und schon hätten sie uns.
Außerdem wüssten sie auch wo sie suchen müssen: Z.B. sicherlich nicht im Zentrum der Galaxie, nicht bei blauen oder roten Riesen, nicht bei den meisten Doppelsternsystemen, etc. .
Damit fallen schon einmal sehr viele Sterne weg.
In dem Fall wäre unsere einzige Hoffnung auf Nichtentdeckung, dass wir zufällig von anderen Sternen oder Staubwolken, die in der/den Sichtlinien liegen, verdeckt werden. Ansonsten wäre unsere Entdeckung durch eine Superzivilisation nur eine Frage der Zeit. Falls sie sich in der Milchstraße schon ausgebreitet hat und so alle Sterne beobachten kann, wäre unsere Entdeckung sogar unausweichlich.
gravi hat geschrieben:Was würde es ihnen nutzen, uns Primitivlinge zu besuchen (und das immer nur heimlich!), uns zu beobachten, um es dann niemanden mehr mitteilen zu können, den man noch kennt?
1000 oder 10 000 Lichtjahre zu überbrücken geht ja mit fast c für den Astronauten relativ zügig. Aber wenn er wieder heim kommt kennt er seine Welt nicht mehr wieder...
Auch dieses Argument zieht nicht wirklich, denn wir sehen das von unserer beschränkten menschlichen Perspektive aus, mit einer menschlichen Lebenszeit von vielleicht 100 Jahren.
Wenn man von praktisch unsterblichen Wesen ausgeht oder einer "Meta-Intelligenz" kann Zeit plötzlich nur noch eine sehr untergeordete Rolle spielen...
Aus meiner Sicht ist das Hauptargument gegen solche Spekulation dieses:
Es gibt in unserer Galaxie gar keine Superzivilisation, weil deren Enststehung
SO unwahrscheinlich ist, dass man deren Existenz praktisch ausschließen kann.
Warum? Nehmen wir an in der Michstraße gäbe es 100 Milliarden Sternensysteme.
1. Es muss überhaupt erst einmal Leben entstehen
Das ist schon einmal sehr unwahrscheinlich. Von den vielleicht vielen Milliarden Sternensystemen eigent sich dafür sicherlich nur ein Bruchteil dafür.
Konkret: Man braucht einen gelben Einzel-Zwergstern mit einem Planeten in der habitablen Zone in einem ruhigen Bereich der Galaxis, also irgendwo im Randbereich.
Weiterhin wissen wir überhaupt nicht wie und warum Leben entsteht. Die Vorstellung, dass es dafür nur flüssiges Wasser und vielleicht ein paar Blitze braucht ist jedenfalls schon sehr naiv.
Wir können nicht einamal erklären, wie aus Aminosäuren langkettige Peptide oder gar Proteine entstanden sein sollen. Das Reaktionsgleichgewicht dafür liegt nämlich in wässriger Lösung stark auf der Seite der Monomere, also der nativen Aminosäuren. Weiterhin müssen Eiweise
gleichzeitig mit einer Membran und einem Replikator (z.B. RNA) entstehen, für sich alleine sind diese 3 Grundbausteine nutzlos und können sich nicht reproduzieren. Die Entstehung von Leben muss daher als recht unwahrscheinlich angesehen werden, selbst wenn alle Grundbedingungen erfüllt sind.
Nehmen wir aber sehr optimistischerweise an, dass all diese Bedingungen bei 1/1000 aller Systeme gegeben sind.
2. Es muss sich daraus höheres Leben entwickeln
Jetzt wird es noch viel enger. Dafür braucht man erstens dauerhaft flüssiges Wasser und Kohlenstoff.
Exotisches Leben auf Basis von Ammoniak, Silizium, Methan und dergleichen auf kalten Planeten kann man vergessen, weil chemische Reaktionsgeschwindigkeiten von der Temperatur abhängen.
Das bedeutet:
Auf kalten Planeten würde sich Leben so langsam entwickeln, dass es nach mehreren Milliarden Jahren immer noch im Einzellerstadium vorliegen würde.
Auf heißen Planeten geht gar nichts, weil keine komplexen Moleküle entstehen können.
Weiterhin:
Man braucht einen Jupiter im richtigen Abstand, es darf sich niemals eine größere kosmische Katastrophe ereignen (Supernova, etc.) und vor allen Dingen:
Man braucht ein starkes Magnetfeld also einen großen Eisenkern, die richtige prozentuale Zusammensetzung an Elementen, Milliarden Jahre andauernde Vulkanische Aktivität, Plattentektonik
...und einen großen Mond, der die Rotationsachse stabilisiert!
Warum das alles?
Weil sich sonst über den benötigten langen Zeitraum von einigen Milliarden Jahren kein
dauerhaft stabiles, lebensfreundliches Klima einstellen kann, welches für die Evolution notwendig ist. Was passiert, wenn so eine Zutat fehlt, kann man an Mars und Venus ablesen: Das Klima kippt viel zu früh und dann ist Feierabend! Auch unser Klima wird übrigens kippen, in ca. 100-500 Millionen Jahren, weil die Sonne immer heißer wird und die Vulkantätigkeit zum Erliegen kommt.
Es hat also auch bei uns "gerade noch" gereicht für unsere Entstehung.
Gleichzeitig müssen dennoch immer mal wieder Katastrophen stattfinden um die Umwelt zu verändern, Arten auszulöschen und so Platz für neue Arten zu schaffen -
und zwar in genau richtig dosierter Menge! Wenns davon zu viel gibt überleben jedesmal höchstens die Mikroorganismen (und die Evolution verliert dabei schnell wieder 1 Milliarde Jahre Entwicklungszeit, weil sie von vorne anfangen muss... und irgendwann wird die Sonne zum roten Riesen, die Uhr tickt!) und wenn es zu wenig gibt, endet die Evolution in einer Stagnation: Die Spezies verändern sich kaum noch, da sie irgendwann schon optimal an ihre statische Umwelt angepasst sind.
Wir auf der Erde haben ca. 4 Milliarden Jahre lang solche Bedingungen gehabt. Wie wahrscheinlich ist das? Wie wahrscheinlich ist allein die Tatsache, dass wir einen großen Mond im richtigen Abstand haben?
Verschwindend gering! Zusammen für alle genannten Voraussetzungen vielleicht 1/1 Milllion (wieder sehr optimistisch geschätzt)!
3. Es muss sich intelligentes, bewusstes Leben bilden.
Wir haben keine Ahnung wie oft so etwas evolutionär geschieht. Intelligenz ist nur eine unter unzähligen Überlebensstrategien, die weger der "Energieschleuder Gehirn" sehr viel Energie also Nahrung erfordert. Das muss sich lohnen, sonst geht die Evolution andere Wege. Ein großes Gehirn reicht nicht. Es müssen auch freie Hände vorhanden sein, die als exakt steuerbares Instrument zur Werkzeugherstellung und Benutzung taugen. Es muss ein Gruppenwesen sein, weil Bewusstsein nur in der Gruppe entstehen kann und es muss ein leistungsfähiges Kommunikationsorgan vorhanden sein, denn ohne komplexe Sprache geht auch nichts.
Wenn das alles entsteht, so muss es so lange überleben, bis sich die Intelligenz auch auszahlt. Das tut sie eigentlich erst dann, wenn es zur Kultur kommt. In unserer Frühzeit gab es einige Engstellen, wo nur etwa 1000 Menschen überlebt haben. Wir waren schon mehrmals
SO kurz vor dem Aussterben!
Wie oft wird das alles wohl geschen?
Wahrscheinlichkeit dieses Stadium zu überleben? Vielleicht allerhöchstens 1/10, wenn die Evolution viel Zeit hat und einige Anläufe nehmen kann.
4. Es muss sich eine hochentwickelte Kultur bilden.
Zu Beginn der Technisierung darf es zu keinem Krieg oder Anschlag kommen, der die Spezies komplett auslöscht. Wir waren seeehr nahe dran: Kubakrise; was, wenn die Atombombe nur ein paar Jahre früher entwickelt worden wäre und Hitler sie gehabt hätte? Was kann die nächsten Jahre und Jahrzehnte noch auf uns zukommen, wenn die Rohstoffe knapp werden, wenn der nahe Osten brennt oder wenn Länder wie Nordkorea oder Pakistan ganz verrückt spielen sollten?
Es darf in dieser Zeit auch keine größeren Katastrophen geben (Asteroideneinschläge, Supervulkane, Gamma-Ray-Bursts, etc.), bevor die technische Gesellschaft in der Lage ist diese Herausforderungen zu meistern (sei es durch Schützen, Verhindern oder Flucht in andere Lebensräume, außerhalb des Planeten).
5. Die technische Kultur darf nicht wieder degenerieren und nicht aussterben.
Die letzten 100 Jahre haben wir einen beispiellosen Aufschwung erlebt. Warum? Wegen dem billigen Energieträger Erdöl! Nun, das Erdöl geht aus...
Wir neigen dazu die letzte Zeit anzuschauen und dann zu erwarten, dass es immer so weiter geht, vielleicht sogar exponetiell.
Ohne billigen und praktisch unbegrenzt verfügbaren Energieträger werden wir aber wohl lernen müssen wieder kleinere Brötchen zu backen. Wir werden auch an all dem Müll und der Ausbeutung und der Naturzerstörung noch ganz schön zu knabbern haben. Daher ist zu erwarten, dass sich die zukünftige Entwicklung wieder stark verlangsamt oder gar degeneriert.
Es kann auch gut sein, dass wir demnächst an allen Fronten an technologische Grenzen stoßen und technologischer Fortschritt bald praktisch völlig zum Erliegen kommt. Einen unreflektierten Wissenschaftsoptimismus teile ich jedenfalls nicht. Selbst wenn man ihn teilt: Welche Gefahren birgt er? Hinken wir in unserer ethischen Entwicklung nicht heute schon meilenweit unserer technischen Entwicklung hinterher? Es muss doch nur morgen irgend jemand einen Supervirus züchten und diesen irgenwelchen Terroristen geben - und aus ist! Adios Homo Sapiens!
Wenn man dies alles bedekt, dann kommt man zu dem Schluss, dass die allerwenigsten Zivilisationen dieses Stadium des "Flaschenhalses" überleben werden.
Vielleicht wird 1 Zivilisation von 1000 länger als 1 Million Jahre existieren.
Damit ergibt sich nach meiner vorsichtigen Schätzung eine Wahrscheinlichkeit für das heutige Bestehen einer Superzivilisation so:
1/1000 x 1/1 Million x 1/10 x 1/1000 = 1/10 Billionen
Das macht dann bei 100 Milliarden Sternen pro Galaxis: 100 Milliarden/10 Billionen = 1/100 für das Entstehen einer Superzivilisation in der Milchstraße - und ich habe sehr optimistisch geschätzt und lange nicht alles bedacht, was dafür nötig wäre. Die wirkliche Zahl wird noch viel, viel kleiner sein.
Mein Fazit: Wenn es eine Superzivilisation jemals in der Milchstraße geben sollte, so werden das höchstwahrscheinlich wir selbst sein bzw. das, was uns nachkommt.
Beste Grüße
seeker