seeker hat geschrieben:Extrem schnell ist nicht unendlich schnell. Es erscheint mir daher prinzipiell egal, wie schnell das vonstatten geht, das ist "nur" eine Skalierungsfrage bzw. hinterher auch eine Frage nach den Grenzen unserer Messtechnik.
Siehe
Dekohärenzzeiten
seeker hat geschrieben:Dass wir keine makroskopischen Superpositionen von Messgeräten in verschiedenen Zuständen sehen bewerte ich so, dass es dennoch prinzipiell noch eine gibt, sie ist nur so verwaschen, dass sie messtechnisch nicht mehr erfassbar ist.
Ich würde es nicht verwaschen nennen. Sonst OK.
seeker hat geschrieben:Das hieße aber, dass ein Messergebnis A prinzipiell, in extrem seltenen Fällen, für den Beobachter dann doch noch nach B springen könnte bzw. dass |a,A> auch später noch minimal von |b,B> überlagert wäre?
Nicht so ganz. Der Beobachter müsste letztlich ebenfalls in den Zustand miteinbezogen werden; d.h. eigtl. liegt
|a,A,α> + |b,B,β>
vor, wobei |α>, |β> für die Beobachterzustände steht.
Betrachte zwei Fälle von Interferenz: i) zwischen zwei von einem Strahlteiler aufgespalteten, kohärenten Lichtwellenzügen mit sehr großer Intereferenzlänge; ii) zwischen denselben zwei Lichtwellenzügen, die du jedoch vorher durch lichtjahredicken, nicht-absorbierenden, jedoch streuenden Staub geschickt hast. Letzteres ware ein Analogon für die Dekohärenz.
seeker hat geschrieben:Denn: Wann ist die Dekohärenz vollständig abgeschlossen (bei der VWI)? Ich denke: Im Prinzip nie! Oder?
Richtig. Aber eben sehr schnell ;-)
Siehe
Dekohärenzzeiten
seeker hat geschrieben:Das führte uns dann (unter der Prämisse der VWI) zwangsläufig zu einer Neudefinition des Begriffs "Realität", denn es gäbe dann nie und nirgends irgendein 100% konkretes So-Sein, auch keine Zahlenwerte auf irgendeinem Display eines Messgeräts, die "so und gar nicht anders" sind.
"Sein" wäre stets auf ein gewisses Maß eingegrenzte (aber nie vollständig eingegrenzte) Möglichkeit, d.h. "Möglichkeit" wäre der Stoff, aus dem alles gemacht ist.
Na ja, das klingt jetzt sehr philosophisch.
Man ist sich seit fast hundert Jahren einig, dass die "Realität" gemäß der QM durch mathematische Zustände wie
|a> + |b> beschrieben wird. Die VWI behauptet lediglich, dass die "Realität" auch im makroskopischen Bereich durch
|a,A,α> + |b,B,β> beschrieben wird. Die KI behauptet dagegen, dass im makroskopischen Bereich nur entweder
|a,A,α> oder
|b,B,β> vorliegt. Die VWI behauptet lediglich, dass immer dieselben Gesetzmäßigkeiten gelten, d.h. immer die Gesetzmäßigkeiten der QM wie im mikroskopischen Bereich.
(Ich habe nichts gegen deine philosophischen Ausführungen, ich denke nur, es ist eh' schon kompliziert genug ;-)
seeker hat geschrieben:Noch eine andere Frage (unter der Prämisse der VWI):
Wenn sich so ein Quantensystem per Dekohärenz (in A und B) verzweigt hat, wann genau steht es dann für einen entfernten Beobachter fest, in welchem Zweig er sich befindet?
Nehmen wir an dieser Beobachter befände sich 1 Lj entfernt. Wann genau ist nach der Verzweigung des Q-Systems (per Dekohärenz) festgelegt, dass er sich z.B. in Zweig A befindet?
Instantan? Nach 1 Jahr? Oder wird nach 1 Jahr sogar rückwirkend in der Zeit festgelegt, in welchen Zweig der Beobachter vor 1 Jahr geraten ist?
Anders gefragt: Wie wirkt sich eine lokale Verzweigung eines Q-Systems global aus?
Es gibt keine lokale Verzweigung. Es gibt eigtl. gar keine Verzweigung, denn es findet lediglich ein Übergang von
(|a> + |b>) * |0> nach
|a,A> + |b,B> statt; die beiden Zweige sind schon zu Beginn prä-existent.
Bringen wir nun den Beobachter mit ins Spiel. Er soll per Lichtsignal (am besten per einzelnem Photon) das 1 Lj entfernte Messgerät ablesen. D.h. wir haben jetzt den Übergang
von
(|a> + |b>) * |0> * |0> nach
(|a,A> + |b,B>) * |0> nach
|a,A,α> + |b,B,β>
Der letzte Übergang kann erst stattfinden, wenn das Photon (das natürlich entsprechend zwischen beiden Zuständen verschränkt ist) ihn erreicht hat und mit ihm wechselwirkt. Also nach einem Jahr.