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Wahrscheinlichkeiten

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Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von seeker » 26. Sep 2016, 21:44

Mir ist gerade eine Frage in den Sinn gekommen...
Man kann aus einem Einzelfall keine Wahrscheinlichkeit ableiten!
Einleuchtend, aber wie geht das weiter?
Kann man aus zwei Fällen eine Wahrscheinlichkeit ableiten? Oder braucht man dafür drei Fälle? Oder vier?
Wie viele genau braucht man? Gibt es da eine klare Grenze?

Ich vermute, dass es gar keine gibt.

Demzufolge wäre absolut jede Wahrscheinlichkeitsaussage (die sich auf die Realität bezieht) immer mehr oder minder unscharf im Sinne von "möglicherweise auch falsch". Je mehr Daten man hätte, desto größer wäre zwar unser berechtigtes Vertrauen in die sich ergebende Wahrscheinlichkeit, aber mehr auch nicht, es ginge allein um (unser) Vertrauen, also nicht um irgendetwas "hartes".
Und irgendwie wäre das ja ein dicker Hund - oder?
Ist das so?

Gruß
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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von positronium » 26. Sep 2016, 22:22

seeker hat geschrieben:
Man kann aus einem Einzelfall keine Wahrscheinlichkeit ableiten!
Das ist so nicht richtig.
Du hattest das aus dem Thread zur Wahrscheinlichkeit von Leben. In genau diesem Fall kann dieser eine positive Befund "wir sind Leben" nicht für Wahrscheinlichkeiten herangezogen werden, weil eben wir Leben sind. Das ist ein für Statistik unzulässiger Input.
Grundsätzlich ist aber ein einzelner positiver Befund in einer Stichprobe durchaus von statistischer Relevanz, wenn auch die Unsicherheit äusserst hoch ist. Aber dieser eine positive Befund darf natürlich wieder nicht darin bestehen, dass man sich als Individuum mit einbezieht - Objektivität ist gefragt.

Man kann das so angehen: Seien es 10 Stichproben, und 2 positive Ergebnisse, dann hat man 20% Wahrscheinlichkeit. Gibt es 100 mögliche zu testende Objekte, liegt die Unsicherheit dieser 20%-Wahrscheinlichkeit bei 90%.
Das Ergebnis ist ein wenig desillusionierend, aber man kann in obigem Fall das kosmologische Prinzip anwenden, und zu einer anderen Berechnung der Unsicherheit kommen.

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von Pippen » 26. Sep 2016, 22:24

1. Man kann aus einem Einzelfall eine Wahrscheinlichkeit ableiten, nämlich dass diese für den Fall größer als 0 ist. Kennt man noch die gesamte Ergebnismenge, also die Anzahl aller möglichen Einzelfälle, so gilt: 1/Anzahl Ergebnismenge.

2. Ich gebe dir Recht: Jede noch so hohe Wahrscheinlichkeit unter 1 bleibt nur Wahr-Scheinlichkeit. Selbst wenn du 5 Mrd. schwarze Kugeln in einer Urne hast und nur eine rote, so kannst du die rote ziehen: unser aller Leben dürfte von bestimmten Punkten aus (Big Bang) noch viel unwahrscheinlicher gewesen sein - und doch sind wir da. Es ist sogar genaugenommen noch schlimmer: Denn unser Wahrscheinlichkeitscalculus baut auf verschiedenen - höchst unsicheren - Annahmen auf, zB dem Kontinuitätsprinzip, nachdem nicht plötzlich andere Naturgesetze wirken. Er ist deshalb selbst wieder nur wahrscheinlich und so entsteht letztlich ein Regreß, an dessen Ende wir nur sagen können: Wir haben kein rational berechtigtes Vertrauen in unseren Wahrscheinlichkeitscalculus, aber er funktioniert, er funktioniert schon ziemlich lange, warum ihm nicht einfach blind vertrauen...was wäre auch unsere Alternative?

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von tomS » 26. Sep 2016, 23:09

Streng genommen kann man aus einer endlichen Stichprobe mit Umfang N und Häufigkeit H eines bestimmten Ergebnisses sowieso keine Wahrscheinlichkeit p ableiten, sondern lediglich eine relative Häufigkeit h = H/N. Die Gesetze der großen Zahlen besagen, dass bei wachsendem N die relative Häufigkeit h gegen die (theoretisch berechnete) Wahrscheinlichkeit p konvergiert (wenn die zugrundegelegte Wahrscheinlichkeitsverteilung tatsächlich zutreffend ist, was man streng genommen als Hypothese aufstellen und testen muss). Außerdem kann man bei Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung eine Wahrscheinlichkeit Q(N,s) berechnen, dass h um mehr als s von p abweicht. Z.B.: wie groß ist die Wahrscheinlichkeit Q(6000,s), dass bei 6000 Würfen eines fairen Würfels die relative Häufigkeit h(4) der Augenzahl 4 um mehr als s von 1/6 abweicht, d.h. nicht im Intervall [1/6 - s, 1/6 + s]? oder äquivalent dass die Häufigkeit H(4) um mehr als S von 1000 abweicht, also nicht im Intervall [1000 - S, 1000 + S] liegt?

Diese Berechnungen kann man bereits für N = 1 anstellen, aber da sind sie eher wenig aussagekräftig. Bei großem N folgen aus derartigen Überlegungen Hypothesen, z.B. ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein fairer Würfel vorliegt. Bei kleinem N sieht man ausschließlich die Effekte der zu kleinen Stichprobe.
Gruß
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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von seeker » 26. Sep 2016, 23:40

Hmm, ok...

Also, ich denke da an Wahrscheinlichkeiten, die sich eigentlich aus Kausalzusammenhängen ergeben, die aber unbekannt sind, etwas in der Form:
(also kein echter Zufall, sondern nur scheinbarer, verursacht durch unser begrenztes Wissen)

A ---(Kausalzusammenhang)---> B

...wobei A nicht immer zu B führen muss. Das kann bei komplexen Zusammenhängen der Fall sein.

Eigentlich sei der komplette/wahre Kausalzusammenhang so:

A+C+D+E+ ... --> A'+C'+D'+ ... --> A''+C''+D'' --> A'''+C'''+... --> ... --> ... --> B

Das Problem wäre also nur, dass wir über C, D, E, ... und die ganzen Zwischenschritte nichts wissen, wir kennen nur A und B.
Sehen tun wir also nur:

A ---(manchmal)---> B

Und unserem Nichtwissen würden wir durch die Formulierung einer Wahrscheinlichkeit Ausdruck verleihen:

A ---(mit Wahrscheinlichkeit p)---> B

Es könnte z.B. so sein:

A = Ein Planet entsteht/existiert
B = Auf dem Planeten bildet/findet sich später Leben
p = ?

Jetzt ist es so, dass man mit einem einzigen Befund B noch kein p sinnvoll angeben kann.
Wie viele positive Befunde B braucht man, um p sicher angeben zu können?

Es sind eigentlich unendlich viele nötig (falls es so viele gibt) oder man muss (im endlichen Fall) alle A und B kennen/untersucht haben, wenn man 100% Sicherheit bezüglich der Wahrheit der Aussage p haben möchte - oder?

Und wenn wir die Wahrheit von p nur mit begründetem Vertrauen glauben können wollen?
Wie viele Bs sind dann nötig?
Zwei positive Befunde B werden nicht reichen, wenn es viele As gibt, drei auch nicht...
Wie viele braucht man? Das ist reine Konvention - oder?

Gruß
seeker
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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von tomS » 27. Sep 2016, 09:22

seeker hat geschrieben:Wie viele positive Befunde B braucht man, um p sicher angeben zu können?
Sicher geht nicht.
seeker hat geschrieben:Wie viele Bs sind dann nötig? ... Wie viele braucht man? Das ist reine Konvention - oder?
Das ist nicht reine Konvention.

Auf Basis eines Modells und einer Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt sich ein Wert e, sowie eine Wahrscheinlichkeit Q(e,s), dass ein Messwert außerhalb eines Intervalls [e-s, e+s] liegt; bei einer Normalverteilung legt man üblicherweise den Erwartungswert e sowie die Streuung σ (sigma) zugrunde und betrachtet [e-nσ, e+nσ], n = 1,2,3,... Und es ergeben sich Wahrscheinlichkeiten, dass wenn der Messwert innerhalb liegt, das Modell bzw. die Wahrscheinlichkeitsverteilung dennoch nicht zutrifft.

Diese Wahrscheinlichkeiten sind nicht Konvention, sie sind exakt berechenbar.

Konvention ist lediglich, wie man diese berechneten Wahrscheinlichkeiten wertet.

In der Teilchenphysik wertet man eine Signifikanz von 3 σ als Anzeichen, eine von 5 σ als Entdeckung. Die Fehlerwahrscheinlichkeit, d.h. dass es bei einem als Entdeckung gewerteten Effekt doch um eine statistische Schwankung handelt, liegt (bei 5 σ) bei 0,000057 Prozent.
Rolf-Dieter Heuer hat geschrieben:[5 σ] bedeutet, dass dann der statistische Fehler kleiner als fünf Standardabweichungen ist. Konkret bedeutet das: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Resultat dann immer noch falsch ist, ist kleiner als eins zu zwei Millionen.

Damit [5 σ sei eine willkürliche Festlegung] haben Sie im Prinzip recht. Ein Schwellenwert von 4 σ wäre jedoch nicht sinnvoll. Da gäbe es zu viele Entdeckungen, die später wieder zurückgezogen werden müssten. Man hat sogar schon 5-σ-Effekte wieder verschwinden sehen, doch das kommt wirklich sehr selten vor. Es hat sich in der Wissenschaft [Physik?] eingebürgert, ab einer Statistik mit 4 σ von Evidenz zu sprechen und ab 5 σ von einer Entdeckung. Natürlich könnte man eine noch größere Sicherheit von 6 σ anstreben. Doch dann würden in vielen Fällen Aufwand und Ertrag nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
Beim Higgs sind m.W.n. 5 σ bei ATLAS als auch bei CMS einzeln übertroffen worden; ich kenne den kombinierten Wert nicht. Beim direkten Nachweis von Gravitationswellen war m.W.n. auch von mehr als 5 σ die Rede.
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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von deltaxp » 27. Sep 2016, 10:08

Das führt letzlich zum bereits behandelten Thema des hypothesentests. 100% Sicherheit aufgrund von messungen gibt es nicht. deswegen verbringen experimentelle Physiker bei der Datenauswertung den größten teil der Zeit mit Fehlerbestimmung und nur einen kleinen Teil mit dem erwartungswert der Messgröße selbst.

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von tomS » 27. Sep 2016, 11:06

deltaxp hat geschrieben:deswegen verbringen experimentelle Physiker bei der Datenauswertung den größten teil der Zeit mit Fehlerbestimmung und nur einen kleinen Teil mit dem erwartungswert der Messgröße selbst.
Da kannst du sicher mehr dazu sagen als ich.

Ich bin theoretischer Physiker, bei uns gibt es keine Unsicherheiten und wir begehen keine Fehler; Irrtümer kommen nicht vor. Daher können wir uns auf die Physik konzentrieren und exakte Vorhersagen erarbeiten, nicht nur fehlerbehaftet Erwartungswerte.

:devil:
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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von seeker » 27. Sep 2016, 14:08

tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Wie viele positive Befunde B braucht man, um p sicher angeben zu können?
Sicher geht nicht.
Zu dieser Überlegung bin ich auch gekommen, Einigkeit.
tomS hat geschrieben:Diese Wahrscheinlichkeiten sind nicht Konvention, sie sind exakt berechenbar.

Konvention ist lediglich, wie man diese berechneten Wahrscheinlichkeiten wertet.
So meinte ich das auch. Nur sollte man nicht "lediglich" sagen, weil das ganz entscheidend ist.
tomS hat geschrieben:In der Teilchenphysik wertet man eine Signifikanz von 3 σ als Anzeichen, eine von 5 σ als Entdeckung. Die Fehlerwahrscheinlichkeit, d.h. dass es bei einem als Entdeckung gewerteten Effekt doch um eine statistische Schwankung handelt, liegt (bei 5 σ) bei 0,000057 Prozent.
deltaxp hat geschrieben:Das führt letzlich zum bereits behandelten Thema des hypothesentests. 100% Sicherheit aufgrund von messungen gibt es nicht. deswegen verbringen experimentelle Physiker bei der Datenauswertung den größten teil der Zeit mit Fehlerbestimmung und nur einen kleinen Teil mit dem erwartungswert der Messgröße selbst.
Das ist klar. Ich denke nur noch in eine andere Richtung, denn bei der Teilchenphysik hat man eine etwas andere Situation: Du hast hohe Streuung, viel Rauschen, du hast viele Messwerte und weißt zunächst nicht, ob darin ein echtes Signal verborgen ist. Und du willst z.B. einen Existenzbeweis für Teilchen X, also für ein Objekt erbringen.

Beispielsweise beim Phänomen "Leben" ist das nicht nötig. Dass es existiert ist sowieso gesichert, da muss man nix mehr nachmessen. Dass hinter seiner Existenz ein Prozess steht, der von der unbelebten Materie zur belebten führt, ist dabei Grundannahme, die nicht fallen gelassen werden darf, denn sonst kommt man automatisch in religiöse Gefilde, da will man nicht hin.
Es kommt eben auf die Frage an, die man stellt...
Beim Thema Leben können wir z.B. die Frage nach der Wahrscheinlichkeit für seine Entstehung auf einem beliebigen Planeten mit flüssigem Wasser stellen. Tun wir das, so fragen wir aber nicht nach der Existenz eines Objekts, sondern nach der Wahrscheinlichkeit, mit der ein als sicher existierend anzunehmender Prozess bzw. Prozessklasse zu Leben führt, der aber in seinen kausalen Details bei dieser Betrachtung unbekannt bleibt.
Und das ist eben eine andere Situation, deshalb braucht man hier auch eine andere Auswertung der positiven Befunde (wenn denn welche vorlägen, sie tun es heute noch nicht, täten sie es, wären sie aber nicht hinter einem Rauschen verborgen wie unsere Teilchenmesswerte, sie wären i.d.R. völlig klar: Entweder sind da vermehrungsfähige Organismen in der Probe vom Planet x oder sie sind es nicht).

Ich will mal ein Beispiel geben, um zu verdeutlichen, wohin meine Gedanken/Überlegungen sonst noch gehen:

1. Es existiert ein Sack mit einer unbekannten Anzahl Kugeln drin (es könnten auch unendlich viele sein, du weißt es nicht).
Ich komme vorbei und gebe dir eine blaue Kugel in die Hand: "Schau mal! Die habe ich gerade blind aus dem Sack gezogen!"
Mehr Informationen hast du nicht.
Frage: Wenn du nun selbst blind eine Kugel aus dem Sack ziehst, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Kugel blau ist?
Du kannst es nicht sagen.
Frage: Wenn du nun mehrmals Kugeln aus dem Sack ziehst, ändert sich etwas an der Situation? Kannst du dann irgendwann sagen: "Bei der nächsten Ziehung werde ich mit der Wahrscheinlichkeit x eine blaue Kugel ziehen!"
Ich glaube, dass du auch das nicht kannst, egal wie oft du ziehst, weil du nicht weißt, wie viele Kugeln in dem Sack sind. Andere Meinungen dazu?
Wobei das Vertrauen auf eine bestimmte gegebene Verteilung schon vom Ergebnis der Ziehungen abhängen kann:

Ziehst du z.B. 1000 mal und ziehst 1000 mal blau, dann wirst du vermutlich erwarten, dass auch bei der 1001sten Ziehung blau kommt.
(... nur schlägt hier mal wieder das Induktionsproblem zu, daher: Sicher kannst du nicht sein, du kannst damit auch völlig daneben liegen.)
Ziehst du aber z.B. 1000 mal irgendwelche farbigen Kugeln, nur keine einzige blaue, dann stehst du blöd da, du kannst p nicht angeben.

2. Wie 1., nur ist diesmal bekannt, dass sich in dem Sack insgesamt 1 Million Kugeln befinden.
Wenn du nun das erste Mal ziehst, kannst du dann sagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, eine blaue Kugel zu erwischen?
Nö, ich glaube, auch jetzt kannst du das nicht. Es könnte genausogut gar keine blaue Kugel mehr in dem Sack sein wie lauter blaue Kugeln...
Kannst du es sagen, wenn du mehrere Kugeln gezogen hast?
Ich denke: Irgendwann ja, je mehr Kugeln du ziehst, desto genauer und vertrauenswürdiger wird die daraus berechenbare Wahrscheinlichkeit werden. Falls p aber sehr klein ist, kann es sein, dass du alle Kugeln wirst ziehen müssen, um p bestimmen zu können, wenn z.B. in dem Sack nur eine einzige blaue Kugel ist (was du ja aber nicht weißt) und du diese nach 900.000 Ziehungen immer noch nicht gefunden hast, wird dein p immer noch bei Null verharren, mit einer gewissen Unsicherheit zu >0 hin ja, aber eben um diesen Wert geht es ja. Die Unsicherheit bei p soll ja nicht größer als p selbst sein, sonst ist das nicht sehr zufriedenstellend...

Gruß
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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von tomS » 27. Sep 2016, 21:04

Wenn die Kugeln perfekt gemischt sind, unabhängig gezogen und jeweils wieder zurückgelegt werden, dann erwartest du bei einer endlichen Anzahl an Kugeln für die Ereignisse "Blau" und "nicht Blau" eine Binomialverteilung, die im Grenzfall unendlich vieler Kugeln in eine Normalverteilung übergeht.

Unter den gleichen Voraussetzungen erwartest beim Ziehen ohne Zurücklegen eine hypergeometrische Verteilung.

Das Vorliegen einer derartigen Verteilung kann getestet werden, z.B. mittels chi^2- oder Kolmogorov-Smirnov-Test.
Gruß
Tom

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von seeker » 28. Sep 2016, 00:11

Das Spiel mit den Kugeln ohne zurücklegen und ohne Gewissheit, wie viele Kugeln existieren, entspricht in etwa der Situation bei der Suche nach Leben auf Exoplaneten.

Wie viele Planeten mit Leben würdest mindestens finden wollen (bzw. blaue Kugeln), bevor du dich traust eine fundierte Wahrscheinlichkeitsaussage zu treffen?

Ich meine, ich glaube dir schon, dass man das alles mit statistischen Methoden versuchen kann zu untersuchen.
Ich glaube nur, dass man nur lokale Aussagen daraus generieren kann und dass man genügend positive Befunde benötigt (gefundene blaue Kugeln). Über pL (pro Planet) bezogen auf das Gesantuniversum ist das so nicht möglich, wie mir scheint, weil man dazu die Gesamt-Anzahl der Planeten im Universum kennen müsste, spielt aber eh wahrscheinlich keine so große Rolle, weil wir uns eh nur innerhalb unserer Hubblesphäre umschauen können.
tomS hat geschrieben:...die im Grenzfall unendlich vieler Kugeln in eine Normalverteilung übergeht.
Ich dachte es existiert keine Normalverteilung auf N?

Gruß
seeker
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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von tomS » 28. Sep 2016, 06:58

seeker hat geschrieben:Wie viele Planeten mit Leben würdest mindestens finden wollen (bzw. blaue Kugeln), bevor du dich traust eine fundierte Wahrscheinlichkeitsaussage zu treffen?
Das ist die falsche Fragestellung.

Man müsste eher fragen: wie hoch ist die Irrtumswahrscheinlichkeit, dass bei einer Stichprobe N mit positiven Ergebnissen ZL die Wahrscheinlichkeit für Leben innerhalb [pa, pb] liegt? oder kleiner ist als pa?
seeker hat geschrieben:Ich glaube nur, ... dass man genügend positive Befunde benötigt (gefundene blaue Kugeln).
Nein.
seeker hat geschrieben:Über pL (pro Planet) bezogen auf das Gesantuniversum ist das so nicht möglich, wie mir scheint, weil man dazu die Gesamt-Anzahl der Planeten im Universum kennen müsste ...
Nein, man müsste lediglich voraussetzen, dass die Wahrscheinlichkeit je Planet unabhängig sind.
seeker hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:...die im Grenzfall unendlich vieler Kugeln in eine Normalverteilung übergeht.
Ich dachte es existiert keine Normalverteilung auf N?
Es existiert keine Gleichverteilung. Aber die benötigen wir hier auch nicht.
Gruß
Tom

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von positronium » 28. Sep 2016, 10:49

Meiner Meinung nach darf man das Problem nicht rein mathematisch angehen, weil zwei Dinge für die Modellierung eine ganz entscheidende Rolle spielen:
1. Wir sitzen auf der Erde, und unsere Untersuchungsmöglichkeiten entwickeln sich nur langsam fort. D.h. unsere Stichprobe ist nie zufällig, sondern vergrössert sich mit der technischen Entwicklung soz. schalenförmig von unserem Standpunkt ausgehend.
2. Man muss sich bewusst machen, dass die Wahrscheinlichkeit für Leben nicht überall gleich hoch sein muss, und unsere Stichproben jetzt erst einmal nur in einer Spiralgalaxie in einem äusseren, kleinen Bereich durchgeführt werden können. Von daher gilt eine ermittelte Wahrscheinlichkeit nur für solche Regionen, die unserer ähneln.

Wie viele Planeten es gibt, die Leben tragen, sollte und muss man deshalb gar nicht an der Grösse des Universums festmachen, sondern eigentlich an der Form und Grösse einer Galaxie. Zuvor muss man aber eine Methode finden, zumindest einen statistisch ausreichend grossen Bereich untersuchen, und echte Stichproben machen zu können.

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von deltaxp » 28. Sep 2016, 13:01

tomS hat geschrieben:
Ich bin theoretischer Physiker, bei uns gibt es keine Unsicherheiten und wir begehen keine Fehler; Irrtümer kommen nicht vor. Daher können wir uns auf die Physik konzentrieren und exakte Vorhersagen erarbeiten, nicht nur fehlerbehaftet Erwartungswerte.

:devil:
darauf bin ich in der tat etwas neidisch, aber du weisst ja selbst, dass du da etwas schummelst. schliesslich gehen in deine theoretischen modelle eben doch fehlerbehaftete Messgrößen ein, deren Propagation in der Theorie dann auch berechnet werden muessen. so ganz kommst du mir nicht davon, Tom :twisted:

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von positronium » 28. Sep 2016, 13:06

Naja, ich denke 'mal, das war nicht so "ganz" ernst gemeint.
Die Probleme liegen halt etwas anders.

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Re: Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von seeker » 29. Sep 2016, 16:04

tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Wie viele Planeten mit Leben würdest mindestens finden wollen (bzw. blaue Kugeln), bevor du dich traust eine fundierte Wahrscheinlichkeitsaussage zu treffen?

Das ist die falsche Fragestellung.

Man müsste eher fragen: wie hoch ist die Irrtumswahrscheinlichkeit, dass bei einer Stichprobe N mit positiven Ergebnissen ZL die Wahrscheinlichkeit für Leben innerhalb [pa, pb] liegt? oder kleiner ist als pa?
Ok. Ich denke aber schon, dass das dieselbe Frage ist, nur mathematisch präziser formuliert.
Also müsste man zuerst festlegen, wie klein das Intervall [pa, pb] und die Irrtumswahrscheinlichkeit denn sein soll, damit wir zufrieden sind, nicht?
Diese Frage kann uns die Mathematik nicht beantworten, das müssen wir entscheiden.
Und je präziser das sein soll, desto mehr Daten braucht man, nicht?

Deshalb:
tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Ich glaube nur, ... dass man genügend positive Befunde benötigt (gefundene blaue Kugeln).

Nein.
Ich glaube in dem Sinne (das math. Ergebnis soll unsere Qualitäts-Erwartungen erfüllen) doch!
tomS hat geschrieben:Es existiert keine Gleichverteilung. Aber die benötigen wir hier auch nicht.
Sorry, das hatte ich verwechselt. Aber was hattest du damit gemeint:
tomS hat geschrieben:Wenn die Kugeln perfekt gemischt sind, unabhängig gezogen und jeweils wieder zurückgelegt werden, dann erwartest du bei einer endlichen Anzahl an Kugeln für die Ereignisse "Blau" und "nicht Blau" eine Binomialverteilung, die im Grenzfall unendlich vieler Kugeln in eine Normalverteilung übergeht.
Die Binomialverteilung geht dann in eine Normalverteilung über, wenn man sich der Unendlichkeit annähert?
Das kann ja nicht sein, denn es gibt keine Annäherung an die Unendlichkeit, vom Endlichen ausgehend, dieses wachsen lassend, nicht?
Hieße das dann nicht, dass du im endlichen Fall immer eine Binomialverteilung zu erwarten hast und im unendlichen Fall immer eine Normalverteilung und nichts dazwischen?
Oder meinstest du, dass je größer die Stichprobe im Verhältnis zur Gesamt-Anzahl der Kugeln ist, desto näher ist sie an einer Binomialverteilung und je kleiner sie im Verhältnis ist, desto näher ist sie an einer Normalverteilung?
tomS hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Über pL (pro Planet) bezogen auf das Gesantuniversum ist das so nicht möglich, wie mir scheint, weil man dazu die Gesamt-Anzahl der Planeten im Universum kennen müsste ...
Nein, man müsste lediglich voraussetzen, dass die Wahrscheinlichkeit je Planet unabhängig sind.
Ok, du meinst damit, dass man über Stichproben mathematisch immer eine Aussage generieren kann, egal, wie groß die Gesamtmenge ist, aus der man zieht. OK.
Nur: Wie gut ist die Qualität solcher Aussagen, die sich ja auf die Realität beziehen sollen? Das weist über die reine Mathematik hinaus.

Aber insgesamt halte ich fest, dass man einfach genügend Daten braucht. Je mehr man hat, desto besser wird eine daraus generierte Aussage.
Umkehrschluss: Wenn man wenig Daten hat, dann ist die daraus generierte Aussage eben wenig wert, unscharf.
Und wenn man Nadeln im Heuhaufen suchen muss und noch nie eine Nadel gefunden hat, stattdessen immer nur Stroh, dann wird es ganz unscharf.

Noch ein kleiner Witz am Rande:
Ein Ingenieur, ein Mathematiker und ein theoretischer Physiker sind beim Pferderennen.Sie überlegen, ob es möglich ist, zu berechnen, welches Pferd gewinnt .

Nach einer Woche treffen sie sich wieder.

Sagt der Ingenieur: "Ich habe überall nachgeschaut, aber es gibt einfach keine Tabelle für Pferderrennen."

Der Mathematiker teilt erfreut mit: "Ich konnte beweisen, dass eine Formel existiert! Nur für das Aufstellen hatte ich noch nicht genügend Zeit, aber das ist ja eh sekundär."

Der Pysiker meint: "Ich habe eine Formel erstellt, mit der man exakt berechnen kann, welches Pferd gewinnt, allerdings gilt sie nur für reibungsfrei gelagerte, kugelförmige Pferde im Vakuum."
:) :wink:

Gruß
seeker
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