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Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 17. Jul 2016, 10:55

Pippen hat geschrieben:Mein Maß für die Komplexität sind alle legalen kombinatorisch möglichen Stellungen. ME ist das dein "erreichbar". Denn jede legale Stellung muss in einem Spiel (theoretisch) erreichbar sein.
Du irrst in zweierlei Hinsicht.

Hier dein erster Beitrag:
Pippen hat geschrieben:... folgendes Modell ... Wieviele Kombinationen ... gibt es danach? Ist so ein Modell ... geeignet, den Möglichkeitsraum im Fußball zu berechnen oder mache ich da irgendwo einen Grundsatzfehler?
Zum ersten fragst du oben nach der kombinatorisch möglichen Anzahl von Stellungen, nennen wir sie Z. Dabei schließt du keine illegalen Stellungen aus. Bsp. Tic-Tac-Toe: eine Stellung mit 5 X und 3 O ist illegal. Reduzierung um illegale Stellungen führt zu einer Zahl Z'; diese ist i.A. schwer zu berechnen.

Zum zweiten führst du jetzt legale, kombinatorisch mögliche Stellungen ein. Das ist ebenfalls nicht ausreichend. Bsp. Schach: die Position mit einem weißen Bauer auf e3 sowie zwei schwarzen Bauern auf e6 sowie d6 ist legal, jedoch nicht erreichbar. Dazu müsste Weiß entweder als zweiter ziehen, also den ersten Zug auslassen, oder Weiß müsste im ersten Zug auf e4 und im zweiten auf e3 zurückziehen. Beides ist unzulässig. Reduzierung auf erreichbare Stellungen führt auf eine Zahl Z'', die für bekannte Spiele m.W.n. nur ganz grob abschätzbar ist und die um viele Größenordnungen unterhalb von Z liegt.

D.h. dass dein kombinatorischer Ansatz die Komplexität der Spiele bei weitem überschätzt. Deswegen ist die Zahl der erreichbaren Stellungen relevant, nicht die der kombinatorisch möglichen oder die der prinzipiell legalen. Und deswegen ist die Zahl der Möglichkeiten je Zug entscheidend, da daraus die Zahl der erreichbaren Stellungen folgt.

Bsp. Fußball: Modelliere das Spiel so, wie von mir angegeben. Setze den Koordinatenursprung in den Anspielkreis. Das Spielfeld habe die Länge L. Alle Spieler befinden sich einige Meter von der Torlinie entfernt. Ein Tor wird z.B. erzielt, wenn der Ball die Koordinaten (x = L/2, y = 0, vx = v, vy = 0) hat (v > 0). Der Ball geht gerade und exakt in der Mitte über die Torlinie. Die Position (x = L/2, y = 0, vx = -v, vy = 0) ist legal, jedoch nicht erreichbar, da der Ball die Torlinie aus dem Tor kommend ins Spielfeld hinein überquert. Das ist sicher nicht möglich.

Deswegen:
Ich will damit sagen, dass die kombinatorische Herangehensweise an die Komplexität von Fußball den Kern des Spieles nicht trifft.
Pippen hat geschrieben:Gibt es denn noch eine andere Weise, Komplexität (mathematisch) zu beschreiben?
Es geht nicht um die Komplexität im Sinne der Spieltheorie, weil letztere m.E. zur Modellierung des Fußballspiels nicht taugt. Es geht um eine grundsätzlich andere Modellierung des Fußballspiels, speziell des Zustandsraumes, z.B. als Phasenraum.
Gruß
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von seeker » 17. Jul 2016, 12:49

Pippen hat geschrieben:Natürlich muss ich gewisse pragmatische Annahmen machen, zB dass Maße ab der fünften Nachkommastelle keine Rolle mehr spielen. Ich bezweifle, dass ein Kopfball anders fliegt, wenn der Kopf den Ball 0,00001cm woanders trifft.
Das trifft aber nicht zu. Der Ball fliegt vielleicht zunächst nur unmerklich woanders hin, aber eine Minute später kann das manchmal den weiteren Spielverlauf schon völlig ändern (-> Schmetterlingseffekt). Also kannst du Fußball gar nicht diskretisieren ohne wesentliche Fehler zu machen bzw. durch deine Diskretisierung wesentliche Einflüsse zu vernachlässigen.

Der Unterschied zum Schach ist, dass du dort auf dem Brett tatsächlich diskrete Stellungen und Züge vorliegen hast, die du dann natürlich auch zwanglos mit einem diskreten Ansatz erfassen darfst.
Nicht-diskret erfassbare Einflüsse kommen dort erst im Kontext des Spiels zum tragen, z.B. bei der Entwicklung der Gehirnzustände der beteiligten Spieler, bei der Zeitkomponente (wann genau wird ein Zug ausgeführt, wie viel Spielzeit hat jeder Spieler noch), etc.

Und allein aus diesem Unterschied heraus lässt sich schon argumentieren, dass Fußball wesentlich komplexer ist.

Weiterhin finde ich es zielführend zu untersuchen (wenn man beide Spiele vergleichen möchte), wie groß die Offenheit der jeweiligen Systeme ist und wie stark und wie oft sie störanfällig sind.

Hintergrund:
Solche Systeme können sich oft in Zuständen befinden, wo sie gegen kleine Störungen (von außen) unempfindlich sind, wo diese schnell wieder negiert werden (wirf ein Steinchen in einen Fluss, das wird man an der Flussmündung nicht sehen) oder aber sie befinden sich gerade in Zuständen, wo sie störempfindlich sind (-> Schmetterlingseffekt, beliebig kleine Störungen sind dann und nur dann selbstverstärkend).

D.h.: Immer wenn ein System störunanfällig ist, kann man kleine Störungen vernachlässigen (also auch gut diskretisieren), wenn es störempfindlich ist, dann nicht.

Wenn man also abschätzen kann, zu wie viel Prozent der Spielzeit das System störunempfindlich ist und zu wie viel der Spielzeit störempfindlich, dann kann man das auch viel besser abschätzen, inwieweit eine Simulation/Modellierung prinzipiell möglich ist bzw. inwieweit bzw. wie oft (zu wie viel Prozent) diese das Original hinreichend richtig abbilden kann bzw. wird.

Gruß
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Frank » 17. Jul 2016, 13:23

Auch Lesch hat sich dem Thema angenommen :mrgreen:

https://www.youtube.com/watch?v=0vwdT6P1LWE
Mit freundlichen Grüßen

Frank

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 17. Jul 2016, 17:32

Da habe ich eine Idee: Wir berechnen erstmal nur den Zustandsraum für den Aufenthaltsort des Balles bei einem Spieler auf dem Feld inkl. aller seiner Körperhaltungen. Denn da können wir ausschließen, dass wir illegale Stellungen haben. Wir teilen dazu das Spielfeld in 10.000 Halbquadratmeter-Felder ein und wir legen fest, dass unser Spieler in jedem Feld 1.000 Körperhaltungen einnehmen kann. Wie groß ist der Zustandsraum für 10.000 Felder, Ball drin/Ball nicht drin, Spieler drin/Spieler nicht drin und wenn Spieler drin, dann 1.000 mögliche Körperhaltungen, und das Ganze mal 5400 (Sekunden, die das Spiel insgesamt dauert)? Vllt. ist ja bereits dieser Zustandsraum größer als der beim Go (10^170)?

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 17. Jul 2016, 18:10

Funktioniert wohl nicht, denn wir multiplizieren nur alles miteinander und da kommt keine Megazahl heraus.

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 17. Jul 2016, 19:25

Pippen hat geschrieben:Da habe ich eine Idee: Wir berechnen erstmal nur den Zustandsraum für den Aufenthaltsort des Balles bei einem Spieler auf dem Feld inkl. aller seiner Körperhaltungen. Denn da können wir ausschließen, dass wir illegale Stellungen haben.
Ja, aber das hilft nichts.

Selbst Bsp. wie oben; der Spieler habe die Koordinaten (-a,...), a > 0, befinde sich also in der linken Hälfte. Der Ball habe die Koordinaten (b,y,-v,.) mit b > a und v > 0, befinde sich also rechts vom Spieler. Wie soll ein Spieler den von rechts einlaufenden Ball mit -v < 0 nach links geschossen haben, wenn er sich selbst links vom Ball befindet?

Diese Spielsituationen sind legal, jedoch nicht erreichbar.

Das führt zu nichts.
Gruß
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 18. Jul 2016, 00:21

tomS hat geschrieben:Selbst Bsp. wie oben; der Spieler habe die Koordinaten (-a,...), a > 0, befinde sich also in der linken Hälfte. Der Ball habe die Koordinaten (b,y,-v,.) mit b > a und v > 0, befinde sich also rechts vom Spieler. Wie soll ein Spieler den von rechts einlaufenden Ball mit -v < 0 nach links geschossen haben, wenn er sich selbst links vom Ball befindet?

Diese Spielsituationen sind legal, jedoch nicht erreichbar.
Doch, denn wir schauen uns eben nur einen Spieler an, quasi eine Teilmenge des Zustandsraumes, und lassen die anderen außen vor. Dadurch kannst du für keine Konstellation beweisen, dass sie nicht erreichbar wäre, denn wir wissen ja nicht, wie & wo die anderen Spieler gerade wären. Die Idee war, dass man vllt. schon damit einen genügend großen Zustandsraum haben würde, was aber leider nicht der Fall ist. Nach meinen Berechnungen wäre der Zustandsraum (nach den Parametern meines vorletzten Beitrag) = 10.000 x 2 x 2 x 10.000 x 5400 = 2160 Mrd. und da lachen alle Schach- und Go-Spieler drüber.

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 18. Jul 2016, 07:06

Pippen hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Selbst Bsp. wie oben; der Spieler habe die Koordinaten (-a,...), a > 0, befinde sich also in der linken Hälfte. Der Ball habe die Koordinaten (b,y,-v,.) mit b > a und v > 0, befinde sich also rechts vom Spieler. Wie soll ein Spieler den von rechts einlaufenden Ball mit -v < 0 nach links geschossen haben, wenn er sich selbst links vom Ball befindet?

Diese Spielsituationen sind legal, jedoch nicht erreichbar.
Doch, denn wir schauen uns eben nur einen Spieler an, quasi eine Teilmenge des Zustandsraumes, und lassen die anderen außen vor. Dadurch kannst du für keine Konstellation beweisen, dass sie nicht erreichbar wäre, denn wir wissen ja nicht, wie & wo die anderen Spieler gerade wären.
Du betrachtest einen Ausschnitt und weißt letztlich nichts über das ganze. Überleg' mal, was das beim Schach bedeuten würde.
Pippen hat geschrieben:Die Idee war, dass man vllt. schon damit einen genügend großen Zustandsraum haben würde, was aber leider nicht der Fall ist. Nach meinen Berechnungen wäre der Zustandsraum (nach den Parametern meines vorletzten Beitrag) = 10.000 x 2 x 2 x 10.000 x 5400 = 2160 Mrd. und da lachen alle Schach- und Go-Spieler drüber.
Der Punkt ist, dass du nur deswegen einen endlichen Zustandsraum erhältst, weil du künstlich diskretisierst. In der Praxis hast du zunächst einen hochdimensionalen, kontinuierlichen Phasenraum, also etwas grundsätzlich anderes und komplexeres als bei diskreten Spielen. Theoretisches Abzählen alleine hilft dir gar nichts. Du brauchst eine echte Idee, wie du das Spiel praktisch in genügender Detailtiefe modellierst, um einen vernünftige Abschätzung angeben zu können.
Gruß
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 18. Jul 2016, 08:20

Ich würde mal einen grundsätzlich anderen Ansatz wählen.

Schach und und Go wird von Menschen nicht nach einem "Algorithmus" gespielt; jedenfalls arbeitet das Gehirn nicht nach einem solchen, zumindest nicht nach einem bekannten. Das beste Go-Programm verwendet ebenfalls keinen Algorithmus im herkömmlichen Sinn, sondern neuronalen Netze mit einigen weiteren Zutaten.

Fußball wird sicher nicht nach einem Algorithmus gespielt.

Wir verfügen über Implementierungen von neuronalen Netzen, die prinzipiell kontinuierliche Probleme effizient diskretisieren und lösen können: z.B. Gesichts- und Mustererkennung.

Ich würde also mal die Modellierung des Zustandsraumes vergessen und mich auf die Lösung des Problems konzentrieren. Mein Vorschlag wäre, die Komplexität immer bezüglich einer definierten Klasse von "Solvern" sowie einer gewissen Referenzspielstärke anzusetzen. Die Solver seien immer neuronalen Netze (ggf. mit Zutaten). Die Referenzspielstärke sei die eines menschlichen Spielers.

Dann lautet die Frage: wie komplex muss ein neuronalen Netzwerk sein, um Schach, Go, Fußball, ... in Echtzeit so effizient spielen zu können wie ein Schachgroßmeister, ein Go-Großmeister, ein Welt- oder Europameister im Fußball, ...

Damit bist du erst mal vergleichbar was die Implementierungen betrifft. Ansonsten ist es m.E. nämlich sinnlos, eine Diskretisierung eines Fußballspiels zu betrachten und darüber die Komplexität zu definieren, wenn du nicht mal weißt, ob du es sinnvoll implementieren kannst. Außerdem liefert dir das eine vergleichbare Komplexität (die des prinzipiell existierenden Zustandsraumes ist irrelevant, die des erreichbaren und damit relevanten Zustandsraumes ist zwar relevant, jedoch praktisch nicht berechenbar). Natürlich gehen noch andere Faktoren ein, d.h. die Größe des Netzes, ggf. die Größe von zusätzlich nutzbarem Speicher (im Schach die Endspieldatenbank), Performance (Echtzeit beim Schach und beim Fußball sind sicher grundverschieden).

Außerdem ist der verwendete Algorithmus Problem-neutral. Lernen und Lösen erfolgt beides anhand einer extern vorgegebenen, Problem-spezifischen Nutzenfunktion. Das neuronalen Netz funktioniert jedoch letztlich immer identisch.

Der Vorteil ist, dass du von spezifischen Eigenschaften des Problems wie dem Zustandsraum abstrahierst. Der bestimmte Faktor ist die Größe und damit das Auflösungsvermögens der ersten Schicht des Netzes. Diese ist immer deutlich kleiner als der Zustandsraum, nämlich von der Größenordnung des Spielfeldes. Hier geht im Falle von Fußball eine Diskretisierung ein, d.h. die obige Frage wird ergänzt durch: wie fein muss die Auflösung einer Spielsituation sein, ... Man beachte, dass die Antwort nichts mit der tatsächlichen Größe des Zustandsraumes zu tun hat, sondern lediglich mit der Fähigkeit, genügend gut Fußball spielen zu können.

Ein weitere Vorteil ist, dass der zur Anwendung kommende Algorithmus, nämlich der des Netzwkes selbst, universell ist. Er hängt nicht vom zu lösenden Problem ab. Der Mensch verwendet auch immer das selbe Gehirn, egal, ob er Fußball spielt, oder Schach.

Ein Nachteil ist, dass du effizientere Algorithmen evtl. übersiehst. Aber das Problem hast du bei deinem Ansatz auch. Ich würde beim Fußball versuchen, ein neuronalen Netz zur Mustererkennung für die Spielsituation mit einem effizienten Algorithmus für komplexe dynamische Systeme, also insbs. Differentialgleichungssysteme zu kombinieren. ich wette, dass man damit bessere Erfolge erzielt. Allerdings geht dann die Vergleichbarkeit wieder flöten.
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von seeker » 18. Jul 2016, 10:49

Pippen hat geschrieben:dann 1.000 mögliche Körperhaltungen
Es ist viel, viel mehr.
Ein Mensch hat ca. 100 echte Gelenke.
Wenn du das ganz grob rasterst und sagst, dass jedes Gelenk im Schnitt 10 verschiedene voneinander unabhängige Stellungen haben kann, dann ergibt das schon 10^100 mögliche Körperhaltungen. Das ist aber nur die statische Seite, nicht berücksichtigt ist hier die Momentangeschwindigkeit jedes einzelnen Gelenks, wenn wir auch hier nur 10 Geschwindigkeiten rastern, kommen wir nochmals auf dieselbe Zahl, also gesamt auf 2x10^100
Bei 20 Feldspielern (Torwarte vernachlässigt) ergibt sich ein Kombinationsraum allein dadurch von (2x10^100)^20 - und ein 10er-Raster ist natürlich viel zu grob.
Hinzu kommt die Gesamtbewegung der Menschen (ihrer Schwerpunktes) in 3 Dimensionen (in der 3. Dimension ca. von 0-2m, ein Mensch kann sich hinwerfen und er kann springen).
Wenn du nun noch den Ort der Spieler (ihrer Schwerpunkte) hinzunimmst und das Fußballfeld in ein 1cm-Raster unterteilst (ein Fußballfeld habe 100x50m) ergibt sich 10000cmx5000cmx200cm= 10^10 Rasterwürfel, bei den Momentangeschwindigkeitsvektoren der Schwerpunkte mindestens dasselbe. Es ergeben sich dadurch mindestens (2x10^10)^20 Zustände für die 20 Spieler.

Insgesamt dann: (2x10^100)^20 x (2x10^10)^20 Zustände. Diese Zahl ist unvorstellbar groß und lässt sich schon fast nicht mehr aufschreiben...

Hinzu kommt der Zustand des Fußballs. Die Zuschauer und der ganze Kontext ist hier noch völlig unberücksichtigt.
Sowas übersteigt die Fähigkeiten eines jeden Rechners bei weitem. Real können natürlich bei weitem nicht alle Zustände eingenommen werden, u.a. weil Pfadabhängigkeit herrscht, aber man kann hier schon absehen, dass Fußball einen erheblich größeren Phasenraum als Go oder Schach hat und somit insofern erheblich komplexer ist.


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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 18. Jul 2016, 16:56

@seeker: Wir sind uns sicherlich einig, dass man Fußball nicht vollständig modellieren kann - selbst wenn die Welt an sich diskret aufgebaut wäre (dann wäre IR übrigens doch mindestens abzählbar^^) und es theoretisch ginge, wäre der Aufwand viel zu hoch. Daher reden wir über Näherungslösungen. Ein Ingenieur oder Physiker rechnet faktisch ja auch mit einem diskreten Pi, wie 3,14159265359 und das reicht aus, um alle Probleme zu lösen oder zu berechnen und kein Schmetterlingseffekt hat je Brücken oder Gebäude zerstört, die so gebaut wurden (vllt. bis auf Ausnahmen, die man aber als Unglück hinnehmen kann). Genauso kann ich mir vorstellen, dass ein diskreter Zustandsraum im Fußball ausreicht, um dann Maschinen darin so trainieren zu können, dass sie sehr gut Fußball spielen, auch wenn man "komsiche Abläufe" durch "Schmetterlingseffekte" nie sicher ausschließen können wird.

Dass du und toms freilich sehr wahrscheinlich Recht habt, zeigt sich schon daran, dass sich sprichwörtlich noch niemand mit einem diskreten Zustandsraum im Fußball oder sonst realen Sachverhalten beschäftigt hat - und das bei einer erheblichen AI-community, welche 2050 bereits den Fußball-WM schlagen will.

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von seeker » 18. Jul 2016, 22:36

Pippen hat geschrieben:Genauso kann ich mir vorstellen, dass ein diskreter Zustandsraum im Fußball ausreicht, um dann Maschinen darin so trainieren zu können, dass sie sehr gut Fußball spielen, auch wenn man "komsiche Abläufe" durch "Schmetterlingseffekte" nie sicher ausschließen können wird.
Diskret vielleicht ja, aber so würd ich das nicht angehen.
Man muss auf jeden Fall die Datenmenge möglichst weit reduzieren, auf das Wesentliche. Man kann hier keinen "globalen Bottom-up Ansatz" wählen.
Am sinnvollsten scheint es mir daher zu sein, mit neuronalen, lernfähigen Netzwerken zu arbeiten, denen man nur die Grundmuster einprogrammiert und die man dann einer Art Evolution überlässt. Das Stichwort heißt : Echtes Lernen! Lernfähige Computersysteme.
Ob man dazu besser Digitalrechner oder analoge Rechner oder eine Kombination benutzt, weiß ich nicht.
Jedenfalls muss diese Art von Computer komplexe Bewegungsabläufe, taktisches und strategisches Zusammenspiel und Situationserkennung incl. entsprechender effizienter Reaktion darauf beherrschen. So was programmiert man nicht direkt ein, man lässt die Systeme selbst herausfinden, wie es am besten geht, per Selektion und Mutation und wenigen von Menschen zusätzlich einprogrammierten Zutaten, um die Sache/Entwicklung zu beschleunigen und in die gewollte Richtung zu lenken.

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 19. Jul 2016, 00:08

Ja, damit bist du auf tomS Schiene - und ich stimme euch beiden zu. Mir ging's praktisch losgelöst erstmal nur darum, ob Fußball einen größeren Zustandsraum hat als zB Go und darauf scheint alles hinzudeuten, selbst wenn wir nur eine Pi-mal-Daumen-Diskretion modellieren.

Aber eigentlich interessiert mich sofort eine neue Frage :), die mir bei meinem vorletzten Beitrag kam: Wenn die Welt intrinsisch und vollständig diskret wäre, dann gäbe es weder Kontinuum noch überabzählbaren Mengen wie IR oder Pi/V2/e/.... Unser diesbzgl. Denken (was dann ja auch letztlich diskret sein muss) wäre dann falsch. Was meint ihr?

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 19. Jul 2016, 00:22

Pippen hat geschrieben:Mir ging's praktisch losgelöst erstmal nur darum, ob Fußball einen größeren Zustandsraum hat als zB Go und darauf scheint alles hinzudeuten, selbst wenn wir nur eine Pi-mal-Daumen-Diskretion modellieren.
Ich denke, da hast du recht. Ich bezweifle eben nur, dass das wirklich relevant ist.
Pippen hat geschrieben:Aber eigentlich interessiert mich sofort eine neue Frage :), die mir bei meinem vorletzten Beitrag kam: Wenn die Welt intrinsisch und vollständig diskret wäre, dann gäbe es weder Kontinuum noch überabzählbaren Mengen wie IR oder Pi/V2/e/.... Unser diesbzgl. Denken (was dann ja auch letztlich diskret sein muss) wäre dann falsch. Was meint ihr?
Jein.

Wenn die physikalische Welt vollständig diskret wäre, dann müsste man nicht ein Kontinuum wie IR zur Modellierung heranziehen. Aber im mathematischen Sinn würde IR sicher unabhängig von der physikalischen Welt existieren (jede beliebige, konsistente mathematische Stuktur existiert im mathematischen Sinn, unabhängig davon, ob sie in der physikalischen Welt realisiert ist oder nicht).
Gruß
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 19. Jul 2016, 02:34

tomS hat geschrieben: Aber im mathematischen Sinn würde IR sicher unabhängig von der physikalischen Welt existieren (jede beliebige, konsistente mathematische Stuktur existiert im mathematischen Sinn, unabhängig davon, ob sie in der physikalischen Welt realisiert ist oder nicht).
Hm...aber letztlich basiert der math. Raum ausschließlich auf unserem dann diskreten Gehirn und innerhalb der realen diskreten Raumes, d.h. ich fürchte wir könnten denken, dass diese oder jede math. Struktur in unserem Geiste existiert, aber sie würde es nicht tun, maW unsere Vernunft/Geist würde sich über sich selbst täuschen, so ähnlich wie ein Escherbild einem am Anfang zu einer Wahrnehmung verleitet, um bei genauerem Hinsehen ebenjene als Täuschung zu erkennen. Solche Selbsttäuschungen könnte es bei einer durch und durch diskreten Welt auch in der Mathematik geben, weil dann per se nur diskrete Strukturen möglich und denkbar wären und alles Darüberhinaus ein Hirnf*ck?

Das erinnert mich dann irgendwie an den Streit von Sheldon und Amy, was a priori ist: Physik, die damit Hirn und Bewußtsein erklären kann oder Hirnforschung, die damit Physik erklären kann^^.

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 19. Jul 2016, 06:31

Pippen hat geschrieben:
tomS hat geschrieben: Aber im mathematischen Sinn würde IR sicher unabhängig von der physikalischen Welt existieren (jede beliebige, konsistente mathematische Stuktur existiert im mathematischen Sinn, unabhängig davon, ob sie in der physikalischen Welt realisiert ist oder nicht).
Hm...aber letztlich basiert der math. Raum ausschließlich auf unserem dann diskreten Gehirn und innerhalb der realen diskreten Raumes, d.h. ich fürchte wir könnten denken, dass diese oder jede math. Struktur in unserem Geiste existiert, aber sie würde es nicht tun ...
Ohne auf die philosophischen Konsequenzen einzugehen: ein Gehirn kann offensichtlich mehr mentale Inhalte denken, als in ihm selbst physikalisch realisiert sind: reelle Zahlen, unendlich-dimensionale Hilberträume, das Atiyah-Singer-Indextheorem, ein Fußballspiel, Nürnberger Bratwürste, ...
Gruß
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 20. Jul 2016, 01:21

tomS hat geschrieben:ein Gehirn kann offensichtlich mehr mentale Inhalte denken, als in ihm selbst physikalisch realisiert sind: reelle Zahlen, unendlich-dimensionale Hilberträume, das Atiyah-Singer-Indextheorem, ein Fußballspiel, Nürnberger Bratwürste, ...
Ein Gehirn kann die o.g. Dinge nicht denken, sondern nur so tun, als ob es sie denken kann. Es verwendet dazu kleine Schummeleien, wie zB Symbole, wo es so tut, als ob dafür jede Menge Dinge stehen, die es eigentlich gar nicht überblicken oder prüfen kann. Das ist ein kleiner, aber feiner, Unterschied. Wenn nun die ganze Welt diskret wäre, dann gäbe es keine überabzählbaren Mengen, es gäbe nur unsere als-ob-überabzählbaren Mengen, die tatsächlich abzählbare Mengen wären. Das wäre erstmal kein Problem. Wir können trotzdem einfach so tun, als ob IR überabzählbar wäre und in unserer als-ob-Fantasie-Welt wäre es aufgrund unserer als-ob-Festlegung erstmal wahr, es sei denn auch diese als-ob-Fantasiewelt wäre als Teil der diskreten Welt selbst diskret. Dann würden wir selbst in unserer Fantasiewelt gar nicht glauben können, IR sei überabzählbar, es aber dennoch tun, weil wir uns selbst über die Beschaffenheit unserer Fantasiewelt täuschen.

Puh :peace:

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 20. Jul 2016, 01:33

Pippen hat geschrieben:Wenn nun die ganze Welt diskret wäre, dann gäbe es keine überabzählbaren Mengen, ...

Wir können trotzdem einfach so tun, als ob IR überabzählbar wäre ...
Was ist das für eine seltsame Philosophie? Wieso soll das, was in der realen Welt physikalisch realisiert ist, irgendetwas damit zu tun haben, was ich mathematisch konstruiere?

Ich kann mir tausend Dinge ausdenken, die in der realen Welt nicht realisiert sind, und kann trotzdem logisch darüber nachdenken; ohne mich irgendwie selbst täuschen zu müssen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Gruß
Tom

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von Pippen » 20. Jul 2016, 01:48

tomS hat geschrieben:Was ist das für eine seltsame Philosophie? Wieso soll das, was in der realen Welt physikalisch realisiert ist, irgendetwas damit zu tun haben, was ich mathematisch konstruiere?
Weil du und dein Gehirn als math. Konstrukteure Teil dieser physikalischen Welt seid und damit - so meine ich - per se nichts konstruieren könnt, was sich nicht in dieser Welt realistieren läßt. Auch math. Theoreme sind letztlich nur Feuerraten von Neuronen im jeweiligen Hirn und damit abhängig von der Physik - selbst wenn sie das nicht wahrhaben wollen. ME gilt: Wenn die Welt diskret ist, dann gibt es nicht nur keine überabzählbaren Mengen, sondern dann gibt es auch keine mentale Konstruktion überabzählbarer Mengen, weil die ja zumindest ein Konzept von Überabzählbarkeit voraussetzen würde, was es so aber nicht gäbe.

Man könnte sich das so vorstellen: Es gibt eine Menge, in der alle Elemente die Eigenschaft x haben. Jetzt gibt's in dieser Menge ein Element Y, was das nicht wahrhaben will und sich einfach vorstellt und festlegt, es habe Eigenschaft ~x. Doch das ginge in einer konsistenten Welt schlicht nicht, so sehr Y das auch glauben oder wünschen würde - selbst dieser Glaube wäre eine Täuschung für Y.

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 20. Jul 2016, 07:17

Das ist doch nicht logisch.

Ich kann zwei jeweils in sich konsistente, jedoch untereinander widersprüchliche Modelle konstruieren. Wenn eines davon physikalisch der Realität entspricht, das andere jedoch nicht, habe ich trotzdem beide konstruiert.
Gruß
Tom

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 20. Jul 2016, 22:07

Ich denke, ich muss dies näher erklären.

Ich sehe folgende fundamentale Ebenen:
1) die Realtät, d.h. das, was tatsächlich existiert und geschieht (man kann philosophisch diskutieren, ob diese Ebene überhaupt relevant ist)
2) die Phänomene, Wahrnehmungen, Beobachtungen, Messergebnisse usw. (über die Relevanz kann man nicht diskutieren)
3) eine physikalische Theorie, die zwingend in der Lage sein muss, die Ebene (2) zumindest ausschnittsweise zu berechnen
4) die Mathematik, die und Methoden und Werkzeuge zur Verfügung stellt, um auf Ebene (3) agieren zu können

Diese Einteilung in Ebenen sowie Ebene (3) und (4) sind Produkte des menschlichen Geistes. Ich bin Realist, und behaupte, dass Ebene (1) ohne mein Zutun und unabhängig von mir existiert, das jedoch die Phänoneme auf Ebene (2) sowohl subjektive Aspekte aufgrund des menschlichen Geistes als auch objektive Elemente aufgrund der Ebene (1) vereinen.

Nun zur Ebene (4). Sie ist je nach Sichtweise entweder ein Produkt des menschlichen Geistes, oder sie existiert völlig unabhängig von uns, und wir "entdecken" bzw. "benutzen" sie nur.


Nun zu deinen Thesen:
Pippen hat geschrieben:Wenn die Welt intrinsisch und vollständig diskret wäre, dann gäbe es weder Kontinuum noch überabzählbaren Mengen wie IR ... Unser diesbzgl. Denken (was dann ja auch letztlich diskret sein muss) wäre dann falsch.
Lass' und nicht unser Denken in den Vordergrund stellen, denn wir wissen nicht, wie es wirklich funktioniert. Lass' uns ehrlicherweise Modelle betrachten, also z.B. einen abstrakten Algorithmus, eine reale Turingmaschine (äquivalent) oder ein auf einem Computer implementiertes neuronales Netz. Wir wissen dann sicher, dass eine diskrete Implementierung vorliegt.

Wir können dann allerdings dennoch kontinuierliche Modelle betrachten. Wir können z.B. die abstrakten Regeln für ein Billiard aufstellen. Wir können auf dieser Basis Theoreme konstruieren und Schlussfolgerungen ableiten. Die Regeln, Theoreme und Beweise bilden eine abzählbare Menge diskreter und endliche Entitäten, obwohl sie ein Kontinuum zum Gegenstand haben. Ich kann natürlich keine reelle Zahl vollständig berechnen, aber ich kann in endlich vielen Schritten exakt beweisen, ob zwei Billiardkugeln, die sich reibungsfrei auf einem Kontinuum IR2 bewegen, rationale, reelle oder keine Schnittpunkte haben.

Der Ansatz auf Basis einer diskreten Implementierung ist also in der Lage, das Kontinuum zu erfassen.
Pippen hat geschrieben:Weil du und dein Gehirn als math. Konstrukteure Teil dieser physikalischen Welt seid und damit - so meine ich - per se nichts konstruieren könnt, was sich nicht in dieser Welt realistieren läßt.
Die reellen Zahlen IR können (u.a.) mittels Dedekindscher Schnitte in einem endlichen Prozess definiert werden. Damit sind sie für den Mathematiker auf Ebene (4) existent. Der Mathematiker benötigt dazu weder Ebene (1 - 3), noch muss sein Gehirn selbst im Sinne eines Kontinuums arbeiten oder ein solches sein. Die Existenz eines endlichen Definition zeigt, dass dies bereits ausreichend ist, um über ein Kontinuum zu reden.


Die Beziehung zwischen Ebenen (1 - 2) sowie Ebenen (3 - 4) ist ausschließlich im Geist des Physikers präsent. Ebene (1) limitiert nicht Ebene (4). Ich kann kontinuierliche oder diskrete Weltmodelle basteln, ich kann 17 Dimensionen denken (oder auch unendlich viele). Umgekehrt bedeutet die Denkbarkeit eines Modells auf Ebene (3) nichts für Ebene (1). Die Denkbarkeit eines Modells auf Ebene (3) realisiert dieses nicht auf Ebene (1), und die nicht-Denkbarkeit schließt auf Ebene (1) nichts aus. (3 - 4) umfasst prinzipiell mehr, als möglicherweise auf Ebene (1) existiert, und umgekehrt entziehen sich evtl. Aspekte der Ebene (1) ganz grundsätzlich der Ebene (3 - 4).

Zunächst sind diese Ebenen also völlig unabhängig.
Gruß
Tom

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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von seeker » 21. Jul 2016, 12:42

tomS hat geschrieben:Ich sehe folgende fundamentale Ebenen:
1) die Realtät, d.h. das, was tatsächlich existiert und geschieht (man kann philosophisch diskutieren, ob diese Ebene überhaupt relevant ist)
2) die Phänomene, Wahrnehmungen, Beobachtungen, Messergebnisse usw. (über die Relevanz kann man nicht diskutieren)
3) eine physikalische Theorie, die zwingend in der Lage sein muss, die Ebene (2) zumindest ausschnittsweise zu berechnen
4) die Mathematik, die und Methoden und Werkzeuge zur Verfügung stellt, um auf Ebene (3) agieren zu können
Gefällt mir, das so zu ordnen.
Auch sonst sehe ich die Dinge ähnlich.

Hier irrst du dich aber:
tomS hat geschrieben:(3 - 4) umfasst prinzipiell mehr, als möglicherweise auf Ebene (1) existiert
Das ist ungewiss, es kann genauso gut umgekehrt sein. Über Ebene (1) können wir am Ende eh nichts sicher sagen.

Eher könnte man vielleicht noch sagen:
(3 - 4) umfasst prinzipiell mehr, als möglicherweise auf Ebene (2) existiert
...aber auch das ist bei genauem Betrachten ungewiss.

Gewiss ist m. E., dass (3-4) Dinge enthält, die auf Ebene (2) nicht existieren - und umgekehrt enthält (2) Dinge, die auf (3-4) nicht existieren.
Die spannende Frage ist eher, ob es überhaupt Dinge gibt, die in (2) und in (3-4) existieren, ob überhaupt eine Schnittmenge existiert.
Wohl eher nicht, weil es sich hier niemals um dasselbe handeln kann, die Dinge in beiden Bereichen unterscheiden sich von ihrem Wesen her voneinander, sind also 'kategorisch anders'.

Stattdessen scheint es Dinge in (2) zu geben, die in gewisser Weise und unter der Voraussetzung einer bestimmten Perspektive eine Entsprechung in (3-4) haben. Und in beiden Bereichen gibt es Dinge, die keine Entsprechung im anderen Bereich haben, das ist wegen der Perspektivabhängigkeit des Vergleichs gewiss. Was unter diesen Voraussetzungen dann von beiden "prinzipiell mehr" enthält, lässt sich objektiv gar nicht beantworten, denn dazu braucht es ebenso eine bestimmte, subjektiv gewählte Perspektive.

Gruß
seeker
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 21. Jul 2016, 14:25

Ich will dir gar nicht widersprechen, da logischerweise zu viele Dinge unbekannnt sind; (1) sowieso, der Status des Bewusstseins und damit in Teilen (2), ...

Wichtig ist m.E., dass die Ordnung (1 - 4) nur eine Strukturierung unserer Denkweise ist, nicht zwingend eine Ontologie der "real existierenden Welt".

Und damit in Richtung Pippen: Der Welt ist es egal, in welchen Kategorien wir denken; gut, (4) und (1)passen offensichtlich einigermaßen zusammen, mehr aber auch nicht. Und uns kann es bzgl. (4) egal sein, wie (1) funktioniert. Ich kann denken wie ich will.
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von seeker » 21. Jul 2016, 21:57

Wichtig ist m.E., dass die Ordnung (1 - 4) nur eine Strukturierung unserer Denkweise ist, nicht zwingend eine Ontologie der "real existierenden Welt".
Ja, genau.

Man könnte es auch kurz und bildlich fassen:
Der Umstand, dass ich mir feuerspeiende Drachen vorstellen kann, heißt nicht, dass es wirklich feuerspeiende Drachen gibt.
Es heißt aber auch nicht, dass es feuerspeiende Drachen nicht wirklich gibt.

Pippens Frage ist aber dennoch interessant und m. E. durchaus kompliziert.

Vielleicht kann man sie so umformulieren:
Kann eine endliche Turingmaschine oder allgemeiner, eine endliche diskret arbeitende Einheit, in endlicher Zeit ein Konzept eines Kontinuums entwickeln bzw. abbilden?
Falls nicht: Wäre das vielleicht sogar ein Hinweis darauf, dass unser Gehirn eben nicht diskret arbeitet?

Wobei alle reduktiven Ansätze hier vielleicht doch die Emergenzgeschichte vernachlässigen:
Ich halte es durchaus für denkbar, dass auf Mikroebene in einer komplexen Einheit alles diskret abläuft und dennoch auf Systemebene daraus nicht ableitbare neue Phämomene erscheinen, wie z.B. ein Konzept von "Kontinuum".

Gruß
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Re: Nochmal: Fußball und Kombinationstheorie

Beitrag von tomS » 22. Jul 2016, 00:18

seeker hat geschrieben:Kann eine endliche Turingmaschine ein Konzept eines Kontinuums entwickeln bzw. abbilden?
Sie kann das Konzept nicht selbst entwickeln, aber "man" kann es auf ihr implementieren.

Und zwar ganz einfach deswegen, weil das Konzept nichts anderes ist als eine endliche Menge endlicher Axiome, Definitionen und Theoreme sowie deren Beweise. Ich habe damit keinen endlichen Algorithmus, um überabzählbar viele reelle Zahlen in endlicher Zeit zu berechnen, aber um den geht es nicht; den hat der Mathematiker, der ein endliches Buch zur Algebra schreibt, auch nicht; er hat das Konzept.
Gruß
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