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Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 12. Apr 2016, 01:05
von Pippen
Endlich habe ich einen plausiblen Weg gefunden, die Frage zu lösen, wie wahrscheinlich die Ziehung einer Zahl wie zB 42 aus einer IN-Urne ist.

Die Antwort lautet nicht das unlösbare P(42) = 1/unendlich, sondern P(42) = 0. Denn aufgrund Kolmogorov's 3. Axiom können die Wahrscheinlichkeiten für die Ziehung der jeweiligen natürlichen Zahlen (die Ziehung jeder nat. Zahl stellt eine disjunkte Ereignismenge dar) addiert werden, also P(1) + P(2) + P(3) + .... Weiterhin muss mangels Informationen für jede Zahl die gleiche Wahrscheinlichkeit angenommen werden (Indifferenzannahme). Aus dem 1. Kolmogorov Axiom folgt nun, dass die Wahrscheinlichkeit P(1 oder 2 oder 3 oder 4 oder...) = P(1) + P(2) + P(3) + ... kleiner/gleich 1 sein muss. Das geht ausschließlich und nur dann, wenn P(x) = 0, denn wäre die Wahrscheinlichkeit für jede Zahl irgendwie größer als Null, dann käme am Ende der Addition aller unendlichen vielen Zahlen eine Zahl mind. größer als Eins raus und das widerspräche dem 1. Kolmogorov Axiom (s.o.).

Mein Problem: Wie beweise ich eigentlich, dass die Folge n + n + n + n +... (n € IR) für jedes n größer als Null divergiert bzw. die Summe damit immer mind. größer als Eins ist? Kann jmd. einen Beweis anbieten - wie immer mit so einfachen Mitteln wie möglich?

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 12. Apr 2016, 06:54
von tomS
Ich weiß nicht, wie of wir das noch diskutieren müssen: für die Grundmenge der natürlichen Zahlen ist die Gleichverteilung in jedem Fall inkonsistent.

Setzt man p(n) = p > 0, so ist die Summe über alle p(n) gleich unendlich.

Setzt man p(n) = p = 0, so ist die Summe über alle p(n) gleich null.

Beides ist nicht verträglich mit den Axiomen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 12. Apr 2016, 13:54
von Skeltek
Wieso sollte die 1 die gleiche Wahrscheinlichkeit haben wie geht 2533567?

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 12. Apr 2016, 14:13
von seeker
Pippen hat geschrieben:Wie beweise ich eigentlich, dass die Folge n + n + n + n +... (n € IR) für jedes n größer als Null divergiert bzw. die Summe damit immer mind. größer als Eins ist?
Eigentlich ist das offensichtlich. "Einen Beweis führen" bedeutet ja, "etwas offensichtlich machen", das zuvor noch nicht offensichtlich war.
Wenn also etwas auch so schon offensichtlich ist, ist ein zusätzlicher Beweis eigentlich nicht mehr erforderlich.

Dennoch als Beweisführung:
F = n + n + n + ... (mit m Gliedern) = m*n
Da gilt: m>0 und n>0, gilt: lim (m -> oo) m*n = oo


Man könnte man es auch mit dem Kehrwert probieren:
Zu zeigen wäre dann, dass für die Reihe G = 1/F = 1/(n + n + n + ...) [n € R, n>0] gilt: G konvergiert für alle n>0 gegen 0!
Ganz offensichtlich ist das so.

G = 1/(n + n + n + ...) = 1/(m*n)
Da m->oo läuft und n irgendeine bestimmte fixe Zahl ist, konvergiert 1/(m*n) immer gegen Null:

G = 1/(m*n) = 1/m * 1/n ; mit 1/n = k folgt:
G = k * 1/m = k/m

lim (m->oo) k/m = 0

Gruß
seeker

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 12. Apr 2016, 23:44
von tomS
Beweis durch Widerspruch.

Sei Fk(n) = n + n + ... + n = kn.

Annahme: für ein beliebiges, festes n sei Fk(n) beschränkt für alle k, d.h. es existiere eine endliche, k-unabhängige obere Schranke S(n) mit Fk(n) < S(n), also kn < S(n).

Nun wähle ein endliches k' > S(n). Dann gilt Fk'(n) = k'n > S(n) * n > S(n); oder = S(n) wenn speziell n = 1.

Dies ist ein Widerspruch zur Annahme Fk(n) < S(n). Damit ist die Annahme widerlegt, und damit kann Fk(n) nicht beschränkt sein.

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 13. Apr 2016, 01:28
von Pippen
tomS hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie of wir das noch diskutieren müssen: für die Grundmenge der natürlichen Zahlen ist die Gleichverteilung in jedem Fall inkonsistent.
Nein, das sehe ich (noch) anders (s.u.)
Setzt man p(n) = p > 0, so ist die Summe über alle p(n) gleich unendlich.
Ja, deshalb geht das nicht.
Setzt man p(n) = p = 0, so ist die Summe über alle p(n) gleich null.

...nicht verträglich mit den Axiomen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Die Ereignismenge ist IN und P(Ereignismenge) = 1, aber für jede einzelne Zahl gilt: P(Zahl) = 0. Woraus ergibt sich denn, dass die Vereinigung der disjunkten Ereignismengen (Zahlen) die Ereignismenge ergeben müssen? Nehmen wir die Ereignismenge = {1,2,3} an, deren Elemente nicht durch ein Oder verknüpft sind. Nun modellieren wir für eine Ziehung die Einzelereignisse {1}, {2} und {3}. Wir könnten nun problemlos P(1) = 0,9 und P(2) = 0 und P(3) = 0 festlegen, so dass P(1) + P(2) + P(3) = 0,9, denn ({1} v {2} v {3}) ist eben nicht {1,2,3}. Ich sehe da prima facie keinen Verstoß gegen Kolmogorov's Axiome oder Mengenaxiome.

Zum Beweis, dass jede n-Summenfolge mit n > 0 gegen unendlich bzw. gegen keine konkrete Zahl konvergiert: Wir nehmen an, die Folge konvergiert gegen eine Schranke (in Form einer beliebigen Zahl). Diese Schranke müsste man als Summe n+n+n+n+... bzw. k*n schreiben können. Doch die n-Summenfolge ist unendlich, so dass k+1*n existiert und das ist größer als die Schranke, Widerspruch zur Annahme, die damit falsch sein muss. Hab ich da eure Beweise richtig (laiengerecht) zusammengefaßt?

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 13. Apr 2016, 07:05
von tomS
Pippen hat geschrieben:Die Ereignismenge ist IN und P(Ereignismenge) = 1, aber für jede einzelne Zahl gilt: P(Zahl) = 0. Woraus ergibt sich denn, dass die Vereinigung der disjunkten Ereignismengen (Zahlen) die Ereignismenge ergeben müssen? Nehmen wir die Ereignismenge = {1,2,3} an ... Nun modellieren wir für eine Ziehung die Einzelereignisse {1}, {2} und {3}. Wir könnten nun problemlos P(1) = 0,9 und P(2) = 0 und P(3) = 0 festlegen, so dass P(1) + P(2) + P(3) = 0,9, denn ({1} v {2} v {3}) ist eben nicht {1,2,3}. Ich sehe da prima facie keinen Verstoß gegen Kolmogorov's Axiome oder Mengenaxiome.
Das ist doch Quatsch. Erstens ist die Vereinigung von {1}, {2} und {3} gerade {1,2,3} - was denn sonst??? und zweitens gilt die Normiertheit gem. den Kolmogorovschen Axiomen.

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 13. Apr 2016, 13:30
von Pippen
tomS hat geschrieben:Das ist doch Quatsch. Erstens ist die Vereinigung von {1}, {2} und {3} gerade {1,2,3} - was denn sonst???
Die Vereinigungsmenge von {1}, {2} und {3} ist {{1}, {2}, {3}}, nicht {1,2,3}! Ich sehe nicht, wo Kolmogorov vorschreibt, dass die Elemente der Ergebnismenge selbst Mengen sein müssen und wenn das so ist, dann kann die Vereinigung von den Einzelmengen {1}, {2} und {3} nicht zur Ergebnismenge {1,2,3} führen. So könnte man argumentieren: Die Ergebnismenge bei der Ziehung aus IN ist {1,2,3,...}, während die einzelnen Ereignisse {1}, {2} usw. sind. Damit könnte P({x}) = 0 sein und trotzdem P(Ergebnismenge) = 1. Das wirkt zwar arg konstruiert, aber ich sehe da kein zwingendes Gegenargument oder Widersprüche: Die Wahrscheinlichkeit, eine konkrete natürliche Zahl zufällig auszuwählen ist gleich Null, die Wahrscheinlichkeit irgendeine natürliche Zahl auszuwählen, ist gleich Eins. Zugegeben: Bei meiner Konstruktion hätte die Ergebnismenge keine besondere Funktion außer pro forma das 2. Axiom zu erfüllen.

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 13. Apr 2016, 16:18
von tomS
Pippen hat geschrieben:Die Vereinigungsmenge von {1}, {2} und {3} ist {{1}, {2}, {3}}, ...
Das ist falsch.

Die Vereinigungsmenge von {1}, {2} und {3} ist {1, 2, 3}. Generell ist die Vereinigungsmenge aus Mengen einzelner Elemente nicht eine Menge dieser Mengen, sondern eine Menge der einzelnen Elemente.

Alles weitere
Pippen hat geschrieben:... die Ergebnismenge bei der Ziehung aus IN ist {1,2,3,...}, während die einzelnen Ereignisse {1}, {2} usw. sind. Damit könnte P({x}) = 0 sein und trotzdem P(Ergebnismenge) = 1. Das wirkt zwar arg konstruiert, ...
ist irrelevant bzw. falsch.

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 13. Apr 2016, 21:38
von Pippen
Aha, ok, aber dann folgt folgende Frage: In praktisch allen Vorlesungen zur Stochastik wird als Schulbsp. für überabzählbare Wahrscheinlichkeiten eine kontinuierliche Dartscheibe angenommen und gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Punkt x zu treffen gleich Null sei. Die sagen das auch nicht nur so, die schreiben P(x) = 0. Das wäre dann falsch. Denn die Ergebnismenge wäre IR² und dann gäbe es schlicht keine konsistente Einzelwahrscheinlichkeit P(x) für einen Treffer. Die müssten also sagen: P(x) = nicht definiert. Wieso machen die das nicht?

p.s. Es ist klar, dass in o.g. Bsp. Gleichverteilung angenommen wird.

Re: Einzelwahrscheinlichkeiten bei unendlichen Mengen

Verfasst: 13. Apr 2016, 23:39
von tomS
Pippen hat geschrieben: In praktisch allen Vorlesungen zur Stochastik wird als Schulbsp. für überabzählbare Wahrscheinlichkeiten eine kontinuierliche Dartscheibe angenommen und gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Punkt x zu treffen gleich Null sei. Die sagen das auch nicht nur so, die schreiben P(x) = 0. Das wäre dann falsch. Denn die Ergebnismenge wäre IR² und dann gäbe es schlicht keine konsistente Einzelwahrscheinlichkeit P(x) für einen Treffer. Die müssten also sagen: P(x) = nicht definiert. Wieso machen die das nicht?
Das ist doch etwas völlig anderes.

Für die Menge der natürlichen Zahlen N ist das Wahrscheinlichkeitsmaß gegeben durch P(n); die Summe über alle P(n) muss gleich Eins sein.

Für ein Intervall (a,b) als Teilmenge der reellen Zahlen R ist das Wahrscheinlichkeitsmaß P(x,y) gegeben durch die Integale ∫(x,y)dx p(x) über die offenen Mengen (x,y) als Teilmengen von (a,b); das Integral ∫(a,b)dx μ(x) muss gleich Eins sein. Für R² usw. funktioniert das analog. Die Funktion μ(x) bezeichnet dabei keine Wahrscheinlichkeit sondern eine Wahrscheinlichkeitsdichte. Deine Wahrscheinlichkeit P(x) für genau eine reelle Zahl x ist nur deswegen Null, weil

P(x) = P(x,x) = ∫(x,x)dx μ(x) = 0

d.h. weil das Intervall (x,x) die Länge Null hat, unabhängig von μ(x).

Die Wahrscheinlichkeit P(x,y) wird jedoch nicht aus P(x) = P(x,x) gewonnen, sondern aus μ(x). Und μ(x) ist natürlich nicht Null auf ganz (a,b).

Die bringst hier zwei Dinge durcheinander: P(n) auf den natürlichen Zahlen N ist für die Gleichverteilung P(n) = P = const. nicht definiert, da sowohl P = 0 als auch P > 0 als Wahrscheinlichkeitsmaß inkonsistent sind. μ(x) = μ = const. und damit die Gleichverteilung ist dagegen auf einem endlichen Intervall (a,b) wohldefiniert:

μ = 1 / |b - a| > 0

P(x) = 0 für alle x in (a,b)

P(a,b) = ∫(a,b)dx μ(x) = 1