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Sonne als Zwilling?

Verfasst: 20. Jun 2017, 10:03
von gravi
Schon öfter wurde vermutet, dass die Sonne einstmals einen Begleiter hatte. Nun haben Forscher ein Modell entwickelt, nach welchem sonnenähnliche Sterne fast immer als Doppelstern entstehen:

Nemesis

Ihren Zwilling, "Nemesis" genannt, hat man bisher aber nicht finden können.
Offen gesagt, stehe ich dieser Hypothese etwas skeptisch gegenüber. Ich meine, dass bei der Sternentstehung alles möglich ist, vom Einzel- über Doppelstern bis hin zu Mehrfachsystemen. Die Natur weiß es sicher besser als ein Paper auf arxiv.org :wink:

Gruß
gravi

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 20. Jun 2017, 10:13
von ralfkannenberg
gravi hat geschrieben:
20. Jun 2017, 10:03
Schon öfter wurde vermutet, dass die Sonne einstmals einen Begleiter hatte. Nun haben Forscher ein Modell entwickelt, nach welchem sonnenähnliche Sterne fast immer als Doppelstern entstehen:
Hallo gravi,

ich würde hier mal die Fakten sprechen lassen, die man am besten kennt, und das sind die Sterne in Sonnenumgebung, also bis gut 5pc Entfernung (~17 Lichtjahre). Wieviel Prozent der Sterne in diesem ausgezeichnet erforschten Bereich sind Einzelsterne ?

Rein auswendig lege ich da mal von den von blossem Auge sichtbaren sowie von den Weissen Zwergen (die waren früher nämlich von blossem Auge sichtbar und die drei hellsten lagen auf den Plätzen 1-3, noch vor dem heutigen Sirius A auf Platz 4 !) neben unserer Sonne tau Ceti, epsilon Eridani, Atair und auch die beiden Weissen Zwerge van Maanen2 und GJ 440 als Joker auf den Tisch.


Freundliche Grüsse, Ralf

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 20. Jun 2017, 12:22
von ralfkannenberg
ralfkannenberg hat geschrieben:
20. Jun 2017, 10:13
als Joker auf den Tisch.
Hallo zusammen,

der zweitnächste Fixstern, das ist Barnard's Pfeilstern, ist meines Wissens ebenfalls Einzelgänger :)


Freundliche Grüsse, Ralf

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 20. Jun 2017, 12:38
von Frank
gravi hat geschrieben:
20. Jun 2017, 10:03

Ihren Zwilling, "Nemesis" genannt, hat man bisher aber nicht finden können.
Was natürlich auch nicht viel aussagt, weil es durch Kameraden gibt, wie braune Zwerge, die halt sehr schwer zu entdecken sind. Ich denke auch nicht das es ein "Eineiiger" Zwilling ist, daran wohl aber die meisten denken, wenn von Zwillingen die Rede ist.
gravi hat geschrieben:
20. Jun 2017, 10:03

Offen gesagt, stehe ich dieser Hypothese etwas skeptisch gegenüber. Ich meine, dass bei der Sternentstehung alles möglich ist, vom Einzel- über Doppelstern bis hin zu Mehrfachsystemen. Die Natur weiß es sicher besser als ein Paper auf arxiv.org :wink:
Wir wissen doch schon länger, dass Einzelsysteme eher die Ausnahme sind im galaktischen Durchschnitt. Was die Natur allerdings teilweise für Überraschungen bereit hällt, sehen wir doch gerade an den Exoplaneten. :wink:

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 20. Jun 2017, 12:58
von ralfkannenberg
Frank hat geschrieben:
20. Jun 2017, 12:38
Wir wissen doch schon länger, dass Einzelsysteme eher die Ausnahme sind im galaktischen Durchschnitt.
Hallo Frank,

ich bin mir nicht sicher, ob die Wortwahl "eher die Ausnahme" die Situation korrekt beschreibt:
Wikipedia über Doppelsterne hat geschrieben:Über die Hälfte aller Sterne unserer Milchstraße (möglicherweise sogar 70 %) sind Teil eines Doppelsternsystems. Bis zur Entfernung von 20 Lichtjahren sind es rund 60 %.
Das bedeutet, dass 30-40% der Sterne Einzelsterne sind.


Freundliche Grüsse, Ralf

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 21. Jun 2017, 08:55
von Frank
Ja schein wohl so zu sein.

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 21. Jun 2017, 12:33
von ralfkannenberg
ralfkannenberg hat geschrieben:
20. Jun 2017, 10:13
Rein auswendig lege ich da mal von den von blossem Auge sichtbaren sowie von den Weissen Zwergen (die waren früher nämlich von blossem Auge sichtbar und die drei hellsten lagen auf den Plätzen 1-3, noch vor dem heutigen Sirius A auf Platz 4 !) neben unserer Sonne tau Ceti, epsilon Eridani, Atair und auch die beiden Weissen Zwerge van Maanen2 und GJ 440 als Joker auf den Tisch.
Hallo zusammen,

natürlich ist diese einseitige Aufzählung unfair. Also zählen wir mal die anderen auf:

Alpha Centauri ist ein Mehrfachsystem, Sirius mit seinem Weissen Zwerg ist ebenso wie Procyon mit seinem Weissen Zwerg ein Mehrfachsystem, und 61 Cygni mit seinen beiden fast gleich hellen Komponenten natürlich auch. Gleiches gilt auch für 40 Eridani, bei dem einer der Partner der zuerst entdeckte Weisse Zwerg überhaupt ist. Etwas weiter entfernt noch 70 Ophiuchi, auch der ist ein Doppelstern zweier fast gleich heller Komponenten. Fehlt noch epsilon Indi; um den wurden inzwischen zwei Braune Zwerge entdeckt.

Dann haben wir in diesem Bereich bei den von blossem Auge sichtbaren oder Weissen Zwergen 6 Einzelsysteme und 7 Mehrfachsysteme.

Barnard's Pfeilstern habe ich nicht mitgezählt, weil der ja nicht von blossem Auge sichtbar ist. Wer sich da genauer informieren möchte kann beispielsweise hier nachzählen; Achtung: Stand ist 2006. Da wurden inzwischen noch einige nahe stehende Braune Zwerge entdeckt wie das Doppel-Braune Zwerg-System Luhman 16, das von der Sonne aus gesehen drittnächste Sternsystem überhaupt.


Freundliche Grüsse, Ralf

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 21. Jun 2017, 14:43
von seeker
Ich kann mir schon vorstellen, dass fast alle Sterne zunächst als Mehrfachsysteme entstehen und dann der/die Begleiter später oft verloren gehen.

Wobei ein "Mehrfachsystem" im weiteren Sinne ja alles ist, wo wir keine Einzel-Sonne haben, die völlig alleine und isoliert ist, so z.B. unser eigenes System mit seinen Planeten.
Ob die zusätzlichen Körper/Massen dann Gesteinsplaneten werden, oder Gasplaneten oder braune Zwerge oder echte Sterne ist ja im Grunde nur ein Frage der Masse.

Die interesanten Fragen daraus sind für mich:

- Gibt es überhaupt Sonnen, die völlig alleine entstanden sein können (also auch ohne Planeten, wo die gesamte Masse der ursprünglichen Wolke im Stern versammelt wird), ist so etwas überhaupt vorstellbar?

Ich kann es mir gerade nicht recht vorstellen...

- Wie stabil sind Mehrfachsysteme (auch im erweiterten Sinne) über sehr lange Zeiträume im 'Gewusel' einer Galaxie? Wie wahrscheinlich ist es, dass zusammen entstehende Sonnen oder Sonnen mit Planeten dauerhaft zusammenbleiben?

Ich kann mir hier vorstellen, dass die Entfernung eine große Rolle spielt: Je weiter ein Körper vom Massezentrum eines Systems entfernt ist, desto leichter kann er durch äußere Störungen (z.B. andere Sterne) aus dem System enfernt werden oder durch andere Effekte mit der Zeit davondriften.
Und ich glaube: Je mehr Körper innerhalb eines Systems vorhanden sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass durch ein chaotisches Aufschaukeln auch einmal ein Körper mit seiner Sonne kollidiert oder in den freien Raum herausgeschleudert wird.

Was meint ihr?

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 21. Jun 2017, 16:54
von ralfkannenberg
seeker hat geschrieben:
21. Jun 2017, 14:43
Ich kann mir schon vorstellen, dass fast alle Sterne zunächst als Mehrfachsysteme entstehen und dann der/die Begleiter später oft verloren gehen.
Hallo seeker,

ich habe mir nun mal den Preprint angeschaut, wobei das bei 21 Seiten Länge nur sehr oberflächlich möglich war. Demnach ist die Trennung der beiden Partner noch nicht gut verstanden und erfordert weitere Beobachtungen. Grundsätzlich sehen die Überlegungen aber plausibel aus und die Forscher scheinen mir auf einem guten Weg zu sein.

seeker hat geschrieben:
21. Jun 2017, 14:43
- Wie stabil sind Mehrfachsysteme (auch im erweiterten Sinne) über sehr lange Zeiträume im 'Gewusel' einer Galaxie? Wie wahrscheinlich ist es, dass zusammen entstehende Sonnen oder Sonnen mit Planeten dauerhaft zusammenbleiben?
Ich denke, das Gewusel der Galaxie ist nicht der Punkt und auch im paper wird die Situation angesprochen, dass die meisten Sterne ja in Sternhaufen entstehen, d.h. die Sterndichte ist deutlich höher als in der Galaxie, und die Trennung der beiden Partner in astronomisch kurzen Zeiträumen erfolgt:
In our phenomenological model, newly formed binaries not only shrink with time, but also break apart into single stars. Indeed, the time scale for breakup is generally faster than that for orbital shrinking, suggesting that breakup is a more efficient.We considered two binary breakup scenarios, where the parent core itself splits into two parts (see Section 5.1) and where one or both of the stars are ejected from the system (see Appendix A).

Und einige wenige Sätze später:
The root cause of binary breakup is difficult to assess, and there is little guidance in the literature. It has long been known that stellar dynamical interactions (e.g., within higher-order multiples) can lead to ejections from a bound system (e.g., Reipurth & Clarke 2001; Reipurth et al. 2014). In dense clusters, close passes of single or multiple stars can disrupt binaries and similarly lead to ejections (e.g., Kroupa et al. 1999; Parker et al. 2009).

Allerdings gehen die Autoren wie man nur einen Satz später lesen kann von einer anderen Voraussetzung aus:
These processes are less likely to occur when the gravitational potential is dominated by the dense core, as in our systems.
Man müsste sich das ganze aber genauer und im Kontext anschauen; ich erwähne das nur, denn wie gesagt: mir fehlt die Zeit, das lange paper gründlicher zu lesen. Mein erster Eindruck, der täuschen kann, ist der, dass die Trennung der beiden Partner ein "schneller" Prozess ist, also noch während der Zeit passiert, in der sich der junge Stern bzw. das junge Sternpaar noch in seinem "Geburts-Sternhaufen" befindet.


Freundliche Grüsse, Ralf

Re: Sonne als Zwilling?

Verfasst: 21. Jun 2017, 18:47
von Skeltek
Halte es für relativ wahrscheinlich, dass entweder die meisten als Einzelstern anfangen und sich dann etwas gleich großes einfangen,
oder die meisten als Doppelstern anfangen und mit Interaktion mit weiteren Körpern dann Begleiter verlieren.
Dass in ähnlicher Größenordnung Einzel- als auch Doppelsterne entstehen halte ich auch für möglich, aber eher unwahrscheinlich.
Man müsste eben erstmal die Wahrscheinlichkeiten betrachten unter welchen Initialbedingungen was am ehesten entsteht.

Ich selbst denke, dass es fast unmöglich ist sich als Einzelsystem einen gleichwertigen Parnter einzufangen ohne Beteiligung eines größeren Objektes, welches einen kleinen Sateliten dann an die Sonne abgibt.
Die Chance ist höher, dass der zweite Stern auch an das zentrale Super-SL gebunden wird, als dass er so viel Impuls mitbringt, sich einen Begleiter des SLs zum Mitnehmen herauszureissen.
Es ist zumindest eher so dass selbst bei erfolgreicher Bildung eines Doppelsternes durch Einfang (was erst durch das viel schwerere SL ermöglicht wird), doch beide meistens irgendwo in dem Einflussbereich des SLs bleiben und sich später wieder durch Wechselwirkung/Impulsaustausch mit dem SL verlieren könnten.

Da ist eher das Entstehen als Doppelsternssystem und Verlust des Partners Impulsaustausch-technisch meiner Meinung nach deutlich wahrscheinlicher.